Leitsatz (amtlich)

In Fällen, in denen die Bestimmung eines angemessenen Pachtzinses nicht einfach ist, kann zu Beginn des Pachtverhältnisses zwischen einer Kapitalgesellschaft und dem beherrschenden Gesellschafter die Bestimmung der Angemessenheit einem unbefangenen Dritten (einem Sachverständigen) überlassen werden.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) hatte von ihrem Hauptgesellschafter, der 64 v. H. ihres 100 000 DM betragenden Stammkapitals hält, mit vorläufigem Vertrag vom 10. Februar 1961 ein Grundstück mit aufstehenden Baulichkeiten gegen einen monatlichen Pachtzins von 2 000 DM gepachtet. Anläßlich einer Betriebsprüfung im Jahre 1966 stellte der Revisionskläger (das FA) fest, daß die von der Steuerpflichtigen in ihren Bilanzen zum 30. Juni 1963 und 30. Juni 1964 ausgewiesenen Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von 20 400 DM und 30 600 DM auf eine Aktennotiz vom 25. August 1965 zurückgingen, nach der auf Grund eines Bausachverständigen-Gutachtens vom 31. Dezember 1963 der Pachtzinsrückwirkend vom 1. Juli 1961 ab um jährlich 10 200 DM erhöht worden war. Diese Aktennotiz war weder von der Steuerpflichtigen noch von ihrem Gesellschafter (als Partner des Pachtvertrages) unterzeichnet, wohl dagegen eine später vorgelegte Aktennotiz vom 10. März 1964, in der die buchmäßige Regelung der Pachtnachzahlung in der dargestellten Weise festgelegt worden war. Das FA sah die Nachzahlungen auf den Pachtzins als verdeckte Gewinnausschüttungen an.

Die nach erfolglosem Einspruch gegen die Steuerbescheide vom 13. April 1967 zum FG erhobene Klage der Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Das FG führte aus:

Ein Verstoß gegen das Nachholverbot und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des Urteils des BFH I R 21/68 vom 8. Januar 1969 (BFH 95, 89, BStBl II 1969, 327) liege nicht vor. Die steuerrechtliche Anerkennung schuldrechtlicher Verträge zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter sei in Fällen wie dem vorliegenden - trotz bürgerlich-rechtlicher Gestaltungsfreiheit - einmal von der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung, zum anderen von der Vermeidung einer rückwirkenden Erhöhung der von der Gesellschaft zu erbringenden Gegenleistung abhängig. Wenn die Steuerpflichtige und ihr Gesellschafter für die pachtweise Überlassung des Grundstücks und der betrieblichen Anlagen einen Pachtzins von 2 850 DM monatlich (34 200 DM jährlich) als angemessen angesehen hätten, so sei das nicht zu beanstanden. Nach dem vorläufigen Pachtvertrag vom 10. Februar 1961, wie er nach den Aussagen der Zeugen Steuerberater Diplom-Kaufmann Dr. H und Prokurist K zu verstehen sei, habe der Pachtzins von vornherein in angemessener Höhe vereinbart werden sollen. Die Vereinbarung in Höhe von 2 850 DM monatlich sei nach den Aussagen der Zeugen aber auch nicht nachträglich erfolgt, wie die Einschaltung eines neutralen Sachverständigen in die Frage nach der betragsmäßigen Höhe des angemessenen Pachtzinses zeige. Die Vertragspartner hätten sich nach Aussage des Zeugen Dr. H bereits alsbald nach Abschluß des Vertrages vom 10. Februar 1961 an die Kreissparkasse ein E um Benennung eines geeigneten Gutachters gewendet. Das von diesem erst nach wiederholter Anmahnung erstellte Gutachten sei denn auch zur Grundlage der Pachtzinsvereinbarung gemacht worden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen. Zu Unrecht sei das FG davon ausgegangen, daß die Pachtzinszahlung für die Streitjahre auf einer im voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung beruhe. Der vorläufige Pachtvertrag lasse in keinem Punkt darauf schließen, daß die Vorläufigkeit nur auf die Höhe des Pachtzinses zu beziehen sei. Die Vorläufigkeit des Vertrages eröffne den Vertragsparteien vielmehr die Möglichkeit, den Vertrag beliebig mit Rückwirkung zu ändern oder aufzugeben. Es hätte den Vertragschließenden zwecks Erfüllung der aus steuerrechtlichen Erwägungen zu stellenden Anforderungen freigestanden, den Vertrag hinsichtlich der Höhe des Pachtzinses von Anfang an von dem in Auftrag gegebenen Gutachten abhängig zu machen (BFH-Urteile I 96/64 vom 29. November 1967, BFH 91, 151, BStBl II 1968, 234; I R 26/67 vom 8. Januar 1969, BFH 95, 1, BStBl II 1969, 268). Statt dessen habe die Steuerpflichtige die endgültige Höhe des Pachtzinses über drei Bilanzstichtage hin (30. Juni 1961, 1962 und 1963) offengelassen, die angeblich von Anfang an vereinbarte Pacht erst vom 1. Juli 1961 (Beginn des Wirtschaftsjahres 1961/62) ab verrechnet und erst vom 1. Juli 1964 ab gezahlt. Es sei nicht auszuschließen, daß die Vertragsparteien zunächst die Entwicklung des mit Wirkung vom 1. Januar 1961 gegründeten Unternehmens der Steuerpflichtigen hätten abwarten wollen (BFH-Urteil I 97/64 vom 20. September 1967, BFH 90, 212, BStBl II 1968, 49).

Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

1. Die Steuerpflichtige ist mit Wirkung vom 1. Januar 1961 gegründet worden. Sie ist nach Aussage des Zeugen Dr. H aus der Firma Ernst K KG hervorgegangen (deren Gesellschafter nach den Ausführungen in Tz. 19 und 20 des Betriebsprüfungsberichts vom 11. April 1963 im gleichen Verhältnis gewinnberechtigt wie als Gesellschafter an der Steuerpflichtigen beteiligt sind) und der sie organschaftlich (wenn auch ohne Ergebnisabführungsvertrag - EAV -) verbunden ist.

Dem FA ist darin zuzustimmen, daß die Auslegung des zwischen der Steuerpflichtigen und ihrem Hauptgesellschafter geschlossenen Vertrages vom 10. Februar 1961 hinsichtlich der Aussagekraft des Wortes "vorläufig" und damit verbunden die Beantwortung der Frage nach einem im voraus oder erst im nachinein bestimmten angemessenen Pachtzins durch das FG nicht unter den Begriff der Tatbestandsfeststellung des § 118 Abs. 2 FGO fällt. Dennoch ist die angefochtene Entscheidung angesichts der Frage möglicher oder nicht möglicher Beweiswürdigung durch das FG nicht zu beanstanden.

2. Zutreffend nimmt das FA als den Ausgangspunkt der Entscheidung eine Reihe von Urteilen des erkennenden Senats zur Frage der Gestaltung von Dienstverträgen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem - sei es sie kapitalmäßig beherrschenden, sei es sie nicht beherrschenden - Gesellschafter in Bezug. Nach diesen Urteilen kann ein Gesellschafter für seine Gesellschaft sowohl unentgeltlich als auch zu einem zu niedrigen, zu einem angemessenen oder zu einem zu hohen Entgelt tätig sein. Deshalb erfordert die steuerrechtliche Anerkennung derartiger schuldrechtlicher Vereinbarungen inhaltliche Klarheit der Vereinbarung und Nachweisbarkeit des Zeitpunkts ihres Abschlusses. Die gleichen Überlegungen und Grundsätze gelten für schuldrechtliche Vereinbarungen jeder Art, die zwischen einer Kapitalgesellschaft und einem oder mehreren ihrer Gesellschafter getroffen werden, so auch für Pachtverträge (im vorliegenden Streitfall).

Fehlt es deshalb nach Ansicht des Gerichts einem ihm zur Beurteilung unterbreiteten Vertrag dieser Art in einem oder in mehreren Punkten an der erforderlichen Klarheit, so wird es insbesondere bei Vorliegen entsprechender Beweisanträge alles zu tun haben, was der Klärung des Vertragsinhalts dient. Das ist hier geschehen.

Obwohl die Bezeichnung des Pachtvertrages vom 10. Februar 1961 als vorläufig auf den ersten Blick den Eindruck vermitteln mag, daß eine endgültige Fassung der ihn bestimmenden Momente Gegenstand noch schwebender Verhandlungen sei, zeigen eine genauere Durchsicht des Vertrages und die dazu angestellten Ermittlungen des FG, daß seine Vorläufigkeit allein die Höhe des Pachtzinses betreffen kann. Dies folgt nicht nur aus der Vereinbarung der Schriftform für Änderungen und Ergänzungen des Vertrages, die auf eine relative Endgültigkeit des Vertrages überhaupt schließen läßt, dies folgt vor allem aus dem Ergebnis der vom FG durchgeführten Beweisaufnahme.

Der Zeuge Dr. H hat ausgesagt, daß bei Abschluß des Pachtvertrages im Februar 1961 niemand gewußt habe, was man für ein Fabrikanwesen, das dem Gesellschafter der Steuerpflichtigen gehöre, an Pacht habe verlangen können. Deshalb sei der Vertrag als vorläufig bezeichnet und eine runde Zahl von 2 000 DM monatlich als Pachtzins angenommen worden. Es sei vereinbart worden, den zutreffenden Pachtzins durch einen Sachverständigen feststellen zu lassen. Demgemäß habe man sich alsbald um Benennung eines Sachverständigen an die Kreissparkasse in E gewandt und sodann dem von dieser benannten Sachverständigen noch im ersten Halbjahr 1961 einen entsprechenden Auftrag erteilt. Der Sachverständige habe sich indes für die Erstellung seines Gutachtens sehr lange Zeit gelassen und erst nach mehrmaliger (mindestens sechs- bis siebenmaliger) Anmahnung das Gutachten im Laufe des Jahres 1963 erstellt, das der Steuerpflichtigen anfangs des Jahres 1964 zugegangen sei.

Der Zeuge hat - in Übereinstimmung mit der Aussage des Zeugen Steueramtmann St. - weiterhin erklärt, daß die Verwendung des Gutachtens verschiedene Umrechnungen erfordert habe, weil der Sachverständige u. a. auch ein Gebäude und verschiedene Betriebsvorrichtungen in seine Berechnung einbezogen habe, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht vorhanden gewesen seien. Für das Rumpfwirtschaftsjahr vom 1. Januar bis 30. Juni 1961 habe er die erhöhte Miete nicht mehr verrechnet, weil dieser Zeitabschnitt vom FA bereits geprüft gewesen und eine Halle erst im Juli 1961 errichtet worden sei.

3. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil I R 116/66 vom 23. September 1970 (BFH 100, 364, BStBl II 1971, 64) ausgeführt, daß eine Vertragsbestimmung, nach der der von der Kapitalgesellschaft an den Gesellschafter zu zahlende Pachtzins an der oberen Grenze des Angemessenen liegen solle, die oben dargestellten Grundsätze nicht erfüllt. An dieser Rechtsansicht hält der Senat fest. Das schließt jedoch nicht aus, daß in Fällen, in denen die Bestimmung eines angemessenen Pachtzinses nicht einfach ist, zu Beginn des Pachtverhältnisses die Bestimmung der Angemessenheit einem unbefangenen Dritten (einem Sachverständigen) überlassen werden kann. In einem solchen Fall sind die tatsächlich geleisteten Zahlungen als Anzahlungen auf den endgültig festzusetzenden Pachtzins anzusehen; ein zahlenmäßig bestimmter Betrag ist in diesem Fall nicht vereinbart. Wird dagegen zu Beginn des Pachtverhältnisses ein zahlenmäßig bestimmter Betrag fest vereinbart, der später anhand eines Sachverständigengutachtens gegebenenfalls korrigiert werden soll, ist eine Berichtigung für die Vergangenheit mit steuerrechtlicher Wirkung nicht möglich.

4. Nach alledem konnte das FG im vorliegenden Streitfall in freier Würdigung des Streitstoffes (einschließlich des Beweisergebnisses) zu der Überzeugung gelangen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), daß es den Vertragschließenden von Anfang an um die Vereinbarung eines angegemessenen Pachtzinses gegangen ist, dessen zahlenmäßige Ermittlung Sache eines unbeteiligten Dritten sein sollte. Daß die Höhe des Pachtzinses als angemessen anzusehen ist, ist unter den Beteiligten nicht streitig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69495

BStBl II 1971, 566

BFHE 1971, 247

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