Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine mittelbare Grundstücksschenkung beim Erwerb von Todes wegen

 

Leitsatz (NV)

Während bei einer Schenkung die Ver mögensmehrung des Bedachten in anderer Gestalt erscheinen kann als die Vermögensminderung des Schenkers, besteht beim Erwerb durch Erbanfall grundsätzlich Iden tität zwischen dem, was der Erblasser im Todeszeitpunkt hatte, und demjenigen, was auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (vgl. § 1922 BGB) übergeht. Erwirbt deshalb der Erbe nach Eintritt des Erbfalls unter Verwendung von Mitteln, die er geerbt hat, ein Grundstück, so kann dieses nicht Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen und somit Besteuerungsgegenstand sein, weil sich das Grundstück im Zeitpunkt des Erbfalls nicht im Vermögen des Erb lassers befunden hatte. Das gilt auch, soweit es einem gemeinsamen Plan von Erblasser und Erbe entsprach, das Grundstück zu erwerben.

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, §§ 11, 12 Abs. 2; BewG § 12 Abs. 1; BGB §§ 1922, 2169, 2170 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist alleinige Erbin ihres 1987 verstorbenen Vaters (V). Zum Nachlaß des V gehörte u. a. eine durch eine Grundschuld über 395 000 DM nebst 12 v. H. Zinsen p. a. gesicherte Forderung des V gegen die Klägerin in Höhe von 395 000 DM.

V hatte die Forderung einschließlich der Grundschuld im Oktober 1986 durch Abtretung von der C-Bank (C) erworben, nachdem er zuvor bei der C bestehende Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin in Höhe von 395 000 DM abgelöst hatte. Das Darlehen hatten die Klägerin sowie ihr bereits 1986 verstorbener Ehemann (E) zur Finanzierung des Erwerbs eines Grundstücks mit einem Einfamilienhaus zu je 1/2 Miteigentum bei der C aufgenommen. Die Eigentumsumschreibung auf die Klägerin sowie auf E war im Zeitpunkt des Todes des V noch nicht durchgeführt, der Auflassungsanspruch des (vorverstorbenen) E war von einem seiner Gläubiger gepfändet. Die Klägerin war nach dem Tode des E, dessen Nachlaß überschuldet war, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und nicht mehr in der Lage, Zinsen und Tilgung für das Kaufpreisdarlehen zu bezahlen. Mit dem Forderungserwerb wollte V der Klägerin, die mit ihren beiden Kindern in dem neuerrichteten Haus wohnte, den vollständigen Eigentumserwerb sichern und notfalls durch Verwertung der Grundschuld im Wege der Zwangsversteigerung das Grundstück für die Klägerin erwerben. Diesen Plan konnte V jedoch nicht mehr verwirklichen.

Nach dem Tode des V wurde die Klägerin aufgrund ihres Auflassungsanspruchs gegen den Grundstücksverkäufer Eigentümerin des Grundstücks zu 1/2 Miteigentum. Im Hinblick auf den gepfändeten Auflassungsanspruch des E betrieb sie aus der Grundschuld die Zwangsversteigerung des Grundstücks, welches ihr daraufhin zugeschlagen wurde.

Durch Bescheid vom 25. Oktober 1988 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) gegen die Klägerin wegen des Erbanfalls von V Erbschaftsteuer fest. Die im Nachlaß befindliche Forderung des V gegen die Klägerin berücksichtigte es mit 395 000 DM.

Der Einspruch der Klägerin, mit dem sie geltend machte, die durch die Grundschuld gesicherte Forderung sei bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer nur mit dem 1,4-fachen des Einheitswerts des Grundstücks anzusetzen, weil diese ausschließlich dazu gedient habe, ihr das Grundstück zukommen zu lassen, blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab dem Begehren der Klägerin statt. Zwar lehne der Bundesfinanzhof (BFH) die Übertragung der Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung auf den Erwerb von Todes wegen ab, die Besonderheiten des Streitfalls rechtfertigten jedoch ausnahmsweise deren Anwendung. Die von der Klägerin ererbte Grundschuld stelle nichts anderes als eine Verstärkung ihrer Anwartschaft auf den Erwerb des Grundstücks dar, denn das ererbte Recht habe sie sinnvoll nicht zur Erlangung einer Zahlung aus dem Grundstück, sondern nur zum Eigentumserwerb am Grundstück nutzen können. Sie habe durch den Erwerb der Grundschuld eine Rechtsposition erlangt, durch die sie die eigene Eintragung als Eigentümerin in das Grundbuch habe erreichen können. Dieses Ziel im Wege der Zwangsversteigerung des Grundstücks anzustreben, sei die einzig sinnvolle Lösung und auch von der Klägerin und V von Anfang an geplant gewesen. Schon aus wirtschaftlichen Überlegungen sei für die Klägerin keine andere Lösung bei der Verwertung der Grundschuld in Frage gekommen. Da die Klägerin erst durch den Erwerb der Grundschuld Eigentümerin des Grundstücks habe werden können, sei die Grundschuld bei der Erbschaftsauseinandersetzung nur mit dem erhöhten Einheitswert des Grundstücks anzusetzen; die Steuer betrage demnach nur ... DM.

Mit der -- vom FG zugelassenen -- Revision wendet sich das FA gegen die Rechtsauffassung des FG, die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung seien auch auf den Streitfall anzuwenden. Die Grundschuld habe der Klägerin keineswegs den Erwerb des Grundstücks garantiert. Vielmehr hätte auch ein Dritter im Zwangsversteigerungsverfahren mitbieten und den Zuschlag erhalten können.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Der Senat vermag der Rechtsauffassung des FG nicht zu folgen, die zum Nachlaß des V gehörende grundpfandrechtlich gesicherte Forderung über 395 000 DM sei bei der Besteuerung des Erwerbs der Klägerin von Todes wegen nicht mit ihrem Nennwert (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes -- BewG --), sondern in entsprechender Anwendung der vom Senat entwickelten Grundsätze zur mittelbaren Grundstücksschenkung nur mit dem um 40 v. H. erhöhten Einheitswert anzusetzen.

Abgesehen davon, daß die Voraussetzungen, unter denen der Senat eine mittelbare Grundstücksschenkung annimmt, im Streitfall nicht vorlägen, schließt es der Erwerb von Todes wegen grundsätzlich aus -- sieht man von dem Fall eines Verschaffungsvermächtnisses (§ 2169 Abs. 1, § 2170 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) ab --, daß der Erwerber -- anders als bei Schenkungen unter Lebenden -- etwas anderes erwirbt als der Erblasser hatte (vgl. § 1922 BGB). Beim Erwerb von Todes wegen durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes -- ErbStG -- 1974) wird der Erwerber, der Erbe, Inhaber des "Vermögens" des Erblassers. Er setzt die gesamte auf dieses Vermögen bezogene Rechts- und Pflichtenstellung des Erblassers fort, und zwar grundsätzlich mit demselben rechtlichen Inhalt und in demselben Entwicklungszustand, wie er beim Erbfall gegeben war (vgl. Senatsbeschluß vom 23. Januar 1991 II B 46/90, BFHE 163, 233, BStBl II 1991, 310). Während bei einer Schenkung die Vermögensmehrung des Bedachten in anderer Gestalt erscheinen kann als die Vermögensminderung des Schenkers (vgl. Senatsentscheidung vom 6. März 1985 II R 19/84, BFHE 143, 291, BStBl II 1985, 382), besteht beim Erwerb durch Erbanfall grundsätzlich Identität zwischen dem, was der Erblasser im Todeszeitpunkt hatte, und demjenigen, was auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (vgl. § 1922 BGB) übergeht.

Erwirbt der Erbe, wie im vorliegenden Fall, nach Eintritt des Erbfalls unter Verwendung von Mitteln, die er geerbt hat, ein Grundstück, so kann dieses nicht Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen und somit Besteuerungsgegenstand sein (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Satz 2, § 11, § 12 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974), weil sich das Grundstück im Zeitpunkt des Erbfalls nicht im Vermögen des Erblassers befunden hatte. Das gilt auch, soweit es einem gemeinsamen Plan von Erblasser und Erbe entsprach, das Grundstück zu erwerben.

Das auf einer anderen Rechtsauffassung beruhende Urteil des FG ist deshalb aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin wird durch die angefochtene Erbschaftsteuerfestsetzung nicht in ihren Rechten verletzt. Die Klage ist deshalb abzuweisen.

Das Erlöschen von Forderungen und Verbindlichkeiten im Erbgang durch das Zusammentreffen der Gläubiger- und Schuldnerstellung in der Person des Erben (Konfusion) führt zu einer erbschaftsteuerrechtlich zu berücksichtigenden Bereicherung des Erben, der durch den Erbanfall von seiner Verbindlichkeit befreit wurde (vgl. § 10 Abs. 3 ErbStG 1974). Die Bewertung dieser Bereicherung richtet sich gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG 1974 nach den Vorschriften des Ersten Teils des BewG. Diese sehen in § 12 Abs. 1 BewG den Ansatz von Kapitalforderungen und Schulden mit dem Nennwert vor, soweit nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen. Durch den Ansatz der mit dem Erbanfall zivilrechtlich untergegangenen Forderung mit dem Nennwert (395 000 DM) wird die Klägerin in ihren Rechten nicht verletzt, weil keine Gründe ersichtlich sind, die einen Ansatz unterhalb des Nennwerts rechtfertigen könnten. Insbesondere kann nicht von einer Unverzinslichkeit der Forderung ausgegangen werden, denn V hat die Forderung von der C als verzinsliche erworben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421629

BFH/NV 1997, 28

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