Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Entscheidung der Frage, wer Unternehmer oder Mitunternehmer ist, z. B. bei der Bestellung eines Nutzungsrechts oder Nießbrauchs an einem Unternehmen oder einer Beteiligung an einer Personengesellschaft, kommt es steuerlich nicht so sehr auf die bürgerlich-rechtlich fehlerlose Gestaltung der Rechtsverhältnisse als vielmehr darauf an, wer wirtschaftlich das Risiko des Unternehmens trägt, jahrelang von allen Beteiligten als Unternehmer behandelt wird und bei wem die Erträge tatsächlich verbleiben.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1; StAnpG § 1 Abs. 2, § 1/3, § 6

 

Tatbestand

Der an der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft als Kommanditist beteiligte Erblasser bestimmte im Testament seine beiden 1932 und 1934 geborenen Söhne zu Alleinerben, die auf Grund des Gesellschaftsvertrages in die Rechtsstellung des Erblassers eintreten sollten. Das volle Verfügungsrecht und die volle Nutznießung des Nachlasses sollten die Söhne erst nach Vollendung des 30. Lebensjahres erhalten. Träten, so heißt es in dem Testament, besondere Umstände ein, so könnten ihnen die Nutznießung und die volle Verfügungsgewalt mit Zustimmung des Testamentsvollstreckers ganz oder teilweise bereits vorher eingeräumt werden. Die Ehefrau des Erblassers und die Mutter der Söhne erhielt die lebenslängliche Nutznießung und Verwaltung des gesamten Nachlasses.

Nach dem Tode des Erblassers im Jahre 1942 übernahm die Witwe die gesetzliche Vertretung ihrer noch minderjährigen Söhne. Sie wurde steuerlich als Mitunternehmerin der Bfin. behandelt. Als zu Beginn des Jahres 1955 der jüngste Sohn volljährig wurde, verzichtete die Mutter nach dem Vortrag der Bfin. mündlich zugunsten ihrer Söhne auf je 20 v. H. ihrer Gewinnberechtigung an der Bfin. Der Buchhalter der Bfin. erhielt die Anweisung, für die Söhne eigene Privat- und Kapitalkonten anzulegen, über die im Jahre 1955 persönliche Steuern und Entnahmen der Söhne verbucht wurden.

Am 23. November 1955 schlossen die Mutter und die Söhne eine als Schenkungsvertrag bezeichnete notarielle Vereinbarung, die unter anderem folgende Bestimmungen enthielt. Die Mutter habe bereits im Januar dieses Jahres beiden Söhnen einen Teil der Nutzungen aus der Gesellschaftsbeteiligung, die ihr als Nießbraucherin laufend zufielen, schenkungsweise zukommen lassen, um die Söhne rechtzeitig an den Umgang mit Geld zu gewöhnen. Sie überlasse ihren Söhnen von ihrem Gewinnanteil, den sie auf Grund des Nießbrauchs unmittelbar aus der Beteiligung an der Bfin. ziehe, je 20 v. H. mit der Auflage, sich den aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Beschränkungen zu unterwerfen, über Beträge von mehr als je 6.000 DM jährlich nur mit ihrer schriftlichen Zustimmung zu verfügen und sich ihren Vorschlägen über Art und Weise der Anlage der Nutzungen widerspruchslos zu fügen. Dieses Schenkungsversprechen sei auflösend bedingt. Die auflösende Bedingung trete ein, wenn die Söhne gegen die vereinbarten Auflagen verstießen oder die Rechte der Schenkerin besonders dadurch mißachteten, daß sie sich in die Verwaltung der Beteiligung einmischten oder die der Mutter erteilte Verwaltungsvollmacht widerriefen oder einschränkten.

Das Finanzamt rechnete bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1955 den vollen auf die Kommanditbeteiligung entfallenden Gewinnanteil der Mutter zu. Es sah in der Vereinbarung der Mutter mit ihren volljährigen Söhnen nur eine steuerlich nicht beachtliche Verwendung von der Mutter zustehenden Gewinnansprüchen und Gewinnteilen zugunsten ihrer Söhne, die die Söhne nicht zu Mitunternehmern der Bfin. mache.

Auf die Sprungberufung der Bfin. schloß sich das Finanzgericht im wesentlichen der Auffassung des Finanzamts an und führte folgendes aus. Die Mutter sei in der Vergangenheit und auch im Streitjahr als echte Nießbraucherin an der Kommanditbeteiligung der Söhne und damit als Mitunternehmerin behandelt worden. Die Kammer habe keine Veranlassung, daran etwas zu ändern. Die einem vollberechtigten Gesellschafter ähnliche Rechtsstellung habe die Mutter auch dann noch beibehalten, als die Söhne Anfang 1955 volljährig geworden seien. Denn auf Grund der Vollmachten der Söhne habe sie alle den Nachlaß betreffenden Rechte in gleicher Weise weiter ausüben dürfen wie zu der Zeit, als die Söhne noch minderjährig gewesen seien. Auch der Umfang der Rechtsstellung der Mutter sei durch die Vereinbarungen im Jahre 1955 nicht eingeschränkt worden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei alles beim alten geblieben. Es sei zwar verständlich und sinnvoll, daß die Mutter beabsichtigt habe, ihren Söhnen unmittelbare Gewinnberechtigungen an der Bfin. einzuräumen, um den Anfall der hohen Gewinne bei ihr allein zu vermeiden. Diese Absicht habe sie jedoch nicht verwirklichen können, weil andere wichtige Interessen entgegenstünden. Sie habe auf ihr Nutzungs- und Verwaltungsrecht der Beteiligung nicht bedingungslos verzichten wollen und deshalb das freie Verfügungsrecht der Söhne über die überlassenen Gewinnanteile so stark eingeschränkt, daß es wirtschaftlich nicht mehr ins Gewicht falle. Wie sich aus dem Wortlaut des Schenkungsversprechens ergebe, habe die Mutter deshalb ihren Söhnen nur einen Teil ihrer Nutzungen aus der Beteiligung geschenkt und von ihren Gewinnanteilen je 20 v. H. überlassen. Die Söhne hätten damit keine unmittelbaren Befugnisse gegenüber der Bfin., sondern lediglich gegenüber ihrer Mutter erhalten. Solche Zuwendungen lägen auf dem Gebiet der Gewinnverwendung und seien nach § 12 Ziff. 2 EStG nicht abzugsfähig.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Bfin. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Für die Beurteilung der Frage, wer Unternehmer oder Mitunternehmer eines Betriebes ist, kommt es steuerlich nicht allein auf die formellen bürgerlich-rechtlichen Vereinbarungen, sondern wesentlich auch auf die tatsächliche Gestaltung an. Es muß geprüft werden, wer das Risiko des Unternehmens trägt. Unbestritten wurde bisher von den Beteiligten die Mutter als Gesellschafterin angesehen. Hiergegen bestehen auch dann keine Bedenken, wenn gegen die Bestellung des Nießbrauches in Verbindung mit der Erbregelung gewisse bürgerlich-rechtliche formelle oder sachliche Einwendungen erhoben werden können. Das Finanzgericht war deshalb grundsätzlich berechtigt, die Verträge des Jahres 1955 wirtschaftlich zu würdigen. Der Senat trägt aber gegen das Ergebnis, zu dem das Finanzgericht gelangt, sachliche Bedenken. Es besteht bei Würdigung aller Umstände des Falles keine Veranlassung, den Sachverhalt steuerlich anders zu würdigen als einen bedingungslos ausgesprochenen Verzicht der Mutter verbunden mit der Verpflichtung der Söhne, bei Eintritt der bezeichneten Bedingungen der Mutter die alte Rechtsstellung gegenüber der Bfin. einzuräumen. Da bei dem guten persönlichen Verhältnis der Mutter zu ihren volljährigen Söhnen keine Veranlassung zu der Annahme besteht, daß unterschiedliche bürgerlich-rechtliche Würdigungen des von der Mutter ausgesprochenen Verzichts jemals praktische Bedeutung erlangen und die Voraussetzungen für den Wegfall der Gewinnbeträge der Söhne eintreten werden, so kann steuerlich unbedenklich von der unmittelbaren dringlichen Wirkung des Verzichts ausgegangen werden. Es bedarf dann nur noch der Erörterung, ob die im Zusammenhang mit dem Verzicht erteilten Vollmachten und vereinbarten Bedingungen den Verzicht der Mutter für die Söhne wirtschaftlich wertlos machten und die Mutter hinsichtlich der Verwaltung und Nutzung der Beteiligung praktisch im wesentlichen ihre bisherige Stellung beibehielt. Der Senat kann sich dem Finanzgericht, das diese Frage bejahte, nicht anschließen.

Es ist richtig, daß sich die Befugnis der Mutter zur Verwaltung der gesamten Beteiligung wirtschaftlich nicht änderte. Dagegen ist es nicht zutreffend, daß der Umfang ihrer Rechte, also der Inhalt ihrer Nutzungsbefugnis durch den notariellen Vertrag vom 23. November 1955 weder rechtlich noch wirtschaftlich in einer ins Gewicht fallenden Weise eingeschränkt wurde. Bisher standen der Mutter die erheblichen Gewinne aus der Beteiligung allein zu. Sie konnte über sie nach freiem Belieben verfügen, soweit sich nicht aus dem Gesellschaftsvertrag etwas anderes ergab. Nachdem sie den Vertrag vom 23. November 1955 geschlossen hatte, gehörten die Gewinne in Höhe von 40 v. H. den Söhnen und waren damit der Verfügung der Mutter entzogen. Die Mutter war nicht mehr berechtigt, diese erheblichen, die Unterhaltskosten der Söhne bei weitem übersteigenden Geldmittel in ihrem eigenen Interesse oder zum Erwerb eigenen Vermögens zu verwenden. Damit wuchs den Söhnen, auch wenn sie über die Gewinne nur mit Zustimmung ihrer Mutter verfügen und keinen ihren Gewinnanteilen entsprechenden Einfluß auf die Geschäftsführung der Bfin. nehmen durften, ein erhebliches Vermögen an, das ihnen ihre Mutter nicht nehmen konnte. Trotz der Verbrauchsbeschränkung der Söhne ist diese Veränderung der Rechtslage unabhängig davon, inwieweit sie mit dringlicher Wirkung eintrat oder sich aus schuldrechtlichen Verpflichtungen ergab, von so entscheidender rechtlicher und wirtschaftlicher Bedeutung, daß sie auch steuerlich beachtet werden muß. Die steuerliche Beurteilung durch das Finanzgericht verstößt gegen den Grundsatz, daß die bürgerlich-rechtliche Gestaltung, nämlich der übergang der Erträge in das Vermögen der Söhne, in der Regel auch steuerlich beachtet werden muß und daß das Steuerrecht Erträge grundsätzlich bei dem erfaßt, dem sie zufließen und bei dem sie verbleiben.

Die Grundsätze, die der Bundesfinanzhof für die steuerliche Nichtanerkennung der zwischen Eltern und ihren in das elterliche Unternehmen aufgenommenen Kindern getroffenen Gewinnverteilung aufgestellt hat (z. B. Urteil IV 246/50 S vom 22. August 1951, BStBl 1951 III S. 181, Slg. Bd. 55 S. 449), könnten möglicherweise dann zu einer anderen Beurteilung führen, wenn die Kommanditbeteiligung im Erbwege nicht auf die Söhne, sondern auf die Mutter übergegangen wäre. Da die Mitarbeit der Mutter im Unternehmen für die Höhe der Gewinne der Bfin. praktisch keine ins Gewicht fallende Bedeutung hat, stehen die Gewinne zunächst und in erster Linie demjenigen zu, der Inhaber der Beteiligung ist. Das sind auf Grund des väterlichen Testaments die Söhne, wenn auch die Nutzung und Verwaltung der Beteiligung vorübergehend der Mutter zustehen. Bei dieser Sachlage entspricht es der natürlichen Entwicklung der Verhältnisse, daß die Mutter, wenn die Gewinne die für ihren Lebensunterhalt notwendigen Beträge bei weitem übersteigen, den Söhnen den ihnen als Inhabern der Beteiligung an sich zustehenden Ertrag der Beteiligung mindestens teilweise zukommen läßt, bei der Höhe der Beträge aber aus erzieherischen Gründen Verfügungsbeschränkungen der Söhne schafft.

Die angefochtene Entscheidung muß wegen Rechtsirrtums des Finanzgerichts aufgehoben werden. Die Sache ist zur Entscheidung reif. Das Finanzgericht gelangte auf Grund der Vernehmung des Zeugen A. und der Beteiligten zu der Auffassung, daß Vereinbarungen, wie sie später im notariellen Vertrag vom 23. November 1955 ihren Niederschlag fanden, in den Grundzügen bereits zu Beginn des Jahres 1955 getroffen worden seien. Dieser Auffassung kann sich der Senat nicht anschließen. Der Zeuge A. erklärte lediglich, daß ihn die Mutter Anfang 1955 angewiesen habe, besondere Kapital- und Privatkonten für die Söhne anzulegen. Ihm ist über eine dieser Anweisung zugrunde liegende Vereinbarung nichts bekannt. Aus der Erklärung des Testamentsvollstreckers vom 8. August 1957 ergibt sich lediglich, daß der Testamentsvollstrecker mit der Mutter mehrfach die Möglichkeit erörterte, ihren Söhnen schon vor Erreichung des 30. Lebensjahrs Nutzung und Verfügungsgewalt über einen Teil der Beteiligung einzuräumen. Es liegt auch nach der Vernehmung des Sohnes S. durch das Finanzgericht die Annahme nahe, daß Anfang 1955 zwischen der Mutter und ihren Söhnen nur Besprechungen stattfanden, die aber, auch wenn der Zeuge A. von der Mutter bereits die Anweisung zur Bildung von Kapitalkonten für die Söhne erhielt, keine hinsichtlich des Umfangs und der Bedingungen abgrenzbaren rechtlich erzwingbaren Verpflichtungen der Mutter gegenüber ihren Söhnen schufen. Bei der Höhe des Gewinnanteils der Mutter kann um so weniger angenommen werden, daß die Mutter auf Grund mündlicher Besprechungen und Erörterungen auf so wesentliche Nutzungsrechte ohne schriftliche Festlegung der für sie entscheidenden Bedingungen verzichten wollte, als dem Sohn S. diese Versprechungen nicht als besonderes Ereignis in der Erinnerung haften blieben. Der Bundesfinanzhof verlangt in feststehender Rechtsprechung, daß der Inhalt steuerlich erheblicher Vereinbarungen zwischen Eltern und Kindern eindeutig nachgewiesen werden kann, wenn sie steuerlich anerkannt werden sollen (z. B. Urteil IV 83/50 U vom 17. Oktober 1951, BStBl 1951 III S. 223, Slg. Bd. 55 S. 548). Handelt es sich um Verträge von weittragender Bedeutung, die zudem von zahlreichen Voraussetzungen und Bedingungen abhängig sein sollen, so wird man insbesondere bei im Geschäftsleben stehenden und wirtschaftlich gewandten Steuerpflichtigen verlangen müssen, daß die Vereinbarungen schriftlich niedergelegt werden. Der Senat sieht deshalb den Nachweis, daß die Vereinbarung vom 23. November 1955 bereits Anfang 1955 getroffen wurde, nicht als geführt an. Bis zum 23. November 1955 stand die Gewinnbeteiligung noch in vollem Umfang der Mutter zu. Der auf die Zeit vom 23. November bis 31. Dezember 1955 entfallende Gewinnanteil muß, wenn kein besserer Verteilungsmaßstab erkennbar ist, zeitanteilig geschätzt werden. Zur Durchführung der notwendigen Berechnungen und zur änderung der einheitlichen Gewinnfeststellung 1955 den Ausführungen des Senats entsprechend wird die Sache zur Entscheidung an das Finanzamt im Einspruchsverfahren zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410049

BStBl III 1961, 352

BFHE 1962, 231

BFHE 73, 231

StRK, EStG:15 R 250

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