Leitsatz (amtlich)

Benutzt in einem den zusammenveranlagten Eheleuten als Miteigentümer zu je 1/2 gehörenden Einfamilienhaus der Ehemann allein ein Arbeitszimmer, so ist die auf diesen Raum anteilig entfallende AfA nach § 7b, § 7 Abs.4 EStG grundsätzlich ohne Rücksicht auf den halben Miteigentumsanteil der Ehefrau als Werbungskosten bei den Einkünften des Ehemannes aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

 

Orientierungssatz

Sind Ehegatten zu je 1/2 Miteigentümer eines Einfamilienhauses, so ist in der Regel auch dann davon auszugehen, daß sie die Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten dieses Objekts je zur Hälfte getragen haben, wenn ein Ehegatte erheblich weniger als der andere verdient oder überhaupt nicht berufstätig ist und daher kein für den Erwerb oder die Herstellung eines Hauses einsetzbares eigenes Einkommen oder Vermögen besitzt.

 

Normenkette

EStG 1981 § 7 Abs. 4, §§ 7b, 9 Abs. 1 Nr. 7, § 21 Abs. 3, §§ 21a, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden als Eheleute für das Streitjahr 1982 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war im Streitjahr an einem Gymnasium als Studienrat tätig. Er nutzte in dem den Eheleuten zu je 50 v.H. gehörenden Einfamilienhaus einen 20,227 qm großen Raum als Arbeitszimmer. Die Gesamtwohnfläche des Hauses beträgt einschließlich Arbeitszimmer 164,976 qm. Die Ehefrau war im Streitjahr nicht beruflich tätig.

Die Kläger machten in der Einkommensteuererklärung 1982 anteilige Aufwendungen für das Arbeitszimmer in Höhe von 1 810,40 DM als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid nur einen Betrag von 1 249 DM. In der Einspruchsentscheidung erkannte das FA anteilige Aufwendungen für das Arbeitszimmer mit 1 397 DM an.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der Abzug von Werbungskosten in Höhe von 2 421 DM beantragt wurde, im wesentlichen statt. Es führte u.a. aus:

Der Kläger habe zu Recht die auf das Arbeitszimmer anteilig entfallende Gebäude-AfA nach § 7b des Einkommensteuergesetzes 1982 (EStG) sowie nach § 7 Abs.1 und 4 EStG von 2 v.H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten, die den Betrag von 150 000 DM überstiegen, als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend gemacht. Diese AfA sei nicht deshalb um 50 v.H. zu mindern, weil die Ehefrau zur Hälfte Miteigentümerin des Einfamilienhauses sei, das Arbeitszimmer jedoch allein vom Ehemann genutzt werde. Die Klägerin habe zwar bezüglich dieses Anteils weder eigene Einkünfte erzielt noch habe sie die Absicht zur Einkunftserzielung gehabt. Der Kläger habe jedoch an dem im Miteigentum der Klägerin stehenden Anteil am häuslichen Arbeitszimmer ein abschreibungsfähiges Nutzungsrecht erworben. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Hauses insgesamt getragen habe. Sollte die Klägerin die Anschaffungs- oder Herstellungskosten ihres Miteigentums selbst finanziert haben, so habe sie jedenfalls dem Kläger die Nutzung dieses Raumes in der Weise gestattet, daß er eine rechtlich gesicherte Position erlangt habe, die ihm gegen seinen Willen nicht entzogen werden könne. Die Ehegatten müßten bei einer Übereinkunft über die Benutzung des gemeinschaftlichen Hauses von der Überlegung ausgegangen sein, daß der Kläger in seiner beruflichen Existenz als Studienrat auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen sei. Zu einem einseitigen Entzug der unentgeltlichen Nutzungsbefugnis wäre die Klägerin wegen ihrer ehelichen Mitwirkungspflichten nach §§ 1353 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht berechtigt gewesen.

Ein auf diese Weise unentgeltlich entstandenes schuldrechtliches Wirtschaftsgut könne nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 20.November 1980 IV R 117/79, BFHE 131, 516, BStBl II 1981, 68; vom 22.Januar 1980 VIII R 74/77, BFHE 129, 485, BStBl II 1980, 244, und vom 2.August 1983 VIII R 57/80, BFHE 139, 73, BStBl II 1983, 739) in ein Betriebsvermögen eingelegt und jährlich abgeschrieben werden, wobei als Teilwert des Nutzungsrechts die Summe der AfA-Beträge anzusetzen sei, die der unentgeltlich überlassende Miteigentümer innerhalb der Nutzungszeit hätte geltend machen können, wenn er das überlassene Wirtschaftsgut zur Erzielung eigener Einkünfte eingesetzt hätte. Diese Erwägungen müßten in grundsätzlich gleicher Weise für den Bereich der Überschußeinkünfte gelten. Der Kläger könne zwar sein unentgeltlich erworbenes Nutzungsrecht nicht im Rahmen eines Einkunftserzielungsvermögens abschreiben, weil es bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ein solches dem Betriebsvermögen entsprechendes Vermögen nicht gebe. Dieser Umstand stehe jedoch dem Abzug einer AfA aufgrund der rechtsbegründenden Ausnahmevorschrift des § 9 Abs.1 Nr.7 EStG nicht entgegen. In Anlehnung an die vorstehend genannte Rechtsprechung des BFH sei als Wert des Nutzungsrechts die Summe der AfA-Beträge anzusetzen, die die Klägerin innerhalb der vereinbarten Nutzungszeit hätte geltend machen können, wenn sie ihren Miteigentumsanteil zur Erzielung eigener Einkünfte eingesetzt hätte. Diesen Betrag könne der Kläger mit den gleichen Jahresraten abschreiben wie die Klägerin, wenn sie ihren Miteigentumsanteil am Arbeitszimmer selbst genutzt hätte. Der Kläger könne daher im Ergebnis die anteilige AfA auf das Arbeitszimmer nach § 7 EStG und § 7b EStG ohne Rücksicht auf den Miteigentumsanteil seiner Ehefrau bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehen.

Gegen diese Entscheidung legte das FA Revision ein. Es bringt u.a. vor:

Der Kläger könne die AfA bezüglich des Arbeitszimmers nicht hinsichtlich des halben Miteigentumsanteils seiner Ehefrau als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machen. Die Überlassung des Arbeitszimmers beruhe nicht auf einer konkreten rechtlichen Vereinbarung unter den Eheleuten. Das FG stütze sich zu Unrecht auf das Urteil in BFHE 129, 485, BStBl II 1980, 244. Diese Entscheidung betreffe die Einlage eines abschreibungsfähigen Nutzungsrechts in das Betriebsvermögen. Im Streitfall sei jedoch kein Betriebsvermögen vorhanden gewesen. Die Grundsätze, die bei den Gewinneinkünften die Annahme eines abschreibungsfähigen Nutzungsrechts rechtfertigten, seien bei Überschußeinkünften nicht anwendbar. Die AfA nach § 7 und § 7b EStG seien bei dem zu berücksichtigen, der den Wertverzehr trage. Das sei in der Regel der bürgerlich-rechtliche Eigentümer, hier also zu je 1/2 der Kläger und die Klägerin. Der Kläger sei im Streitfall auch kein wirtschaftlicher Eigentümer bezüglich des halben Miteigentumsanteils seiner Ehefrau gewesen.

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nur in Höhe von 1 740 DM als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA hat keinen Erfolg.

Der Senat tritt im Ergebnis der Ansicht des FG bei, daß der Kläger die anteilige AfA bezüglich des von ihm allein genutzten Arbeitszimmers ohne Rücksicht auf den halben Miteigentumsanteil seiner Ehefrau am Einfamilienhaus als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ansetzen kann.

I.

Es ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten, in welcher Form und in welchem Ausmaß in Fällen dieser Art der das Arbeitszimmer allein nutzende Ehemann die auf diesen Raum anteilig entfallende Gebäude-AfA bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machen kann (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 6.Aufl., 1987, § 9 Anm.11 b i.V.m. Anm.2 n und § 21 Anm.5 d).

Der Senat braucht auf die hierzu vertretenen Ansichten nicht einzugehen, da dem Kläger wegen der Besonderheiten des Streitfalls die AfA-Befugnis schon aufgrund anderer, von der Literatur und Rechtsprechung bisher nicht angestellter Erwägungen zusteht.

1. Nach § 9 Abs.1 Nr.7 EStG gehören zu den Werbungskosten bei den Überschußeinkünften i.S. des § 2 Abs.1 Nr.4 bis 7 EStG auch Absetzungen für Abnutzung und für Substanzverringerung i.S. des § 7 Abs.1 und 4 bis 6, § 7a Abs.1 bis 3, 5 und 7 und § 7b EStG. Sie kann nur derjenige mit Erfolg als Werbungskosten geltend machen, der Einkünfte im Sinne dieser Einkunftsarten erzielt hat.

2. Der Senat läßt die Frage offen, ob er sich der Rechtsprechung des IX.Senats des BFH anschließen könnte (vgl. insbesondere Urteile vom 24.September 1985 IX R 62/83, BFHE 144, 446, BStBl II 1986, 12, und vom 7.Oktober 1986 IX R 167/83, BFHE 148, 501, BStBl II 1987, 322), wonach die AfA einem Miteigentümer nur insoweit zugerechnet werden kann, als er die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes aufgewandt hat; denn auf diese Frage kommt es im Streitfall nicht entscheidend an. Der IX.Senat geht in seinen zitierten Urteilen davon aus, daß die AfA grundsätzlich den Miteigentümern entsprechend ihren Anteilen zustehe. Diese Annahme trifft nach Ansicht des erkennenden Senats gemäß zivilrechtlichen Grundsätzen in der Regel gerade auf Eheleute zu. Sind sie nämlich wie hier zu je 1/2 Miteigentümer eines Einfamilienhauses, so ist in der Regel auch dann davon auszugehen, daß sie die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten dieses Objekts je zur Hälfte getragen haben, wenn ein Ehegatte erheblich weniger als der andere verdient oder überhaupt nicht berufstätig ist und daher kein für den Erwerb oder die Herstellung eines Hauses einsetzbares eigenes Einkommen oder Vermögen besitzt. Denn der Bundesgerichtshof (BGH) folgert in Fällen dieser Art aus dem Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft, daß der mehr- oder alleinverdienende Ehepartner im Hinblick auf die beabsichtigte Einräumung des halben Miteigentumsanteils mit seinem Ehegatten schon bei Abschluß der vorbereitenden Grundstücksverträge eine Übereinkunft schließt, wonach er ihm die Mittel für die Bezahlung der halben Anschaffungs- oder Herstellungskosten insoweit zuwenden wird, als sie von ihm selbst nicht aufgebracht werden. Deshalb ist der nichtverdienende und/oder vermögenslose Ehegatte bezüglich der Einräumung des halben Miteigentumsanteils am Haus auch nicht ungerechtfertigt bereichert mit der Folge, daß bei einer späteren Ehescheidung insoweit ein finanzieller Ausgleich in der Regel nicht stattfindet (vgl. Urteile des BGH vom 6.Dezember 1965 II ZR 137/63, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1966, 542; vom 28.April 1983 IX ZR 1/82, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1983, 797, und vom 17.Mai 1983 IX ZR 14/82, NJW 1983, 1845).

3. Geht man daher in der Regel davon aus, daß jedem Ehepartner entsprechend seinem halben Miteigentumsanteil am Haus die halben Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zuzurechnen sind, so kann jeder von ihnen unabhängig vom anderen Ehepartner die halbe Gebäude-AfA bei seinen steuerpflichtigen Einkünften geltend machen. Als Einkünfte kommen bei beiden Eheleuten die aus Vermietung und Verpachtung in Betracht, wenn sie beide als Miteigentümer den Tatbestand der Einkunftserzielung bei dieser Einkunftsart erfüllen. Bei dem das Arbeitszimmer beruflich allein nutzenden Ehepartner treten die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hinzu. Da nach § 21 Abs.3 EStG die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit denen aus Vermietung und Verpachtung im Range vorgehen und von diesem Rangverhältnis auch die nach § 9 Abs.1 Satz 2 EStG den jeweiligen Einkunftsarten zuzuordnenden Werbungskosten erfaßt werden, verdrängen die Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Form der AfA im Bereich des dem Kläger zustehenden AfA-Volumens die Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung. Der das Arbeitszimmer allein nutzende Ehepartner ist deshalb berechtigt, die volle auf das Arbeitszimmer entfallende AfA bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Anspruch zu nehmen. Der Rest der ihm zustehenden halben AfA von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes (halbe Gebäude-AfA abzüglich volle Arbeitszimmer-AfA) ist bei seinen hälftigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen. Diese Zuordnung der AfA folgt aus der Erkenntnis, daß bei gemeinschaftlichem Bruchteilseigentum die Sache selbst (hier das Haus) weder real noch ideell --also auch nicht bezüglich des Arbeitszimmers-- geteilt wird. Geteilt wird nur die Rechtszuständigkeit am gemeinschaftlichen Gegenstand (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 46.Aufl., § 741, Rdnr.5), hier also das Recht auf Vornahme einer AfA entsprechend dem halben Miteigentumsanteil unter Zurechnung der halben Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes bzw. der Eigentumswohnung.

II.

Das FG hat somit im Streitfall zu Recht die auf das Arbeitszimmer des Klägers anteilig entfallende AfA bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ohne Rücksicht auf den halben Miteigentumsanteil der mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau als Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 1 i.V.m. § 9 Abs.1 Nr.7 EStG berücksichtigt.

Das FG hat im Streitfall keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger allein oder beide Eheleute die Herstellungskosten des Einfamilienhauses von 196 545 DM je zur Hälfte getragen haben. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da gemäß vorstehenden Ausführungen zu I.2. grundsätzlich jedem der Eheleute die halben Anschaffungskosten des Gebäudes zuzurechnen sind. Daher kann jeder von ihnen die halbe Gebäude-AfA in Anspruch nehmen.

Der IX.Senat des BFH hat dieser Entscheidung zugestimmt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62411

BStBl II 1988, 764

BFHE 152, 491

BFHE 1988, 491

BB 1989, 274-275 (LT1)

HFR 1988, 386 (LT1)

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