Leitsatz (amtlich)

Überwiegt nach dem Programm und dem äußeren Erscheinungsbild der private Charakter einer Studienreise in die USA, so spricht schon die allgemeine Lebenserfahrung gegen die Annahme einer betrieblichen Veranlassung.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Kosten für eine vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) gemeinsam mit seiner Prokuristin vorgenommenen USA-Reise abzugsfähige Betriebsausgaben sind.

In tatsächlicher Hinsicht hat das FG folgendes festgestellt: Der Kläger betreibt unter zwei Firmen den Großund Einzelhandel von Seifen, Parfümerien, kosmetischen und ähnlichen Artikeln. Vom 9. bis 24. April 1964 nahm der Kläger in Begleitung seiner Prokuristin an einer Flugreise in die USA teil, die vom Kölner Einzelhandelsverband in Verbindung mit einer Münchener Marktforschungs-Gesellschaft veranstaltet und von einer Studienreisegesellschaft durchgeführt wurde. Nach dem Prospekt der Reisegesellschaft war Zweck der Reise das Studium des amerikanischen Einzelhandels, insbesondere die Vermittlung eines Überblicks über die Tendenz im amerikanischen Einzelhandel. Das Programm sah den Besuch mehrerer Einkaufszentren und Kaufhäuser in New York, Detroit, Cleveland und Boston sowie die Teilnahme an einem viertägigen Seminar für moderne Marktmethoden in Dayton (Ohio) vor. Daneben waren Stadtrundfahrten und Besichtigungen der Stadt Washington, der Niagara-Fälle und der Weltausstellung in New York vorgesehen.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte die von dem Kläger angesetzten Reisekosten nicht als Betriebsausgabe an, weil diese Reisen nicht überwiegend betrieblichen Zwecken gedient hätten. Hiergegen machte der Kläger geltend, daß Anlaß der Reise die vorgesehene Umgestaltung seiner Geschäfte in Selbstbedienungsläden und die Eröffnung weiterer Geschäfte gewesen sei. Entgegen der Ansicht des FA habe es sich nicht um eine Vergnügungsreise gehandelt. Während der 15tägigen Reisedauer haben lediglich ein Nachmittag und der letzte Reisetag für Besichtigungen der Niagara-Fälle und der Weltausstellung zur Verfügung gestanden. Selbst die beiden Wochenenden seien nur zum Teil für private Zwecke genutzt worden. Daher habe die Reise überwiegend betrieblichen Zwecken gedient. Es sei auch unverständlich, weshalb das FA sogar die auf die Prokuristin entfallenden Reisekosten nicht als Betriebsausgaben anerkannt habe. Es handele sich hierbei um eine lohnsteuerpflichtige Angestellte seiner Firma. Die Reisekosten müßten daher in jedem Falle als Betriebsausgaben anerkannt werden.

Der Einspruch hatte keinen, die Klage hatte Erfolg. Das FG ist der Ansicht:

Bei der vom Kläger mit seiner Prokuristin unternommenen USA-Reise habe es sich nach dem vorgelegten Programm nicht um eine solche mit weitaus überwiegend betrieblichen Zwecken gehandelt. Denn gegen den rein betrieblichen Charakter der Reise spreche bereits der häufige Ortswechsel, ebenso die Stadtrundfahrten, die Führung durch den Hauptsitz der Vereinten Nationen, der Besuch Washingtons, der Flug nach Buffalo zur Besichtigung der Niagara-Fälle und schließlich auch der Besuch der New Yorker Weltausstellung. Hierdurch erhalte die Reise nach ihrer objektiven Gestaltung den Charakter einer üblichen Bildungsreise. Der Fall gleiche dem vom BFH in seinem Urteil vom 12. Januar 1967 IV R 207/66 (BFHE 88, 45, BStBl III 1967, 286) entschiedenen völlig.

Das FG vertrat jedoch die Ansicht, daß die Kosten dieser Amerikareise gleichwohl als Betriebsausgaben anzuerkennen seien. Der BFH habe die Frage, ob eine Reise überwiegend betrieblich veranlaßt sei, im allgemeinen anhand des Reiseprogramms und nach dem Verhältnis der betrieblichen zu außerbetrieblichen Veranstaltungen beurteilt. Es komme jedoch nicht in jedem Fall nur auf die objektive Ausgestaltung der Reise an, sondern auch auf die subjektive Einstellung des Steuerpflichtigen. Es könne deshalb eine Reise, die nach ihrem objektiven Befund nicht überwiegend betrieblichen Zwecken diene, doch überwiegend betrieblich veranlaßt sein, weil z. B. der Steuerpflichtige die Reise ausschließlich wegen der in ihr enthaltenen betrieblichen Veranstaltungen ausgeführt habe, während ihm das sonstige Reiseprogramm nebensächlich oder sogar lästig sei. Nach Auffassung des Gerichts sei die Reise überwiegend aus betrieblichen Erwägungen erfolgt. Hierfür spreche zunächst, daß die betrieblichen Veranstaltungen der Reise von erheblichem Gewicht gewesen seien, wobei der Schwerpunkt offensichtlich bei dem veranstalteten Seminar gelegen habe. Außerdem hätten sich dann nicht so viel Angestellte bedeutender Unternehmen und Behördenvertreter beteiligt, wie z. B. Vertreter des Preisamts, der Handelskammer, der Universität, des Bundeswirtschaftsministeriums und des Deutschen Industrie- und Handelstages.

Zwar lasse der häufige Ortswechsel die Reise wegen der damit verbundenen zahlreichen neuen Eindrücke objektiv nicht als betrieblich erscheinen. Andererseits sei aber nicht zu verkennen, daß die Reise durch den damit verbundenen ständigen Hotelwechsel, das Packen der Koffer, den Transfer zum Flughafen und die zahlreichen Flüge äußerst strapaziös und alles andere als erholsam gewesen sei. Es sei auch schwer vorstellbar, daß der im Zeitpunkt der Reise bereits 59 Jahre alte Kläger sich derartigen Anstrengungen ausgesetzt haben würde, wenn ihn nicht ganz überwiegend betriebliche Erwägungen zur Teilnahme bestimmt hätten. Schließlich habe der Kläger auch aufgrund der in Amerika gesammelten Erfahrungen seine Geschäfte in Selbstbedienungsläden umgewandelt. Den Kläger habe auch nicht zugemutet werden können, seine Erfahrungen durch Besichtigung inländischer Unternehmen zu erlangen. Nach herkömmlicher Rechtsauffassung seien Steuerpflichtige in der Gestaltung ihrer Betriebsausgaben frei.

Da hiernach die Reise des Klägers betrieblich veranlaßt gewesen sei, so müßten auch die auf seine Prokuristin entfallenden Kosten als Betriebsausgaben anerkannt werden. Reisekosten eines Arbeitnehmers seien grundsätzlich Betriebsausgaben, falls nicht nachweisbar sei, daß sie die Lebensführung des Steuerpflichtigen beträfen. Ein solcher Nachweis sei aber trotz entsprechender Behauptungen des FA in der Einspruchsentscheidung nicht erbracht und ließen sich auch ohne Eindringen in die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht erbringen.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 4 Abs. 4 und 12 Nr. 1 EStG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung der Klage.

Der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden, wenn sie einerseits davon ausgeht, daß es sich nach dem vorgelegten Programm nicht um eine weitaus überwiegend betrieblichen Zwecken dienende Reise gehandelt habe, gleichwohl aber deren Kosten als Betriebsausgabe anerkennt, weil der Kläger die Reise ganz überwiegend aus betrieblichen Erwägungen heraus unternommen habe. Die vom FG hierfür gegebene Begründung widerspricht allgemeinen Erfahrungssätzen und der Lebenserfahrung.

Der BFH hat sich in einer umfangreichen Rechtsprechung mit der Frage befaßt, ob und unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für Auslandsreisen als Betriebsausgaben anzuerkennen sind, wenn in gewissem Umfang auch private Erwägungen die Reise mitbestimmt haben (Urteil vom 18. Februar 1965 IV 36/64 U, BFHE 82, 88, BStBl III 1965, 279, und zuletzt Urteile vom 1. April 1971 IV R 72/70 und IV R 195/69, BFHE 102, 90, BStBl II 1971, 524, und BFHE 102, 85, BStBl II 1971, 522). Er hat für die Abgrenzung des privaten und betrieblichen Bereichs bestimmte Rechtsgrundsätze herausgearbeitet und auch bestimmte Beweisregeln aufgestellt (vgl. insbesondere das Urteil vom 12. Juli 1968 VI R 315/66, BFHE 93, 69, BStBl II 1968, 676). Hiernach ist davon auszugehen, daß Reisekosten dann als abzugsfähige Betriebsausgaben im Sinne von § 4 Abs. 4 EStG anzuerkennen sind, wenn die Reise nach ihren äußeren Umständen ausschließlich oder doch weit überwiegend durch berufliche Erwägungen veranlaßt ist. Kann dies nicht in dieser Ausschließlichkeit bejaht werden, ist also ein privater Reisezweck nicht völlig oder nahezu völlig auszuschließen, so verbietet § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG den Abzug derartiger Aufwendungen als Betriebsausgaben. Der Reiseaufwand ist dann den Lebenshaltungskosten zuzurechnen, selbst wenn hierdurch die berufliche Tätigkeit gefördert worden ist. Eine Aufteilung der Kosten in einen privaten und betrieblichen Teil ist in der Regel nicht möglich, abgesehen von den in den BFH-Beschlüssen vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70 und 3/70 (BFHE 100, 309 und 317, BStBl II 1971, 17 und 21) aufgezeigten Ausnahmen. Eine Zuordnung zum privaten Bereich ist nach dieser Rechtsprechung bei Reisekosten dann zu bejahen, wenn hierbei Gesichtspunkte der Lebensführung, z. B. Erholung, Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises eine nicht ganz untergeordnete Rolle spielen (Beschluß GrS 2/70, II. 7.). An den vom Steuerpflichtigen zu führenden Nachweis der beruflichen Veranlassung der Reise sind mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Abgrenzung der beruflichen von der privaten Sphäre in diesen Fällen strenge Anforderungen zu stellen (BFH-Urteil IV R 195/69).

Die Vorentscheidung steht mit dieser Rechtsprechung insofern im Einklang, als die betriebliche Veranlassung der Reise aufgrund des vorgelegten Programms verneint wurde, weil gegen den rein betrieblichen Charakter der Reise schon der häufige Ortswechsel, die Stadtrundfahrten, die Führung durch den Hauptsitz der Vereinten Nationen, der Besuch Washingtons, der Flug nach Buffalo zur Besichtigung der Niagara-Fälle und der Besuch der New Yorker Weltausstellung spreche. Bei diesen starken Beweisanzeichen für die private Veranlassung der Reise zur Förderung der Bildung und des allgemeinen Erlebnisbereiches spricht schon die allgemeine Lebenserfahrung gegen die Annahme der betrieblichen Veranlassung, es sei denn, das FG gelangt nach Abwägen aller Gesamtumstände des Falles zu dem Ergebnis, daß ein Ausnahmetatbestand vorgelegen habe. Aufgrund der mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Abgrenzung der beruflichen von der privaten Sphäre strengen Beweisanforderungen müssen in einem solchen Fall die zunächst für die private Veranlassung sprechenden Anzeichen überzeugend ausgeräumt werden. Mit dieser Forderung greift der BFH nicht in unzulässiger Weise in die dem FG obliegende Tatsachenwürdigung ein. Denn hier geht es darum, ob ein vom FG aufgrund seiner Tatsachenwürdigung gewonnenes Ergebnis nicht in Widerspruch zur allgemeinen Lebenserfahrung steht und damit fehlerhaft zustande gekommen ist.

Das FG stützt seine Ansicht, daß die Reise betrieblich veranlaßt gewesen sei, vor allem auf das viertägige Seminar und schließt aus der Teilnahme von vielen Angestellten bedeutender Unternehmen sowie Behördenvertretern, daß die berufliche Veranlassung nicht von untergeordneter Bedeutung gewesen sei. Der BFH hat aber bereits in seinem Urteil IV R 207/66 die Teilnahme an einem Seminar nicht für ausreichend erachtet, um hierdurch eine ihren äußeren Anzeichen nach private Reise in eine betriebliche umzudeuten. Die Teilnahme an einem viertägigen Seminar beläßt das Übergewicht der Reise nach wie vor auf dem privaten Sektor, wenn nicht noch weitere gewichtige Gründe hinzutreten. Solche liegen indessen auch nicht in der umfangreichen Teilnehmerzahl aus den Bereichen der Wirtschaft und Behörden. Gerade der weitgefächerte Teilnehmerkreis aus Wirtschaft und Behörden läßt nur den Schluß zu, daß wegen der unterschiedlichen beruflichen Interessen der Reiseteilnehmer eine spezifisch berufsfördernde Wirkung nicht gegeben war. Daß es sich bei den Teilnehmern um wirtschaftlich interessierte Menschen handelte, die ein allgemeines berufliches Interesse verband, reicht nicht aus.

Widersprüchlich ist die Vorentscheidung auch insoweit, als sie einerseits aufgrund des häufigen Ortswechsels wegen der damit verbundenen zahlreichen neuen Eindrücke die Reise als objektiv nicht betrieblich veranlaßt ansieht, andererseits aber davon ausgeht, daß der im Zeitpunkt der Reise 59 Jahre alte Kläger die Strapazen der Reise nicht auf sich genommen hätte, wenn ihn nicht ganz überwiegend betriebliche Erwägungen zur Reise bestimmt hätten. Diese Folgerung ist lebensfremd. Es trifft nicht zu, daß Menschen im fortgeschrittenen Alter Strapazen einer Reise nur dann auf sich nehmen, wenn sie hierzu beruflich veranlaßt werden.

Die überwiegend berufliche, eine private Veranlassung nahezu völlig ausschließende Erwägung der Reise ist hiernach zu verneinen. Damit entfällt zwar nicht zugleich auch die Anerkennung der durch die Prokuristin veranlaßten Aufwendungen für die Reise als Betriebsausgaben. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer zur Belohnung besonderer Leistungen auf seine Kosten auf eine der Erholung und Bildung dienende Reise schickt. Entscheidend ist in jedem Fall, ob die Reise bei objektiver Betrachtung ausschließlich betrieblichen oder doch überwiegend betrieblichen Zwecken dient. Hierbei kann als Anhalt dienen, ob die Reise auch bei dem Arbeitgeber, unternähme er sie, als betrieblich veranlaßt gelten würde (vgl. insoweit das Urteil des BFH vom 11. August 1972 VI R 274/70, BFHE 107, 24, BStBl II 1972, 917). Der Sachverhalt bietet keinen Anlaß, auf eine betriebliche Veranlassung der Reise - in Abweichung der Würdigung der Reise des Klägers - hinsichtlich der teilnehmenden Prokuristin zu schließen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70766

BStBl II 1974, 198

BFHE 1974, 48

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