Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtungsklage wegen Ablehnung des Antrages auf Verzicht von Stundungszinsen: Keine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die Stundungszinsfestsetzung, Unzulässigkeit der Klage bei unrichtiger Zinsfestsetzung - Keine Stundungszinsen wegen Ratenzahlung aufgrund von Einbringungsgewinnen i.S.d. § 20 UmwStG 1977: Schließung der Gesetzeslücke in § 20 Abs. 5 S. 3 UmwStG 1977 durch analoge Anwendung § 21 Abs. 2 S. 4 UmwStG, Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliches Verbot der Diskriminierung - Auslegung von Klageanträgen bei unrichtiger Bezeichnung der Klageart - Keine Vorlage vor EuGH bei Schließung einer planwidrigen Gesetzeslücken unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung über die Festsetzung von Stundungszinsen und die Entscheidung über den Verzicht auf die Zinsen aus Gründen sachlicher Billigkeit stehen selbständig nebeneinander und sind voneinander unabhängig. Für die Aussetzung des Billigkeitsverfahrens gemäß § 74 FGO fehlt es deshalb an den tatbestandlichen Voraussetzungen.

2. Der auf den Zinsverzicht gerichtete Rechtsbehelf ist unzulässig, wenn von der Festsetzung von Zinsen bereits aus Sachgründen abzusehen ist.

3. Bei einer Stundung gemäß § 20 Abs.5 Satz 3 UmwStG 1977 sind in analoger Anwendung von § 21 Abs.2 Satz 4 UmwStG 1977 keine Zinsen zu erheben.

 

Orientierungssatz

1. Erhebt ein Kläger statt Verpflichtungsklage Anfechtungsklage, hat das Gericht im Wege der Auslegung den Willen der Partei anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln. Dies ist auch noch in der Revisionsinstanz möglich und geboten. Das Wesen der Klage wird nicht durch den Klageantrag bestimmt, sondern durch den begehrten richterlichen Ausspruch (vgl. BFH-Rechtsprechung).

2. Gegen eine Ablehnung des Antrages auf Verzicht festgesetzter Stundungszinsen aus Billigkeitsgründen ist die Verpflichtungsklage gegeben.

3. Der gesetzliche Stundungstatbestand des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 enthält aufgrund einer fehlenden Regelung bzgl. der Entstehung von Stundungszinsen eine planwidrige Gesetzeslücke, die durch Analogie zu schließen ist.

4. Können die Gerichte die gemeinschaftsrechtlich gebotene Gleichbehandlung unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtiger im Einklang mit den gesetzlichen Wertungen im Wege der gesetzlichen Lückenschließung erreichen, sind sie befugt, das Gesetz insoweit durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung zu vervollkommnen, ohne daß es einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf.

5. Bei der Verwirklichung der gesetzlichen Stundungstatbestände der § 20 Abs. 5 Satz 3 und § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1977, insbesondere bzgl. der Erhebung von Stundungszinsen, widerspricht eine unterschiedliche Behandlung solcher Steuerpflichtiger, die bereits bei der Sacheinbringung gemäß § 20 Abs. 1 UmwStG 1977 beschränkt steuerpflichtig sind, und solcher Steuerpflichtiger, die zunächst unbeschränkt steuerpflichtig sind und erst später --bei Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile-- beschränkt steuerpflichtig werden, dem in Art. 52 EWGV angeordneten Diskriminierungsverbot in Gestalt des Rechts auf freie Niederlassung (vgl. EuGH-Urteil vom 13.7.1993 C-330/91).

 

Normenkette

AO 1977 §§ 163, 227, 234, 363 Abs. 1; EWGVtr Art. 177 Abs. 3, Art. 52; FGO § 40 Abs. 1, §§ 74, 96 Abs. 1 S. 2; UmwStG 1977 § 20 Abs. 1, 3, 5 S. 3, § 21 Abs. 2 S. 4; UmwStG 1995 § 20 Abs. 6

 

Verfahrensgang

FG Bremen (Urteil vom 30.07.1996; Aktenzeichen 294169K2; EFG 1996, 966; LEXinform-Nr. 0139291)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine britische Kapitalgesellschaft, die beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) als beschränkt steuerpflichtige Körperschaft geführt wird. Sie war bis zum 30. Juni 1989 an der (inländisch- en) X-AG & Co. als Kommanditistin beteiligt. Die daraus resultierenden Einkünfte unterlagen der deutschen beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit Wirkung vom 30. Juni 1989 brachte die Klägerin ihren Kommanditanteil in die X-AG gegen Gewährung neuer Anteile ein. Der Veräußerungsgewinn, den die Klägerin als beschränkt Steuerpflichtige nach § 20 Abs. 3 und 4 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG 1977) in der für diese Einbringung maßgeblichen Fassung bis zur Änderung durch das Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt (Standortsicherungsgesetz --StandOG--) vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) unter Berücksichtigung des Teilwerts zu berechnen hatte, wurde im Körperschaftsteuerbescheid 1989 erfaßt. Diese Körperschaftsteuerfestsetzung ist von der Klägerin nicht angefochten worden. Als Abschlußzahlung wurde im Körperschaftsteuerbescheid ein Betrag errechnet, der in voller Höhe den Veräußerungsgewinn nach § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1977 betrifft. Mit Bescheid vom 9. Juli 1992 entsprach das FA dem Antrag der Klägerin, die Steuer auf den Veräußerungsgewinn gemäß § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 in jährlichen Teilbeträgen zu je 1/5 zu entrichten. Zugleich setzte das FA Stundungszinsen von 1 623 786,36 DM fest.

Die Klägerin legte gegen den Zinsbescheid Einspruch ein und beantragte hilfsweise, Stundungszinsen nach § 163 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen sachlicher Härte nicht zu erheben, weil die Erhebung dem gesetzlichen Zweck des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 zuwiderlaufe. Das FA setzte die Entscheidung über den Einspruch nach § 363 Abs. 1 AO 1977 bis zur Entscheidung über die Vornahme einer Billigkeitsmaßnahme aus, die das FA als Antrag nach § 234 Abs. 2 AO 1977 auf Verzicht der Zinserhebung ansah. Diesen Antrag lehnte es ebenso wie anschließend die Oberfinanzdirektion (OFD) im Beschwerdeverfahren ab. Das Finanzgericht (FG) hat diese Ablehnungen auf die dagegen gerichtete Anfechtungsklage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 966 wiedergegebenen Gründen bestätigt.

Ihre Revision begründet die Klägerin mit Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und --insoweit wie bereits im Klageverfahren-- den Ablehnungsbescheid des FA vom 20. August 1993 in Gestalt der Beschwerdeentscheidung der OFD Bremen vom 20. Juni 1994 dahingehend zu ändern, daß die Stundungszinsen auf 0 DM festgesetzt werden.

Sie regt ferner an, das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum Abschluß des Einspruchsverfahrens gegen den Festsetzungsbescheid über die Stundungszinsen auszusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist zulässig, im Ergebnis aber unbegründet. Sie war mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Für eine Billigkeitsentscheidung ist kein Raum, weil die der Klägerin gewährte Stundung ohnehin zinslos zu gewähren war.

1. Die Klägerin hat mit ihrer Klage beantragt, den Ablehnungsbescheid des FA in Gestalt der Beschwerdeentscheidung der OFD aufzuheben und die Stundungszinsen auf Null festzusetzen. Dem- entsprechend lautet auch ihr Revisionsantrag. Ihr Begehren ist damit auf Anfechtung gerichtet (§ 40 Abs. 1, 1. Alternative FGO). Für eine Anfechtungsklage ist indes kein Raum. Die Klägerin wendet sich im Streitfall dagegen, daß das FA ihren Antrag auf Verzicht auf die festgesetzten Stundungszinsen aus Gründen der Billigkeit abgelehnt hat. Gegen diese Ablehnung ist die Verpflichtungsklage und nicht die Anfechtungsklage gegeben. Das Gericht ist jedoch an die Fassung des Klageantrages nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO), sondern hat im Wege der Auslegung den Willen der Partei anhand der erkennbaren Umstände zu ermitteln (Bundesfinanzhof --BFH--, Urteile vom 9. November 1983 II R 71/82, BFHE 140, 13, BStBl II 1984, 446; vom 26. März 1985 IX R 41/80, BFHE 143, 554, BStBl II 1985, 692; von Beckerath in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 40 FGO Rz. 22; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 40 FGO Tz. 2, jeweils, m.w.N.). Dies ist auch noch in der Revisionsinstanz möglich und geboten (vgl. auch Urteil in BFHE 140, 13, BStBl II 1984, 446). Das Wesen der Klage wird nicht durch den Klageantrag bestimmt, sondern durch den begehrten richterlichen Ausspruch.

2. Die Verfahrensrüge der Klägerin greift nicht durch. Das FG war nicht gehalten, das Klageverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen, bis in dem Einspruchsverfahren, das sich gegen die Zinsfestsetzung richtet, entschieden ist. Das (Sach-)Verfahren gegen die Zinsfestsetzung (gemäß § 234 Abs. 1 AO 1977, hier i.V.m. § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977) und das (Billigkeits-)Verfahren wegen des Zinsverzichts (gemäß § 234 Abs. 2, §§ 163, 227 AO 1977) stehen selbständig nebeneinander und sind nicht voneinander abhängig (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. Februar 1991 IX R 95/88, BFHE 163, 562, BStBl II 1991, 572), und zwar auch dann nicht, wenn --in den Fällen einer sachlichen Unbilligkeit-- ungewiß und streitig ist, ob sich das erstrebte Ergebnis bereits durch Sachauslegung der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften oder erst im Einzelfall durch Billigkeitserweis herbeiführen läßt. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO (ebenso Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 AO 1977 Tz. 20; von Groll in

Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 227 AO 1977 Rdnr. 192). Aus demselben Grunde war auch das Revisionsverfahren nicht, wie von der Klägerin angeregt, auszusetzen.

3. Wie die Klägerin zu Recht befürchtet, kann diese Rechtslage allerdings zur Folge haben, daß der auf eine Billigkeitsentscheidung gerichtete Rechtsbehelf erfolglos bleibt, weil dem Steuerpflichtigen das erstrebte Ergebnis aus Rechtsgründen ohnehin zusteht. Diese Erfolglosigkeit hängt indes damit zusammen, daß er bereits vor Abschluß des eigentlichen Sachverfahrens ein (gleichzeitiges) Billigkeitsverfahren angestrengt hat, dessen Ausgang dann seinem Prozeßrisiko obliegt. So verhält es sich auch im Streitfall. Die Revision ist unbegründet. Ein Zinsverzicht aus Gründen der Billigkeit ist der Klägerin nicht zu gewähren, weil von der Erhebung von Stundungszinsen unabhängig von Billigkeitserwägungen abzusehen ist. Ihre darauf gerichtete Klage war deshalb unzulässig.

a) Die Klägerin hat ihre Beteiligung an der X-GmbH & Co. KG in die X-AG eingebracht. Da sie eine im Inland beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ist, erfüllt sie den Tatbestand des § 20 Abs. 3 UmwStG 1977. Sie hat das eingebrachte Vermögen mit seinem Teilwert anzusetzen. In einem solchen Fall kann die Körperschaftsteuer, die auf den bei der Sacheinlage entstehenden Veräußerungsgewinn entfällt, in jährlichen Teilbeträgen von mindestens je einem Fünftel entrichtet werden, wenn die Entrichtung der Teilbeträge sichergestellt ist. § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 beinhaltet den Fall einer gesetzlichen Stundung, die im Streitfall auch der Klägerin eingeräumt worden ist.

b) Nach § 234 Abs. 1 AO 1977 werden für die Dauer einer gewährten Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis Zinsen erhoben. Daß es sich bei § 20 UmwStG Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 um den Fall einer gesetzlichen und nicht um den Fall einer im Ermessen der Finanzbehörde stehenden Stundung i.S. von § 222 AO 1977 handelt, steht dem grundsätzlich nicht entgegen (vgl. allgemein Senatsurteil vom 16. Oktober 1991 I R 145/90, BFHE 166, 145, BStBl II 1992, 321; zu § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 siehe auch Dehmer, Umwandlungsgesetz, Umwandlungs-Steuergesetz, 2. Aufl., § 20 UmwStG Rz. 420; Hübl in Herrmann/ Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 20 UmwStG 1977 Anm. 200; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 3. Aufl., § 20 UmwStG Rdnr. 7291.1; Friederichs in Haritz/Benkert, Umwandlungs-Steuergesetz, § 20 Rz. 171 a.E.).

c) Gleichwohl ist von der Erhebung von Stundungszinsen in den Fällen des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 --und damit auch im Streitfall-- abzusehen.

aa) Dies ergibt sich aus § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1977. Die Vorschrift ist auf den vorliegenden Sachverhalt entsprechend anzuwenden.

Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert, die der Veräußerer durch eine Sacheinlage i.S. von § 20 Abs. 1 UmwStG 1977 erworben hat, so gilt der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt, als Veräußerungsgewinn i.S. von § 16 EStG (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1977). Dies gilt u.a. auch ohne Veräußerung der Anteile, wenn der Anteilseigner beschränkt einkommensteuerpflichtig oder beschränkt körperschaftsteuerpflichtig wird (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1977). In solchen Fällen kann aber --ebenso wie gemäß § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 in den Fällen des § 20 Abs. 3 UmwStG 1977-- die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommen- oder Körperschaftsteuer in jährlichen Teilbeträgen von mindestens je einem Fünftel gestundet werden (§ 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977). Anders als in § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 ist in § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1977 allerdings ausdrücklich geregelt, daß bei der auf den Veräußerungsgewinn von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft entfallenden Körperschaftsteuer Zinsen u.a. in den Fällen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1977 nicht erhoben werden. Durch den Verzicht auf die Erhebung von Stundungszinsen soll die Liquidität der übernehmenden Gesellschaft geschont werden. Die Nichterhebung von Stundungszinsen wurde im Hinblick auf diese Zielsetzung als sachgerecht angesehen (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks 7/5502, S. 4; siehe auch die parallelen gesetzlichen Regelungen in §§ 7 Satz 4 und 18 Abs. 4 Satz 2 UmwStG 1977).

bb) Ein entsprechendes wirtschaftliches Bedürfnis besteht bei der Stundung bei Einbringungen gemäß § 20 Abs. 3 UmwStG 1977; mit der Regelung des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 wird ein vergleichbarer Zweck wie in § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 1977 verfolgt. Hier wie dort wird eine Stundungsmöglichkeit auf fünf Jahre bei Tilgung der Steuerschuld in regelmäßigen Teilbeträgen vorgeschrieben, und zwar auch und gerade für jene Fälle, in denen die vorzeitige Besteuerung der stillen Reserven ihre Ursache in der beschränkten Steuerpflicht hat. Unterschiede bestehen lediglich insofern, als es bei § 20 Abs. 3 UmwStG 1977 um solche Steuerpflichtige geht, die bereits bei der Sacheinbringung gemäß § 20 Abs. 1 UmwStG 1977 beschränkt steuerpflichtig waren, wohingegen die Steuerpflichtigen im Falle von § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG 1977 zunächst unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sind und erst später --bei Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile-- beschränkt steuerpflichtig werden. Ansonsten sind die Rechtslagen --anders als beispielsweise bei der gesetzlichen Stundung gemäß § 6 Abs. 5 des Außensteuergesetzes (vgl. Senatsurteil in BFHE 166, 145, BStBl II 1992, 321)-- voll und ganz identisch. Bestätigt wird dies nicht zuletzt dadurch, daß zwischenzeitlich eine entsprechende Regelung auch für die Fälle des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 mit § 20 Abs. 6 in das UmwStG 1995 aufgenommen worden ist (vgl. dazu BTDrucks 12/7263, Anlage 2, Stellungnahme des Bundesrates, Nr. 10, S. 7 und Anlage 3, Gegenäußerung der Bundesregierung, zu Nr. 10, S. 12; BTDrucks 12/7945, Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, zu § 20 Abs. 6, S. 65).

cc) Eine Rechtfertigung dafür, in den Fällen von § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 gleichwohl abweichend von § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1977 Stundungszinsen zu erheben, fehlt. Es ist kein Grund erkennbar, weshalb der Steuerpflichtige bei einer Stundung gemäß § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 schlechter als ein Steuerpflichtiger in den Fällen des § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1977 gestellt werden sollte. Der erkennende Senat geht deshalb davon aus, daß das Gesetz im Hinblick auf die Fälle des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit und damit eine Lücke enthält, die es durch Analogie zu schließen gilt.

Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß der Gesetzgeber die Fälle des § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 ausdrücklich abweichend von den anderen genannten Fällen in § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1977 behandeln wollte. Eine derartige Absicht ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 könnte zwar darauf hindeuten, daß solches beabsichtigt gewesen ist. Das Schweigen des Gesetzgebers wird aber nicht dadurch beredt, daß die Zinslosigkeit anderweitig ausdrücklich angeordnet wurde. Ausschlaggebend ist vielmehr, daß die Nichterhebung von Stundungszinsen weder durch irgendeine positive noch durch irgendeine negative gesetzliche Regelung ausgeschlossen wird. Ebensowenig läßt sich der Gesetzesbegründung eine entsprechende Absicht des Gesetzgebers entnehmen. In Anbetracht dessen kommt es darauf an, daß die in § 21 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1977 zum Ausdruck kommende gesetzliche Wertung, wie aufgezeigt, mit jener in § 20 Abs. 5 Satz 3 UmwStG 1977 übereinstimmt. Zu berücksichtigen ist überdies, daß die unterschiedliche Behandlung solcher Steuerpflichtiger, die bereits bei der Sacheinbringung gemäß § 20 Abs. 1 UmwStG 1977 beschränkt steuerpflichtig sind, und solcher Steuerpflichtiger, die zunächst unbeschränkt steuerpflichtig sind und erst später --bei Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile-- beschränkt steuerpflichtig werden, dem in Art. 52 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) angeordneten Diskriminierungsverbot in Gestalt des Rechts auf freie Niederlassung widerspricht (vgl. im Hinblick auf die Gewährung von Erstattungszinsen auch Europäischer Gerichtshof --EuGH--, Urteil vom 13. Juli 1993 Rs. C-330/91, Internationales Steuerrecht 1993, 371). Ist es aber möglich, die gemeinschaftsrechtlich gebotene Gleichbehandlung unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtiger im Einklang mit den gesetzlichen Wertungen im Wege der gesetzlichen Lückenschließung zu erreichen, sind die Gerichte befugt, das Gesetz insoweit durch ein gemeinschaftsrechtskonformes Verständnis zu vervollkommnen, ohne daß es einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf.

dd) Auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage danach, ob die betreffenden Regelungen im Umwandlungs-Steuergesetz 1977 wegen einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorzulegen wären, kam es nicht mehr an (vgl. zur Vorlagepflicht auch bei partiell unterlassenen gesetzlichen Begünstigungen: BVerfG-Urteil vom 19. Oktober 1982 1 BvL 39/80, BVerfGE 61, 138, 146; vom 27. Juni 1991 2 BvL 3/89, BVerfGE 84, 233, 237).

4. Die Vorinstanz hat eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Gleichwohl war ihr Urteil nicht aufzuheben. Da im Streitfall Stundungszinsen nicht zu erheben waren, bedurfte es einer besonderen Billigkeitsmaßnahme gemäß § 234 Abs. 2 AO 1977 nicht. Kann das unbillige Ergebnis bereits durch Auslegung oder Analogie, also durch Rechtsanwendung, vermieden werden, so fehlt für ein dennoch auf einen Billigkeitserweis gerichtetes Rechtsschutzbegehren das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Auch im Streitfall muß die Klägerin sich daran festhalten lassen, daß sie gegen die Verfügung des FA über die Aussetzung des gegen den Zinsbescheid gerichteten Einspruchsverfahrens (§ 363 Abs. 1 AO 1977) nicht vorgegangen ist, und daß sie ihre Einwendungen gegen den festgesetzten Zinsanspruch (zunächst) nicht weiterverfolgt hat (Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 AO 1977 Tz. 20 a.E.). Ihre Klage war deshalb unzulässig und abzuweisen, auch wenn die Klägerin mit ihrem eigentlichen Streitziel --der Nichterhebung von Stundungszinsen-- Erfolg hätte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66303

BFH/NV 1998, 239

BFH/NV 1998, 239-241 (Leitsatz und Gründe)

BStBl II 1998, 38

BFHE 183, 465

BFHE 1998, 465

BB 1997, 2418 (Leitsatz)

DB 1997, 2467-2469 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1997, 1848-1850 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 977-978 (Leitsatz)

DStZ 1998, 261-262 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1998, 91

StE 1997, 722 (Leitsatz)

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