Leitsatz (amtlich)

Vereinbart eine Kapitalgesellschaft mit ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer eine Sondervergütung für "weitere Tätigkeiten", so ist die Sondervergütung verdeckte Gewinnausschüttung, wenn die "weiteren Tätigkeiten" des Gesellschafter-Geschäftsführers unter dessen Wettbewerbsverbot fallen, von den Aufgaben als Geschäftsführer nicht klar abgegrenzt sind oder die Höhe der Sondervergütung nicht eindeutig festgelegt ist.

 

Orientierungssatz

Die Bemessung von Sondervergütungen für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH muß bei Meidung einer verdeckten Gewinnausschüttung im voraus so geregelt sein, daß allein durch Rechenvorgänge die Höhe der Vergütung ermittelt werden kann, ohne daß es der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung bedarf (vgl. BFH-Urteil vom 30.1.1985 I R 37/82).

 

Normenkette

KStG 1975 § 6 Abs. 1 S. 2; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die in den Streitjahren 1976 und 1977 den Wohnungs- und Industriebau sowie den Erwerb und den Verkauf von Grundstücken im In- und Ausland betrieb. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin war A, der durch Vertrag vom 15.Oktober 1973 zum Geschäftsführer bestellt wurde. Durch Ergänzungsvertrag vom 23.Oktober 1973 vereinbarte die Klägerin mit A, daß dieser neben dem vereinbarten Gehalt für weitere Tätigkeiten die gleichen Vergütungen erhalten sollte, wie sie anderen Mitarbeitern der Klägerin und deren Schwestergesellschaften zustanden. Hierzu sollten insbesondere Provisionen für vermittelte Verkäufe aus dem Verkaufsvolumen und Gebühren für von A übernommene Bürgschaften gehören.

Aufgrund dieser Vereinbarung zahlte die Klägerin an A für

1976 1977

---- ----

DM DM

Verkaufsprovisionen 35 091,50 135 712,15

Bürgschaftsprovisionen 98 512,50 43 330,--.

Die Provisionen wurden von der Klägerin jeweils bei Bilanzaufstellung anhand einer monatlich geführten Umsatzliste ermittelt und auf das zugunsten von A geführte Verrechnungskonto umgebucht. Provisionszahlungen an andere Anlageberater wurden dagegen laufend erfaßt und abgerechnet. Als Verkaufsprovisionen wurden 1,5 v.H. des Kaufpreises und als Bürgschaftsprovisionen 2,5 v.H. des verbürgten Betrages angesetzt.

Nach einer Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Provisionszahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen und erließ am 5.Februar, 3.März und 1.Juni 1982 geänderte Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1976 und 1977. Die Einsprüche und Klagen blieben ohne Erfolg.

Mit ihren Revisionen rügt die Klägerin "unzureichende Sachaufklärung", "unzureichende Beweiswürdigung" und die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt sinngemäß, die Urteile des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg aufzuheben und dem erstinstanzlichen Klagebegehren zu entsprechen.

Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. A. Der Senat hat es für angebracht gehalten, die Verfahren I R 142/85 und I R 143/85 zur gemeinsamen Entscheidung miteinander zu verbinden (§ 121, § 73 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

B. Von den Revisionen ist eine und diese nur insoweit begründet, als sie die Abweisung der Klage wegen Körperschaftsteuer 1977 betrifft. Insoweit war die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO). Im übrigen war die Revision als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).

1. Die Vorentscheidung leidet an keinen Verfahrensfehlern. Die entsprechenden Rügen der Klägerin greifen nicht durch. Dies bedarf keiner weiteren Begründung (Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs --BFHEntlG--).

2. Das FG hat zutreffend die Zahlung von Provisionen als verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin beurteilt.

a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 6 Abs.1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1975 bzw. im Sinne des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind, sich auf die Höhe des Einkommens auswirken und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673). Bei einem beherrschenden Gesellschafter ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll. Fehlt es an einer im voraus getroffenen klaren Vereinbarung, so besteht wegen des nicht vorhandenen Interessengegensatzes zwischen der Gesellschaft und dem beherrschenden Gesellschafter die Möglichkeit, den Gewinn der Gesellschaft mehr oder weniger beliebig festzusetzen und ihn so zu beeinflussen, wie es bei der steuerlichen Gesamtbetrachtung der Einkommen der Gesellschaft und des Gesellschafters jeweils am günstigsten ist.

b) Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht in einer den erkennenden Senat bindenden Weise festgestellt, daß A in den Streitjahren 1976 und 1977 sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin hielt. Somit war er deren beherrschender Gesellschafter. Die Klägerin vereinbarte mit A im Geschäftsführervertrag vom 15.Oktober 1973 ein laufendes Monatsgehalt und eine Gewinntantieme. Außerdem vereinbarten sie im Ergänzungsvertrag vom 23.Oktober 1973, daß A neben dem vereinbarten Gehalt für weitere Tätigkeiten die gleichen Vergütungen erhalte, wie sie anderen Mitarbeitern der Klägerin und deren Schwesterfirmen gezahlt würden.

3. Auf der Grundlage dieser tatsächlichen Feststellungen ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß der Ergänzungsvertrag vom 23.Oktober 1973 eine unklare Vereinbarung im Sinne der o.g. Rechtsprechung ist, weshalb sich aus ihm eine betriebliche Veranlassung der gezahlten Provisionen nicht ergeben kann:

a) Unklar ist einmal, was unter den im Ergänzungsvertrag vom 23.Oktober 1973 vereinbarten "weiteren Tätigkeiten" zu verstehen ist. A war als Geschäftsführer der Klägerin verpflichtet, seine ganze Arbeitskraft in den Dienst der Klägerin zu stellen. Er mußte die Aufgaben der Klägerin entsprechend den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters wahrnehmen. Zivilrechtlich unterlag er sowohl als Gesellschafter als auch als Geschäftsführer im Verhältnis zur Klägerin einem Wettbewerbsverbot. Dieses Wettbewerbsverbot galt unabhängig davon, ob es in der Satzung oder im Anstellungsvertrag ausdrücklich festgehalten war, ob die Klägerin durch eine selbständige Arbeit des A geschädigt wurde und ob sie die Geschäfte selbst hätte betreiben können (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 26.Oktober 1964 II ZR 127/62, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 1964, 1320; vom 9.November 1967 II ZR 64/67, BGHZ 49, 30; vom 11.Oktober 1976 II ZR 104/75, Betriebs-Berater --BB-- 1977, 313; vom 9.Juli 1979 II ZR 125/77, Lindenmayer-Möhring - Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 242 BGB (Cd) Nr.223). Aufgrund des Wettbewerbsverbotes war dem A jede Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr im eigenen Namen und für eigene Rechnung im Geschäftsbereich der Klägerin verboten. Zwar konnte die Klägerin Befreiung vom Wettbewerbsverbot erteilen. Dies hätte jedoch sowohl einen förmlichen Gesellschafterbeschluß als auch eine Vereinbarung mit A vorausgesetzt. Außerdem hätte in der Befreiung vom Wettbewerbsverbot klargestellt werden müssen, welche Tätigkeiten A der Klägerin als Geschäftsführer schuldete und welche er als selbständiger Unternehmer erbringen konnte. Es durfte nicht der freien Entscheidung des A überlassen bleiben, ob er im Einzelfall als Geschäftsführer oder als selbständiger Unternehmer tätig wurde. Im Streitfall fehlt es sowohl an einer förmlichen Befreiung vom Wettbewerbsverbot als auch an der erforderlichen Abgrenzung der Pflichtenbereiche.

b) Unklar ist der Ergänzungsvertrag vom 23.Oktober 1973 auch insoweit, als er die Höhe der von der Klägerin zu zahlenden Provisionen nicht ausreichend festlegt. Die Bemessung von Sondervergütungen für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH muß bei Meidung einer verdeckten Gewinnausschüttung im voraus so geregelt sein, daß allein durch Rechenvorgänge die Höhe der Vergütung ermittelt werden kann, ohne daß es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung bedarf (BFH-Urteil vom 30.Januar 1985 I R 37/82, BFHE 143, 263, BStBl II 1985, 345). Daran fehlt es im Streitfall. Die Höhe der von der Klägerin zu zahlenden Provision wurde nicht festgelegt. Sie sollte erst noch durch den Vergleich mit den Rechtsbeziehungen zu anderen Personen ermittelt werden. Damit verblieb insoweit ein Entscheidungsspielraum, als Rechtsbeziehungen zu anderen Personen festzustellen und auf ihre Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit des A zu überprüfen waren. Dabei blieb unklar, was zu geschehen hatte, wenn vergleichbare Rechtsbeziehungen zu anderen Personen nicht existierten, bzw. welche Vereinbarung gelten sollte, wenn unterschiedliche Rechtsbeziehungen zu mehreren Personen festgestellt werden sollten. Beides schließt die Annahme einer klaren Vereinbarung aus, weshalb der Ergänzungsvertrag vom 23.Oktober 1973 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden kann.

c) Schließlich weist das FG zu Recht darauf hin, daß es bezüglich der Höhe der Bürgschaftsprovision an jeder von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt. Die Klägerin behauptet zwar, eine Vereinbarung mündlich abgeschlossen zu haben. Eine solche mündliche Vereinbarung ist aber nicht nachgewiesen. Bei dieser Sachlage ist es entscheidungsunerheblich, ob die in Rechnung gestellte Bürgschaftsprovision markt- und branchenüblich war. Ein Gesellschafter kann für seine Kapitalgesellschaft auch unentgeltliche Erfolgsbeiträge erbringen (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 26.Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348). Gerade deshalb muß von vornherein klargestellt sein, zu welcher Gegenleistung die Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter verpflichtet ist.

4. a) Handelt es sich bei den von der Klägerin an A gezahlten Provisionen um verdeckte Gewinnausschüttungen, so hat das FG zutreffend die Gewinne der Klägerin für 1976 um 133 604 DM und für 1977 um 179 042,15 DM erhöht. Rechtsgrundlage für die Korrekturen ist § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1975 (für 1976) und § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 (für 1977).

b) Zu Unrecht hat das FG jedoch von seiner Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen auf die Anwendung des § 27 Abs.3 KStG 1977 geschlossen. Es hat die unterschiedlichen Auswirkungen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Rahmen des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 einerseits und des § 27 Abs.3 KStG 1977 andererseits nicht beachtet, auf die der erkennende Senat wiederholt hingewiesen hat (vgl. Urteile vom 20.August 1986 I R 87/83, BFHE 147, 521, BStBl II 1987, 75; vom 11.Februar 1987 I R 177/83, BFHE 149, 176, BStBl II 1987, 461; vom 29.April 1987 I R 118/83, BFH/NV 1988, 122; vom 26.August 1987 I R 140/86, BFH/NV 1988, 395; vom 26.August 1987 I R 141/86, BFHE 151, 366, BStBl II 1988, 143, und vom 9.Dezember 1987 I R 260/83, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460). Beiden Vorschriften ist gemeinsam, daß es sich bei der verdeckten Gewinnausschüttung um eine bei einer Kapitalgesellschaft eingetretene Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) handeln muß, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Die verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs.3 Satz 2 KStG 1977 setzt zusätzlich voraus, daß die Vermögensminderung gleichzeitig Einkommensminderung ist. Eine Ausschüttung im Sinne des § 27 Abs.3 KStG 1977 ist dagegen unabhängig von einer eingetretenen Einkommensminderung dann anzunehmen, wenn der Vermögensminderung entsprechende Mittel bei der Kapitalgesellschaft tatsächlich abfließen (vgl. BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460). Die Entscheidung über die Anwendung des § 27 Abs.3 KStG 1977 hängt deshalb davon ab, welche der für 1977 oder die Vorjahre festgestellten verdeckten Gewinnausschüttungen in 1977 tatsächlich abgeflossen sind. Nur für den entsprechenden noch festzustellenden Betrag ist die Ausschüttungsbelastung im Rahmen der Veranlagung 1977 herzustellen. Dabei kann die Klägerin den Antrag nach § 54 Abs.7 KStG 1984 stellen.

5. Da § 27 Abs.3 KStG 1977 erst ab dem Veranlagungszeitraum 1977 anzuwenden ist, hat die festgestellte Unklarheit auf die Körperschaftsteuerveranlagung 1976 keinen Einfluß. Entsprechendes gilt für die Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge 1976 und 1977, weil die Herstellung der Ausschüttungsbelastung nicht für Zwecke der Gewerbesteuer vorzunehmen ist. Insoweit war die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Im übrigen ist die Sache nicht entscheidungsreif. Es bedarf tatsächlicher Feststellungen bezüglich der Frage, ob und welche verdeckten Gewinnausschüttungen in 1977 tatsächlich abgeflossen sind. Sie zu treffen ist Aufgabe des FG. Zu diesem Zweck war die Vorentscheidung aufzuheben, soweit sie die Abweisung der Klage wegen Körperschaftsteuer 1977 betrifft. In diesem Umfang war die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62776

BFH/NV 1989, 35

BStBl II 1989, 636

BFHE 156, 484

BFHE 1989, 484

BB 1989, 1467-1468 (LT)

DB 1989, 1702-1704 (LT)

DStR 1989, 500 (KT)

HFR 1989, 636 (LT)

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