Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung der steuerfreien Zugewinnausgleichsforderung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist zur Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung (§ 5 Abs.1 Satz 1 ErbStG 1974) nach zivilrechtlichen Grundsätzen das zum Nachlaß gehörende Endvermögen des Erblassers mit höheren Werten angesetzt als bei der nach steuerlichen Vorschriften erfolgenden Bewertung des Nachlasses, so ist zur Ermittlung des Abzugsbetrags die Ausgleichsforderung entsprechend dem Verhältnis des Steuerwerts des zum Nachlaß gehörenden Endvermögens zu dessen höherem Wert zu kürzen. Gegenstände des Endvermögens, die von der Erbschaftsteuer befreit sind, sind dabei in die Berechnung miteinzubeziehen.

 

Orientierungssatz

Die durch § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 normierte Begrenzung der nicht der Steuer unterliegenden Ausgleichsforderung (§ 1371 Abs. 2 BGB) entsprechend dem Verhältnis des Nachlasses zu dessen nach anderen Bewertungsmaßstäben berechneten Wert verstößt nicht gegen Art. 3 GG.

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 5 Abs. 1 S. 1, § 12; BGB §§ 1371ff, 1371 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Am 17.September 1988 verstarb der Ehemann der Klägerin. Die Klägerin wurde seine Alleinerbin. Die Eheleute hatten 1947 geheiratet und im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Den Steuerwert der der deutschen Erbschaftsteuer unterliegenden Nachlaßgegenstände errechnete das Finanzamt (FA) mit 832 879 DM. Der Nachlaß bestand im wesentlichen aus Wertpapieren und Bankguthaben in Höhe von 572 191 DM sowie aus Miteigentumsanteilen an Grundstücken, die der Erblasser jeweils zusammen mit der Klägerin als Miteigentümer zur Hälfte erworben hatte. Der auf den Erblasser und damit auf den Nachlaß entfallende (hälftige) mit 140 v.H. indizierte Einheitswert der inländischen Grundstücke wurde vom FA mit 109 620 DM berechnet. Diese Grundstücke hatten --zuzüglich eines Grundstücks in Österreich, das nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)-Österreich, von der deutschen Erbschaftsteuer befreit war-- einen Verkehrswert von insgesamt 1 110 000 DM.

Das FA setzte gegen die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 22 106 DM fest.

Bei der Berechnung der Erbschaftsteuer zog das FA vom Nachlaß den Betrag ab, den die Klägerin im Falle des § 1371 Abs.2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als Ausgleichsforderung hätte geltend machen können. Die Ausgleichsforderung berechnete das FA wie folgt: Zur Ermittlung des Endvermögens des Erblassers rechnete es dem errechneten Steuerwert den halben Verkehrswert der Grundstücke von (555 000 DM abzüglich indizierten Einheitswert von 109 620 DM) 445 380 DM hinzu, wodurch sich ein Betrag von 1 278 259 DM ergab. Als Endvermögen der Ehefrau --der Klägerin-- nahm es den halben Verkehrswert der Grundstücke in Höhe von 555 000 DM an. Aus der halben Differenz zwischen beiden Beträgen ergab sich als Ausgleichsforderung 361 629 DM. Diesen Betrag multiplizierte das FA mit dem Betrag von 832 879 DM und dividierte ihn durch den Verkehrswert des Endvermögens des Erblassers (1 278 259 DM). Dies ergab einen Betrag von 235 627 DM, den das FA vom Nachlaß abzog.

Mit der hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, daß die steuerfreie Ausgleichsforderung 328 988 DM betrage. Die Ausgleichsforderung sei entgegen der Auffassung des FA bezüglich der im Endvermögen der beiden Ehegatten befindlichen Grundstücke mit dem Steuerwert und nicht mit dem Verkehrswert zu berechnen. Die vom FA vorgenommene Verhältnisrechnung (Kürzung der Ausgleichsforderung nach dem Verhältnis des Steuerwerts zum Verkehrswert des Endvermögens des Erblassers) finde im Gesetz keine Stütze. Im übrigen hätten die Eheleute selbst zur Ermittlung der Zugewinnausgleichsforderung die Einheitswerte der Grundstücke angesetzt. Dem sei auch steuerlich zu folgen. Die Unrichtigkeit der Rechtsauffassung des FA ergebe sich auch daraus, daß sich eine niedrigere Erbschaftsteuer dann ergeben würde, wenn die Eheleute das Grundvermögen während der Zugewinngemeinschaft nicht gemeinsam erworben hätten, sondern dieses allein der Ehemann (Erblasser) angeschafft hätte.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es verstehe die Regelung des § 5 Abs.1 Satz 2 des Erbschaftsteuergesetzes 1974 (ErbStG 1974) nach Wortlaut und Sinn dahin, daß die steuerfreie Ausgleichsforderung nach dem Verhältnis der Steuerwerte zu den Verkehrswerten der Nachlaßgegenstände zu bestimmen sei. Es widerspreche der steuerlichen Gerechtigkeit, würden auf der einen Seite bei Ermittlung des Erwerbs die niedrigeren Einheitswerte angesetzt, auf der anderen Seite aber bei Berechnung des steuerfreien Teils des Erwerbs die Verkehrswerte in voller Höhe zugrunde gelegt.

Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Klägerin sinngemäß unrichtige Anwendung des § 5 Abs.1 Satz 2 ErbStG 1974. Sie beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Erbschaftsteuerbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung in der Weise zu ändern, daß die Erbschaftsteuer auf 13 344 DM festgesetzt wird. Zur Begründung trägt sie u.a. vor, daß auch verfassungsrechtliche Grundsätze, insbesondere Art.3 des Grundgesetzes (GG) in die Betrachtung miteinzubeziehen seien. Es würde sowohl gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als auch gegen Art.3 GG verstoßen, wenn § 5 ErbStG 1974 so ausgelegt werden würde, daß bei höherem geerbten Nachlaßvermögen die Erbschaftsteuerschuld niedriger anzusetzen sei als bei geringerem Wert.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur (geringfügigen) Herabsetzung der Erbschaftsteuer, im übrigen aber zur Abweisung der Klage.

Zu Unrecht hat das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids in vollem Umfang bejaht. Die fiktive (Zugewinn-)Ausgleichsforderung konnte vom FA zwar nach § 5 Abs.1 Satz 2 ErbStG 1974 entsprechend dem Verhältnis von Steuerwert zu Verkehrswert des zum Nachlaß gehörenden Endvermögens des Erblassers gekürzt werden; beim Steuerwert des Endvermögens war dabei jedoch auch der Anteil an dem Grundstück in Österreich zu berücksichtigen.

1. Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 Abs.2 BGB ausgeglichen, so gilt beim überlebenden Ehegatten nach § 5 Abs.1 Satz 1 ErbStG 1974 der Betrag, den er im Falle des § 1371 Abs.2 BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als Erwerb i.S. des § 3 ErbStG 1974. Obwohl in diesem Fall dem überlebenden Ehegatten zivilrechtlich gerade keine Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB zusteht, wird eine solche für die Erbschaftsteuer fiktiv errechnet und vom Erwerb abgezogen. Damit wird eine Angleichung der erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung von erbrechtlicher und güterrechtlicher Lösung bei Beendigung der Zugewinngemeinschaft erreicht. Erfolgt der Ausgleich nach Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch die güterrechtliche Lösung (§ 1371 Abs.2, §§ 1372 ff. BGB), so unterliegt die Ausgleichsforderung eines Ehegatten ohnehin nicht der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer, wie § 5 Abs.2 ErbStG 1974 klarstellend regelt. Die Regelung des § 5 Abs.1 Satz 1 ErbStG 1974 bewirkt zumindest grundsätzlich und bei pauschaler Betrachtungsweise, daß der Erwerb des überlebenden Ehegatten einerseits zu dem Anteil nicht mit Erbschaftsteuer belastet wird, der ihm (auch) bei einer güterrechtlichen Lösung zugestanden hätte, andererseits aber der diesen übersteigende Anteil der normalen Besteuerung unterworfen wird.

a) Zur Berechnung des von den Ehegatten jeweils erzielten Zugewinns (§ 1373 BGB) und damit der Ausgleichsforderung (§ 1378 Abs.1 BGB) werden die Rechengrößen Anfangs- und Endvermögen (§§ 1374, 1375 BGB) zu den maßgebenden Zeitpunkten (§ 1376 Abs.1 bis 3 BGB) --sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt (vgl. z.B. § 1376 Abs.4 BGB) bzw. güterrechtsvertraglich nichts anderes vereinbart ist-- mit dem "vollen wirklichen Wert" der einzelnen Vermögensgegenstände eingesetzt (vgl. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch --MünchKomm--, § 1376 Rdnr.8). Die Ermittlung der Ausgleichsforderung basiert damit auf anderen Bewertungsregeln, als sie für die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nach dem ErbStG vorgeschrieben sind (vgl. § 12 ErbStG 1974). Die erbschaftsteuerrechtlichen Bewertungsvorschriften können --wie dies beispielsweise für inländischen Grundbesitz wegen der Anknüpfung an die Einheitswerte offenbar ist-- zu Steuerwerten führen, die niedriger sind als die in die Berechnung der Ausgleichsforderung eingehenden Werte des Endvermögens. Dies hätte zur Folge, daß beim Abzug der fiktiven Ausgleichsforderung von der Wertermittlung her unvergleichbare Rechen- bzw. Wertgrößen miteinander in Beziehung gesetzt würden. Dies soll die Regelung des § 5 Abs.1 Satz 2 ErbStG 1974 erkennbar verhindern, indem sie die Begünstigungswirkung der Berücksichtigung der nach bürgerlichem Recht berechneten fiktiven Ausgleichsforderung (§ 5 Abs.1 Satz 1 ErbStG 1974) durch Angleichung an den Steuerwert des Nachlasses beschränkt.

b) Nach § 5 Abs.1 Satz 2 ErbStG 1974 gilt, soweit der Nachlaß des Erblassers bei der Ermittlung des als Ausgleichsforderung steuerfreien Betrages mit einem höheren Wert als dem sich aus den steuerlichen Bewertungsgrundsätzen maßgebenden Wert angesetzt worden ist, höchstens der dem Steuerwert des Nachlasses entsprechende Betrag nicht als Erwerb i.S. des § 3 ErbStG 1974. Wenngleich der Wortlaut der Vorschrift nicht in jeder Beziehung eindeutige Formulierungen enthält, läßt sich doch ihr Inhalt --ausgehend vom Regelungsziel-- durch Auslegung ermitteln. Dabei ist dem spezifisch erbschaftsteuerrechtlichen Charakter des § 5 Abs.1 ErbStG 1974 Rechnung zu tragen.

Ausgangsgröße für die Angleichung des als fiktive Ausgleichsforderung steuerfreien Betrags ist der Gesamtwert des Nachlasses als diejenige Rechengröße, die erbschaftsteuerrechtlich (ohne Berücksichtigung von Steuerbefreiungen und Freibeträgen) von Bedeutung ist und die im Falle eines vom verstorbenen Ehegatten erzielten Zugewinns (zumindest im Regelfall) auch seinem Endvermögen entspricht. Wenn dabei unberücksichtigt bleibt, daß es sich beim Endvermögen des verstorbenen Ehegatten für die Berechnung des fiktiven Ausgleichsanspruchs nur um einen der Posten handelt, die in diese eingehen, so ist das im Hinblick auf den Charakter der Gesamtregelung als einer rein erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigung unerheblich. Nach dem erkennbaren Ziel der in § 5 Abs.1 Satz 2 ErbStG 1974 angeordneten Begrenzung des steuerfreien Betrags sind der Steuerwert des Nachlasses und der diesem nach außersteuerlichen Bewertungsmaßstäben zuzumessende Wert zueinander ins Verhältnis zu setzten, um diesem Verhältnis entsprechend die erbschaftsteuerrechtlich steuerfrei bleibende Ausgleichsforderung zu bestimmen. Der als Ausgleichsforderung steuerfreie Betrag steht folglich zu der (nach zivilrechtlichen Grundsätzen errechneten) Ausgleichsforderung in demselben Verhältnis wie der Steuerwert des regelmäßig das Endvermögen repräsentierenden Nachlasses zu dessen nach anderen Bewertungsgrundsätzen bestimmten Wert.

Dies entspricht im Grundsatz der vom FG bestätigten Berechnung des FA.

c) Da § 5 Abs.1 Satz 2 ErbStG 1974 an den Steuerwert des Nachlasses anknüpft, sind bei dessen Ermittlung zur Findung des steuerfrei bleibenden Betrags im Wege der Verhältnisrechnung alle Nachlaßgegenstände einzubeziehen, gleichgültig ob und aus welchem Grund ihr Erwerb erbschaftsteuerfrei wäre. Der Wert des Miteigentumsanteils an dem in Österreich belegenen Grundstück (§ 12 Abs.6 ErbStG 1974 i.V.m. § 31 des Bewertungsgesetzes --BewG--) hat dementsprechend in den Steuerwert des Nachlasses im Zuge der Verhältnisrechnung einbezogen werden müssen. Das ist in dem vom FG bestätigten angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid unterblieben.

d) Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung, § 5 Abs.1 Satz 2 ErbStG 1974 sei dahin zu verstehen, daß der steuerfreie Betrag der fiktiven Ausgleichsforderung lediglich auf den Steuerwert des Nachlasses begrenzt sei (vgl. Meincke, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 9.Aufl., § 5 Rdnr.46; Kapp, Das Erbschaftsteuergesetz, 10.Aufl. Rz.30 zu § 5, m.w.N.). Diese Auslegung ist mit dem Inhalt der Vorschrift nicht vereinbar. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er in Anbindung an § 1378 Abs.2 BGB den steuerfreien Betrag durch die Höhe des Steuerwerts des Nachlasses begrenzt, nicht aber auf einen dem Steuerwert des Nachlasses "entsprechenden Betrag".

2. Einzuräumen ist der Revision, daß im Streitfall eine geringere Erbschaftsteuer entstanden wäre, wenn allein der verstorbene Ehemann der Klägerin einen Zugewinn erzielt hätte. Da § 5 Abs.1 Satz 1 ErbStG 1974 jedoch im Wege der Fiktion an die Ausgleichsforderung anknüpft, die bei der güterrechtlichen Lösung entstanden wäre, geht dieses Vorbringen ins Leere. Denn der Zugewinnausgleichsanspruch (§ 1378 BGB) bezieht sich --soweit er nicht bürgerlich-rechtlich in zulässiger Weise durch formgerechten (vgl. § 1410 BGB) Ehevertrag (§ 1408 BGB) modifiziert wurde-- allein auf den Vergleich des jeweiligen Zugewinns, also des Betrages, um den das Endvermögen jedes der Ehegatten dessen Anfangsvermögen übersteigt. Bei der Ermittlung dieser Rechengrößen hebt das Zivilrecht nicht darauf ab, ob im Wert des Endvermögens beider Ehegatten gemeinsam (d.h. hälftig) erworbene Gegenstände sich niederschlagen. Erst bei der Begrenzung des steuerfreien Betrags nach § 5 Abs.1 Satz 2 ErbStG 1974 kann sich die Zusammensetzung des Nachlasses auswirken. Die durch diese Vorschrift normierte Begrenzung der nicht der Steuer unterliegenden Ausgleichsforderung entsprechend dem Verhältnis des Steuerwerts des Nachlasses zu dessen nach anderen Bewertungsmaßstäben berechneten Wert (vgl. oben unter 1. b) ist jedenfalls nicht willkürlich, weil dem erbschaftsteuerrechtlichen Bewertungssystem angepaßt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art.3 GG) liegt nicht vor.

3. Die von anderen Grundsätzen ausgehende Entscheidung des FG ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

Bei der vom FA vorgenommenen Berechnung des Abzugsbetrags ist der angenommene Steuerwert des Endvermögens um 30 000 DM (Wert des Miteigentums an dem Grundstück in Österreich) zu ergänzen.

Dies ergibt folgende neue Berechnung des Abzugsbetrags:

361 629 DM x 862 879 : 1 278 259 = 244 114 DM.

Das führt zu einem steuerpflichtigen Erwerb von 307 332 DM und bei einem Steuersatz von 7 v.H. zu einer Steuer von 21 513 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64851

BFH/NV 1993, 48

BStBl II 1993, 510

BFHE 171, 321

BFHE 1994, 321

BB 1993, 1422

BB 1993, 1422-1423 (LT)

DB 1993, 1757-1758 (LT)

DStR 1993, 987 (KT)

DStZ 1993, 503 (KT)

HFR 1993, 523 (LT)

StE 1993, 341 (K)

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