Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die in einer Grundstücksgemeinschaft vereinigten Miteigentümer können von dem in § 7 b EStG vorgesehenen Wahlrecht in verschiedener Weise Gebrauch machen. Der Senat hält an dem entgegenstehenden Rechtsgrundsatz des Urteils VI 240/57 U vom 29. Januar 1959 (BStBl 1959 III S. 154, Slg. Bd. 68 S. 400) nicht fest.

 

Normenkette

EStG § 7b; AO § 215 Abs. 2 Nr. 4

 

Tatbestand

Die Bg., ein Bauingenieur und ein Steuerberater, haben gemeinschaftlich mehrere Wohngebäude errichtet; sie sind Miteigentümer zu je 1/2 und haben die Herstellungskosten zu gleichen Teilen getragen. Abgesehen von einem Voraus, das dem einen Bg. für die Verwaltung zusteht, erhält jeder von dem überschuß die Hälfte.

Bei der einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1956 und 1957 berücksichtigte das Finanzamt die von den Bg. in verschiedener Höhe in Anspruch genommenen erhöhten Absetzungen für Abnutzungen (AfA), ebenso bei der vorläufigen Feststellung für das Jahr 1958. Bei der endgültigen Feststellung 1958 gewährte es die in Anspruch genommenen erhöhten AfA aber nur noch in der Weise, daß es zwar die Summe absetzte, aber das Ergebnis jedem der Bg. zur Hälfte zurechnete.

Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht, dessen Urteil in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1962 S. 249 abgedruckt ist, erkannte an, daß es jedem der Bg. überlassen sei, in welcher Höhe er die ihm zustehenden erhöhten AfA in Anspruch nehme.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Der Senat hat zwar in dem Urteil VI 240/57 U vom 29. Januar 1959 (BStBl 1959 III S. 154, Slg. Bd. 68 S. 400) ausgesprochen, daß die in einer Grundstücksgemeinschaft vereinigten Miteigentümer von den erhöhten AfA nach § 7 b EStG nur nach einem einheitlichen Vomhundertsatz Gebrauch machen könnten. Der Senat hält nach nochmaliger Prüfung aber daran nicht fest, sondern stimmt dem Finanzgericht darin zu, daß die Miteigentümer nicht in dieser Weise zu verfahren brauchen, sondern von der Vergünstigung des § 7 b EStG verschiedenen Gebrauch machen können.

Nach § 7 b EStG wird derjenige, der ein bestimmten Anforderungen genügendes Wohngebäude errichtet, dadurch begünstigt, daß er anstelle der normalen AfA "erhöhte Absetzungen" in Anspruch nehmen kann. Die erhöhten AfA werden wie die normalen AfA des § 7 EStG mit einem bestimmten Vomhundertsatz der Herstellungskosten bemessen. Anders als bei den normalen AfA hat der Berechtigte aber bei den erhöhten AfA ein gewisses Wahlrecht, indem er die erhöhten AfA in den drei ersten Jahren nicht oder nicht in voller Höhe in Anspruch zu nehmen braucht und die nicht ausgenutzten erhöhten AfA noch im vierten Jahr nachholen kann (siehe § 7 b Abs. 5 EStG 1958). Sind an der Errichtung eines Wohngebäudes mehrere Personen beteiligt, so werden sie ebenfalls begünstigt. Die den erhöhten AfA zugrunde zu legenden Bemessungsgrundlagen sind auch in diesem Falle die Herstellungskosten; ebenso ist der im Gesetz vorgesehene Vomhundertsatz anzuwenden. Wie das Finanzgericht mit Recht feststellt, läßt der Wortlaut des Gesetzes es offen, ob alle Beteiligten, soweit sie von der Begünstigung Gebrauch machen wollen, denselben Vomhundertsatz in Anspruch nehmen müssen oder ob es ihnen überlassen ist, wieweit sie von der Begünstigung Gebrauch machen wollen.

Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, besonders im Urteil VI 240/57 U, a. a. O., daß die erhöhten AfA nach § 7 b EStG ein Sonderfall der AfA nach § 7 EStG sind und grundsätzlich nach denselben Regeln behandelt werden. Für die in einer Personengesellschaft vereinigten Mitunternehmer hat der I. Senat in dem Urteil I 159/57 U vom 14. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 75, Slg. Bd. 66 S. 193) ausgesprochen, daß die AfA "grundsätzlich nur einheitlich und nicht für jeden Gesellschafter verschieden vorgenommen werden" können. Für die normalen AfA neigt der Senat ebenfalls der Auffassung zu, daß auch die in einer Grundstücksgemeinschaft vereinigten Miteigentümer grundsätzlich denselben Vomhundertsatz anwenden müssen. Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben; denn selbst wenn man sie bejaht, würde daraus nicht zu folgern sein, daß die Miteigentümer auch von dem in § 7 b EStG vorgesehenen Wahlrecht nur einheitlich Gebrauch machen könnten.

Wenn § 7 b EStG auch einen Sonderfall des § 7 EStG bildet, so darf doch nicht übersehen werden, daß diese Vorschrift dem besonderen Zweck dient, den Wohnungsbau zu fördern. Der Senat hat in dem Urteil VI 180/60 U vom 25. August 1961 (BStBl 1961 III S. 482, Slg. Bd. 73 S. 593) ausgeführt, daß es dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspricht, auch steuerlich anzuerkennen, daß mehrere Miteigentümer vereinbaren, die erhöhten AfA nicht nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile, sondern nach dem Verhältnis der von ihnen getragenen Baukostenanteile zu verteilen. Von dieser Erwägung aus ist es folgerichtig, auch für Fälle der vorliegenden Art anzuerkennen, daß die an der Errichtung eines Wohngebäudes beteiligten Miteigentümers voneinander unabhängig die Wahl haben, in welchem Umfang sie in den ersten vier Jahren von der Vergünstigung des § 7 b EStG Gebrauch machen wollen. In seinem früheren Urteil VI 240/57 U, a. a. O., hat der Senat für ausschlaggebend gehalten, daß die Vergünstigung des § 7 b EStG objektbezogen sei und eine verschiedene Wahlausübung mangels einer Buchführung zur Unübersichtlichkeit führen müßte. Der Senat hält dieses Bedenken nicht mehr aufrecht. Es wird dem Sinn und Zweck der Vergünstigung des § 7 b EStG sowie der Entwicklung der Rechtsprechung mehr gerecht, wenn man die Begünstigung für den Steuerpflichtigen, der ein Wohngebäude errichtet, in den Vordergrund stellt. Daß Verschiedenheiten in der Wahlausübung zur Unübersichtlichkeit führen, ist allein kein Grund, eine unterschiedliche Wahlausübung rechtlich auszuschließen, zumal der Gesetzgeber selbst bei demselben Objekt - man denke an den Fall, daß ein nur zum Teil kriegszerstörtes Wohngebäude wiederaufgebaut oder ein unter § 7 b Abs. 1 EStG fallendes Wohngebäude durch einen Anbau im Sinne des § 7 b Abs. 2 EStG ergänzt wird - sowohl die normalen als auch die erhöhten AfA nebeneinander nach verschiedenen Vomhundertsätzen zuläßt. Die beteiligten Miteigentümer haben allerdings mitzuwirken, daß der Gefahr der Unübersichtlichkeit in geeigneter Weise begegnet wird, z. B. durch eine Absetzungstabelle, die der für die einheitliche Feststellung der gemeinsamen Einkünfte abzugebenden Erklärung beigefügt wird.

Ob eine unterschiedliche Wahl auch bei Personengesellschaften anerkannt werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Grundstücksgemeinschaften bilden jedenfalls keine solche Einheit wie Personengesellschaften des Handelsrechts. Sind also mehrere Miteigentümer zu einer Grundstücksgemeinschaft zusammengeschlossen, so bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Wahl in der Anwendung des § 7 b EStG bei den einzelnen Miteigentümern.

Der Wert des Streitgegenstandes wird mit 25 v. H. der streitigen Anteile an den gemeinschaftlichen Einkünften festgestellt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 207/55 U vom 9. Oktober 1956, BStBl 1956 III S. 382, Slg. Bd. 63 S. 484).

 

Fundstellen

Haufe-Index 410721

BStBl III 1963, 236

BFHE 1963, 646

BFHE 76, 646

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