Entscheidungsstichwort (Thema)

Abziehbarkeit von Verzugszinsen als Werbungskosten

 

Leitsatz (NV)

Hat ein Steuerpflichtiger den Kaufpreis für die Veräußerung seiner Geschäftsanteile an einer GmbH für den Erwerb verzinslicher Wertpapiere verwendet und ist er aufgrund eines in einem späteren Veranlagungszeitraum abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs verpflichtet, einen Teil des Kaufpreises an den Käufer zurückzuzahlen, so sind in der Vergleichssumme enthaltene Verzugszinsen weder als negative Einnahmen noch als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 20; AO 1977 §§ 164-165; FGO § 68

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 1984 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden.

Die Klägerin war bis 1981 zusammen mit insgesamt 17 Anteilseignern Gesellschafterin der H-GmbH. Die H-GmbH war mit einem Stammkapital von 4 Mio. DM ausgestattet. Mit Kaufvertrag vom 28. September 1981 erwarb die X-AG insgesamt 86,4225 v. H. der Geschäftsanteile der H-GmbH zu einem Kaufpreis von 16 204 218,75 DM zuzüglich 352 298,92 DM Zinsen (Dividende) für die Zeit vom 1. Januar 1981 bis zum Erwerb der Geschäftsanteile. Die restlichen Geschäftsanteile verblieben zunächst bei dem geschäftsführenden Gesellschafter der H-GmbH. Für ihre im Privatvermögen gehaltenen Anteile erhielt die Klägerin 1 771 218,75 DM. Den (steuerfreien) Veräußerungserlös verwendete sie für den Erwerb von Sparguthaben und Wertpapieren, aus denen sie Kapitalerträge erzielte und versteuerte.

Am 26. März 1982 erhob die X-AG gegen die früheren Gesellschafter der H-GmbH Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises einschließlich der gezahlten Zinsen (Dividende) aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsabschluß, hilfsweise nach § 463 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), sowie auf Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung von Prozeßzinsen in Höhe von 10 v. H. ab Rechtshängigkeit. Zur Begründung der Klage führte die X-AG im wesentlichen aus, sie sei bei den Vertragsverhandlungen über den Wert des Unternehmens getäuscht worden. Der Rechtsstreit wurde durch Prozeßvergleich vom 5. Juli 1984 beendet. Der ehemalige Geschäftsführer der H- GmbH verpflichtete sich, seine Geschäftsanteile unentgeltlich an die X-AG zu übertragen, während die übrigen Altgesellschafter sich verpflichteten, an die X-AG einen Betrag von 2 545 000 DM zu zahlen. Mit Erfüllung des Vergleichs sollten wechselseitig sämtliche Ansprüche der Parteien aus dem Verkauf der Anteile an der H-GmbH mit Einschluß der Nebenansprüche (z. B. Zinsen) erledigt sein.

In einer weiteren Vereinbarung verpflichteten sich die Altgesellschafter, an den ehemaligen Geschäftsführer zum Ausgleich für die von ihm unentgeltlich übertragenen Geschäftsanteile einen Betrag in Höhe von 856 000 DM zu zahlen. Hieraus ergab sich für die Klägerin eine Zahlungsverpflichtung von insgesamt 473 367 DM; an die X-AG zahlte sie 354 225 DM, an den ehemaligen Geschäftsführer 119 142 DM.

In ihrer Einkommensteuererklärung 1984 machten die Kläger geltend, in der Vergleichssumme von 473 267 DM sei ein Betrag von 88 218,56 DM für "Prozeßzinsen" enthalten, welcher als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sei.

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1984 lehnte es der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ab, den geltend gemachten Zinsbetrag als Werbungskosten oder negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Der Einkommensteuerbescheid vom 7. März 1986, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) erging, wurde bestandskräftig.

Am 14. August 1986 beantragte der Kläger, zugleich im Namen der Klägerin, den Einkommensteuerbescheid vom 7. März 1986 nach § 164 Abs. 2 AO 1977 zu ändern und die aufgrund des Prozeßvergleichs zu zahlenden Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Diesen Antrag lehnte das FA durch Verfügung vom 3. März 1987 ab.

Einspruch und Klage bleiben erfolglos.

Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --).

Die aufgrund des Vergleichs an die X-AG gezahlten Zinsen seien zwar nicht identisch mit den Kapitalerträgen, die die Klägerin aus der Anlage des erhöhten Kaufpreises erzielt habe. Die Schadensersatzansprüche der X-AG gegen die Klägerin berührten nicht deren Rechtsverhältnisse mit Dritten aus der Überlassung von Kapital zur Nutzung. Gleichwohl müßten die streitigen Verzugszinsen als negative Einnahmen oder Werbungskosten berücksichtigt werden, weil ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einkünften der Klägerin aus Kapitalvermögen gegeben sei. Durch den Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen solle die X-AG für die ihr zu Unrecht vorenthaltene Kapitalnutzung entschädigt werden. Wirtschaftlich sei der Vorgang so zu beurteilen, als ob die X-AG der Klägerin in Höhe des überhöhten Kaufpreises ein mit 10 v. H. verzinsliches Darlehen zum Erwerb von Wertpapieren gewährt hätte oder als ob die Klägerin die aus der Anlage des überhöhten Kaufpreises erzielten Kapitalerträge in Höhe der geltend gemachten Verzugszinsen an die X-AG herausgegeben hätte.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 8. April und am 27. September 1991 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 und § 54 EStG geänderte Einkommensteuerbescheide 1984 erlassen. Die Bescheide vom 8. April und vom 27. September 1991 sind teilweise vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO 1977.

Die Kläger haben die Änderungsbescheide nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Finanzgericht (FG) hat im Ergebnis zu Recht die streitigen Zinszahlungen nicht als Werbungskosten oder negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zum Abzug zugelassen.

I. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der geänderte Einkommensteuerbescheid 1984 vom 27. September 1991. Die Kläger konnten diesen Bescheid auch im Verfahren der Verpflichtungsklage gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens erklären, obwohl er nicht den unmittelbar angegriffenen Bescheid vom 3. März 1987, sondern den Einkommensteuerbescheid 1984 vom 8. März 1991 änderte. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, daß sich § 68 FGO seinem Wortlaut nach nur auf den Erlaß von Änderungsbescheiden im Verfahren der Anfechtungsklage bezieht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat wiederholt eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschrift auch bei einem Verpflichtungsbegehren für erforderlich erachtet (vgl. Urteile vom 5. Juli 1991 III R 3/87, BFHE 165, 143, 150, BStBl II 1991, 854, und vom 24. Mai 1991 III R 105/89, BFHE 165, 345, BStBl II 1992, 123 m. w. N.). Diese Auffassung steht im Einklang mit dem Zweck des § 68 FGO, dem klagenden Beteiligten nach Möglichkeit ein weiteres Revisionsverfahren zu ersparen (BFHE 165, 143, 150, BStBl II 1991, 854; FG Berlin, Urteil vom 27. Mai 1991 VIII 433/90, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1992, 58).

II. Der von den Klägern begehrten Änderung des Einkommensteuerbescheids 1984 steht nicht schon die Bestandskraft früherer Bescheide entgegen. Insbesondere greift § 351 Abs. 1 AO 1977 nicht ein, soweit es um den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Änderungsbescheid vom 27. September 1991 geht. Die Kläger haben den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid vom 7. März 1986 nicht mit einem Einspruch angefochten; dieser Bescheid ist jedoch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen (§ 164 Abs. 1 AO 1977). Er war deshalb nach § 164 Abs. 2 AO 1977 für die Dauer der Wirksamkeit des Vorbehalts jederzeit abänderbar. Der Vorbehalt der Nachprüfung ist durch den Erlaß der geänderten Einkommensteuerbescheide nicht entfallen, obwohl der Bescheid vom 27. September 1991 -- ebenso wie der vorhergehende Bescheid vom 8. April 1991 -- nicht ausdrücklich unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist. Aus dem Charakter des Vorbehalts als einer unselbständigen Nebenbestimmung zum Steuerbescheid und der Gleichsetzung der Aufhebung des Vorbehalts mit einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt (§ 164 Abs. 3 Satz 2 AO 1977) folgt, daß der Vorbehalt auch dann bestehen bleibt, wenn er im Fall einer Änderung des ursprünglichen Bescheids durch einen weiteren Bescheid nicht ausdrücklich wiederholt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 VIII R 162/80, BFHE 143, 299, BStBl II 1985, 448; vom 15. Juli 1987 X R 19/80, BFHE 150, 459, BStBl II 1987, 746, und vom 9. September 1988 III R 191/84, BFHE 154, 430, BStBl II 1989, 9). Die Änderungsbescheide vom 8. April und vom 27. September 1991 sind teilweise vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO 1977 ergangen. In diesen Vorläufigkeitsvermerken kann eine (konkludente) Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nicht gesehen werden, da die vorläufige Steuerfestsetzung mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung verbunden werden kann (§ 165 Abs. 3 AO 1977).

III. Die streitigen Zinsen können nicht als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Der Begriff "negative Einnahmen" nimmt auf den final formulierten Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Rücksicht und geht auf das BFH-Urteil vom 13. Dezember 1963 VI 22/61 S (BFHE 78, 477, BStBl III 1964, 184) zurück. Negative Einnahmen hat die Rechtsprechung angenommen, wenn ein Steuerpflichtiger Einnahmen zurückzahlt, die er in einem früheren Veranlagungszeitraum zuviel erhalten und versteuert hat (vgl. BFHE 78, 477, BStBl III 1964, 184; vom 19. Dezember 1975 VI R 157/72, BFHE 118, 166, BStBl II 1976, 322, und vom 19. Januar 1977 I R 188/74, BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847). Es kann hier offenbleiben, ob am Institut der negativen Einnahmen weiterhin festzuhalten ist, nachdem der BFH in seiner neueren Rechtsprechung den Werbungskostenbegriff durch Betonung des Veranlassungsprinzips weitgehend dem der Betriebsausgaben angenähert hat (vgl. BFH-Beschluß vom 11. August 1987 IX B 41/86, BFH/NV 1988, 232; von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Anm. B 232 ff. m. w. N.). Im Streitfall kommt ein Abzug negativer Einnahmen schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin mit der Entrichtung anteiliger Verzugszinsen an die X-AG keine Einnahmen aus Kapitalvermögen zurückgezahlt hat. Das FG hat zutreffend ausgeführt, daß von einer "Zurückzahlung" nur gesprochen werden kann, wenn im Rahmen eines bestimmten Rechtsverhältnisses vereinnahmte Zahlungen aufgrund einer tatsächlichen oder rechtlichen Verpflichtung zurückzugewähren sind. Dabei kann hier offenbleiben, ob die Annahme negativer Einnahmen voraussetzt, daß diese dem ursprünglich Leistenden zurückerstattet werden. Jedenfalls handelt es sich bei den von der Klägerin an die X-AG geleisteten Zahlungen, soweit in ihnen anteilige Verzugszinsen enthalten sind, nicht um Beträge, die ihr in einem früheren Veranlagungszeitraum als Einnahmen aus Kapitalvermögen zugeflossen sind. Der Anspruch des Gläubigers auf Zahlung von Verzugs- oder Prozeßzinsen (§§ 288, 291 BGB) ist nicht davon abhängig, daß der Schuldner das zu verzinsende Kapital zur Erzielung von Einnahmen genutzt hat; er ist nicht auf die Herausgabe gezogener Nutzungen gerichtet. Vielmehr besteht die Verpflichtung zur Entrichtung von Verzugs- oder Prozeßzinsen nach §§ 288 Abs. 1, 291 BGB von Gesetzes wegen; sie beruht auf der Erwägung, daß dem Gläubiger einer Geldschuld eine Mindestentschädigung für die Vorenthaltung des Kapitals zu gewähren ist, wenn er im Prozeß obsiegt (vgl. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 291 Rz. 1).

Auch der von der X-AG mit der Klage in erster Linie geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsabschluß umfaßt nicht die Herausgabe gezogener Nutzungen. Der Ersatzanspruch erstreckt sich bei einem Sachverhalt, wie er hier zu beurteilen ist, nur auf den Betrag, um den die X-AG im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben ihrer Vertragspartner über den Wert des Unternehmens der H- GmbH die Geschäftsanteile zu teuer gekauft hat (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 25. Mai 1977 VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53, und vom 2. Juni 1980 VIII ZR 64/79, Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1980, 2408).

Die Kläger berufen sich in der Revisionsbegründung zu Unrecht auf das Urteil des erkennenden Senats vom 30. April 1991 VIII R 38/87 (BFHE 164, 357, BStBl II 1991, 574). In dem dort behandelten Fall hatte der Senat über die Zurechnung von Einnahmen aus Kapitalvermögen zu entscheiden, die deren Empfänger aufgrund eines durch gerichtlichen Vergleich bestätigten Bereicherungsanspruchs nach § 2287 BGB i. V. m. § 818 BGB an den Berechtigten (Vertragserben) herauszugeben hatte. Der Senat kam zu dem Ergebnis, daß nicht der ursprüngliche Empfänger der Zinseinnahmen, sondern der Gläubiger des Bereicherungsanspruchs die ihm zugeflossenen Zinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern habe. Die Grundsätze dieser Entscheidung sind auf den Streitfall schon deshalb nicht anwendbar, weil die Klägerin -- wie oben dargelegt -- die von ihr als Rechtsinhaberin bezogenen Kapitalerträge nicht an die X-AG herausgegeben hat.

Fehl geht auch der Hinweis der Kläger auf die neuere Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschlüsse vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897, und GrS 1/92, BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894) zu den steuerrechtlichen Folgen des nachträglichen Ausfalls einer Kaufpreisforderung. Die genannten Entscheidungen betreffen die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen i. S. des § 16 EStG. Mit der im vorliegenden Fall streitigen Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen Verzugs- oder Prozeßzinsen als Werbungskosten oder negative Einnahmen berücksichtigt werden können, hat sich der BFH in den Beschlüssen GrS 1/92 und GrS 2/92 nicht befaßt.

IV. Die Zinsaufwendungen der Klägerin sind auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar.

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach der Rechtsprechung liegen Werbungskosten -- über den unmittelbaren Wortlaut dieser Vorschrift hinaus -- immer dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein Veranlassungszusammenhang besteht (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2--3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2. m. w. N.). Dementsprechend sind Schuldzinsen, zu denen auch Prozeß- und Verzugszinsen gehören (vgl. BFH-Urteile vom 14. April 1992 VIII R 6/87, BFHE 169, 511, BStBl II 1993, 275 m. w. N.; vom 8. April 1986 VIII R 260/82, BFHE 146, 408, BStBl II 1986, 557, und vom 31. März 1987 IX R 53/83, BFH/NV 1987, 645), nur dann als Werbungskosten anzuerkennen, wenn sie -- wie § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG klarstellt -- mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen "auslösenden Moments" (BFH-Urteil vom 6. Februar 1987 III R 203/83, BFHE 149, 163, BStBl II 1987, 423; Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2. b, bb), zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre.

Schuldzinsen und andere Kreditkosten sind durch die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen veranlaßt, wenn sie für eine Schuld geleistet werden, deren Gegenwert die entgeltliche Überlassung von Kapital zur Nutzung ermöglicht oder fördert (BFH- Urteile vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37, und vom 14. November 1989 VIII R 270/84, BFH/NV 1990, 776, 778). Ein Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkünfteerzielung liegt insbesondere dann vor, wenn die Zinsen dem Erwerb der Kapitalanlage oder der Erhöhung oder Sicherung der Kapitalerträge dienen (BFH- Urteil vom 7. August 1990 VIII R 67/86, BFHE 162, 48, BStBl II 1991, 14). Im Streitfall standen die Verzugszinsen nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Anschaffung der Wertpapiere und Sparguthaben, aus denen die Klägerin Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt hat. Sie war im Zeitpunkt der Entstehung der Verpflichtung zur Entrichtung der Verzugszinsen bereits Inhaberin der Wertpapiere und Sparguthaben, die sie mit eigenen Mitteln erworben hatte. Insofern unterscheidet sich der Streitfall von dem Sachverhalt, über den der erkennende Senat in seinem Urteil vom 13. Juli 1993 VIII R 41/92 (BFHE 173, 22, BStBl II 1994, 228) zu entscheiden hatte. Im Urteilsfall VIII R 41/92 hatten die Parteien eines Zivilsrechtsstreits, die über die Zuordnung eines hinterlegten Geldbetrags stritten, in einem gerichtlichen Zwischenvergleich die vorläufige Auszahlung dieses Geldbetrages in einem bestimmten Verhältnis an beide Parteien vereinbart und zugleich bestimmt, daß -- je nach Ausgang des Rechtsstreits -- die zur Zahlung verpflichtete Partei den Zahlungsanspruch der anderen Partei ab Rechtshängigkeit mit 12,5 v. H. zu verzinsen hatte. Zweck des Zwischenvergleichs war es, beiden Parteien während der Dauer des Zivilrechtsstreits die Erzielung höherer Kapitaleinkünfte zu ermöglichen. Der erkennende Senat hat diese Regelung als wechselseitiges Vereinbarungsdarlehen angesehen und die nach Abschluß des Rechtsstreits vom Steuerpflichtigen entrichteten Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anerkannt. Ein solcher Veranlassungszusammenhang der streitigen Verzugszinsen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen kann auch nicht mit der Erwägung begründet werden, daß die Klägerin durch den Rechtsstreit ihre künftigen Einnahmen aus einem -- wenn auch reduzierten -- Kapitalvermögen erhalten wollte. Die entscheidende Ursache für den Zivilrechtsstreit und die Entstehung der streitigen Verzugszinsen ist darin zu sehen, daß die Klägerin und ihre Mitgesellschafter im Interesse der ungeschmälerten Erhaltung des Kaufpreises für die veräußerten Anteile an der H-GmbH das Risiko eines Rechtsstreits mit der X-AG eingegangen sind. Gegenstand dieses Rechtsstreits war ausschließlich die Frage, ob die Klägerin und ihre Mitgesellschafter wegen un zutreffender Angaben über den Wert des Unternehmens der H-GmbH einen Teil des ursprünglich vereinbarten Kaufpreises an die X-AG zurückzuerstatten hatten. Der Rechtsstreit betraf nur die private Vermögenssphäre der Klägerin und ihrer Mitgesellschafter. Auch die Zinsen, die die Klägerin an die X-AG für die Vorenthaltung eines Teils des Kaufpreises seit Rechtshängigkeit zu zahlen hatte, mußte sie aufwenden, um einen Schaden in der einkommensteuerrechtlich nicht relevanten Vermögenssphäre abzuwenden. Der Umstand, daß die Klägerin den ursprünglich erzielten Kaufpreis, der Gegenstand des Rechtsstreits war, für den Erwerb von Wertpapieren und Sparguthaben verwendet hat, die sie bei einem Unterliegen im Rechtsstreit möglicherweise veräußern mußte, begründet allenfalls einen ganz entfernten Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen. Ein derart loser Zusammenhang reicht für den Abzug als Werbungskosten nicht aus (vgl. BFH-Urteile vom 28. März 1984 I R 101/80, BFHE 141, 248, BStBl II 1984, 652; vom 5. März 1991 VIII R 6/88, BFHE 164, 319, 324, BStBl II 1991, 744, und vom 9. Februar 1993 VIII R 83/91, BFH/NV 1993, 644; von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 9 Anm. B 227; Wolff-Diepenbrock in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 9 EStG Rz. 78, 83).

Ein Veranlassungszusammenhang mit der Einkunftserzielung ist vielmehr grundsätzlich zu verneinen, wenn die Zugehörigkeit von der Einkunftserzielung dienenden Wirtschaftsgütern zum Vermögen des Steuerpflichtigen bedroht ist und die streitigen Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Prozeß zur Abwehr von Gefahren für das der Einkunftserzielung dienende Vermögen entstanden sind. In einem solchen Fall steht nicht die Absicht der Einkunftserzielung, sondern die Beeinträchtigung des Vermögens des Steuerpflichtigen im Vordergrund (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1993 IX R 25/89, BFHE 171, 445, BStBl II 1993, 751).

 

Fundstellen

Haufe-Index 65422

BFH/NV 1996, 304

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