Leitsatz (amtlich)

Die Grundsätze, nach denen die Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem Betrieb in einen anderen Betrieb desselben Steuerpflichtigen im allgemeinen keine Entnahme und keine Einlage ist, gelten auch für die Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen den Unternehmen zweier Personengesellschaften, an denen dieselben Personen in demselben Verhältnis beteiligt sind. Sie gelten unter dieser Voraussetzung auch für ständige Lieferungsgeschäfte zwischen den Gesellschaften.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nrn. 2, 4-5

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (KG) wurde durch Fusion vom 16. Dezember 1966 Rechtsnachfolgerin der KG S. Die KG S. bestand bis zu diesem Zeitpunkt als selbständige KG.

Streitig war bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1962, ob die KG S. berechtigt war, in der Bilanz zum 31. Dezember 1962 die entgeltlichen Lieferungen von Rohlingen an die KG dergestalt erfolgsneutral zu behandeln, daß sie durch Rückbuchung der Geschäftsvorfälle die Rohlinge mit dem Herstellungspreis in der Bilanz auswies.

Die KG S. stellte u. a. Rohlinge her. Sie lieferte im Jahr 1962 72,4 % der hergestellten Rohlinge an die KG und stellte den üblichen Verkaufspreis in Rechnung. Die KG produzierte und vertrieb u. a. ein daraus hergestelltes Erzeugnis. An beiden KG waren dieselben Gesellschafter im gleichen Verhältnis beteiligt. Beide KG waren im Handelsregister eingetragen. Sie hatten eigene Firmenbögen und reichten unter ihrem Namen eigene Steuererklärungen beim FA ein. Sie hatten getrennte Buchhaltungen und bilanzierten getrennt. Es wurden zwar eine gemeinsame Kasse, aber zwei Kassenbücher geführt. Belegschaft und technische Führungskräfte waren bei beiden KG verschieden. Die Unternehmen befanden sich auf demselben Fabrikgelände, jedoch räumlich getrennt. Die kaufmännische Geschäftsleitung war bei beiden KG dieselbe. Für die Arbeitnehmer bestand eine gemeinsame Unterstützungskasse und Kantine. Die allgemeinen Verwaltungskosten wurden prozentual aufgeteilt. Dadurch, daß die KG S. zum Schluß des Streitjahres den ursprünglichen Verkauf der Rohlinge an die KG zu den üblichen Verkaufspreisen rückgängig machte und die gelieferten Rohlinge mit den Herstellungskosten ansetzte, verminderte sie ihren Gewinn um 99 211 DM, was das FA nicht anerkannte.

Einspruch und Klage der KG S., die ihre Bilanzierung mit dem Bestehen einer Unternehmenseinheit zwischen ihr und der KG begründete, blieben erfolglos. Unter Berufung auf die Rechtsprechung zur Unternehmenseinheit mehrerer Betriebe in ein und derselben Hand im Gewerbesteuerrecht führte das FG im wesentlichen aus, diese Grundsätze könnten auch für das Einkommensteuerrecht übernommen werden. Hiernach könne derselbe Unternehmer mehrere Betriebe haben, wobei es ihm weitgehend überlassen bleibe, ob er die einzelnen Betriebe als selbständige Unternehmen oder als Teile eines einheitlichen Unternehmens ausgestalte. Diese Grundsätze seien auch bei Personengesellschaften anzuwenden, wenn dieselben Gesellschafter in demselben Verhältnis beteiligt seien. Entscheidend sei, welche Maßnahmen der Unternehmer tatsächlich getroffen habe, um die Selbständigkeit beider Betriebe nach innen oder außen hervortreten zu lassen. Gründeten Unternehmer mehrere nach außen selbständig auftretende Personengesellschaften, so könne nur in Ausnahmefällen anerkannt werden, daß ein gewerbesteuerliches Unternehmen vorliege. Ein solcher Ausnahmefall liege nicht vor, da beide KG im Handelsregister eingetragen seien, eigene Belegschaften, eigene technische Angestellte und eigene Produktionsprogramme hätten, getrennte eigene Bilanzen aufstellten und eigene Steuererklärungen beim FA einreichten. Die technische Abstimmung der Produktion und die gemeinsame Organisation einzelner Einrichtungen reichten demgegenüber nicht aus, um beide Unternehmen zu einer gewerbesteuerlichen Einheit zu machen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der KG führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung sowie zur Abänderung der einheitlichen Gewinnfeststellung 1962.

1. Die von der Vorinstanz verneinte Frage, ob zwischen der KG und der KG S. Unternehmenseinheit dergestalt bestand, daß die beiden Unternehmen der Kommanditgesellschaften wie ein Unternehmen zu behandeln wären, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Es braucht daher auch nicht zu dem Rechtsproblem Stellung genommen zu werden, ob zwischen mehreren selbständigen Personengesellschaften überhaupt eine Unternehmenseinheit anerkannt werden könnte, wovon allerdings das Urteil des BFH I 19/59 U vom 5. Mai 1959 (BFH 69, 111, BStBl III 1959, 304) ausging. Denn im Ergebnis muß der KG schon aus anderen Gründen Recht gegeben werden.

2. Die erfolgsneutrale Verbuchung des Verkaufs der Rohlinge an die KG war unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt aufrechtzuerhalten. Es liegt zwar keine Unternehmens-, wohl aber Unternehmeridentität vor. Für diesen Fall geht die Rechtsprechung des BFH davon aus, daß die Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem Betrieb in einen anderen Betrieb desselben Unternehmers jedenfalls dann im allgemeinen als innerbetrieblicher Vorgang ohne Gewinnrealisierung zu beurteilen ist, wenn die spätere Besteuerung der in den überführten Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven nicht gefährdet ist. Dies wird in der Regel angenommen, wenn für die beiden Betriebe dieselben Gewinnermittlungsund Einkunftsarten gelten. Dann liegt eine Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG beim überführenden Betrieb ebensowenig vor wie eine Einlage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG beim empfangenden Betrieb. Die Bewertungsvorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG für die Entnahmen und des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG für die Einlagen werden nicht angewendet (vgl. BFH-Urteile VI 19/63 U vom 7. Februar 1964, BFH 79, 264, BStBl III 1964, 328; IV 72/65 vom 16. März 1967, BFH 88, 129, BStBl III 1967, 318; IV 31/65 vom 22. Mai 1969, BFH 96, 176, BStBl II 1969, 584). Beim übertragenden Betrieb findet keine Gewinnrealisierung statt.

Diese für den Einzelunternehmer entwickelten Grundsätze gelten auch für Personengesellschaften, an denen dieselben Gesellschafter im selben Verhältnis beteiligt sind. Denn einkommensteuerlich stehen sich auch hier nicht selbständige Personengesellschaften gegenüber, die auch bei voller Identität der an ihnen beteiligten Gesellschafter wie Fremde zu behandeln wären, sondern die Gesellschafter selbst unmittelbar. Zwar leitet sich der Gewinn des Gesellschafters aus dem handelsrechtlichen Gewinn der Gesellschaft ab, jedoch ist er einkommensteuerlich anteilsmäßig unmittelbar sein Gewinn. Einkommensteuerlich erzielt er, nicht die Gesellschaft, Einkünfte. Dies ergibt sich aus der systematischen Einteilung der Einkünftebezieher im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht (§§ 1 EStG, KStG; vgl. auch Urteil des erkennenden Senats IV R 43/67 vom 20. März 1969, BFH 95, 436, BStBl II 1969, 463). Hieraus rechtfertigt sich die in ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. für alle das zitierte Urteil IV R 43/67) vertretene Rechtsauffassung, daß soweit wie möglich Einzelunternehmer und Mitunternehmer gleichartig behandelt werden. Dies gilt auch für die hier zu entscheidende Frage der Überführung von Wirtschaftsgütern aus einem Betrieb in einen anderen Betrieb, wenn Inhaber der Betriebe zwei personenidentische Personengesellschaften sind und die Identität der Gesellschafter sich nicht nur auf die Beteiligungen, sondern auch auf die Beteiligungsverhältnisse erstreckt. Wie zu entscheiden wäre, wenn keine so vollkommene Identität bestünde, sondern an beiden Gesellschaften auch noch, wenn auch nur geringfügig, andere Personen beteiligt oder die Beteiligungsverhältnisse der Gesellschafter an beiden Gesellschaften unterschiedlich wären, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn im Streitfall liegt volle Beteiligungs- und Anteilsidentität vor.

Hieraus ergibt sich sodann weiter, daß die Lieferungen der KG S. an die KG nicht zu Gewinnrealisierungen führten. Denn ebenso wie "Lieferungen" eines Einzelunternehmers zwischen mehreren ihm gehörigen Betrieben unter den oben dargestellten Voraussetzungen der Verneinung von Entnahmen und Einlagen wie innerbetriebliche Vorgänge zu beurteilen sind, die nicht zu Gewinnrealisierungen, aber auch nicht zu Verlusten führen, kann dies bei Lieferungen zwischen personenidentischen Personengesellschaften nicht der Fall sein. Das gilt zufolge der von der handelsrechtlichen abweichenden einkommensteuerlichen Konzeption der Personengesellschaft auch für die OHG und die KG, die bürgerlichrechtlich nach §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB unter ihrer Firma im Rechtsverkehr selbständig auftreten können. Von dieser handelsrechtlichen Selbständigkeit nimmt das Einkommensteuerrecht keine Notiz. Es wäre auch kein innerer Grund ersichtlich, die genannten handelsrechtlichen Personengesellschaften anders als die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu behandeln, die aber nach bisher nicht bestrittener Auffassung eine der anderen in § 15 Nr. 2 EStG aufgeführten Gesellschaften ist, die einkommensteuerlich der OHG und der KG gleich zu behandeln sind.

Ohne entscheidungserhebliche Bedeutung ist, wie die Beteiligten die Überführung von Wirtschaftsgütern in andere eigene Betriebe rechtlich gestalten und ob es sich um Wirtschaftsgüter des Anlage- oder um solche des Umlaufvermögens handelt. Bei dem der Beurteilung zugrunde gelegten Bild einer innerbetrieblichen Vermögensbewegung steht den Steuerpflichtigen auch kein Wahlrecht zu, ob sie aus der Überführung Gewinne oder Verluste realisieren wollen. Unter diesem Gesichtspunkt sieht der Senat auch keine Möglichkeit, laufende, sich im Rahmen einer ständigen wie zwischen Fremden üblichen Geschäftstätigkeit abspielende entgeltliche Liefervorgänge einerseits, einmalige Überführungsvorgänge namentlich von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens andererseits unterschiedlich zu behandeln. Die notwendige gleichartige Behandlung von Einzelunternehmern und von Mitunternehmern an personenidentischen Personengesellschaften ist hier entscheidend. Bei Einzelunternehmern aber ist schon bürgerlich-rechtlich die Zugrundelegung entgeltlicher Fremdgeschäfte zwischen mehreren Betrieben ausgeschlossen.

Der hier für die Frage der Gewinnrealisierung vertretenen Rechtsauffassung steht nicht die Entscheidung des III. Senats des BFH III R 108/67 vom 14. März 1969 (BFH 95, 546, BStBl II 1969, 480) entgegen. Die Entscheidung des III. Senats geht von dem bewertungsrechtlichen Grundsatz der sachgerechten Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit des gewerblichen Betriebs aus und berücksichtigt die Verhältnisse am jeweiligen Bewertungsstichtag. Auch handelte es sich dort um laufende Geschäfte zwischen einer KG und nur einem ihrer Mitunternehmer. Der Senat entscheidet aber nicht die Frage, ob in einem solchen Fall Gewinnrealisierung anzunehmen wäre. Der in den VStR 1963 Abschn. 5 Abs. 4 (auch VStR 1966) enthaltenen Auffassung, wonach Forderungen und Schulden auch zwischen mehreren Betrieben eines Einzelunternehmers anzuerkennen seien, vermag der Senat allerdings für die Frage der einkommensteuerlichen Gewinnrealisierung nicht zu folgen.

Nach alledem durfte die KG S. aus der "entgeltlichen" Lieferung der Rohlinge an die KG keine Gewinne oder Verluste realisieren. Sie durfte dies allerdings nicht dadurch erreichen, daß sie die buchmäßig entstandenen Gewinne verschwinden ließ, indem sie die Liefervorgänge, ohne diese selbst rückgängig zu machen, buchmäßig stornierte. Im Ergebnis jedoch führte auch dies nur dazu, daß die Lieferung der Rohlinge bei der KG S. nicht zu Gewinnen führte. Ihre Revision mußte Erfolg haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69063

BStBl II 1970, 618

BFHE 1970, 192

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