Entscheidungsstichwort (Thema)

Für Unterhaltsberechtigte aufgewendete Krankheitskosten - außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG

 

Leitsatz (amtlich)

Für einen Unterhaltsberechtigten aufgewendete Krankheitskosten können ―gegebenenfalls neben den nach § 33a Abs.1 EStG abziehbaren Unterhaltsleistungen― insoweit beim Unterhaltspflichtigen zu einer Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG führen, als der Unterhaltsberechtigte nicht in der Lage ist, die Krankheitskosten selbst zu tragen.

 

Orientierungssatz

Entsprechend dem typisierenden Charakter der Regelung des § 33a EStG ist es für die Anrechnung von Einkünften auf die empfangenen Unterstützungsleistungen ohne Bedeutung, ob diese für den Unterhaltsempfänger verfügbar sind. Entsprechendes gilt für die Anrechnung von Bezügen, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind. Allerdings sind nur solche Bezüge zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet, die einem Unterstützungsempfänger nicht zweckgebunden zufließen (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG 1981 §§ 33, 33a Abs. 1

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) gewährte seinen Eltern in den Streitjahren 1981 und 1982 Geldleistungen in Höhe von monatlich jeweils 500 DM (1981) und 350 DM (1982). Für diese Zahlungen beantragte er die Steuerermäßigung des § 33a Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit der Begründung, sein Vater sei infolge einer Kriegsverletzung behindert und nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) versagte den begehrten Abzug mit dem Hinweis, die anderen Einkünfte und Bezüge der Eltern des Klägers in Höhe von insgesamt 17 458 DM (1981) und 18 492 DM (1982) hätten über den in § 33a Abs.1 Satz 3 EStG 1981 genannten Beträgen gelegen.

Dagegen macht der Kläger geltend, das FA habe es zu Unrecht unterlassen, die anderen Einkünfte und Bezüge seiner Eltern zunächst um den sich nach § 33b Abs.3 Satz 3 EStG ergebenden Freibetrag (7 200 DM) zu kürzen. Sein Vater könne seit dem Schlaganfall ohne fremde Wartung und Pflege nicht bestehen. Mittel in Höhe dieses Pauschbetrages stünden somit nicht zur Bestreitung des Unterhalts zur Verfügung und seien daher von den Einkünften und Bezügen vorab abzuziehen. Seine, des Klägers, außergewöhnliche Belastung errechne sich daher wie folgt:

Streitjahr 1981 1982

――――――――――――――――――――――――――――――――

DM DM

Einkünfte der Eltern

――――――――――

Ertragsanteil der Rente

./. 200 DM Werbungskosten 2 894 3 582

Bezüge der Eltern

――――――――-

Kapitalanteil

der Rente 10 360 10 226

Wohngeld 1 308 1 444

Grundrente

(§ 3 Nr.6 EStG) 3 256 3 600

./. Unkostenpauschale 360 360

――― ―――

Summe der Bezüge 14 564 14 910

――― ―――

Summe der anderen

Einkünfte und Bezüge 17 458 18 492

./. auszugliedernder

Betrag gemäß § 33b

Abs.3 Satz 3 EStG 7 200 7 200

./. anrechnungsfreie

Beträge nach § 33a

Abs.1 Satz 3 EStG 8 400 8 400

――――――――――――――-

auf die Unterstützung

anzurechnende Einkünfte

und Bezüge 1 858 2 892

Unterhaltshöchstbeträge

für beide Elternteile

gemäß § 33a Abs.1

Satz 1 EStG 7 200 7 200

als außergewöhnliche

Belastung gemäß § 33a

Abs.1 EStG beim Kläger

zu berücksichtigen 5 342 4 308.

===== =====

Die nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte weitgehend Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Ansicht, Behinderten entstehe ein höherer Aufwand als der Allgemeinheit der Steuerpflichtigen. Diesem Umstand sei im Rahmen des § 33a Abs.1 EStG dadurch Rechnung zu tragen, daß diese Mehraufwendungen bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge des Unterstützungsempfängers nicht zu berücksichtigen seien. Die Behinderten gemäß § 33b EStG gewährten Pauschbeträge seien ein brauchbarer Maßstab für die Bemessung des zusätzlichen Aufwandes. Die Unterhaltshöchstbeträge des § 33a Abs.1 EStG seien im Streitjahr 1982 allerdings zu kürzen, da der Kläger nach eigenen Angaben seinen Eltern in diesem Jahr nur 4 200 DM (12 x 350 DM) zugewendet habe.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen u.a. für den Unterhalt von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Ansprüche auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) oder auf andere Leistungen für Kinder (§ 8 Abs.1 BKGG) hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3 600 DM im Kalenderjahr, für jede unterhaltene Person vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs.1 Satz 1 EStG 1981). Hat die unterstützte Person andere Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so vermindert sich der Betrag von 3 600 DM um den Betrag, um den diese Einkünfte und Bezüge den Betrag von 4 200 DM übersteigen (§ 33a Abs.1 Satz 3 EStG 1981).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― (vgl. z.B. Urteile vom 22.Juli 1988 III R 175/86, BFHE 154, 115, BStBl II 1988, 939; III R 253/83, BFHE 154, 111, BStBl II 1988, 830, jeweils m.w.N.), der sich das Schrifttum angeschlossen hat (vgl. z.B. Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, § 33a Anm.2 e; Blümich/Oepen, Einkommensteuergesetz, § 33a Anm.137 ff.; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 33a Anm.52 und 53; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 33a EStG Anm.112 f.) sind bei der Auslegung des § 33a Abs.1 Satz 3 EStG unter dem Begriff "Einkünfte" die Einkunftsarten des § 2 Abs.1 EStG zu verstehen, während unter den Begriff "Bezüge" alle Einnahmen usw. fallen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerlichen Einkunftsermittlung erfaßt werden. Bezüge sind also alle nicht steuerbaren oder für steuerfrei erklärten Einnahmen.

Entsprechend dem typisierenden Charakter der Regelung des § 33a EStG (vgl. BFH-Urteile vom 11.November 1988 III R 305/84, BFHE 155, 316, BStBl II 1989, 233, und in BFHE 154, 111, BStBl II 1988, 830) ist es dabei für die Anrechnung von Einkünften auf die empfangenen Unterstützungsleistungen ohne Bedeutung, ob diese für den Unterstützungsempfänger verfügbar sind. So hat es der BFH in seiner Entscheidung vom 8.November 1972 VI R 257/71 (BFHE 107, 436, BStBl II 1973, 143), die durch das Urteil in BFHE 154, 115, BStBl II 1988, 939 bestätigt wurde, abgelehnt, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen des Unterstützungsempfängers bei der Ermittlung der Einkünfte i.S. des § 33a Abs.1 Satz 3 EStG zu berücksichtigen.

Entsprechendes gilt für die Anrechnung von Bezügen, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind. Der BFH hat es bereits in seiner Entscheidung vom 22.März 1957 VI 206/56 U (BFHE 64, 609, BStBl III 1957, 228) verneint, steuerfreie Bezüge im Rahmen des § 33a EStG um in den individuellen Verhältnissen des Unterstützten begründete Ausgaben zu kürzen.

Allerdings sind nur solche Bezüge zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet, die einem Unterstützungsempfänger nicht zweckgebunden zufließen. Entsprechend sind nach der Ansicht des erkennenden Senats solche Bezüge, die ein Unterstützungsempfänger speziell für die Abdeckung eines nach Art und Höhe über das Übliche hinausgehenden besonderen und außergewöhnlichen Bedarfs erhält, bei der Anrechnungsgrenze des § 33a Abs.1 Satz 3 EStG nicht zu berücksichtigen (vgl. BFHE 154, 111, BStBl II 1988, 830). Solche zweckgebundenen Bezüge stehen einem Unterstützungsempfänger für dessen üblichen Lebensunterhalt tatsächlich nicht zur Verfügung. Sie erhöhen seine allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht. Sie können daher auch nicht zu einer Kürzung des Anrechnungsbetrags gemäß § 33a Abs.1 Satz 3 EStG führen.

Entgegen der Auffassung des FG haben die im Einzelfall tatsächlich entstehenden Lebenshaltungskosten eines Unterstützungsempfängers keinen Einfluß auf die Berechnung des Unterhaltshöchstbetrages (§ 33a Abs.1 Satz 1 EStG) oder der Anrechnungsfreigrenze (§ 33a Abs.1 Satz 3 EStG). Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung in BFHE 155, 316, BStBl II 1989, 233 ausgeführt hat, wäre es mit dem typisierenden Charakter des § 33a Abs.1 EStG nicht vereinbar, wenn jeweils geprüft werden müßte, in welcher Höhe einem Unterstützungsempfänger tatsächlich Aufwendungen für seine Lebenshaltung erwachsen sind. Die Regelung des § 33a Abs.1 Satz 3 EStG zur Anrechnung anderer Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, ist systematisch gesehen eine Typisierung des Begriffs der Zwangsläufigkeit und zwar insbesondere des Begriffs der i.S. von § 33 Abs.2 EStG notwendigen und angemessenen Aufwendungen (vgl. BFHE 154, 111, BStBl II 1988, 830). Entsprechend ist typisierend davon auszugehen, daß nur innerhalb der durch § 33a Abs.1 Satz 3 EStG gezogenen Grenzen Unterstützungsleistungen an einen Unterstützungsempfänger zwangsläufig sind. Dies gilt unabhängig davon, ob einem Unterhaltsempfänger ―beispielsweise wegen Krankheit oder einer Behinderung― höhere Aufwendungen für den Lebensunterhalt erwachsen.

2. Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, daß Kranken, Behinderten oder hilflosen Personen durch die Krankheit oder die Behinderung höhere Aufwendungen entstehen als einem gesunden Unterstützungsempfänger. Allerdings ist die Frage, ob für solche höheren Kosten dann, wenn sie ausschließlich zum Zwecke der Heilung einer Krankheit getätigt werden oder den Zweck verfolgen, eine Krankheit oder eine Behinderung ―in der Person des Kranken― zu lindern und erträglich zu machen, eine Steuerermäßigung in Betracht kommt, nicht nach § 33a Abs.1 EStG zu beurteilen, sondern nach § 33 EStG. Dies gilt auch in den Fällen, in denen nicht der Kranke oder der Behinderte selbst die Aufwendungen trägt, sondern ein unterhaltspflichtiger Dritter (vgl. BFH-Urteil vom 31.Oktober 1973 VI R 206/70, BFHE 110, 547, BStBl II 1974, 86, 88; vgl. auch Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 C 44; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, a.a.O., § 33 Anm.78, Stichwort: Krankheitskosten Anm.4; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 33 EStG Anm.90, jeweils m.w.N.). Eine Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG kommt allerdings nur insoweit in Betracht, als der Unterhaltsempfänger die Krankheitskosten selbst nicht tragen kann und die Aufwendungen auch in der Person des Unterhaltspflichtigen zwangsläufig erwachsen. Bei der in diesem Zusammenhang erforderlichen Prüfung, ob die erkrankte Person die Krankheitskosten nicht hätte selbst tragen können, ist der in § 33a Abs.1 Satz 3 EStG für die anderen Einkünfte und Bezüge des Unterstützten vorgeschriebene Anrechnungsbetrag nicht maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 19.Februar 1965 VI 306/64 U, BFHE 82, 102, BStBl III 1965, 284).

Ob für Krankheitskosten, die ein Steuerpflichtiger neben den typischen im Rahmen des § 33a EStG zu berücksichtigenden Unterhaltsaufwendungen tragen muß, eine Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG in Betracht kommt, ist für jede einzelne Aufwendung zu prüfen und zu entscheiden. Ohne Bedeutung ist, ob mit den Geldleistungen des Unterstützenden unmittelbar die mit einer Krankheit des Unterstützungsempfängers zusammenhängenden Kosten bestritten werden, oder ob die Zahlungen den Unterstützten lediglich in die Lage versetzt haben, mit dem empfangenen Geld die zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten selbst zu tragen.

3. Die Vorentscheidung, die auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Ob die Aufwendungen des Klägers ganz oder teilweise als Krankheitskosten für die Eltern im Rahmen des § 33 EStG steuerlich Berücksichtigung finden können, vermag der Senat nicht zu entscheiden. Das FG hat es ―aus seiner Sicht folgerichtig― unterlassen, entsprechende Feststellungen darüber zu treffen, ob den Unterstützungsempfängern, also den Eltern des Klägers, durch die Kriegsverletzung und den Schlaganfall des Vaters tatsächlich Krankheitskosten entstanden sind (zum Begriff der Krankheitskosten vgl. BFH-Urteile vom 20.März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596; vom 13.Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20.November 1987 III R 296/84, BFHE 151, 443, BStBl II 1988, 137, jeweils m.w.N.). Das FG wird des weiteren Feststellungen dazu treffen müssen, ob und inwieweit die Eltern des Klägers nicht in der Lage waren, die Krankheitskosten selbst zu tragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63314

BFH/NV 1991, 1

BStBl II 1991, 62

BFHE 162, 231

BFHE 1991, 231

BB 1991, 197 (L)

DB 1991, 844 (KT)

DStR 1991, 511 (KT)

DStZ 1991, 122 (KT)

HFR 1991, 150 (LT)

StE 1990, 467 (K)

WPg 1991, 212 (S)

StRK, R.35 (LT)

FR 1991, 91 (KT)

Information StW 1991, 141 (T)

FamRZ 1991, 432 (L)

FuR 1991, 171 (S)

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