Leitsatz (amtlich)

1. Zahlt der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer im Rahmen eines sog. Sicherheitswettbewerbs Prämien, so handelt es sich hierbei um Arbeitslohn.

2. Zur Berechnung des Pauschsteuersatzes gemäß § 40 Abs.1 Satz 1 EStG.

 

Orientierungssatz

Für die Ermittlung des Pauschsteuersatzes ist für jedes Kalenderjahr ein durchschnittlicher Steuersatz zu berechnen, der sich aus einem Vergleich der durchschnittlichen Jahres-Lohnsteuerbelastung der begünstigten Arbeitnehmer in den einzelnen Lohnsteuerklassen ohne und mit den nachzuversteuernden Bezügen ergibt. Hierbei wird die durchschnittliche Belastung der zusätzlich zu versteuernden Bezüge ermittelt (Grenzbelastung; vgl. BFH-Urteil vom 5.11.1982 VI R 219/80).

 

Normenkette

EStG 1978 § 8 Abs. 1, § 19 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 1; LStR Abschn. 93 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 12.03.1984; Aktenzeichen II 50/80)

 

Tatbestand

A. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte 1975 und 1976 auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Arbeitspsychologie und Betriebssoziologie basierende Unfallverhütungswettbewerbe durch, mit denen sie zum einen ihre Mitarbeiter zum sicherheitsbewußten Verhalten motivieren und zum anderen die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens durch Reduzierung von Unfallkosten erhöhen wollte.

Im Rahmen dieser Wettbewerbe erhielten alle Mitarbeiter einer bestimmten Bewertungseinheit grundsätzlich eine gleich hohe Prämie, die jährlich maximal 255 DM je Mitarbeiter betrug. Die Bewertungseinheiten wurden in bestimmten gefahrträchtigen Betriebsbereichen gebildet. Die Prämienberechnung erfolgte nach den Wettbewerbsrichtlinien unter Zugrundelegung bestimmter Berechnungsfaktoren, wie Unfallhäufigkeit, Unfallschwere, Ausfallzeiten sowie eines Postens zum Ausgleich unterschiedlicher Gefährdung in den einzelnen Bewertungseinheiten. Bewertet wurden danach nur Betriebsunfälle, zu denen auch Dienstwegeunfälle gehörten. Die Maximalprämie konnte sich je nach dem kollektiven Unfallergebnis der Bewertungseinheit unabhängig von den Unfallursachen verringern. In Ausnahmefällen konnte der einzelne Mitarbeiter seinen Anspruch auf eine Prämie durch fahrlässiges Herbeiführen eines Unfalls oder grob fahrlässigen Verstoß gegen die Sicherheitsvorschriften verlieren. Grundsätzlich erhielt aber auch ein solcher Mitarbeiter eine Prämie, der das ganze Jahr über wegen Krankheit gefehlt oder ohne Sicherheitsbewußtsein gearbeitet hatte, wenn sich in seiner Gruppe kein Unfall ereignet hatte. Bezogen auf das gesamte Gehaltsniveau erhielten die Mitarbeiter rd. 0,4 v.H. des Jahresarbeitsentgeltes. Die Höhe der Prämie war unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Position. Die Auszahlung der Prämie erfolgte nach Ablauf des Jahres, für das der Wettbewerb durchgeführt worden war. Auf eine Wiederholung des Wettbewerbs bestand kein Anspruch.

Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) wurde festgestellt, daß die Klägerin im Rahmen der Sicherheitswettbewerbe in der Zeit vom 1.Januar 1975 bis zum 30.September 1976 an ihre Arbeitnehmer im Jahre 1975 558 058,56 DM und im Jahre 1976 676 455,06 DM ausgezahlt hatte, ohne diese Beträge dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen. Das FA sah die Prämienzahlungen als Arbeitslohn an und erhob die Lohnsteuer antragsgemäß mit den für die einzelnen Jahre ermittelten Nettopauschsteuersätzen durch Nachforderungsbescheid vom 22.Februar 1978.

In dem nach erfolglosem Einspruchsverfahren durchgeführten Klageverfahren änderte das FA seinen ursprünglichen Steuerbescheid gemäß § 172 Abs.1 Nr.2 a der Abgabenordnung (AO 1977) durch Bescheid vom 2.Juni 1983. Die Änderung berücksichtigte das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5.November 1982 VI R 219/80 (BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91), wonach bei der Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG) nicht Netto-, sondern Bruttopauschsteuersätze anzuwenden sind. Das FA berechnete die Steuerbeträge unter Zugrundelegung eines als Bruttosteuersatz für jedes Kalenderjahr ermittelten durchschnittlichen Grenzsteuersatzes mit 25,13 v.H. (1975) bzw. 26,47 v.H. (1976) für die Lohnempfänger und 36,96 v.H. (1975) bzw. 37,88 v.H. (1976) für die Gehaltsempfänger.

Die Ermittlung der Pauschsteuersätze für 1975 beruhte auf den von der Klägerin gemäß § 40 Abs.1 Satz 4 EStG vorgelegten Aufstellungen. Die Pauschsteuersätze für 1976 schätzten die Beteiligten einvernehmlich auf der Grundlage der Werte für das Vorjahr. Dabei gingen beide Parteien zunächst von einem jeweiligen durchschnittlichen "Spitzensteuersatz" aus. Erst im Klageverfahren stützte sich die Klägerin abweichend von Abschn.93 Abs.3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) in den Fassungen ab 1975 auf durchschnittliche Steuersätze. Diese betragen unstreitig 15,43 v.H. (1975) bzw. 16,25 v.H. (1976) für Lohnempfänger und 19,68 v.H. (1975) bzw. 20,17 v.H. (1976) für Gehaltsempfänger.

Die Klägerin beantragte, den Änderungsbescheid vom 2.Juni 1983 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Rechtsstreites zu machen.

Im Klageverfahren vertrat die Klägerin weiter ihre Auffassung, mit der Prämienzahlung habe sie ganz überwiegend eigenbetriebliche Interessen der Unfallverhütung verfolgt.

Hilfsweise vertrat sie die Ansicht, der vom FA vorgenommenen Berechnung der Lohnsteuer sei insoweit nicht zu folgen, als diese für den Pauschsteuersatz von durchschnittlichen Grenzsteuersätzen ausgehe. Vielmehr sei ein durchschnittlicher Steuersatz unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahresarbeitslöhne und der durchschnittlichen Jahreslohnsteuer zu ermitteln.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 573 teilweise veröffentlichten Urteil u.a. aus: Bei den Prämien handele es sich um Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Diese Geldzuwendung sei durch das individuelle Dienstverhältnis im Sinne der neueren Rechtsprechung des BFH veranlaßt (Urteil vom 17.September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39). Es gehe der Klägerin darum, Aufwendungen für Unfälle und deren Folgen zu erübrigen und ihre Mitarbeiter auf Dauer für ein erhöhtes Sicherheitsverhalten zu sensibilisieren. Auch wenn die Prämienzahlung vornehmlich im Eigeninteresse der Klägerin liege, stelle sie doch die Gegenleistung für ein aus dem Dienstverhältnis fließendes "unfallvermeidendes" Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer dar. Die Entgeltfunktion der Prämien werde dadurch verdeutlicht, daß die Arbeitnehmer an sich ohnehin aus ihren Arbeitsverträgen verpflichtet seien, sorgfältig und unfallvermeidend zu arbeiten. Es handle sich auch nicht um eine sog. Annehmlichkeit. Bei Barzuwendungen liege regelmäßig steuerpflichtiger Arbeitslohn vor (BFH-Urteil vom 17.Juli 1981 VI R 205/78, BFHE 133, 553, BStBl II 1981, 773).

Das FG hielt den Hilfsantrag ebenfalls für unbegründet. Es war der Auffassung, daß Abschn.93 Abs.3 Nr.1 und 2 LStR 1975, nach dem das FA die Lohnsteuer berechnet habe, vom BFH (Urteil in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) bestätigt worden sei. Danach ergebe sich aus den Vorschriften der §§ 40 Abs.1 Satz 1, 38a und 40 Abs.1 Satz 4 EStG, daß zunächst für jedes Kalenderjahr getrennt ein durchschnittlicher Steuersatz als Spitzensteuersatz zu berechnen sei, der sich aus einem Vergleich der durchschnittlichen Jahreslohnsteuerbelastung der begünstigten Arbeitnehmer in den einzelnen Steuerklassen ohne und mit den nachzuversteuernden Bezügen ergebe.

Zutreffend sei auch, daß das FA die Pauschsteuersätze getrennt nach Kalenderjahren berechnet habe. Dies entspreche zwar nicht dem Urteil in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91, führe jedoch zu einer größeren Genauigkeit. Häufig sei es eher zufällig, für wieviele Jahre Lohnsteuer nachgefordert werde.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie ist der Auffassung, bei den Prämien aus dem Sicherheitswettbewerb handele es sich nicht um Arbeitslohn bzw. Einnahmen aus dem Dienstverhältnis gemäß § 8 Abs.1, § 19 Abs.1 EStG und § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV 1975). Nach der Rechtsprechung des BFH könnten als Arbeitslohn nur die Beträge angesehen werden, die als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft gezahlt würden und die sich als Frucht der nichtselbständigen Arbeit darstellten. Nach der BFH-Entscheidung vom 14.Januar 1954 IV 303/53 U (BFHE 58, 459, BStBl III 1954, 86) müsse die Zahlung an die Arbeitnehmer in erster Linie den Zweck verfolgen, den zur Lebensführung zur Verfügung stehenden Betrag zu erhöhen. Leistungen des Arbeitgebers seien dann kein Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber diese aus übergeordneten Unternehmensgesichtspunkten, d.h. ganz überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse erbringe (BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39). Dabei sei es ohne Belang, ob es sich um Sach- oder Barzuwendungen handele. § 8 Abs.1 EStG sehe eine Differenzierung dieser Art nicht vor. Dem stehe das Urteil in BFHE 133, 553, BStBl II 1981, 773 nicht entgegen, weil dort nur entschieden sei, daß Geld keinen ehrenden Charakter habe.

Ein ganz überwiegendes eigenbetriebliches Interesse der Klägerin liege vor, weil die Prämien ausschließlich der Erfüllung von sozialen Pflichten und zur Sicherung eigener wirtschaftlicher Interessen dienten. Der Klägerin sei es darum gegangen, über die rechtlichen Anforderungen hinaus alle denkbaren Maßnahmen zur Unfallverhütung zu ergreifen. Dadurch habe sie negative Publizität durch Betriebsunfälle vermeiden und das Betriebsergebnis durch die Reduzierung von Fehlzeiten der Arbeitnehmer verbessern wollen (BFH-Urteil vom 24.Januar 1975 VI R 242/71, BFHE 114, 496, BStBl II 1975, 340). Weil durch Betriebsunfälle verursachter Produktionsausfall nicht versicherbar sei, entspreche die Interessenlage dem in BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39 entschiedenen Fall. In seiner Entscheidung vom 21.März 1975 VI R 94/72 (BFHE 115, 269, BStBl II 1975, 486) habe der BFH anerkannt, daß Zuwendungen, die dazu dienten, den Betrieb störungsfrei zu gestalten, kein Arbeitslohn seien. Schließlich habe der Sicherheitswettbewerb auch das --erreichte-- Ziel gehabt, die Beiträge an die gesetzliche Unfallversicherung zu mindern. Gegenüber diesen vielfältigen betrieblichen Interessen der Klägerin trete die Bereicherung des einzelnen Arbeitnehmers, die nur rd. 0,4 v.H. des Jahresarbeitsentgelts betrage, in den Hintergrund.

Die Klägerin wendet sich weiter gegen die Annahme des FG, den streitigen Aufwendungen stünden Gegenleistungen der Arbeitnehmer gegenüber. Bei den im menschlich-kollektiven Bereich liegenden Unfallursachen handele es sich um nur schwer steuerbare psychologische Vorgänge, die nichts mit der Verletzung von vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten oder individueller Schuld zu tun hätten.

Zu Unrecht ziehe das FG einen Vergleich mit dem Gruppenakkordlohn, denn bei gruppendynamischen Prozessen gehe es um etwas anderes als um eine Zusammenfassung individuellen Verhaltens. Es sei auch zutreffend, wenn der BFH in seinem Urteil vom 22.Februar 1963 VI 165/61 U (BFHE 76, 843, BStBl III 1963, 306) entschieden habe, daß Arbeitnehmer eine Zuwendung für das Verhüten von Unfällen nicht als Entlohnung empfänden. Die Erfüllung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, zu denen auch die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und der Betriebsordnung gehöre, sei bereits mit dem laufenden Lohn oder Gehalt abgegolten. Einen Eingriff in das Lohn- und Gehaltsgefüge habe die Klägerin nicht vornehmen wollen (BFH-Urteil vom 7.Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495, 498).

Auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH zum Arbeitslohn (Urteile vom 22.März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529, und VI R 82/83, BFHE 143, 550, BStBl II 1985, 532) seien die streitigen Aufwendungen nicht als für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gezahlt anzusehen. Diese Voraussetzung liege nicht vor, wenn die Zuwendung aus übergeordnetem betrieblichen Interesse einem Kollektiv zugute komme und dabei von den Besonderheiten des einzelnen Arbeitsverhältnisses abgesehen werde (BFH-Urteile in BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529, und vom 18.März 1986 VI R 49/84, BFHE 146, 262, BStBl II 1986, 575). Der Sicherheitswettbewerb mache die Zuwendung nicht von der Lohn- oder Gehaltsgruppe, der tatsächlichen Leistung oder den persönlichen Verhältnissen des Einzelnen abhängig. Der einzelne Arbeitnehmer habe keine Entscheidung darüber, ob er am Wettbewerb teilnehmen wolle oder nicht.

Die Klägerin ist weiterhin hilfsweise der Auffassung, das FG habe mit der Berücksichtigung eines durchschnittlichen Spitzensteuersatzes § 40 Abs.1 i.V.m. § 38a EStG verletzt. Nach diesen Vorschriften sei der maßgebende Pauschsteuersatz aus den durchschnittlichen Arbeitslöhnen und der durchschnittlichen Lohnsteuer zu ermitteln. Dies ergebe sich aus der Verweisung in § 40 Abs.1 Satz 1 EStG auf § 38a EStG. Nach § 38a Abs.4 EStG richte sich die Höhe der Lohnsteuer nach den Lohnsteuertabellen gemäß § 38c EStG. Diese beruhten nach § 38c Abs.1 EStG auf den dem EStG als Anlage beigefügten Einkommensteuertabellen. Deshalb bestimme sich der nach § 40 Abs.1 EStG anzuwendende Pauschsteuersatz letztlich danach, was als Steuersatz im Sinne der Einkommensteuertabellen i.V.m. § 32a Abs.1 bis 5 EStG zu verstehen sei. In § 32a EStG werde jedoch nicht vom Spitzensteuersatz gesprochen, sondern nur vom zu versteuernden Einkommen. Innerhalb eines einheitlichen zu versteuernden Einkommens könne man aber nicht bestimmte Einkommensteile bestimmten Stufen zuordnen. Innerhalb eines einheitlichen Einkommens habe jeder Einkommensteil die gleiche Belastung mit Einkommensteuer zu tragen. Eine Unterscheidung danach, daß bestimmte Einkommensteile mit dem Spitzensteuersatz zu belasten seien, sei willkürlich.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG und den Bescheid vom 2.Juni 1983, soweit darin pauschale Lohnsteuer festgesetzt ist, aufzuheben;

hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und den Bescheid dahingehend zu ändern, daß die Steuer auf 214 284,13 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Revision ist unbegründet.

I.

Bei den von der Klägerin an ihre Arbeitnehmer im Rahmen des Sicherheitswettbewerbs gezahlten Prämien handelt es sich um Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit.

1. Nach § 19 Abs.1 Nr.1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Löhne, Gehälter, Gratifikationen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs.1 Satz 2 EStG) und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs.1 Satz 3 LStDV).

Nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung werden Vorteile "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlaßt sind (BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; BFH-Urteil vom 20.Mai 1983 VI R 39/81, BFHE 138, 555, BStBl II 1983, 712). Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird (BFH-Urteil vom 10.Juni 1983 VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642) und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (BFH-Urteile vom 24.Februar 1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707; vom 22.April 1982 III R 135/79, BFHE 135, 512, BStBl II 1982, 496; in BFHE 138, 555, BStBl II 1983, 712, und in BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529).

Nicht erforderlich ist, daß der Einnahme eine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers zugeordnet werden kann (BFH-Urteil vom 7.Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164).

2. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den von der Klägerin gezahlten Prämien um Einnahmen, die durch das individuelle Dienstverhältnis veranlaßt waren.

a) Nicht bezweifelt werden kann, daß die Prämie in Geld eine Einnahme i.S. von § 8 Abs.1 EStG ist. Nach den Feststellungen des FG ist den Arbeitnehmern das Geld zur freien Verfügung zugewendet worden, so daß die Vorinstanz zutreffend eine objektive Bereicherung bejaht hat.

b) Zu Recht hat das FG die Prämienzahlung als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft angesehen.

Seiner Entscheidung legte das FG die Feststellung zugrunde, daß die Klägerin mit dem Sicherheitswettbewerb ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgte. Ebenso wie die Revision ging die Vorinstanz davon aus, daß durch den Gruppensicherheitswettbewerb die Aufwendungen für Unfälle reduziert werden sollten, und zwar durch eine mehr unbewußte Verhaltensbeeinflussung der betroffenen Arbeitnehmer. Danach ging die Vorinstanz offensichtlich --ebenso wie die Revision-- davon aus, daß mit dem Sicherheitswettbewerb die Bewertungseinheit als ganzes angesprochen werden sollte und daß es der Klägerin auf die Leistung --die Unfallstatistik-- der gesamten Gruppe ankam. Die Berücksichtigung der kollektiven Aspekte des Gruppensicherheitswettbewerbs führt indessen nicht dazu, den Zusammenhang mit der einzelnen Dienstleistung zu lösen. Der von der Klägerin mit dem Wettbewerb verfolgte Zweck der Unfallreduzierung in der Gruppe konnte letztlich nur durch das Handeln oder Unterlassen von Einzelpersonen erreicht werden.

Gegen die Beurteilung der Prämie als Arbeitslohn kann nicht eingewendet werden, daß es sich nicht um die Entlohnung einer konkreten Arbeitsleistung handele, weil es auf das Ergebnis der Bewertungseinheit ankomme. Mit Prämien soll die besondere Leistungshergabe der Arbeitnehmer honoriert werden (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6.Aufl., 1987, § 65 I 1, S.338). Nach Schaub ist in vollmechanisierten Betrieben zumeist die Gruppenprämie zu finden, bei der die Arbeitsleistung der Gruppe als Grundlage genommen und die Prämie dann auf den einzelnen Arbeitnehmer aufgeteilt wird (a.a.O., § 65 III 4, S.340). Es ist danach durchaus üblich, die Prämie nicht an der konkreten Leistung des Einzelnen zu messen. Der Zusammenhang mit der Leistung von einzelnen Arbeitnehmern wird dadurch verdeutlicht, daß bestimmtes schuldhaftes Verhalten zum Ausschluß vom Wettbewerb führte, worauf das FG zu Recht hinweist. Auf den Umstand, daß grundsätzlich auch Arbeitnehmer, die wegen Krankheit nicht zum Ergebnis des Wettbewerbs beitragen konnten, für diese Zeit Anspruch auf die Prämie hatten, kann sich die Revision für ihre Rechtsauffassung nicht berufen. Die Situation ist hier nicht anders als im Falle der Fortzahlung des Lohnes im Krankheitsfalle.

3. Die Besteuerung der Prämien als Arbeitslohn entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt des ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers an diesen Aufwendungen.

Arbeitslohn liegt dann nicht vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Veranlassung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Gleiches gilt, wenn zwar nur Arbeitnehmer Zuwendungsempfänger sind, die den Vorteil bewirkenden Aufwendungen aber im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt werden (BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; BFHE 138, 555, BStBl II 1983, 712; BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164, und BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529). Derartige Zuwendungen werden vom Arbeitgeber nicht mit dem Ziel der Entlohnung gewährt und vom Arbeitnehmer nicht als Frucht seiner Dienstleistung aufgefaßt (BFH-Urteil vom 21.Februar 1986 VI R 21/84, BFHE 146, 87, BStBl II 1986, 406).

Bereits aus den Ausführungen zu II.2. ergibt sich, daß die Prämienzahlung als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft anzusehen ist. Bei der Betonung des Eigeninteresses der Klägerin verkennt die Revision, daß nach der Rechtsprechung des Senats eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers durch die zusätzliche Zuwendung besteht. Je höher aus der Sicht der Arbeitnehmer die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse (BFH-Urteil vom 31.Oktober 1986 VI R 73/83, BFHE 148, 61, BStBl II 1987, 142).

Im Streitfall tritt das Interesse der Arbeitnehmer an der Zahlung der Prämien gegenüber dem Interesse der Klägerin an der Verhütung von Unfällen nicht in den Hintergrund. Das FG hat zwar nicht ausdrücklich zu dieser Frage Stellung genommen, verweist aber zu Recht darauf, daß die Arbeitnehmer die Prämie zur freien Verwendung außerhalb des Betriebes erhalten haben. Das Interesse der Arbeitnehmer an der Prämienzahlung, die die nicht unerhebliche Höhe von 255 DM haben konnte, ist dem Interesse an der Zahlung der laufenden Löhne vergleichbar. Das betriebliche Interesse ist dem Interesse vergleichbar, das die Klägerin überhaupt an der Erfüllung der den Arbeitnehmern obliegenden Pflichten hat.

II.

Die Ermittlung des Pauschsteuersatzes gemäß § 40 Abs.1 Satz 1 EStG als durchschnittlicher Spitzensteuersatz ist nicht zu beanstanden.

1. Nach § 40 Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG kann das FA auf Antrag zulassen, daß die Lohnsteuer nach einem unter Berücksichtigung der Vorschriften des § 38a EStG zu ermittelnden Pauschsteuersatz erhoben wird. Der Arbeitgeber hat dem Antrag eine Berechnung beizufügen, aus der sich der durchschnittliche Steuersatz unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahresarbeitslöhne und der durchschnittlichen Jahreslohnsteuer in jeder Steuerklasse für diejenigen Arbeitnehmer ergibt, denen die Bezüge gewährt werden (§ 40 Abs.1 Satz 4 EStG --entspricht § 40 Abs.1 Satz 5 der durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20.Dezember 1982, BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972, geänderten Fassung des EStG--). In der Entscheidung in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91 hat der Senat bereits zu der hier streitigen Frage der Ermittlung des Pauschsteuersatzes Stellung genommen. Danach ist für jedes Kalenderjahr getrennt ein durchschnittlicher Steuersatz zu berechnen, der sich aus einem Vergleich der durchschnittlichen Jahres-Lohnsteuerbelastung der begünstigten Arbeitnehmer in den einzelnen Lohnsteuer-Klassen ohne und mit den nachzuversteuernden Bezügen ergibt. Hierbei wird die durchschnittliche Belastung der zusätzlich zu versteuernden Bezüge ermittelt (Grenzbelastung). Dies führt zu einem höheren Pauschsteuersatz als die von der Klägerin angestrebte Berechnung. Nach Auffassung der Klägerin ist der Pauschsteuersatz unmittelbar durch Division des durchschnittlichen Jahreslohns der Arbeitnehmer (einschließlich der streitigen Bezüge) durch die darauf entfallende Lohnsteuer zu ermitteln. Dieser durchschnittliche Steuersatz entspricht der prozentualen Belastung des gesamten Arbeitslohns.

Nach den Feststellungen des FG ging das FA bei der Festsetzung der Pauschsteuersätze von einem jeweiligen durchschnittlichen "Spitzensteuersatz" aus. Dieser Steuersatz wurde entsprechend dem Urteil in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91 durch Vergleich der Jahres-Lohnsteuerbelastung mit und ohne die nachzuversteuernden Bezüge errechnet. Diesem Grundsatz folgen auch die LStR in Abschn.93 Abs.3 in den ab 1975 jeweils geltenden Fassungen.

Die von dem vorgenannten Senatsurteil bestätigte Berechnungsweise des Pauschsteuersatzes in den LStR ist teilweise auf Kritik gestoßen. So vertreten Popp/Albert (Betriebs-Berater, 1983, 491) die Auffassung, die für die Berechnung des Pauschsteuersatzes maßgebliche Rechtsnorm sei nicht § 40 Abs.1 Satz 1 EStG, sondern dessen Satz 4. Nur aus § 40 Abs.1 Satz 4 EStG ergebe sich mit hinreichender Bestimmtheit eine Regelung, wie der Pauschsteuersatz zu ermitteln sei. Deshalb sei § 40 Abs.1 Satz 4 EStG lex specialis gegenüber § 38a EStG. Nach dem Wortlaut von § 40 Abs.1 Satz 4 EStG sei der Pauschsteuersatz als durchschnittlicher Steuersatz unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahreslöhne und der durchschnittlichen Jahres-Lohnsteuer zu ermitteln. Danach würden sich die von der Revision angestrebten Steuersätze ergeben.

Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Durch die Verweisung auf § 38a in § 40 Abs.1 Satz 1 EStG wird deutlich, daß die pauschale Lohnsteuer an die für die Arbeitnehmer entstehende individuelle Lohnsteuer anknüpft. Dies bedeutet, daß der Pauschsteuersatz grundsätzlich weder zu einer geringeren noch zu einer höheren Steuer als die Summe der für jeden Arbeitnehmer gesondert ermittelten Steuer auf die zusätzlichen Bezüge führen soll (gleicher Ansicht Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, 4.Aufl., Bd.1, S.882/5, Stichwort Pauschalierung der Lohnsteuer, B I 3 a). Dieser Auslegung des § 40 Abs.1 Satz 1 EStG steht dessen Satz 4 nicht entgegen. Dort wird die Verpflichtung des Arbeitgebers geregelt, seinem Antrag eine Berechnung des durchschnittlichen Steuersatzes unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahresarbeitslöhne und der durchschnittlichen Jahres-Lohnsteuer in jeder Steuerklasse für die betroffenen Arbeitnehmer beizufügen. Dieser Begriff "durchschnittlicher Steuersatz" ist mit dem Pauschsteuersatz nicht identisch. Beim durchschnittlichen Steuersatz handelt es sich um eine Vorstufe, von der aus es dem FA möglich ist, den gemäß § 40 Abs.1 Satz 1 EStG festzusetzenden Pauschsteuersatz zu errechnen oder den vom Arbeitgeber beantragten Pauschsteuersatz zu überprüfen.

Der Einwand der Revision, es könne nicht festgestellt werden, welcher Betrag aus dem Jahresarbeitslohn zuerst oder zuletzt verdient worden sei, ist unerheblich.

Bei der Pauschalierung der Lohnsteuer in besonderen Fällen handelt es sich um die Erfassung zusätzlicher Bezüge. Diese zusätzlichen Bezüge sind dem in § 40 EStG geregelten Besteuerungsverfahren zu unterwerfen.

2. Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, ob der Pauschsteuersatz für jedes Kalenderjahr getrennt zu errechnen ist und ob eine Differenzierung nach Lohn- oder Gehaltsempfängern vorgenommen werden kann. Die Umrechnung der vier verschiedenen Pauschsteuersätze auf einen einheitlichen Pauschsteuersatz würde zu einer Verböserung führen, so daß dem Senat die Aufhebung der Vorentscheidung verwehrt wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62410

BStBl II 1988, 726

BFHE 153, 324

BFHE 1989, 324

BB 1988, 1594-1594 (L1-2)

DB 1988, 1733-1734 (ST)

HFR 1988, 640 (LT)

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