Leitsatz (amtlich)

1. Zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an GmbH-Anteilen.

2. Werden bei der Veräußerung von Anteilen an einer GmbH bei wesentlicher Beteiligung auch Anteile veräußert, die im Veranlagungszeitraum der Veräußerung oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so ist die Steuerermäßigung gemäß § 35 EStG wegen Belastung mit Erbschaftsteuer auf die Einkommensteuer zu gewähren, die anteilig auf die mit Erbschaftsteuer belasteten Anteile entfällt.

 

Orientierungssatz

1. GmbH-Anteile sind dem Käufer trotz einer aufschiebend bedingten Befristung im Kaufvertrag als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen, wenn er aufgrund des Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und auch die mit den Anteilen verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (vgl. BFH-Urteil vom 30.5.1984 I R 146/81; Literatur).

2. Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft entsteht bei wesentlicher Beteiligung in dem Zeitpunkt, in dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht (Festhaltung an den BFH-Urteilen vom 30.6.1983 IV R 113/81 und vom 2.10.1984 VIII R 20/84).

3. Bei der Prüfung, ob der Verfahrensmangel "Verletzung der gerichtlichen Ermittlungspflicht" vorliegt, ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen (vgl. BFH-Urteil vom 7.7.1976 I R 218/74).

 

Normenkette

AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 76; BGB § 163; EStG § 17; GmbHG § 15 Abs. 3; EStG §§ 35, 37; BGB §§ 158, 160-161

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 20.09.1985; Aktenzeichen XIII-VII 3891/82 E)

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger hielt 66,98 v.H. der Anteile am Stammkapital der H-GmbH. Diese Anteile verkaufte der Kläger mit notariellem Vertrag vom 29.Oktober 1981 zum überwiegenden Anteil an die D-GmbH, im übrigen an die S-GmbH.

In den notariellen Verträgen vom 29.Oktober 1981 wurden die Anteile an der H-GmbH verkauft und übertragen, und zwar einschließlich des Ergebnisbezugsrechts vom 1.Januar 1981 an. Dazu heißt es in den Verträgen, daß die verkauften Geschäftsanteile mit dinglicher Wirkung mit Ablauf des 31.Dezember 1981 auf die D-GmbH bzw. die S-GmbH übergehen. Für den Fall, daß bis zum 28.Dezember 1981 ein Gesetz der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) verkündet werden sollte, nach dem die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile ganz oder teilweise nicht mehr der ermäßigten Besteuerung nach §§ 17, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterliegen würden, sollten die Anteile bereits mit Ablauf des 28.Dezember 1981 übergehen. Für diesen Fall verpflichteten sich die Veräußerer, den Erwerberinnen die sich hieraus ergebende Vermögensteuerbelastung und die hierauf entfallende Ertragsteuerbelastung zu ersetzen. Die Verkäufer übernahmen die Garantie dafür, daß bis spätestens zum 21.Dezember 1981 ein wirksamer Gesellschafterbeschluß der H-GmbH gefaßt war, mit dem der Übertragung der Anteile mit einer Mehrheit von 3/4 der Stimmrechte zugestimmt werde; ein solcher Beschluß wurde rechtzeitig gefaßt. Die Verkäufer verpflichteten sich ferner, bis zum 31.Dezember 1981 keine anderen als die in den Veräußerungsverträgen vorgesehenen Gesellschafterbeschlüsse mehr zu fassen und für den Fall, daß die Anteile bis zum 31.Dezember 1981 noch nicht übergegangen sein sollten, das Stimmrecht nur noch im ausdrücklichen Benehmen mit den Erwerberinnen auszuüben. Der Kläger verpflichtete sich außerdem, sein Amt als Leiter der Geschäftsführung der H-GmbH unter Beendigung seines Anstellungsvertrags niederzulegen. Die Niederlegung sollte spätestens zum 30.Dezember 1981 erfolgen, wenn bis dahin die Voraussetzungen für den dinglichen Übergang der verkauften Geschäftsanteile auf die D-GmbH mit Wirkung vom Ablauf des 31.Dezember 1981 geklärt waren. Der Kaufpreis abzüglich eines Gewährleistungseinbehalts in Höhe von 2 v.H. war eine Woche nach Zugang einer schriftlichen und auflagefreien Verfügung des Bundeskartellamts bei der D-GmbH, durch welche verbindlich mitgeteilt wird, daß der Zusammenschluß nicht untersagt werde, fällig, frühestens jedoch am 2.Januar 1982. Diese Erklärung wurde vom Bundeskartellamt noch im Jahre 1981 abgegeben. In Abschn.VII des Vertrags mit der D-GmbH übernahmen die Veräußerer umfangreiche Gewährleistungsverpflichtungen. Insbesondere leisteten sie Gewähr dafür, daß vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bis zum Zeitpunkt des Übergangs der Anteile keine Entnahmen oder Ausschüttungen aus der H-GmbH mehr erfolgten und, abgesehen von Veräußerungen im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebs, auch keine Veräußerungen mehr erfolgten. Der Vertrag mit der S-GmbH enthielt vergleichbare Regelungen. Auch in diesem Vertrag gewährleistete der Kläger, daß der Jahresabschluß zum 31.Dezember 1980 die Vermögens- und Ertragslage der H-GmbH vollständig und richtig wiedergab.

Der Kläger hatte einen Teil der von ihm veräußerten Anteile im Jahre 1975 von seinem Vater geerbt. Bis zum Tode der Mutter des Klägers am 13.April 1978 waren diese Anteile, die einen Nennwert von 8 Mio DM hatten, mit einem Nießbrauch zugunsten der Mutter belastet. Die Besteuerung des Erwerbs vom Vater wurde mit Rücksicht auf den Nießbrauch gemäß § 25 Abs.1 Buchst.a des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in der damals geltenden Fassung zunächst ausgesetzt. Nach dem Wegfall des Nießbrauchs erging gegen den Kläger ein Erbschaftsteuerbescheid. In diesem Bescheid wurde die Erbschaftsteuer auf 4 053 210 DM festgesetzt. In dem steuerpflichtigen Erwerb von (nach Abzug eines Freibetrags von 90 000 DM) 19 301 000 DM waren die Anteile an der H-GmbH mit 18 216 000 DM, das sind 227,7 v.H. des Nennwerts enthalten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging, nachdem er von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt hatte, davon aus, der Kläger habe im Streitjahr einen nach § 17 EStG steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn erzielt. Mit Bescheid vom 8.Februar 1982 setzte das FA daraufhin die Einkommensteuervorauszahlung zum 10.Dezember 1981 unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns von 53 942 709 DM und eines Ermäßigungsbetrags nach § 35 EStG in Höhe von 993 412 DM neu fest. Bei der Ermittlung des Ermäßigungsbetrags nach § 35 EStG berücksichtigte das FA den bei der Erbschaftsteuer angesetzten Anteilswert von 18 216 000 DM. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung ermittelte das FA, nachdem es zuvor auf die beabsichtigte Verböserung hingewiesen hatte, die Vorauszahlung zum 10.Dezember 1981 nunmehr unter Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns von 54 217 709 DM und eines Ermäßigungsbetrags von 982 219 DM.

Die Klage, mit der die Kläger nach Erlaß des Einkommensteuerbescheids für 1981 im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs.1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vorauszahlungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung begehrten, blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) teilte die Auffassung des FA, daß der Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG im Jahre 1981 entstanden sei und bei der Ermittlung des Ermäßigungsbetrags nach § 35 EStG nur der Teil des Erwerbs berücksichtigt werden dürfe, der in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer eingegangen sei.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Auslegung des § 35 EStG) gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 FGO zugelassenen Revision machen die Kläger weiterhin geltend, der Veräußerungsgewinn sei erst 1982 entstanden und der Ermäßigungsbetrag nach § 35 EStG müsse in der Weise ermittelt werden, daß der nach der Vorschrift sich ergebende Hundertsatz auf die sich aus dem gesamten Veräußerungsgewinn ergebende Einkommensteuer angewandt werde.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, festzustellen, daß der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung in der Weise rechtswidrig sei, als für das 4.Quartal 1981 ein Veräußerungsgewinn von 54 217 709 DM zugrunde gelegt worden sei, hilfsweise, festzustellen, daß die Ermäßigung nach § 35 EStG unter Zugrundelegung des vollen Veräußerungsgewinns, soweit er auf die Veräußerung von Anteilen im Nennwert von 8 Mio DM entfalle, zu bemessen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der GmbH im Streitjahr 1981 entstanden und dementsprechend auch, wie geschehen, die Vorauszahlungen für das Streitjahr gemäß § 37 EStG und dem sich hiernach voraussichtlich ergebenden zu versteuernden Einkommen zu bemessen waren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), an der der Senat festhält, entsteht der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft bei wesentlicher Beteiligung in dem Zeitpunkt, in dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht (vgl. z.B. Urteile vom 30.Juni 1983 IV R 113/81, BFHE 138, 569, BStBl II 1983, 640, und vom 2.Oktober 1984 VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428).

2. Im Streitfall ist das wirtschaftliche Eigentum am 29.Oktober 1981 übergegangen.

a) Nach § 39 Abs.2 Nr.1 der Abgabenordnung (AO 1977) sind Wirtschaftsgüter dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen, wenn wirtschaftliches und rechtliches Eigentum auseinanderfallen. Wirtschaftlicher Eigentümer eines Wirtschaftsguts ist, wer die tatsächliche Sachherrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, daß er den bürgerlich-rechtlichen Eigentümer im Regelfall auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Unter dieser Voraussetzung können auch Rechte, also auch Anteile an Kapitalgesellschaften, Gegenstand des wirtschaftlichen Eigentums in der Weise sein, daß die Anteile nicht dem bürgerlich-rechtlichen, sondern dem wirtschaftlichen Rechtsinhaber zuzurechnen sind. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts der Käufer eines Anteils bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und auch die mit den Anteilen verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (vgl. BFH-Urteil vom 30.Mai 1984 I R 146/81, BFHE 141, 509, 513, BStBl II 1984, 825; Döllerer, Betriebs-Berater --BB-- 1971, 535).

TEXTb) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ist das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen mit Abschluß des notariellen Vertrags am 29.Oktober 1981 auf die Erwerberinnen übergegangen. Das FG hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, daß der Kläger nach Abschluß des Vertrags nicht mehr in der Lage war, ohne Zustimmung der Erwerberinnen anderweitig über die Anteile zu verfügen. Gemäß § 15 Abs.3 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG) bedarf es zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter eines in notarieller Form abgeschlossenen Vertrags. Der Rechtsübergang, d.h. der Wechsel in der Rechtsinhaberschaft, vollzieht sich mit dem formgerechten Abschluß des dinglichen Abtretungsvertrags (Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, § 15 Anm.81). Im Streitfall war die Verfügung allerdings mit einer Befristung versehen, derzufolge die Anteile bürgerlich-rechtlich nicht schon mit Abschluß des Übertragungsvertrags, sondern erst mit Ablauf des 31.Dezember 1981 übergehen sollten. In der Zwischenzeit konnte der Kläger indessen Dritten die Inhaberschaft an den Anteilen nicht mehr verschaffen. Nach § 163 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) finden in Fällen, in denen, wie im Streitfall, für die Wirkung eines Rechtsgeschäfts ein Anfangstermin bestimmt worden ist, die für die aufschiebende Bedingung geltenden Vorschriften der §§ 158, 160 und 161 BGB entsprechende Anwendung. Aus der entsprechenden Anwendung des § 161 Abs.1 BGB ergibt sich, daß mit dem Ablauf des 31.Dezember 1981 jede Verfügung des Klägers über die Anteile in der Zeit ab dem Vertragsabschluß unwirksam gewesen wäre, d.h. den Erwerb der Anteile durch die D-GmbH und die S-GmbH nicht hätte verhindern können. Zwar finden bei Verfügungen vor dem Eintritt des Anfangstermins die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, entsprechende Anwendung. Ein gutgläubiger Erwerb von Anteilen an einer GmbH vom Nichtberechtigten bzw. demjenigen, der über die Anteile bereits aufschiebend bedingt oder befristet verfügt hat, ist jedoch nicht vorgesehen (vgl. Scholz, a.a.O.; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 47.Aufl., 1988, § 161 Anm.2). Daraus folgt, daß die D-GmbH und die S-GmbH mit Abschluß der Verträge vom 29.Oktober 1981 unentziehbare gesicherte Rechtspositionen auf Erwerb der GmbH- Anteile erlangt hatten. Mit dem Abschluß des Vertrags vom 29.Oktober 1981 war auch das Recht auf den Jahresgewinn 1981 übergegangen. Unerheblich ist, daß der Kläger und die anderen veräußernden Gesellschafter der H-GmbH bis zum Ablauf des 31.Dezember 1981 noch Gesellschafterbeschlüsse fassen konnten. Die Altgesellschafter hatten sich nämlich verpflichtet, ab dem 29.Oktober 1981 bis zum 31.Dezember 1981 nur noch die im Veräußerungsvertrag vorgesehenen Gesellschafterbeschlüsse zu fassen. Wie sich insbesondere aus Abschn.11 des Vertrags mit der D-GmbH ergibt, können damit nur solche Gesellschafterbeschlüsse gemeint sein, die den "reibungslosen Übergang der Geschäftsanteile und des Geschäftsbetriebs" ermöglichen sollten. Der sich hieraus ergebenden Schlußfolgerung, daß mit dem 29.Oktober 1981 die wesentlichen mit den Anteilen verbundenen Rechte übergegangen waren, kann die Revision nicht entgegenhalten, die bisherigen Gesellschafter hätten rechtlich wirksam auch Gesellschafterbeschlüsse fassen können, mit denen sie sich in Widerspruch zu ihren Pflichten nach dem Vertrag vom 29.Oktober 1981 gesetzt hätten. Denn die Altgesellschafter hätten sich bei auf Gesellschafterbeschlüssen nach dem 29.Oktober 1981 beruhenden und den Geschäftsbetrieb oder das Vermögen der H-GmbH negativ beeinflussenden Verfügungen der Gefahr ausgesetzt, von den Erwerberinnen aus der vereinbarten umfassenden Gewährleistungshaftung in Anspruch genommen zu werden. Die rechtliche Befugnis der Altgesellschafter, Gesellschafterbeschlüsse zu fassen, durfte nur noch zum Zwecke der vereinbarten Anteilsübertragung ausgeübt werden. Eine weitergehende wirtschaftliche Bedeutung hatte sie nicht, konnte somit auch nicht zum Fortbestand des wirtschaftlichen Eigentums der Altgesellschafter führen. Da der Kaufpreis im Vertrag vom 29.Oktober 1981 endgültig festgelegt war, lag ab diesem Zeitpunkt auch die Chance der Wertsteigerung und das Risiko einer Wertminderung der Anteile bei den Erwerberinnen.

c) Die Angriffe der Revision gegen diese rechtliche Wertung erweisen sich als unbegründet. Das FG hat den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums am 29.Oktober 1981 nicht allein damit begründet, daß danach gutgläubiger Erwerb durch Dritte nicht mehr möglich war, sondern hat seine Entscheidung auch und zutreffend auf die weiteren wesentlichen Umstände gestützt, daß die mit den Anteilen verbundenen wesentlichen Gesellschafterrechte ebenfalls übergegangen waren bzw., soweit sie rechtsförmlich noch den Altgesellschaftern verblieben waren, keine ins Gewicht fallende wirtschaftliche Bedeutung mehr hatten. Entgegen der Auffassung der Revision hat das FG auch aus den Regelungen über die Gewährleistungsverpflichtung der Veräußerer keine rechtlich unzutreffende Folgerungen gezogen. Das Gegenteil ist richtig. Auch nach Auffassung des Senats ergibt sich, wie dargelegt, aus diesen Regelungen im Gegenteil, daß die Altgesellschafter keine ins Gewicht fallenden Gesellschafterrechte mehr ausüben konnten.

d) Auch die Rüge, das FG habe seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 76 FGO) nicht genügt, weil es nicht festgestellt habe, ab wann die Erwerberinnen die Anteile bilanziert haben, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen (BFH-Urteil vom 7.Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621). Das FG hat seine Rechtsauffassung erkennbar und ausschließlich auf den Inhalt und die Folgen der Vereinbarung vom 29.Oktober 1981 gestützt. Für die Rechtsauffassung des FG war daher der Zeitpunkt der erstmaligen Bilanzierung bei den Erwerberinnen ohne Bedeutung.

II.

Das Urteil des FG verletzt auch nicht § 35 EStG.

TEXTSind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so wird auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte anteilig entfällt, um den in § 35 Satz 2 EStG bestimmten Hundertsatz ermäßigt. Der Hundertsatz bemißt sich nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte Erbschaftsteuer zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs.1 ErbStG) die Freibeträge nach den §§ 16 und 17 ErbStG und der steuerfreie Betrag nach § 5 ErbStG hinzugerechnet werden. Nach ihrem Sinn und Zweck soll die Vorschrift der "Doppelbelastung" bestimmter Vermögenswerte mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer Rechnung tragen (vgl. amtliche Begründung in BTDrucks 7/2180, 21). Diese "Doppelbelastung" ergibt sich daraus, daß der Erbschaftsteuer auch Vermögenswerte unterliegen, die mit einer latenten Einkommensteuer belastet sind. Im Falle einer wesentlichen Beteiligung ergibt sich die "Doppelbelastung" daraus, daß die Anteile einerseits als Vermögenswert in die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer eingehen, daß andererseits die Veräußerung der Anteile zu nach § 17 EStG steuerpflichtigen Einkünften führt. Diese latente Einkommensteuerbelastung kann bei der Erbschaftsteuer mit Rücksicht auf das hier geltende Stichtagsprinzip nicht als Minderung des erbschaftsteuerpflichtigen Vermögens erfaßt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind latente Einkommensteuerlasten bei der Ermittlung des der Erbschaftsteuer unterliegenden Reinvermögens nicht abzugsfähig, weil das Stichtagsprinzip den Abzug künftiger Verbindlichkeiten ausschließt und die in der Person des Erben oder sonstigen Erwerbers künftig entstehende Erbschaftsteuerschuld dem Grunde und der Höhe nach von den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers, insbesondere dessen übrigen Einkünften, abhängt (BFH-Urteil vom 5.Juli 1978 II R 64/73, BFHE 126, 55, BStBl II 1979, 23, mit weiteren Nachweisen). § 35 EStG trägt dem dadurch Rechnung, daß die Einkommensteuer, die beim Erben aus der Veräußerung des erworbenen Vermögens erwächst, ermäßigt wird. Geht man hiervon aus, so kann die Ermäßigung nur auf die Steuer gewährt werden, die sich daraus ergibt, daß das im Wege der Erbfolge erworbene Vermögen in steuerpflichtiges Einkommen umgesetzt wird. Bei der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unter den Voraussetzungen des § 17 EStG hat das zur Folge, daß die Ermäßigung nur auf die Einkommensteuer gewährt werden kann, die sich aus der Veräußerung der im Wege der Erbfolge erworbenen Anteile ergibt. Die Ermäßigung kann danach nicht für die Einkommensteuer gewährt werden, die sich aus der Veräußerung der nicht im Wege der Erbfolge erworbenen Anteile ergibt. Werden sowohl Anteile veräußert, die im Wege der Erbfolge erworben worden sind, als auch Anteile, die nicht im Wege der Erbfolge oder nicht in dem in § 35 EStG vorgesehenen zeitlichen Zusammenhang mit der Erbfolge erworben worden sind, muß danach der gesamte Veräußerungsgewinn aufgeteilt und kann der nach § 35 Satz 2 EStG ermittelte Hundertsatz nur auf den Teil des Veräußerungsgewinns angewandt werden, der auf die mit Erbschaftsteuer belasteten Anteile entfällt. Entgegen der Auffassung der Revision ist diese dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechende Auslegung auch durch den Wortlaut des § 35 EStG gedeckt. Gegenstand der Steuerermäßigung sind nach dem Gesetz Einkünfte, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben. Werden zusammen mit Anteilen, die der Erbschaftsteuer unterlegen haben, auch Anteile veräußert, die nicht oder nicht in dem maßgebenden Zeitraum mit Erbschaftsteuer belastet waren, so hat im Sinne des § 35 EStG nur ein Teil des Gewinns der Erbschaftsteuer unterlegen. Gegenstand der Steuerermäßigung ist dann nur die Einkommensteuer, die --so das Gesetz-- auf diese Einkünfte anteilig entfällt.

Das Urteil des FG und der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung entsprechen dieser Rechtsauslegung. Der nach dieser Rechtsauffassung sich ergebende Ermäßigungsbetrag ist zutreffend ermittelt worden. Insoweit werden auch von der Revision Rechtsverletzungen nicht geltend gemacht.

Die Revision war damit als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62084

BStBl II 1988, 832

BFHE 153, 318

BFHE 1989, 318

BB 1988, 1660-1660 (L1-2)

DB 1988, 1832-1833 (ST1-2)

HFR 1988, 625 (LT)

WPg 1988, 679-679

StRK, R.8 (LT)

FR 1988, 533 (S1-2)

Information StW 1988, 468 (T)

DStZ/E 1988, 326 (S)

GmbH-Rdsch 1988, 449-451 (LT)

UVR 1989, 121 (L)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge