Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Arbeitsrecht Bankrecht Kreditrecht Berufsrecht Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Gewinnanteile minderjähriger Kinder an Personengesellschaften sind, wenn den Eltern das Recht zur Verwaltung und Nutznießung am Vermögen der Kinder zusteht, eigene gewerbliche Einkünfte der Eltern.

Das Recht der Eltern zur Verwaltung und Nutznießung am Vermögen ihrer minderjährigen Kinder kann auch mit steuerlicher Wirkung nur in den bürgerlich-rechtlich vorgeschriebenen Formen ausgeschlossen werden. Der Senat tritt insoweit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 25/57 U vom 10. Oktober 1957 (Slg. Bd. 65 S. 482, BStBl 1957 III S. 419) bei.

Eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts gemäß § 1822 Ziff. 3 BGB zum Eintritt eines Minderjährigen als Kommanditist in eine Kommanditgesellschaft steht nicht ohne weiteres der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts im Sinne des § 112 BGB zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts durch den Minderjährigen gleich.

 

Normenkette

EStG § 15/2; BGB §§ 112, 1822 Nr. 3

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) ist persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer einer KG. Durch Vertrag vom 10. Dezember 1952 wurden seine beiden minderjährigen Söhne mit einer ihnen vom Bg. geschenkten Einlage von je 6.600 DM als Kommanditisten aufgenommen. Nach der Feststellung des Finanzgerichts wurde der Gesellschaftsvertrag am 24. Dezember 1952 gemäß § 1822 Ziff. 3 BGB vom Vormundschaftsgericht genehmigt. Die Gewinnanteile der Söhne betrugen insgesamt für 1952 = 5.678 DM und für 1953 = 95.060 DM. Das Finanzamt nahm an, daß die Gewinnanteile der Söhne gemäß § 1649 BGB dem Bg. als Vater kraft des elterlichen Nutznießungsrechts zustünden; einen formgerechten Verzicht (ß 1662 BGB) auf das Nutznießungsrecht am Vermögen der beiden Söhne habe der Bg. nicht erklärt.

Das Finanzgericht gab der Sprungberufung statt und führte im wesentlichen aus: Der Bg. und seine Ehefrau hätten zwar erst am 4. August 1954 in der Form des § 1662 Satz 2 BGB gegenüber dem Vormundschaftsgericht auf das elterliche Nutznießungsrecht verzichtet, nachdem der Betriebsprüfer festgestellt hatte, daß ein bürgerlich-rechtlich wirksamer Verzicht nicht vorliege. Dieser Verzicht müsse aber auf den Zeitpunkt zurückbezogen werden, zu dem die Söhne Gesellschafter geworden seien. Die Gewinnanteile seien den Söhnen auf Sonderkonten gutgeschrieben und teilweise vom Bg. auf ihren Namen in Pfandbriefen angelegt worden. Daraus ergebe sich, daß der Bg. auch schon vor der förmlichen Verzichtserklärung tatsächlich auf das Nutznießungsrecht verzichtet habe. Durch die Form der Verbuchung habe er einen Zustand geschaffen, der es den Söhnen ermöglicht habe, über die nicht verbrauchten Erträgnisse zu verfügen; die Söhne hätten auch bürgerlich-rechtlich für die Streitjahre 1952 und 1953 einen förmlichen Anspruch erworben. Die Beteiligten hätten den Verzicht auf die Nutznießung zwischen sich gelten lassen; das sei nach § 5 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) für die steuerliche Beurteilung entscheidend. Da im Streitfall ein steuerlich wirksamer formloser Verzicht des Bg. auf die Nutznießung am Vermögen der Söhne vorliege, erübrige sich die Stellungnahme zu der Zweifelsfrage, ob ein Verzicht der Nutznießung an einzelnen Gegenständen des Vermögens der Söhne formlos hätte erklärt werden können. Es brauche auch nicht entschieden zu werden, ob in der Genehmigung des Gesellschaftsvertrags durch das Vormundschaftsgericht gemäß § 1822 Ziff. 3 BGB gleichzeitig die Genehmigung liege, daß die Söhne selbständig ein Erwerbsgeschäft betrieben (ß 112 BGB). Wenn es auf diese Frage ankäme, würde es mindestens bedenklich sein, die vom Vormundschaftsgericht nach § 1822 Ziff. 3 BGB erteilte Genehmigung in eine solche nach § 112 BGB umzudeuten. Das wäre nur möglich, wenn der Bg. als gesetzlicher Vertreter die minderjährigen Söhne zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts hätte ermächtigen wollen. Dafür läge aber kein Anhaltspunkt vor. Der Bg. habe vielmehr nur sein elterliches Nutznießungsrecht beschränken wollen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der IV. Senat des Bundesfinanzhofs hat in der Entscheidung IV 25/57 U vom 10. Oktober 1957 (Slg. Bd. 65 S. 482, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 419) im Anschluß an die Entscheidung IV 173/54 U vom 27. April 1955 (Slg. Bd. 60 S. 481, BStBl 1955 III S. 184) ausgesprochen, daß steuerlich ein Verzicht auf das elterliche Nutzungsrecht am Vermögen der minderjährigen Kinder nur anerkannt werden kann, wenn er in der Form des § 1662 BGB gegenüber dem Vormundschaftsgericht erklärt worden ist. Der Senat hat dabei auch bereits den vom Finanzgericht anerkannten Einwand zurückgewiesen, daß es steuerlich nach § 5 Abs. 3 StAnpG nicht auf die Einhaltung der bürgerlich-rechtlichen Form, sondern darauf ankomme, ob die Beteiligten einen formlos geschaffenen Zustand zwischen sich gelten ließen. In der Entscheidung ist ferner bereits darauf hingewiesen worden, daß ein Verzicht der Eltern auf die Nutznießung an einzelnen Vermögensgegenständen des Kindes, sofern das bürgerlich-rechtlich überhaupt zulässig sei, mindestens insofern einer bestimmten Form bedürfe, als ein Pfleger für das minderjährige Kind bestellt werden müsse, der die nach § 107 BGB notwendige Einwilligung für das Kind gebe. Der erkennende Senat tritt insoweit den Rechtsgrundsätzen der Entscheidung IV 173/54 U und IV 25/57 U bei.

Ein formgerechter Verzicht auf das elterliche Nutzungsrecht am Vermögen der Söhne im Ganzen ist gegenüber dem Vormundschaftsgericht unstreitig erst nach Ablauf der Streitjahre 1952 und 1953 am 4. August 1954 ausgesprochen worden. Die vom Finanzgericht zugelassene steuerliche Rückbeziehung dieses Verzichts ist rechtsirrig. Das elterliche Nutzungsrecht besteht bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich, solange die Eltern keinen wirksamen Verzicht erklärt haben. Die Feststellung des Finanzgerichts, daß der Verzicht im Streitfall schon vor der förmlichen Erklärung durch die Form der Buchung der Gewinnanteile und die Anlage von Teilen der Gewinne in Pfandbriefen, die der Bg. im Namen der Söhne gekauft habe, tatsächlich vollzogen worden sei, wird vom Vorsteher des Finanzamts mit Recht als unschlüssig beanstandet. Diese Maßnahmen, die der Bg. als Inhaber der elterlichen Gewalt und Geschäftsführer veranlassen konnte und die der Stellung der Söhne als Gesellschafter Rechnung trugen, können keineswegs ohne weiteres als Verzicht auf das elterliche Nutzungsrecht am Vermögen der Söhne gedeutet werden. Mit Recht hat der IV. Senat in der Entscheidung IV 25/57 U in übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs betont, daß gerade zwischen nahen Familienangehörigen klare Rechtsverhältnisse geschaffen werden müssen, wenn sie steuerlich anerkannt werden sollen.

Zweifelhaft ist, welche Bedeutung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zukommt. Der Vorsteher des Finanzamts bestreitet die tatsächliche Feststellung des Finanzgerichts, daß der Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 24. Dezember 1952 überhaupt eine Genehmigung im Sinne des § 1822 Ziff. 3 BGB enthalten habe; das Vormundschaftsgericht habe nur einen Pfleger für die Söhne bestellt, da der Bg. nicht mit sich selbst habe kontrahieren können. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Feststellung des Finanzgerichts tatsächlich einwandfrei ist. Denn auch wenn man mit dem Finanzgericht eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach § 1822 Ziff. 3 BGB annimmt, steht diese nicht einer Genehmigung im Sinne des § 112 BGB gleich. Nach § 112 BGB kann der gesetzliche Vertreter mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einen Minderjährigen zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigen. Das Vermögen, das ein minderjähriges Kind durch den ihm nach § 112 BGB gestatteten selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts erwirbt, ist gemäß § 1651 Ziff. 1 BGB freies Vermögen des Kindes, unterliegt also nicht der elterlichen Nutznießung. Im Fall der Entscheidung IV 25/57 U hat der IV. Senat verneint, daß in der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des Gesellschaftsvertrags gleichzeitig eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung im Sinne des § 112 BGB gelegen habe. Er hat aber im Anschluß an seine amtlich nicht veröffentlichte Entscheidung IV 36/53 vom 13. August 1953 (auszugsweise wiedergegeben von Theis in "Der Betrieb" 1956 S. 75) anscheinend offengelassen, ob eine solche Umdeutung nicht möglich sei, wenn das Kind bei Abschluß des Gesellschaftsvertrags bereits 20 Jahre alt war. Der erkennende Senat vermag dem Alter der minderjährigen Kinder keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen. Eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts im Sinne des § 112 BGB setzt, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, voraus, daß der gesetzliche Vertreter das minderjährige Kind zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigen will und das Vormundschaftsgericht diese Ermächtigung billigt. Die Ermächtigung und Genehmigung nach § 112 BGB haben besonders weitreichende Folgen, weil im Rahmen der Ermächtigung der Minderjährige als voll geschäftsfähig gilt. Seine Rechtshandlungen sind also unbeschränkt rechtswirksam. Das ist für die Haftung des Kindes und die Rechtsstellung seiner Gläubiger von weitgehender Bedeutung. Um das minderjährige Kind vor wirtschaftlichen Nachteilen zu bewahren, ist die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vorgeschrieben worden. Es würde diesem Schutzgedanken nicht entsprechen, die Vorschrift weitherzig auszulegen, und die Rechtsfolgen des § 112 BGB auch eintreten zu lassen, wenn der gesetzliche Vertreter und das Vormundschaftsgericht klar und eindeutig nur gebilligt haben, daß das minderjährige Kind als Kommanditist in eine Gesellschaft eintritt.

Mit Recht lehnt deshalb Randebrock ab ("Der Betrieb" 1956 S. 7), die Genehmigung zum Eintritt in eine Gesellschaft der Genehmigung nach § 112 BGB gleichzustellen. Um dem Schutzgedanken voll Rechnung zu tragen, erkennt der Bundesgerichtshof einer ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts von Minderjährigen begründeten Gesellschaft keine Rechtswirkung für den Minderjährigen zu (Urteil des Bundesgerichtshofs II ZR 202/53 vom 30. April 1955, "Der Betrieb" 1955 S. 554).

Der Bg. beruft sich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs II ZR 202/53 dafür, daß der Bundesgerichtshof entgegen einer im Fachschrifttum verbreiteten Meinung ausgesprochen habe, daß die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach § 1822 Ziff. 3 BGB auch erforderlich sei, wenn ein minderjähriges Kind als Kommanditist in eine Gesellschaft eintrete. Die Frage, ob diese Genehmigung gleichzeitig als Genehmigung im Sinne des § 112 BGB wirkt, hat der Bundesgerichtshof indessen nicht entschieden.

Für den Streitfall hat das Finanzgericht festgestellt, daß weder der Bg. die Söhne zum selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigt noch das Vormundschaftsgericht eine solche Ermächtigung genehmigt habe; das Vormundschaftsgericht habe vielmehr nur die vom Bg. erstrebte Genehmigung erteilt, daß die minderjährigen Söhne Kommanditisten würden. Diese Feststellung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Finanzamt hat demnach die Gewinnanteile der minderjährigen Söhne für die Streitjahre 1952 und 1953 steuerlich zutreffend dem Bg., nicht den Söhnen, zugerechnet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409011

BStBl III 1958, 254

BFHE 1958, 658

BFHE 66, 658

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