Leitsatz (amtlich)

Von der Hinzurechnung dauernder Lasten zum Gewinn (§ 8 Nr. 2 GewStG) ist abzusehen, wenn ein Anteil an einer Personengesellschaft kraft Erbrechts i. V. m. gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen unentgeltlich erworben wurde. Dementsprechend sind auch bei der Ermittlung des Gewerbekapitals (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG) keine Hinzurechnungen vorzunehmen.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Erbbauzinsen nach § 8 Nr. 2 GewStG dem Gewerbeertrag und die Erbbaulast nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG dem Gewerbekapital hinzuzurechnen sind.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, betreibt ihr Unternehmen auf einem fremden Grundstück. An dem Grundstück steht der Klägerin seit 1952 ein Erbbaurecht zu. Die hierfür von der Klägerin zu entrichtenden Erbbauzinsen betragen jährlich 1 705 DM.

Im Jahre 1960 verstarb der persönlich haftende Gesellschafter der Klägerin, der zu 25 v. H. an der Klägerin beteiligt war. Er wurde von seiner Ehefrau zu 1/4 und von seinen zwei Kindern zu je 3/8 beerbt. Auf Grund einer im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Regelung traten die Erben mit einer Beteiligungsquote von insgesamt 25 v. H. als Kommanditisten in das Unternehmen ein; der bisherige Kommanditist wurde persönlich haftender Gesellschafter.

Bei der Gewerbesteuerfestsetzung für das Streitjahr 1966 rechnete der Beklagte und Revisionskläger (FA) die Erbbauzinsen zu dem Teil, der dem von den Erben übernommenen Gesellschaftsanteil entsprach (25 v. H. von 1 705 DM = 426 DM), dem Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 2 GewStG wieder hinzu; ferner wurde die kapitalisierte Erbbaulast, die bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens abgezogen worden war, zu einem der Höhe des erworbenen Gesellschaftsanteils entsprechenden Teil (25 v. H. von 19 550 DM = 4 887 DM) bei der Ermittlung des Gewerbekapitals wieder hinzugerechnet (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG). Das FA vertrat die Auffassung, daß diese Hinzurechnungen geboten gewesen seien, da der Erbfall als Erwerbsvorgang i. S. des § 8 Nr. 2 GewStG anzusehen sei.

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin gemäß § 45 Abs. 1 FGO Klage. Sie ist der Auffassung, daß die Hinzurechnung zu Unrecht vorgenommen worden sei. Die Aufnahme der Erben des verstorbenen Komplementärs in das Unternehmen könne nicht als "Erwerb von Betreibsanteilen" i. S. des § 8 Nr. 2 GewStG angesehen werden.

Das FG gab der Klage statt. Nach seiner Auffassung handelt es sich zwar bei der Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses um eine dauernde Last i. S. des § 8 Nr. 2 GewStG. Die Erbbaulast hänge jedoch nicht - wie § 8 Nr. 2 GewStG vorschreibe - wirtschaftlich mit dem Erwerb von Anteilen am Betrieb zusammen. Ein solcher Zusammenhang sei nur gegeben, wenn die "dauernden Lasten ihre Ursache im Gründungs- oder Erwerbsvorgang als solchem haben" (Urteil des BFH vom 21. Oktober 1966 IV 293/64, BFHE 87, 421, BStBl III 1967, 185). Dies sei hier nicht der Fall. Denn die Erben des verstorbenen Komplementärs der Klägerin seien erst im Jahr 1960 als Kommanditisten in die Klägerin eingetreten. Die Erbbauzinsen seien dagegen schon im Jahre 1952 vereinbart worden. Die Verpflichtung habe also zur Zeit des Erwerbsvorgangs bereits bestanden.

Mit seiner durch Beschluß des Senats vom 7. Dezember 1971 IV B 23/70 zugelassenen Revision rügte das FA die Verletzung des § 8 Nr. 2 und des § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die Hinzurechnung eines Teils der Erbbauzinsen beim Gewerbeertrag (§ 8 Nr. 2 GewStG) und eines Teils des kapitalisierten Erbbauzinses beim Gewerbekapital (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG) im Streitfall nicht geboten ist.

1. Nach § 8 Nr. 2 GewStG werden nur Renten und dauernde Lasten, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb eines Betriebes oder eines Anteils am Betrieb zusammenhängen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.

a) Ob zu den "dauernden Lasten" i. S. dieser Vorschrift auch Erbbauzinsen gehören, wie der RFH (Urteil vom 10. Oktober 1939 I 38/39, RStBl 1940, 357) und der BFH (Urteile vom 12. Januar 1961 IV 301/58, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nrn. 2 bis 9, Rechtsspruch 30, und vom 24. Juli 1969 IV R 191/68 - nicht veröffentlich -) in ständiger Rechtsprechung entschieden haben, kann im Streitfall dahinstehen; denn es fehlt schon aus anderen Gründen an den Voraussetzungen des § 8 Nr. 2 GewStG.

b) Die von der Klägerin geleisteten Erbbauzinsen hängen nicht - wie das FA annimmt - "mit dem Erwerb eines Anteils am Betrieb" wirtschaftlich zusammen. Dies ergibt die Auslegung des § 8 Nr. 2 GewStG nach dem Zweck dieser Vorschrift.

Ebenso wie die übrigen Vorschriften des § 8 GewStG dient auch § 8 Nr. 2 GewStG dem Zweck, aus dem nach Einkommensteuerrecht ermittelten Gewinn den Gewerbeertrag zu errechnen. Hierbei sollen gewisse Abzüge, die bei der Ermittlung des Gewinns nach einkommensteuerrechtlichen Regeln statthaft sind, für die Ermittlung des Gewerbeertrags wieder rückgängig gemacht (hinzugerechnet) werden. Damit soll sichergestellt werden, daß für die Höhe der Gewerbesteuer nicht der auf ein bestimmtes Steuersubjekt bezogene Gewinn maßgebend ist, sondern der Ertrag, den der vom jeweiligen Rechtsträger losgelöste Gewerbebetrieb an sich abwirft (Beschluß des BVerfG vom 13. Mai 1969 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1 [9], BStBl II 1969, 424; BFH-Urteil vom 18. Juli 1973 I R 250/70, BFHE 110, 53, BStBl II 1973, 787).

Bei der Gründung oder dem Erwerb eines Betriebs (oder Betriebsanteils) werden vielfach Verbindlichkeiten eingegangen oder übernommen, die lediglich den auf die Person des Gründers oder Erwerbers bezogenen Gewinn, nicht aber den Gewerbeertrag beeinflussen dürfen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Erwerber eines Betriebs (oder Betriebsanteils) gegenüber dem Veräußerer eine Rentenverpflichtung eingeht oder Verpflichtungen dieser Art, die bereits gegenüber Dritten bestehen, unter Anrechnung auf den Erwerbspreis übernimmt. Die in diesen Fällen übernommenen Verpflichtungen und Lasten treffen den Erwerber, weil sie zum Entgelt für die Überlassung des Gewerbebetriebs gehören. Da der von der Gewerbeertragsteuer zu erfassende betriebliche Ertrag durch diese Lasten nicht gemindert werden darf, müssen Beträge, die auf solche Lasten entfallen, gemäß § 8 Nr. 2 GewStG bei der Berechnung des Gewerbeertrags wieder hinzugerechnet werden, sofern sie bei der Ermittlung des einkommensteuerrechtlichen Gewinns abgezogen worden sind (BFH-Urteil I R 250/70; Lenski/Steinberg/Stäuber, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 4. Aufl., Anm. 2 a zu § 8 Nr. 2).

Anders liegt es jedoch dann, wenn es sich um einen unentgeltlichen Erwerb handelt. Denn beim unentgeltlichen Erwerb wird der Betrieb (oder Anteil am Betrieb) ohne Einsatz fremder Mittel erworben (BFH-Urteil I R 250/70). Eine durch den Erwerbsvorgang bedingte Minderung des Gewinns besteht in diesen Fällen somit nicht. Damit entfällt auch der gesetzgeberische Grund für eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 2 GewStG. Der Senat hat sich zwar in seinem Urteil IV 293/64 dahin geäußert, daß die Anwendung der Hinzurechnungsvorschriften des § 8 Nr. 2 GewStG nicht davon abhänge, ob ein Betrieb (Anteil am Betrieb) entgeltlich oder unentgeltlich erworben werde (vgl. auch den hieran anschließenden Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29. September 1971 - G 1422-21-VB 4, Steuererlasse in Karteiform, Gewerbesteuergesetz, Nr. 7 zu § 8 Nr. 2, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe B - Eildienst - 1971 S. 411, und die Gewerbesteuer-Richtlinien 1974 Abschn. 52 Abs. 1 Sätze 5 und 6). An dieser Auffassung wird jedoch auf Grund der obigen Erwägungen nicht mehr festgehalten.

Es kann dahinstehen, wann im einzelnen ein unentgeltlicher Erwerb vorliegt. Jedenfalls ist ein unentgeltlicher Erwerb dann gegeben, wenn die Erben des verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafters einer KG dessen in Kommanditanteile umgewandelten Gesellschaftsanteil kraft Erbrechts i. V. m. gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen ohne Gegenleistung erwerben. Das bedeutet für den Streitfall, daß der auf die Erben des früheren Komplementärs entfallende Teil der Erbbauzinsen nicht nach § 8 Nr. 2 GewStG hinzuzurechnen ist.

2. Entsprechendes gilt auch bei der Ermittlung des Gewerbekapitals. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG sind dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes nur diejenigen Verbindlichkeiten, die den Renten und dauernden Lasten i. S. des § 8 Nr. 2 GewStG entsprechen, hinzuzurechnen. Hängen die bezeichneten Lasten nicht mit dem entgeltlichen Erwerb des Betriebes (oder Betriebsanteils) wirtschaftlich zusammen, so kommt auch eine Hinzurechnung der Last beim Ansatz des Gewerbekapitals nicht in Betracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71911

BStBl II 1976, 576

BFHE 1977, 174

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