Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat erkennt die Möglichkeit nicht steuerbarer Beistellungen durch den Bauherrn (Auftraggeber) an einen Bauunternehmer auch für die überlassung von Strom, Kohle und ähnlichen Betriebsmitteln oder Hilfsstoffen und von Arbeitskräften an. Soweit in dem Urteil des Reichsfinanzhofs V 25/43 vom 19. April 1944 (RStBl 1944 S. 669) eine andere Auffassung zum Ausdruck kommen sollte, vermag ihr der Senat nicht zu folgen.

 

Normenkette

UStG § 1/1, § 3/1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige ist eine Arbeitsgemeinschaft des Baugewerbes, die von dem Auftraggeber, einem Kraftwerk, mit der Herstellung eines Bauwerks (Staustufe in einem Fluß) beauftragt worden ist. Der Auftraggeber hat für dieses Bauvorhaben elektrischen Strom, Kohle und Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Streitig ist, ob es sich insoweit um nicht steuerbare Beistellungen des Auftraggebers handelt. Die Vorinstanz hat die Steuerpflicht der auf diese Beistellungen entfallenden Beträge verneint.

Hinsichtlich der überlassung des elektrischen Stromes ist festgestellt worden, daß der Auftraggeber Stromzähler für den von ihm selbst erzeugten Strom innerhalb der Baustelle aufgestellt hatte, an denen Angestellte des Auftraggebers monatlich den Stromverbrauch ablasen und der Steuerpflichtigen in Rechnung stellten. Die Bezahlung erfolgte im Verrechnungswege, d. h. die Rechnungsbeträge des Auftraggebers wurden vom Gesamtpreis der Bauleistungen, in den die Stromkosten einkalkuliert waren, abgesetzt. Es war unmöglich, daß ein anderer als die Steuerpflichtige den Strom hätte entnehmen können, der vielmehr nach den mündlich getroffenen Vereinbarungen ausschließlich für die Zwecke des Baues Verwendung finden sollte und verwendet worden ist.

Die überlassenen Kohlen wurden gleichfalls nur für den Bau (z. B. für Bagger und Lokomotiven, für die Beheizung der Betonfabrikation, zum geringen Teil auch für Kantinen- und Bürobeheizung) verwendet. Ein geringfügiger Rest wurde auf Weisung des Auftraggebers an ein neues Bauvorhaben der Steuerpflichtigen für den gleichen Auftraggeber abgegeben. Der Auftraggeber hat den Kohlebedarf von der Steuerpflichtigen erfragt und sodann die Kohle im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bei den Zechen bestellt, weil nach den damaligen Bewirtschaftungsbestimmungen wohl der Auftraggeber, nicht aber die Steuerpflichtige über entsprechende Kohlenkontingente verfügte. Die Steuerpflichtige mußte den Verbrauch der Kohle im einzelnen dem Auftraggeber nachweisen.

Wie der Strom wurde auch die Kohle zum Selbstkostenpreis angesetzt; die Bezahlung geschah auch hier in der Weise, daß die Steuerpflichtige die ihr in Rechnung gestellte Kohle vom Gesamtpreis ihrer Rechnung für das Bauwerk absetzte.

Arbeitskräfte wurden nur in geringfügigem Umfang zur Verfügung gestellt; es handelte sich um einige Spezialarbeiter, die im Arbeitsverhältnis zum Auftraggeber blieben. Der Auftraggeber stellte die Löhne zuzüglich eines Zuschlags von 20 % für Sozialabgaben in Rechnung. Der in Rechnung gestellte Betrag wurde in gleicher Weise wie bei der Kohle und beim Strom verrechnet.

 

Entscheidungsgründe

Die gegen die Freistellung der streitigen Beträge gerichtete Rechtsbeschwerde des Finanzamts, mit der nunmehr auch die Versteuerung der auf die Arbeitergestellung entfallenden Beträge begehrt wird, die die Einspruchsentscheidung als nicht steuerbar anerkannt hatte, ist nicht begründet.

Die Rechtsbeschwerde ist in erster Linie auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 25/43 vom 19. April 1944 (RStBl 1944 S. 669) gestützt, in dem Baustrom nicht als Werkstoff, sondern als Betriebsmittel angesprochen worden ist.

Der erkennende Senat hat sich bisher nur mit Fragen der Materialbeistellung befaßt und sich mit sonstigen Beistellungen nur unter dem Gesichtspunkt der Großhandelsvergünstigung des Auftraggebers zu beschäftigen gehabt, ohne die hier streitigen Fragen zu entscheiden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 150/55 S vom 21. September 1955, BStBl 1955 III S. 334, Slg. Bd. 61 S. 354). Wie bei der Materialbeistellung beurteilt sich auch die Steuerbarkeit sonstiger Beistellungen des Auftraggebers nach dem Inhalt des Leistungsaustausches zwischen den Beteiligten, über den nur einheitlich entschieden werden kann.

Hinsichtlich der überlassung des Stromes durch den Auftraggeber ist also zu prüfen, ob der Auftraggeber an die Steuerpflichtige Strom liefern will, oder ob es ihm darauf ankommt, selbst einen Beitrag zur Herstellung des Werkes zu leisten. Die Tatsache, daß der Strom laufend in Rechnung gestellt wird, spricht, wie der Rechtsbeschwerde zuzugeben ist, für eine steuerbare Stromlieferung. Nicht anders aber wie in dem Falle, daß vom Auftraggeber ein im fertigen Werk sichtbarer stofflicher Beitrag beigestellt wird, kann auch bei der Beistellung von Strom der Lieferungswille zu verneinen sein. Welche der beiden Möglichkeiten gegeben ist, ist eine Frage der tatsächlichen Würdigung (vgl. Schettler, Deutsche Steuer-Zeitung 1952 S. 199 ff., 202). Dabei hat die Frage der Inrechnungstellung des Stromes nur die Bedeutung eines Beweisanzeichens; im Streitfalle ist nach der insoweit unbestrittenen Darstellung des Sachverhalts anzunehmen, daß die Feststellung des Verbrauchs und die Verrechnung zum Selbstkostenpreis nur die Bedeutung einer überwachung des Verbrauchs hat, nicht aber zum Inhalt eines gesonderten Leistungsaustausches gehört. Bei der hier gebotenen Prüfung nach dem Inhalt des Leistungsaustausches kann es auch nicht darauf ankommen, ob der Strom als Werkstoff anzusehen ist und ob er im fertigen Werk sichtbar in Erscheinung tritt wie etwa beigestellte Ziegelsteine. Denn es ist nicht einzusehen, warum sich der Auftraggeber nicht auch in anderer Weise als durch Beistellung von Werkstoffen an der Herstellung des Baues beteiligen kann. Soweit in dem o. a. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 19. April 1944 eine andere Auffassung zum Ausdruck kommen sollte, vermag ihr der erkennende Senat nicht zu folgen. Geht man im Streitfalle davon aus, daß der Auftraggeber nur seinen Selbstkostenpreis in Rechnung gestellt hat, worüber im Urteil vom 19. April 1944 Feststellungen fehlen, daß er den abgegebenen Strom ausschließlich zur Verwendung für das Bauvorhaben bestimmt und daß er diese ausschließliche Verwendung auch sichergestellt hat, so wird man bei einem Wirtschaftsgut, daß wie Strom geliefert werden kann, nicht von einer umsatzsteuerlichen Verschaffung der Verfügungsmacht am Strom sprechen können. Es ist solchenfalls vielmehr davon auszugehen, daß der Auftraggeber nur einen eigenen Beitrag zur Erstellung des Baues erbringen will, den er um die Stromkosten billiger erhält (vgl. auch Beck, Umsatzsteuer- Rundschau 1954 S. 181 ff., 183; Hübschmann-Grabower-Beck- v. Wallis, Umsatzsteuergesetz, § 3 Anm. 78, § 1 Ziff. 1 Anm. 87; Sölch-Ringleb, Umsatzsteuergesetz, 6. Aufl., § 3 Anm. 31; Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 6. Aufl., Textziff. 615, 8. Aufl., Textziff. 1198). Auch bei der echten Materialbeistellung kommt dem Umstande, daß der Auftraggeber die beigestellten Stoffe selbst herstellt oder mit ihnen handelt, keine Bedeutung zu (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 12/44 vom 30. November 1944, Slg. Bd. 54 S. 151, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Umsatzsteuergesetz, § 3 Abs. 1 Rechtsspruch 2). Das hier gefundene Ergebnis entspricht einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, wonach es nicht entscheidend sein kann, ob sich der Auftraggeber durch Werkstoffe oder durch andere Hilfsmittel dergestalt beteiligt, daß sich der Hersteller des Werkes diese Stoffe oder Hilfsmittel im Sinne des § 3 des Umsatzsteuergesetzes nicht selbst beschaffen muß. Es muß auch als eine vernünftige und wirtschaftliche Zielsetzung der vertraglichen Abmachungen anerkannt werden, wenn, wie das Finanzgericht mit Recht hervorhebt, der Besteller Wert darauf legt, daß Gegenstände, die er in seinem eigenen Betrieb erzeugt und die für die Herstellung des von ihm bestellten Werkes benötigt werden, nicht durch einen Dritten an den Hersteller geliefert, sondern von ihm beigestellt werden.

Nicht anders ist die Rechtslage hinsichtlich der überlassenen Kohle zu beurteilen. Die Steuerpflichtige hatte eine Werklieferung zu bewirken, da sie selbst die Hauptstoffe, insbesondere die Baumaterialien, zu beschaffen hatte. Werklieferungen sind der typische Anwendungsfall einer echten Materialbeistellung, die dann anzunehmen ist, wenn der Auftraggeber dem Unternehmer zur Herstellung eines Werkes einen Teil des dazu erforderlichen Stoffes zur Verfügung stellt. Dabei ist es gleichgültig, ob dieser Teil selbst ein Hauptstoff oder ob er nur Zutat oder Nebensache (Nebenstoff) ist. Die überlassene Kohle ist ein Stoff, der mittelbar in dem fertigen Werk auch aufgeht oder doch der Erstellung des Werkes dient, so daß sich der Streitfall von der echten Materialbeistellung nur dadurch unterscheidet, daß Werkstoffe wie Ziegel oder Zement, Eisenteile oder Holz usw. im Bauwerk erhalten bleiben, während die Kohle als ein Hilfsstoff nur verbraucht wird. Anders wiederum liegt es bei den Klischees und Matern usw. im o. a. Urteilsfall V 150/55 S vom 21. September 1955, da diese Hilfsmittel nur Vorlagen und in keiner irgendwie gearteten Form im fertigen Werk enthalten sind. Nur unter diesem Blickpunkt hatte der Senat dort eine Materialbeistellung verneint, so daß dem Besteller die Großhandelsvergünstigung zu gewähren war. An dem erwähnten Urteil vom 21. September 1955 hält der Senat fest. Im Streitfalle ist dagegen der Inhalt des Leistungsaustausches zwischen Besteller und Hersteller zu prüfen. Der Sachverhalt ergibt insoweit eindeutig, daß der Auftraggeber die Kohle nicht liefern wollte, sondern wegen seiner besseren Bezugsmöglichkeiten für das herzustellende Bauwerk beistellen wollte. Eine Lieferung (Verschaffung der Verfügungsmacht an der Kohle) hat dagegen nicht stattgefunden.

Daß eine steuerbare Beistellung auch durch überlassung von Arbeitskräften möglich ist, wird im Schrifttum überwiegend bejaht (vgl. Sölch-Ringleb a. a. O. § 3 Anm. 32; Schettler, Deutsche Steuer-Zeitung 1952 S. 202; Beck, Umsatzsteuer-Rundschau 1954 S. 183). Auch die Verwaltung hat dies anerkannt (vgl. Erlaß des Reichsministers der Finanzen S 4200 - 271/III vom 15. November 1941, Umsatzsteuerkartei S 4200 Karte 33). Im Streitfalle hat es sich um einzelne Spezialarbeiter für besondere Arbeiten gehandelt, die im Arbeitsverhältnis zum Auftraggeber verblieben sind. Bei einem solchen Sachverhalt kann davon ausgegangen werden, daß es dem Auftraggeber darauf ankam, an der Herstellung des Bauwerkes in dem durch die Spezialkenntnisse seiner Arbeiter bedingten Umfange mitzuarbeiten. Unbeschadet des Umstandes, daß neben den tatsächlich gezahlten Löhnen noch ein Aufschlag für Sozialaufgaben in Rechnung gestellt wurde, kann hier nicht angenommen werden, daß ein Entgelt für einen gesonderten Leistungsaustausch - Arbeitergestellung gegen Entgelt - vereinbart worden ist. Der vom Reichsfinanzhof mit Urteil V 332/39 vom 24. Januar 1941 (RStBl 1941 S. 133, Slg. Bd. 50 S. 21) entschiedene Fall liegt tatbestandlich in wesentlichen Punkten anders.

Der Senat wendet hiernach für alle drei Tatbestände die Grundsätze, wie er sie für die echte Materialbeistellung entwickelt hat und wie er sie zuletzt im Urteil V 157/55 U vom 17. Januar 1957 (BStBl 1957 III S. 92, Slg. Bd. 64 S. 241) ausgesprochen hat, sinngemäß auf die sonstigen Beistellungen des Streitfalles an.

Hiernach war dem Finanzgericht in vollem Umfange beizutreten, so daß es dahingestellt bleiben kann, ob die Rechtsbeschwerde die Frage der Arbeitergestellung im Rechtsbeschwerdeverfahren erneut aufgreifen konnte. Die Rechtsbeschwerde des Finanzamts war als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409333

BStBl III 1959, 227

BFHE 1959, 596

BFHE 68, 596

StRK, UStG:1/1 R 101

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