Leitsatz (amtlich)

1. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, daß das Bewertungsgesetz 1965 für bebaute Grundstücke die Bewertung im Ertragswertverfahren und im Sachwertverfahren unter Ausschluß einer individuellen Bewertung auf Grund von Kaufpreisen anordnet.

2. Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz, daß sich auf Grund des typisierten und pauschalierten Ertragswertverfahrens des Bewertungsgesetzes 1965 größere Ungleichmäßigkeiten im Wertniveau ergeben als sie bei individuellen Wertermittlungen aufzutreten pflegen.

2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Ungleichmäßigkeiten in der Bewertung, die bei Anwendung des Ertragswertverfahrens auftreten, den Gleichheitssatz verletzen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BewG 1965 §§ 9, 17 Abs. 3, § 76f

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat ein 1963 erbautes Einfamilienhaus im Januar 1964 für 100 189 DM (eingeschlossen 2 425 DM für inzwischen vorgenommene Verbesserungen) erworben, für das nach Wertverhältnissen 1935 ein Einheitswert von 18 700 DM festgestellt wurde. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat durch Hauptfeststellung zum 1. Januar 1964 den Einheitswert für dieses Grundstück nach Wertverhältnissen 1964 im Ertragswertverfahren in Höhe von 79 500 DM festgestellt.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin Verfassungswidrigkeit der gesamten Bewertungsmethode des BewG 1965 geltend machte, hatten keinen Erfolg.

Die Revision der Klägerin rügt Verstoß gegen den Gleichheitssatz wegen willkürlicher Bewertung und mangelnde Sachaufklärung durch das FG.

Bewertungsmaßstab für die Bewertung bebauter Grundstücke sei der gemeine Wert. Die Ermittlung des gemeinen Werts nach den vom Bewertungsgesetz vorgeschriebenen Verfahren, insbesondere nach dem Ertragswertverfahren, habe zu einem "Bewertungsdurcheinander" geführt, so daß die Bewertungen nach dem BewG 1965 noch stärker gegen den Gleichheitssatz verstießen als die Bewertungen nach dem Bewertungsgesetz 1934. Das Ertragswertverfahren müsse schon deshalb zu einem "Torso" führen, weil der Ertrag eines bebauten Grundstücks allenfalls ein Korrektivposten, niemals aber alleiniger Wertmaßstab sein könne. 90 v. H. der festgestellten Einheitswerte lägen ganz erheblich unter dem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis. Wenn man aber davon ausgehe, daß sich die Einheitswerte von Einfamilienhäusern bei 80 v. H. des Verkehrswerts eingependelt hätten, dann müßten alle unter diesem Vomhundertsatz liegenden Einheitswerte falsch sein. Ein Rechtsmittel gegen einen bei 80 v. H. des Verkehrswerts liegenden Einheitswert könne aber nicht erfolgreich sein, weil der festgestellte Wert unter dem nach § 9 Abs. 2 BewG maßgebenden Verkehrswert liege. Der Steuerzahler sitze deshalb in einer hoffnungslosen Falle, wenn er sich nicht auf den Gleichheitssatz des Art. 3 GG berufen könne.

Die Klägerin trägt weiter vor, sie könne an Hand von Verkaufsfällen nachweisen, daß die Einheitswerte zwischen rd. 22 v. H. und 80 v. H. der Veräußerungspreise lägen. Das FG habe den Sachverhalt unzulänglich aufgeklärt, weil es dem FA nicht aufgegeben habe, eine Zusammenstellung aller der Grunderwerbsteuerstelle vorliegenden Grundstücksveräußerungen um den 1. Januar 1964 mit einer Gegenüberstellung von festgestelltem Einheitswert und erzieltem Veräußerungspreis vorzulegen. Wenn das FG selbst einräume, daß es bei Grundstücken der gleichen Bewertungsgruppe erhebliche Bewertungsunterschiede gebe, so werde dadurch bestätigt, daß die Willkür bei der Einheitswertbewertung das beherrschende Element sei. Der Gleichheitssatz verlange aber, daß die Einheitswerte genau so abgestuft sein müßten wie sich die verschiedenen Verkehrswerte der Grundstücke zueinander verhielten. Auch die unterschiedliche Finanzierungsart der einzelnen Objekte rechtfertige nicht unterschiedliche Werte. Dem geringeren Mietaufkommen bei öffentlich geförderten Einfamilienhäusern stehe die Verbilligung der Finanzierung durch öffentliche Mittel gegenüber.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen und dem FG wegen Verfassungswidrigkeit der Bewertungsmethoden des BewG 1965 aufzugeben, den Einheitswert für ihr Grundstück unmittelbar nach § 9 Abs. 2 BewG zu ermitteln.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Der allgemeine Bewertungsmaßstab des BewG ist zwar der gemeine Wert (§ 9 Abs. 1 und 2 BewG). Schon aus der Regelung der Bewertung mit dem gemeinen Wert ergibt sich aber, daß das BewG auch andere Bewertungsmaßstäbe kennt. Dies folgt daraus, daß der gemeine Wert bei Bewertungen nur insoweit zugrunde zu legen ist, als nichts anderes vorgeschrieben ist (§ 9 Abs. 1 BewG).

Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der für ein Wirtschaftsgut nach seiner Beschaffenheit bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 BewG). Nicht alle zu bewertenden Wirtschaftsgüter sind aber zur Veräußerung bestimmt und auch nicht für alle veräußerungsfähigen Wirtschaftsgüter wird der Wert im Geschäftsverkehr durch den Veräußerungspreis bestimmt. Deshalb muß das BewG neben dem gemeinen Wert auch andere Bewertungsmaßstäbe vorsehen. So werden z. B. Kapitalforderungen mit dem Nennwert (§ 12 Abs. 1 BewG) und wiederkehrende Nutzungen mit dem Kapitalwert (§ 13 BewG) bewertet. Außerdem ist der gemeine Wert bei der Einheitsbewertung nach dem ersten Abschnitt des Zweiten Teils des BewG 1965 nur insoweit maßgebend, als sich aus den besonderen Bewertungsvorschriften nicht etwas anderes ergibt (§ 17 Abs. 3 BewG). Für die Einheitsbewertung inländischer Betriebe der Land- und Forstwirtschaft ist aber der Ertragswert als Bewertungsmaßstab vorgesehen (§§ 32, 33, 36 Abs. 1 BewG). Für die Einheitsbewertung inländischer bebauter Grundstücke ist die Wertermittlung im Ertragswertverfahren und im Sachwertverfahren vorgeschrieben (§§ 32, 76 BewG). Die Bestimmung nicht nur eines, sondern einer Reihe teils unterschiedlicher Bewertungsmaßstäbe beruht nicht auf einer Willkür des Gesetzgebers, sondern auf den dargelegten sachlichen Erwägungen, die den tatsächlichen Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs entsprechen.

2. Unbebaute Grundstücke sind untereinander regelmäßig vergleichbar, weil die entscheidenden wertbestimmenden Faktoren die Größe der Grundstücksfläche und die Lage sind. Deshalb lassen sich aus Kaufpreissammlungen Richtwerte für den Quadratmeter Grund und Boden für ein größeres Gebiet, für eine Straße oder für einen Straßenabschnitt bilden, die Lagenwerte darstellen. Somit ist es bei unbebauten Grundstücken technisch regelmäßig möglich, den Wert entsprechend der Begriffsbestimmung des § 9 Abs. 2 BewG unmittelbar durch Vergleich mit einem Verkaufspreis für gleichartigen Grund und Boden zu ermitteln.

Anders ist die Sachlage bei bebauten Grundstücken. Ihr Wert wird regelmäßig ganz entscheidend von dem Gebäudewert bestimmt. Da die verschiedenen Gebäude nach Größe, Alter, Nutzungsart, Bauausführung und Ausstattung häufig nicht miteinander vergleichbar sind, ist es meistens technisch nicht möglich, den Wert bebauter Grundstücke unmittelbar aus Verkaufspreisen abzuleiten, die für andere bebaute Grundstücke erzielt worden sind. Dies gilt vor allem für eine Massenbewertung, wie sie die steuerliche Einheitsbewertung ist. Eine individuelle Wertermittlung anhand von Kaufpreisen hat auch der vom BdF berufene Schätzungsausschuß zur Vorbereitung der Einteitsbewertung des Grundvermögens nicht für möglich gehalten, da es an den hierfür erforderlichen erheblichen Grundstücksumsätzen fehle (Bundestagsdrucksache - BT IV/1488 vom 1. Oktober 1963 S. 87; vgl. auch Rössler/Langner, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 2. Aufl., S. 8). Für die Unmöglichkeit der Bewertung bebauter Grundstücke allein auf Grund von Verkaufspreisen spricht auch die zum Bundesbaugesetz - BBauG - (BGBl I 1960, 341) ergangene Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken vom 7. August 1961 (BGBl I 1961, 1183). Obwohl die Wertermittlungen durch die nach dem BBauG gebildeten Gutachterausschüsse von einem sachkundigen Gremium und nur jeweils auf Antrag in Einzelfällen durchgeführt werden (vgl. §§ 136, 139 Abs. 2 BBauG), so daß von diesen Ausschüssen keine Massenbewertung durchzuführen ist, sieht die Verordnung doch neben der Bewertung durch unmittelbaren Preisvergleich auch die Bewertung im Ertragswertverfahren oder im Sachwertverfahren vor (vgl. § 3).

Die gesetzliche Anordnung der Bewertung bebauter Grundstücke im Zuge der Einheitsbewertung entweder im Ertragswertverfahren oder im Sachwertverfahren beruht also auf überzeugenden sachlichen Gründen. Der Einwand der Klägerin, diese Regelung verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, weil sie im Verhältnis zur Begriffsbestimmung des gemeinen Werts in § 9 Abs. 2 BewG willkürlich sei, ist damit eindeutig widerlegt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist auch nicht darin zu erblicken, daß nach dem Bewertungsgesetz der in § 9 BewG definierte gemeine Wert für bebaute Grundstücke nicht durch unmittelbaren Preisvergleich, sondern ausschließlich nach dem Ertragswertverfahren oder nach dem Sachwertverfahren zu ermitteln ist. Denn die sich nach den beiden Bewertungsverfahren des BewG ergebenden Werte können aus Gründen, die noch darzulegen sind, die im Falle einer Veräußerung zu erzielenden Preise nicht in voller Höhe erreichen.

3. Nach § 76 Abs. 1 BewG ist die gesetzliche Regel für bebaute Grundstücke die Bewertung im Ertragswertverfahren. Das Sachwertverfahren ist nur ausnahmsweise anzuwenden (vgl. § 76 Abs. 2 und 3 BewG). Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, daß das BewG zwei verschiedene Verfahren für die Bewertung bebauter Grundstücke vorsieht.

Wie oben dargelegt, ist eine Bewertung bebauter Grundstücke durch unmittelbaren Preisvergleich mit dem Veräußerungspreis für stichtagsnah verkaufte Objekte regelmäßig nicht möglich. Für eine Bewertung sämtlicher Grundstücke, die im Geltungsbereich des GG belegen sind, mußten deshalb zwangsläufig andere Methoden der Bewertung herangezogen werden. Hierfür hat der BdF ein Gutachten des von ihm berufenen Schätzungsausschusses eingeholt. Dieser Ausschuß hat seine Arbeiten ausschließlich mit dem Ziel einer objektiven Bewertung geführt und hat steuerpolitische und wohnungspolitische Erwägungen außer Betracht gelassen (BT-Drucksache IV/1488 S. 85). Er hat sich unter Berücksichtigung des Charakters der steuerlichen Einheitsbewertung als Massenbewertung für die Durchführung der Einheitsbewertung im Ertragswertverfahren ausgesprochen (BT-Drucksache IV/1488 S. 119). Der Ausschuß hat allerdings auch anerkannt, daß es einzelne Gruppen bebauter Grundstücke gibt, deren Wert nicht auf der Grundlage des Reinertrags ermittelt werden kann (BT-Drucksache IV/1488 S. 135 Fußnote 18). Dies beruht darauf, daß der Grundstücksmarkt den Wert von Grundstücken, die einen regelmäßigen Ertrag haben, zwar nach dem Reinertrag bestimmt, daß aber der Wert von Grundstücken, bei denen ein besonderer Ertrag nicht feststellbar ist (z. B. Fabrikgrundstücke und andere Geschäftsgrundstücke besonderer Art), in erster Linie durch den aus den Herstellungskosten abgeleiteten Sachwert bestimmt wird (vgl. auch Rößler/Langner, a. a. O. S. 9). Daraus ergibt sich, daß entgegen der Meinung der Klägerin die Bewertung nur nach dem Reinertrag weder unvollständig ist, noch daß die Zweigleisigkeit der Bewertung bebauter Grundstücke teils im Ertragswertverfahren und teils im Sachwertverfahren den Gleichheitssatz verletzen kann. Denn diese Zweigleisigkeit ist durch Unterschiedlichkeiten zwischen den nach den beiden Verfahren zu bewertenden Grundstücksgruppen gerechtfertigt, die es durchaus zulassen, damit eine unterschiedliche Bewertungsmethode zu begründen.

Die sachliche Rechtfertigung dafür, daß die Bewertung bebauter Grundstücke nicht nach nur einem Verfahren, sondern nach zwei unterschiedlichen Methoden durchgeführt wird, ergibt sich mittelbar auch aus der oben zitierten Verordnung vom 7. August 1961. Nach dieser Verordnung soll die Wertermittlung, wenn ein unmittelbarer Preisvergleich nicht in Betracht kommt, mit Hilfe des Ertragswertverfahrens oder des Sachwertverfahrens vorgenommen werden. Bei der Wahl des einen oder des anderen Verfahrens sind die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 3 der Verordnung).

4. Der Einheitswert für das Einfamilienhaus der Klägerin wurde im Ertragswertverfahren ermittelt. Nach diesem Verfahren ergibt sich der Einheitswert regelmäßig dadurch, daß ein Vervielfältiger auf die Jahresrohmiete angewendet wird. Das Vielfache der Jahresrohmiete umfaßt den Bodenwert, den Gebäudewert und den Wert der Außenanlagen (§ 78 BewG).

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin beruht die gesetzliche Anordnung, daß die Masse der Einfamilienhäuser im Ertragswertverfahren zu bewerten ist, nicht auf einer den Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzenden Willkür des Gesetzgebers. Zwar ist es richtig, daß gerade bei Einfamilienhäusern sowohl beachtliche Gründe für die Bewertung im Ertragswertverfahren als auch für die Bewertung im Sachwertverfahren gegeben sind. Der Gesetzgeber hat aber die für und gegen das eine oder das andere Verfahren sprechenden Gründe sachgerecht gegeneinander abgewogen und sich schließlich unter Berücksichtigung dessen, daß das Verfahren für eine Massenbewertung geeignet sein muß, für die Bewertung der Einfamilienhäuser grundsätzlich im Ertragswertverfahren entschieden. Er hat dabei auch die Schwierigkeiten der Ermittlung der üblichen Miete für nichtvermietete Einfamilienhäuser in seine Überlegungen mit einbezogen (BT-Drucksache IV/1488 S. 54, 55). Für die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung spricht auch noch der Umstand, daß es dem Grundstückseigentümer bei einer Bewertung nach der üblichen Miete erleichtert wird, die Bewertungsgrundlage aus eigener Beurteilung zu überprüfen. Denn der Eigentümer eines nichtvermieteten Einfamilienhauses hat regelmäßig eine genaue Vorstellung über die Wohnfläche und über die mögliche Miete, zu der er das Haus vermieten könnte. Dagegen wird er meistens Schwierigkeiten haben, den umbauten Raum zutreffend zu ermitteln und den Kubikmeterpreis zu beurteilen, der seinem Haus nach Bauausführung und Ausstattung zukommt.

b) Schon der Schätzungsausschuß anerkannte in seinem Gutachten, daß eine Massenbewertung eine weitestgehende Schematisierung des Berechnungsvorgangs erfordere, um praktikabel zu sein (vgl. BT-Drucksache IV/1488 S. 119 und 146). Die einfache Gestaltung des Ertragswertverfahrens, wie es in den §§ 78 f. BewG geregelt ist, war aber nur dadurch möglich, daß die verschiedenen den Ertrag beeinflussenden Komponenten in den Vervielfältigern mit pauschalierten Werten berücksichtigt worden sind, so daß die Vervielfältiger unmittelbar auf die Jahresrohmiete angewendet werden konnten (vgl. auch Entscheidung des BFH vom 2. Juni 1971 III R 105/70, BFHE 102, 563, BStBl II 1971, 675). So wurden die Bewirtschaftungskosten und die in der Miete enthaltenen Bodenertragsanteile mit durchschnittlichen Werten, aufgegliedert nach Grundstücksarten, Baujahrgruppen und Gemeindegrößenklassen, berücksichtigt (vgl. BT-Drucksache IV/1488 S. 59 ff.). Um bei einer derart typisierten Form der Bewertung auf der Grundlage des Reinertrags Überbewertungen auszuschließen, war es notwendig, das beabsichtigte Niveau des Ertragwertverfahrens - und ebenso das des Sachwertverfahrens - auf eine Ebene unter den Verkehrswerten einzustellen. Hieraus erklärte sich auch, daß das BewG eine Bewertung bebauter Grundstücke durch unmittelbaren Preisvergleich, wie ihn die Klägerin forderte, auch in Einzelfällen ausschließen mußte (s. oben 2. am Ende).

Diese Vereinfachung ist durchaus legitim und verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung stets anerkannt, daß die Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens erfassen und darum praktikabel sein müssen. Deshalb sei es gerechtfertigt, die Sachverhalte, an die sie anknüpfen, zu typisieren und damit in weitem Umfang die Besonderheiten nicht nur des Einzelfalles, sondern auch ganzer Gruppen zu vernachlässigen. Jedoch müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Die Typisierung darf sich nicht dahin auswirken, daß ganze Gruppen von Steuerpflichtigen wesentlich stärker steuerlich belastet werden als andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage geraten als andere (BVerfG vom 20. Dezember 1966 1 BvR 320/57, 70/63, BVerfGE 21, 12 [27]).

c) Diese Grundsätze gelten auch für die Einheitsbewertung bebauter Grundstücke. Der Senat ist der Auffassung, daß es zu den vom BVerfG aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Rechtsgrundsätzen nicht im Widerspruch steht, wenn der Gesetzgeber den Reinertrag, der der Bewertung zugrunde gelegt wird, aus der Rohmiete durch Pauschalierung der den Reinertrag beeinflussenden Faktoren nach durchschnittlichen Verhältnissen hergeleitet und dementsprechend Rohmietevervielfältiger entwickelt hat. Dies hat auch der Schätzungsausschuß zur Vorbereitung der Einheitsbewertung unter Berücksichtigung der Arbeitsbelastung, die die Neubewertung des Grundbesitzes für die FÄ bringen wird, für zweckmäßig und wünschenswert gehalten (BT-Drucksache IV/1488 S. 149). Man darf dabei allerdings nicht übersehen, daß sich durch diese Vereinfachung die Ungenauigkeiten vergrößern, die bei jeder Schätzung von Grundstückswerten ohnedies als unvermeidbar hingenommen werden müssen, und die auch der Schätzungsausschuß in seine Überlegungen mit einbezogen hat (vgl. BT-Drucksache IV/1488 S. 93). Dadurch, daß der Gesetzgeber mit dieser Vereinfachung des Bewertungsverfahrens bewußt größere Ungenauigkeiten in Kauf genommen hat, als sie bei Individualschätzungen üblicherweise aufzutreten pflegen, hat er aber nicht Art. 3 GG verletzt. Denn der Gleichheitssatz des Grundgesetzes will und kann den Staatsbürger nicht vor Ungleichheiten schützen, die mit der notwendigen Ordnung der Lebensverhältnisse zwangsläufig verbunden sind. Deshalb bleibt nach der Rechtsprechung des BVerfG dem Gesetzgeber bei der Ordnung der Lebensverhältnisse ein weiter Spielraum für die Ausübung seines Ermessens. Dementsprechend ist es verfassungsrechtlich nicht nachprüfbar, ob in einem Gesetz jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen ist, sondern lediglich, ob die äußersten Grenzen der Ermessensausübung gewahrt sind, d. h. daß die Regelung nicht willkürlich erscheinen darf (BVerfG Entscheidung vom 9. Juli 1969 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 [310]). Dies bedeutet, daß der Gleichheitssatz des GG den Staatsbürger auch nicht vor gesetzlichen Regelungen schützen kann, die sachlich anfechtbar sein mögen, solange diese Regelungen nicht willkürlich sind und nicht zu willkürlichen Ungleichheiten führen. Eine Ungleichheit ist aber dann nicht willkürlich, wenn auch eine andere Regelung des Gesetzes sie nicht vermeiden könnte oder im Falle der Vermeidung zum Auftreten von anderen Ungleichheiten führen würde.

Bei einer Massenbewertung bebauter Grundstücke ist es technisch unmöglich, ein so einheitliches Wertniveau zu erzielen, daß vom Standpunkt des einzelnen Grundbesitzers in bezug auf die Bewertung des Grundbesitzes eines anderen Eigentümers keine Einwendungen erhoben werden könnten. Die von der Klägerin aufgestellte Forderung, die Einheitswerte müßten genauso zueinander abgestuft sein wie die sich nach den Marktverhältnissen ergebenden Verkehrswerte zueinander abgestuft sind, kann deshalb durch eine Massenbewertung nicht erfüllt werden. Dies schon deshalb nicht, weil diese Abstufung zwar in einer Reihe von Einzelfällen bekannt sein mag, ein einheitliches Niveau nach den Marktverhältnissen aber, wie oben dargelegt, mangels einer ausreichenden Zahl von Verkaufsfällen nicht feststellbar ist. Hinzu kommt, daß bei der Enge des Grundstücksmarktes auch nachgewiesene Kaufpreise nicht nur von wirtschaftlichen Wertungen, sondern in hohem Maße von persönlichen Umständen mit beeinflußt werden, wie z. B. dem Wunsch, an dieser Stelle oder in dieser Lage eigenen Wohnraum oder Geschäftsraum zu erhalten (vgl. auch BT-Drucksache IV/1488 S. 87). Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Belastung der Einheitswerte des Grundvermögens mit laufenden Steuern jährlich höchstens 1,5 bis 2 v. H. des Einheitswerts beträgt (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 VStG vom 17. April 1974, BGBl I 1974, 949 und §§ 13, 15 GrStG vom 7. August 1973, BGBl I 1973, 965). Durch diese verhältnismäßig geringe steuerliche Belastung haben Ungleichmäßigkeiten in der Bewertung sowohl im Vergleich zu den Einheitswerten als auch im Vergleich der Belastung der Grundstückseigentümer untereinander eine gedämpfte Wirkung.

d) Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, daß es entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht gegen Art. 3 GG verstößt, wenn die tatsächlich vereinbarte oder erzielbare Miete, wie sie sich unter Berücksichtigung der Finanzierung des jeweiligen Grundstücks errechnet, der Bewertung zugrunde gelegt wird. Der Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 wurde, wie sich aus Art. 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Änderung des BewG vom 13. August 1965 (BGBl I 1965, 851; BStBl I 1965, 375) mittelbar ergibt, auch deshalb gewählt, weil zu diesem Feststellungszeitpunkt noch im gesamten Bundesgebiet für öffentlich geförderte und steuerbegünstigte Wohnungen der Preisstopp und damit eine einheitliche Rechtslage bestand. Im Mietpreisrecht hat die Kostenmiete (wegen des Begriffs vgl. § 31 Abs. 5 der Zweiten Berechnungsverordnung - II. BVO -) eine erhebliche Bedeutung (vgl. auch DStR 1967, 207 [211]). Die Ermittlung der Kostenmiete nach den Verhältnissen vom 1. Januar 1964 ist in der II. BVO in der Fassung vom 1. August 1963 (BGBl I 1964, 594) eingehend geregelt. Danach wirkt sich die Baufinanzierung auf die Höhe der Kostenmiete aus (vgl. §§ 18 ff. II. BVO). Bei bebauten Grundstücken, deren Wert nach den Marktgepflogenheiten auf der Grundlage des Ertrags zu ermitteln ist, müssen aber die Werte zweier Grundstücke gleicher Art, Lage, Bauausführung und gleichen Bauvolumens unterschiedlich hoch sein, solange nachhaltig unterschiedlich hohe Mieteträge erzielt werden (vgl. auch BT-Drucksache IV/1488 S. 28). Der Schätzungsausschuß zur Vorbereitung der Einheitsbewertung war sich in der Beurteilung der Bedeutung der Zinsverbilligung bei öffentlich geförderten Wohnungsbauten zwar nicht sicher, er empfahl jedoch, für derartige Grundstücke keine besonderen Vorschriften zu schaffen (vgl. BT-Drucksache IV/1488 S. 134). Der Senat verkennt nicht, daß durch die Berücksichtigung pauschalierter Bewirtschaftungskosten bei der Berechnung der Vervielfältiger des BewG der Grundstücksertrag für die Bewertung öffentlich geförderter Wohnungsbauten möglicherweise zu niedrig angenommen wird, so daß für diese Gruppe von Wohngrundstükken entgegen der Tendenz des Schätzungsausschusses Unterbewertungen im Verhältnis zum allgemeinen Niveau der sich im Ertragswertverfahren ergebenden Werte möglich sind (vgl. DStR 1967, 213). Auch dieses Ergebnis ist aber vom Gesetzgeber nicht willkürlich herbeigeführt, sondern es wurde auf Grund der sachkundigen Empfehlungen des Schätzungsausschusses in Kauf genommen. Es wäre außerdem unter sozialstaatlichen Gesichtspunkten zu rechtfertigen, da die Grundsteuerbelastung als Kostenfaktor in die Miete eingeht.

5. Die Rüge der mangelnden Sachaufklärung ist nicht begründet. Die Klägerin hat anhand einer Aufstellung über 14 Grundstücksbewertungen den Nachweis zu führen versucht, daß die nach dem Ertragswertverfahren für Einfamilienhäuser festgestellten Einheitswerte zwischen rd. 22 und 80 v. H. des Verkehrswerts lägen. Sie glaubt, daß sich dieses Ergebnis durch Heranziehung einer größeren Zahl von Verkaufsfällen und durch Gegenüberstellung der festgestellten Einheitswerte erweitern und erhärten ließe. Trotzdem mußte das FG nicht sämtliche Verkaufsfälle innerhalb des für die Klägerin zuständigen FA-Bezirks auf die Wertunterschiede zwischen Verkaufspreis und Einheitswert untersuchen. Denn zu einer weiteren Sachaufklärung in dieser Richtung wäre das FG nur dann verpflichtet gewesen, wenn das Ergebnis dieser Sachaufklärung entscheidungserheblich wäre.

Der Senat hat seine Rechtsauffassung begründet, weshalb die die Bewertung bebauter Grundstücke regelnden Vorschriften des BewG bei Erlaß dieser Vorschriften nicht gegen Art. 3 GG verstoßen haben. Er ist allerdings der Meinung, aus dem Grundgedanken der BFH-Entscheidung vom 5. November 1964 IV 11/64 S (BFHE 80, 356, BStBl III 1964, 602) könnte eine Verletzung des Gleichheitssatzes auch dadurch eintreten, daß sich trotz dieser sachlich vertretbaren Regelung bei Durchführung der Einheitsbewertung ganz allgemein ein so erheblich uneinheitliches Wertniveau ergibt, daß dies mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der technischen Schwierigkeiten einer Massenbewertung und der damit notwendig verbundenen Ungleichheit nicht mehr vereinbar ist. Dann dürfte der Gesetzgeber die durch Haupftfeststellung 1964 für bebaute Grundstücke festgestellten Einheitswerte für die Besteuerung nicht bestehen lassen. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Aufstellung der Klägerin in dieser Richtung keinen Aussagewert hat, weil sie weder repräsentativ ist noch die erforderlichen Daten (z. B. Lage, Größe, Gestaltung, Bauart, Mietertrag der Objekte) enthält, um hieraus Schlüsse für das allgemeine Wertniveau ziehen zu können. Dieser Mangel würde aber auch einer Zusammenstellung der Verkaufsfälle innerhalb eines FA-Bezirks anhaften.

In der Literatur wird allerdings die Behauptung aufgestellt, daß innerhalb der nach dem Ertragswertverfahren des BewG festgestellten Einheitswerte bebauter Grundstücke gravierende Ungleichmäßigkeiten beständen (vgl. Troll, Der Betriebs-Berater 1973 S. 696 [699]). Sollte sich diese Behauptung nach Vorliegen der Auswertung der Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundvermögens 1964 als zutreffend erweisen, so könnte sich die Frage nach einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stellen. Das BVerfG ist nämlich der Auffassung, daß es dem Gesetzgeber zwar nicht verwehrt sein kann, eine von ihm für richtig gehaltene Ordnung der Lebensverhältnisse, die das Willkürverbot nicht verletzt, zu treffen; falls sich diese Ordnung im Vollzung aber trotzdem als so ungleichmäßig erweist, daß sie einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise widerspricht, so darf sie wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG nicht bestehen bleiben und muß unverzüglich nach dieser Erkenntnis geändert werden (vgl. BVerfG vom 10. Mai 1972 - 1 BvR 286, 293, 295/65 - BVerfGE 33, 171 [189]).

 

Fundstellen

Haufe-Index 70977

BStBl II 1974, 602

BFHE 1974, 520

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