Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Tätigkeitsvergütungen, die ein Ehegatte dem anderen Ehegatten aufgrund eines ernstgemeinten Dienstvertrages zusagt und für die er eine Rückstellung bildet, sind dem anderen Ehegatten auch dann zugeflossen, wenn er seine Einkünfte nach der überschußrechnung ermittelt.

Die Kosten der Unterbringung eines Familienangehörigen in einem Altersheim sind als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) berücksichtigungsfähig, wenn die Unterbringung wegen außergewöhnlicher Umstände (Pflegebedürftigkeit infolge eines Verkehrsunfalls) erforderlich wird.

 

Normenkette

EStG § 11 Abs. 1, §§ 33, 33a/1

 

Tatbestand

Streitig ist

bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1958 die Zulässigkeit einer änderung des Steuerbescheids durch den Steuerausschuß zum Nachteil der beschwerdeführenden Eheleute (Bf.) - § 243 Abs. 3 AO -,

für das Jahr 1958, ob die bei der GmbH passivierten Vergütungen für Dienstleistungen der alleinigen Gesellschafter den Berechtigten zugeflossen sind,

für das Jahr 1958 die Zurechnung eines im Betrieb der zusammen veranlagten Ehefrau zurückgestellten Gehalts für den Ehemann (§ 26 b EStG) und

für die Jahre 1958 und 1959 die Abzugsfähigkeit von Kosten der Unterbringung in einem Altersheim als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG.

Die antragsgemäß zusammen veranlagten Bf. waren alleinige Gesellschafter einer Immobilien- und Finanzgesellschaft mbH. Der beschwerdeführende Ehemann (Bf.) war daneben als Steuerberater tätig. Er übte in der GmbH beratende Funktion aus. Die beschwerdeführende Ehefrau (Bfin.) betrieb eine Apotheke und war außerdem als Geschäftsführerin der GmbH tätig. Die GmbH bildete im Streitjahr 1958 Rückstellungen für eine Tätigkeitsvergütung in Höhe von 2.400 DM, für eine Beratungsvergütung von 2.400 DM an den Bf. und für eine Vergütung für die überlassung von Räumen in Höhe von 2.400 DM. Außerdem stellte die Bfin. in der Bilanz 1958 ihres Apothekenbetriebes eine Beratungsvergütung für den Ehemann in Höhe von 2.400 DM zurück, die der Ehemann, der den Gewinn aus freier Berufstätigkeit nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, nicht als Einnahme behandelte.

Bei den Einkommensteuerveranlagungen 1958 und 1959 machten die Bf. Aufwendungen für die in einem Altersheim untergebrachte Mutter der Bfin. in Höhe von jährlich 3.000 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Unterbringung war erforderlich, weil die Mutter infolge eines 1954 erlittenen Verkehrsunfalls pflegebedürftig geworden war. Das Finanzamt, das im übrigen die Veranlagungen nach den Steuererklärungen durchführte, ließ nur einen Betrag von jährlich 900 DM als außergewöhnliche Belastung nach § 33 a EStG zum Abzug zu.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzamt hatte inzwischen eine Auskunft der Verwaltung des Altersheims eingeholt, welche ergab, daß mit dem Aufenthalt eine besondere ärztliche Betreuung nicht verbunden sei. Außerdem änderte das Finanzamt den Steuerbescheid 1958 dahin, daß es die von der Bfin. und von der GmbH zurückgestellten Tätigkeits- und überlassungsvergütungen den Einkünften der Bf. hinzurechnete.

Mit der Berufung machten die Bf. geltend, daß die änderung des Steuerbescheids zu ihrem Nachteil unzulässig sei, da der Ehemann den Hinweis des Finanzamts auf die beabsichtigte änderung wegen Arbeitsüberlastung nicht richtig verstanden habe. Die Zurechnung der Rückstellungsbeträge zu den Gesamteinkünften der Bf. sei unzutreffend, weil, soweit die GmbH die Rückstellungen vorgenommen habe, die Beträge nicht zugeflossen seien, und, soweit es sich um die Rückstellung der Bfin. handele, der Ehemann eine Schuld von 50.000 DM für den Apothekenbetrieb der Ehefrau übernommen habe. Die vollen Kosten der Unterbringung im Altersheim müßten nach § 33 EStG berücksichtigt werden, weil der Aufenthalt im Altersheim wegen der Folgen eines unverschuldeten Verkehrsunfalls erforderlich geworden sei.

Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht hielt die änderung des Steuerbescheids zum Nachteil der Bf. für zulässig, da die Bf. auf eine Anfrage mitgeteilt hätten, daß sie auch bei einer für sie verständlichen Ankündigung der änderung den Einspruch nicht zurückgenommen hätten. Die von der GmbH passivierten Vergütungen seien bei den Bf. in derselben Höhe als Einkünfte anzusetzen, in der sie bei der Gewinnermittlung der GmbH als Betriebsausgaben anerkannt worden seien (Hinweis auf Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 780/36 vom 11. November 1936, RStBl 1937 S. 490). Die GmbH sei in der Lage gewesen, die Vergütungen auszuzahlen, da sie in der Schlußbilanz zum 31. Dezember 1958 ein Barvermögen von rund 13.985 DM ausgewiesen habe. Die Vorschrift des § 33 EStG komme für die Kosten der Unterbringung im Altersheim nicht in Betracht, weil besondere Aufwendungen für den Unterhalt nicht gemacht worden seien (§ 33 a Abs. 5 EStG).

Mit der Rb. tragen die Bf. zur Zulässigkeit der änderung des Steuerbescheids 1958 zu ihrem Nachteil vor, daß die Mitteilung des Finanzamts entweder schriftlich oder in einer mündlichen Besprechung hätte ergehen müssen. Zur Behandlung der Tätigkeitsvergütungen führen sie aus, das Finanzgericht habe verkannt, daß die Tätigkeit für die GmbH im Rahmen der Entwicklungshilfe und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gemeinnützig sei. Die Heranziehung der dafür verwendeten Vergütungen zur Einkommensteuer bedeute somit, daß die Kosten dieser Tätigkeit, die den Bf. ohnedies erhebliche Opfer abverlange, entgegen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise versteuert werden müßten. Die von der Bfin. zurückgestellten Vergütungen könnten deshalb beim Ehemann steuerlich nicht erfaßt werden, weil sie nicht zugeflossen seien. Wegen der teilweisen Nichtanerkennung der Unterbringungskosten rügen sie, daß das Finanzgericht nicht den Arzt, der die Mutter der Bfin. nach dem Unfall behandelt habe, gehört habe. Es handle sich um Kosten, die über die gewöhnlichen Unterhaltsleistungen hinausgingen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Bf. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.

Zutreffend nahm das Finanzgericht an, daß das Finanzamt zur änderung des Steuerbescheids 1958 zum Nachteil der Bf. befugt war. Es wäre Sache des Bf. gewesen, das Finanzamt um Klarstellung zu bitten, falls er die Tragweite der Mitteilung des Finanzamts nicht verstand. Dabei müssen bei einem Steuerberater strengere Anforderungen als an steuerlich weniger erfahrene Steuerpflichtige gestellt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 245/59 U vom 21. Oktober 1960, BStBl 1961 III S. 53, Slg. Bd. 72 S. 143). Im übrigen kommt selbst bei Unterlassung eines Verböserungshinweises durch das Finanzamt eine Zurückverweisung der Sache durch das Finanzgericht dann nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige mit seiner Berufung zu erkennen gibt, daß er, auch wenn das Finanzamt ihn auf die Möglichkeit der Verböserung hingewiesen hätte, den Einspruch nicht zurückgenommen hätte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 264/61 U vom 1. Dezember 1961, BStBl 1962 III S. 140, Slg. Bd. 74 S. 371). Darauf, in welcher Form das Finanzamt den Verböserungshinweis gemacht hat, kommt es nicht an.

Zutreffend behandelten die Vorinstanzen die von der GmbH zurückgestellten Tätigkeitsvergütungen als zugeflossene Einkünfte der Bf. Den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft fließen Beträge, die die Gesellschaft ihnen schuldet, bereits mit der Fälligkeit zu, wenn die Gesellschafter die Gesellschaft beherrschen. Die in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 780/36 zum Ausdruck gebrachten Grundsätze übernahm der Bundesfinanzhof (vgl. Urteile IV 287/55 U vom 29. November 1956, BStBl 1957 III S. 58, Slg. Bd. 64 S. 151; VI 3/56 U vom 12. Juli 1957, BStBl 1957 III S. 289, Slg. Bd. 65 S. 147; VI 222/61 am 1. Dezember 1961, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 11, Rechtsspruch 34). Sie gelten nicht nur für Gehaltsbeträge der geschäftsführenden Gesellschafter, sondern auch für sonstige Vergütungen, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung ihres Einkommens ausgewirkt haben. Denn die Gesellschafter haben es in der Hand, die Beträge auszuzahlen oder im Betriebe der Gesellschaft stehen zu lassen. Die Frage des Zuflusses ist wegen der weitgehenden Identität der Interessen der Gesellschaft und der Gesellschafter streng zu beurteilen, da es sonst den Gesellschaftern überlassen bliebe, den Gewinn der Gesellschaft um die Vergütungen zu kürzen, ohne die Vergütungen als Einkommen zu versteuern. In solchen Fällen ist die Gutschrift durch die Kapitalgesellschaft grundsätzlich als Zufluß (§ 11 Abs. 1 EStG) bei den Gesellschaftern zu behandeln, gleichviel, ob man sonst diesen Betrag nach § 11 EStG als zugeflossen ansehen würde (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 780/36).

Die Gesellschafter können nur dann nicht über die Beträge, die die Gesellschaft ihnen schuldet, verfügen, wenn die Gesellschaft illiquide ist. Wie die Vorinstanz in nicht zu beanstandender Weise feststellte, war die GmbH in der Lage, die passivierten Vergütungen auszuzahlen. Die Vorinstanz wies mit Recht darauf hin, daß die Absicht, diese Beträge in den Folgejahren für geschäftliche Zwecke zu verwenden, außer Betracht zu bleiben hat.

Im übrigen ist es ohne Belang, welchen Zwecken die zurückgestellten Vergütungen letzten Endes zu dienen bestimmt waren. Abgesehen davon, daß es sich dabei nicht um Ausgaben des Streitjahres handelte, könnten die besonderen Zwecke dieser Ausgaben allenfalls bei der Gewinnermittlung der GmbH, nicht jedoch bei der Einkommensteuerveranlagung der Gesellschafter berücksichtigt werden. Der von den Bf. in den Vordergrund gestellte Gesichtspunkt, daß es sich um Aufwendungen im Dienste der Entwicklungshilfe handele, ist unerheblich.

Der Senat tritt den Vorinstanzen im Ergebnis auch hinsichtlich der Behandlung des von der Bfin. als Tätigkeitsvergütung für den Ehemann zurückgestellten Betrages bei. Die Entscheidung kann jedoch nicht auf die Vorschrift des § 26 b Satz 3 EStG 1958 gestützt werden. Denn diese Vorschrift wurde durch Art. 1 Ziff. 13 des Gesetzes zur änderung des Einkommensteuer-, des Spar-Prämiengesetzes und anderer Gesetze (StändG 1964) vom 16. November 1964, BStBl 1964 I S. 553, gestrichen. Die Vorschrift des § 26 b EStG n. F. ist auch für den Veranlagungszeitraum 1958 anzuwenden, soweit die Veranlagung noch nicht rechtskräftig ist (§ 52 Abs. 12 EStG in der Fassung des Art. 1 Ziff. 19 StändG 1964). Sie ist dahin zu verstehen, daß die Streichung des § 26 b Satz 3 EStG für den Veranlagungszeitraum 1958 rückwirkende Kraft hatte (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG in der Fassung des StändG 1964). Diese Auslegung wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt (vgl. Amtliche Begründung der Bundesregierung zum Steueränderungsgesetz 1964, Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, Drucksache IV/2400 S. 71). Durch diese änderung trug der Gesetzgeber dem Grundsatz Rechnung, daß ernstgemeinte Arbeitsverträge unter Ehegatten auch steuerlich anzuerkennen sind (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 1962 1 BvL 32/57 und 1 BvR 232/60, BStBl 1962 I S. 492 und 506).

Der Senat sieht im Streitfall keine Veranlassung, die Ernsthaftigkeit des zwischen den Bf. bestehenden Dienstvertrages in Zweifel zu ziehen. Er ist jedoch der Auffassung, daß das vereinbarte und von der Bfin. in der Schlußbilanz 1958 zurückgestellte Beratungsentgelt beim Ehemann als zugeflossen anzusehen ist. Es gelten die gleichen Grundsätze, die zur Annahme des Zuflusses der von der GmbH zurückgestellten Tätigkeitsvergütungen führen. Es liegt eine weitgehende Identität der Interessen der Beteiligten vor. Es kann den Beteiligten grundsätzlich nicht überlassen bleiben, den Gewinn des einen Ehegatten zu kürzen, ohne daß der andere Ehegatte die Vergütungen als Einkünfte behandelt. Das gilt auch dann, wenn der andere Ehegatte nach seiner Einkunftsermittlungsart (§ 4 Abs. 3 EStG) sonst Einnahmen erst nach Maßgabe des tatsächlichen Eingangs der Zahlungen versteuert (§ 11 Abs. 1 EStG). Wenn ein Ehegatte auf die Auszahlung einer ihm zustehenden Vergütung verzichtet und den Betrag im Betrieb des anderen (zahlungsfähigen) Ehegatten stehen läßt, so liegt darin eine Verfügung über den Anspruch. Der Verfügungsbetrag ist den Ehegatten als zugeflossen zuzurechnen. Dafür, daß die Bfin. im Streitfall wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen sei, die geschuldeten Beträge auszuzahlen, ist nicht vorgetragen.

Die Behandlung der Kosten der Unterbringung im Altersheim nach § 33 a EStG durch die Vorinstanzen ist nicht zutreffend. Die Vorschrift des § 33 a EStG wurde durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BStBl 1954 I S. 575) in das EStG eingefügt. Sie traf für einige oft vorkommende Fälle der außergewöhnlichen Belastungen im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Steuerpflichtigen eine Sonderregelung. Für diese Fälle ist die Anwendung des § 33 EStG ausgeschlossen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs VI 144/55 U vom 9. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 407, Slg. Bd. 67 S. 346; VI 314/63 U vom 28. Februar 1964, BStBl 1964 III S. 270, Slg. Bd. 79 S. 104). Die Vorschrift des § 33 a EStG trifft demnach nur die Fälle typischer Unterhaltsleistungen. Sie ist nicht anzuwenden, soweit erhöhte Unterhaltsleistungen auf Grund außergewöhnlicher Umstände zu erbringen sind. Das ist anzunehmen, wenn eine Person infolge dieser Umstände pflegebedürftig wird und in einem Altersheim untergebracht werden muß. Nicht nur die Kosten einer durch diesen Zustand verursachten ärztlichen Behandlung, sondern auch die Pflegekosten selbst können nicht zu den Unterhaltsaufwendungen im Sinne des § 33 a EStG gerechnet werden. Sie sind nach Maßgabe des § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig.

Die Bf. trugen in den Vorinstanzen unwidersprochen vor, daß die Unterbringung der Mutter der Bfin. in einem Altersheim erforderlich geworden sei, weil die Pflegebedürftigkeit sich als Folge eines Verkehrsunfalls ergeben habe. Das Finanzgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Der Sachverhalt bedarf der Aufklärung. Die Vorentscheidung, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, wird aufgehoben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das über die Anwendbarkeit des § 33 EStG erneut entscheiden wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411542

BStBl III 1965, 407

BFHE 1965, 440

BFHE 82, 440

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge