Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigung der Partei bezeichnung; Fest stellung im Bp-Bericht als Mitteilung i. S. d. § 146 a Abs. 3 Satz 1 AO

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Frage der Berichtigung der Parteibezeichnung.

2. Die Feststellung im Betriebsprüfungsbericht, daß aufgrund eines Organschaftsverhältnisses die Umsätze des geprüften Steuerpflichtigen bei einem anderen Steuerpflichtigen als dem Organträger zur Umsatzsteuer heranzuziehen sind, ist als Mitteilung i. S. von § 146 a Abs. 3 Satz 1 AO zu werten. Dies gilt auch dann, wenn sich aufgrund der Prüfung Änderungen der Besteuerungsgrundlagen ergeben haben.

 

Normenkette

FGO § 65; AO §§ 144, 146a Abs. 3; AO 1977 § 202 Abs. 1 S. 3; BpO (St) 1965 § 15 Abs. 3

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Gesamtrechtsnachfolger der A- GbR (GbR), nachdem deren (letzte) Mitgesellschafterin im Oktober 1988 ausgeschieden war. Die GbR war ihrerseits aus der B- GmbH & Co. (GmbH & Co.) entstanden, die bis 1978 unter dem Namen des Klägers (KG) firmiert hatte. Die GmbH & Co. führte seit 1987 -- nach dem Ausscheiden ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin -- kein Handelsgewerbe mehr aus. An ihr beteiligt gewesen waren im Streitjahr (1966) die Firma C-KG (KG 2) als persönlich haftende Gesellschafterin und die Firma D- OHG (OHG) als Kommanditistin. Letztere war zugleich Kommanditistin der KG 2.

Das für die Besteuerung der OHG seinerzeit zuständige Finanzamt X war von dieser seit 1967 wiederholt aufgefordert worden, eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen ihr und insgesamt sieben Organgesellschaften, darunter auch die KG, sowie deren Untergesellschaften anzuerkennen. Dementsprechend reichte die KG für das Streitjahr sowie das Folgejahr im Oktober 1968 Umsatzsteuererklärungen ein, in denen sie sich als Organgesellschaft der OHG bezeichnete. Das Finanzamt X erkannte die Organschaft für das Streitjahr an und veranlagte die KG -- anders als für 1967, für das eine nach § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufige Steuerfestsetzung erging -- nicht zur Umsatzsteuer.

Im Jahre 1971 wurde bei der KG eine Betriebsprüfung durchgeführt, die sich u. a. auf die Umsatzsteuer 1966 und 1967 erstreckte. In dem Prüfungsbericht vom 21. März 1975, der der KG am 29. Juli 1975 durch den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) übersandt worden ist, hieß es dazu wie folgt:

Textziffer 30"

Versteuerung der Gesamtumsätze 1967 der KG

Auf Grund des zwischen der OHG (= Obergesellschaft) und der KG für 1966 und 1967 anerkannten organschaftsähnlichen Verhältnisses sind die Umsätze der KG bei der OHG zur Umsatzsteuer heranzuziehen.

Dies ist für das Kj. 1967 nicht beachtet worden.

Die für 1967 für die KG gesondert durchgeführte Umsatzsteuerveranlagung ist daher aufzuheben.

Die Umsätze dieser Fa. werden einschließlich der Umsätze der verbundenen Unternehmen bei der OHG versteuert ... "

Textziffer 32"

In den folgenden Tz. werden nur Ausführungen zu den eigenen Umsätzen der KG gemacht."

Textziffer 42"

Umsatzsteuerschuld (Fa. KG einschl. verbundene Unternehmen) ... "

Nach dem Bericht wurde über das Ergebnis der Prüfung Übereinstimmung erzielt. Die Schlußbesprechung fand am 6. Juli 1972 unter Teilnahme u. a. von Bediensteten des FA statt.

Dementsprechend erfaßte das zwischenzeitlich für die Besteuerung der OHG zuständige Finanzamt Y bei der OHG auch die Umsätze der KG und wurde die Umsatzsteuer durch Bescheide für 1966 und 1967 vom 20. August 1976 veranlagt; gegen diese Bescheide wurde Einspruch eingelegt. Die gegen die KG ergangene und für vorläufig erklärte Umsatzsteuerfestsetzung für 1967 wurde durch Bescheid vom 25. November 1980 aufgehoben.

Nachdem auf Grund der geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen Personengesellschaften nicht mehr anerkannt werden konnte (ständige Rechtsprechung seit den Urteilen vom 7. Dezember 1978 V R 22/74, BFHE 127, 262, BStBl II 1979, 356; vom 8. Februar 1979 V R 101/78, BFHE 127, 267, BStBl II 1979, 362), beantragten die steuerlichen Berater der OHG mit Schreiben vom 14. Februar 1980 bei dem Finanzamt Y, die Umsätze der einzelnen Personengesellschaften fortan bei diesen selbst der Besteuerung zu unterwerfen; sie machten damit von der im Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 17. Dezember 1979 IV A 2 -- S 7104 -- 37/79 (BStBl I 1979, 699) eingeräumten Wahlmöglichkeit Gebrauch. Auf diese Weise wurde in der Folgezeit verfahren, auch gegenüber der OHG -- durch Bescheid vom 21. November 1988 -- sowie der GbR als Gesamtrechtsnachfolgerin der KG. Das für deren Besteuerung zuständig gewordene FA setzte gegen sie mit Bescheid vom 27. Juli 1988 die Umsatzsteuer für das Streitjahr fest. Der dagegen gerichtete Einspruch der KG, mit dem diese sich auf den Ablauf der Festsetzungsfrist berief, blieb erfolglos; die Einspruchsentscheidung des FA wurde den nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers bekanntgegeben.

Das Finanzgericht (FG) gab der hiernach erhobenen Klage statt. Die Festsetzungsfrist für das Streitjahr sei mit Zugang des Betriebsprüfungsberichts vom 21. März 1975 am 1. August 1975 abgelaufen. In diesem Bericht sei ausgeführt, daß die Umstände der KG nicht bei dieser, sondern auf Grund eines organschaftsähnlichen Verhältnisses bei der OHG zu erfassen seien. Damit habe für die KG festgestanden, daß ihr gegenüber eine Umsatzsteuerfestsetzung endgültig unterbleiben solle. Die Ausführungen in dem Prüfungsbericht seien deshalb als Mitteilung nach § 146 a Abs. 3 AO zu beurteilen, die die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nach § 146 a Abs. 3 AO beende.

Die Klage war namens der GmbH & Co. eingelegt worden. Während des Klageverfahrens -- im September 1993 -- trat an ihre Stelle mit Zustimmung des FA der Kläger. Das FA hat daraufhin die Einspruchsentscheidung unter dem 7. September 1993 neu datiert und den Prozeßbevollmächtigten erneut bekanntgegeben, dabei allerdings nicht mehr über den Einspruch der KG, sondern des Klägers entschieden. Das FG wertete dies als Klageänderung gemäß § 67 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die zulässig sei, weil das FA seine Einspruchsentscheidung dem Kläger gegenüber nachgeholt habe.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung von § 146 a Abs. 3 AO.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß die Klage nicht unzulässig war, weil sie namens der GmbH & Co. und nicht namens des Klägers eingelegt worden ist. Zwar war der Kläger zwischenzeitlich -- über die GbR -- bereits Gesamtrechtsnachfolger der GmbH & Co. geworden; diese existierte nicht mehr. Es stand aber bei objektiver Würdigung der Gesamtumstände (insbesondere der Klageschrift, dem Tatsachenvortrag und dem Klageziel) fest, daß die Klage für den Kläger erhoben werden sollte. Die unrichtige äußere Bezeichnung der Beteiligten ist demgegenüber nicht ausschlaggebend. Vielmehr ist grundsätzlich diejenige Person als Beteiligter anzusprechen, die erkennbar durch die Beteiligtenbezeichnung betroffen werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178 m. w. N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung -- Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 65 FGO Tz. 3 und § 67 FGO Tz. 1).

Damit bedurfte es lediglich einer Berichtigung der Beteiligtenbezeichnung, die der Senat vornehmen kann (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O.). Eine Klageänderung ist entgegen der Ansicht des FG nicht anzunehmen.

2. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Umsatzsteueranspruch für 1966 verjährt ist. Er durfte nicht mehr durch den Bescheid vom 27. Juli 1988 festgesetzt werden.

a) Die fünfjährige Frist (§ 144 AO i. V. mit Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung -- EGAO 1k-- 77 --) für die Festsetzung der Umsatzsteuer 1966 begann gemäß § 145 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 1968 (in dem die Steuererklärung eingereicht wurde) und endete mit dem 31. Dezember 1973.

b) Der Ablauf der Verjährung ist zwar zunächst nach § 146 a Abs. 3 Satz 1 AO durch den Beginn der bei der KG durchgeführten Betriebsprüfung, die sich auch auf die Umsatzsteuer 1966 erstreckte, gehemmt worden. Der Steueranspruch verjährt hiernach nicht, bevor die auf Grund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder dem Steuerpflichtigen eine Mitteilung zugegangen ist, daß eine Festsetzung unterbleibt. Eine solche Mitteilung ist der KG gegenüber aber in Gestalt der in dem Außenprüfungsbericht vom 21. März 1975 gemachten Feststellungen und Ausführungen am 1. August 1975 ergangen. In diesem Bericht ist ausdrücklich festgestellt worden, daß auf Grund des für 1966 und 1967 anzuerkennenden organschaftsähnlichen Verhältnisses die Umsätze der KG bei der OHG zur Umsatzsteuer heranzuziehen sind. Die Umsätze der KG seien deshalb bei der OHG zu versteuern; die für 1967 ergangene Umsatzsteuerfestsetzung sei aufzuheben. Dementsprechend ist in der Folgezeit gegenüber der KG und der OHG auch verfahren worden. Die KG wurde insofern von der Steuer freigestellt. Damit war für die Beteiligten in unmißverständlicher Weise klargestellt, daß es für das Streitjahr 1966 bei der KG -- endgültig -- zu keiner Steuerfestsetzung kommen sollte, nachdem hiervon bereits nach Abgabe der Steuererklärung für dieses Jahr im Oktober 1968 Abstand genommen worden war; die Umsatzsteuer sollte infolge des angenommenen organschaftsähnlichen Verhältnisses allein bei einem anderen Unternehmer, der OHG, als Steuerschuldner erfaßt werden.

Den Anforderungen, die an eine Mitteilung i. S. von § 146 a Abs. 3 AO zu stellen sind, ist genügt. Der Umstand, daß die Feststellungen des FA im Prüfungsbericht enthalten sind, ist ebensowenig von Bedeutung wie der Umstand, daß sie nicht ausdrücklich als Mitteilung i. S. von § 146 a Abs. 3 AO bezeichnet worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1991 X R 33/89, BFH/NV 1991, 643; ferner BFH-Urteil vom 14. Dezember 1989 III R 158/85, BFHE 159, 120, BStBl II 1990, 283). Entgegen der Annahme des FA ist es auch unbeachtlich, daß -- wie sich aus Textziffer 42 des Berichts ergibt -- auf Grund der bei der KG durchgeführten Betriebsprüfung für die Umsatzsteuer 1966 geänderte Besteuerungsgrundlagen ermittelt worden sind. Entscheidend ist, daß diese Änderungen für die KG nicht zu einer Steuerfestsetzung geführt haben. § 146 a Abs. 3 AO stellt in seinem letzten Halbsatz für die die Ablaufhemmung beendende Mitteilung an den Steuerpflichtigen allein darauf ab, daß diesem gegenüber eine Festsetzung unterbleibt. Darauf, daß die Betriebsprüfung zugleich nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat, kommt es insoweit nicht an; § 146 a Abs. 3 AO greift weder inhaltlich noch durch Verweisung den Tatbestand des seinerzeit geltenden § 15 Abs. 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung -- Betriebsprüfungsordnung (Steuer) -- BpO(St) -- vom 23. Dezember 1965 (BStBl I 1966, 46) auf, der für die Mitteilung an den Steuerpflichtigen auf die fehlende Änderung der Besteuerungsgrundlagen abstellt. § 146 a Abs. 3 AO unterscheidet sich sonach von der hierzu ergangenen Nachfolgevorschrift in § 171 Abs. 4 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977), die in ihrem letzten Halbsatz auf die Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 verweist, der weitgehend mit der Regelung in § 15 Abs. 3 BpO(St) a. F. übereinstimmt. Ob die Rechtslage nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 deshalb anders zu beurteilen wäre, kann im Streitfall dahinstehen; die Vorschrift ist hier nicht anzuwenden (Art. 97 § 10 Abs. 1 Satz 2 EGAO 1977).

c) Hat damit die Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist am 1. August 1975 geendet, konnte sich der Kläger hierauf auch berufen. Der Steueranspruch ist erloschen (§ 148 AO). Die Grundsätze von Treu und Glauben können dem nicht entgegenstehen.

3. Das FA konnte die -- erstmalige -- Festsetzung der Umsatzsteuer 1966 der KG bzw. deren Rechtsnachfolgern gegenüber schließlich nicht auf § 174 (Abs. 3 oder 4 i. V. m. 5) AO 1977 stützen.

Die Anwendung dieser Vorschriften scheitert -- unbeschadet der Frage, ob ihre tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind -- schon daran, daß der Umsatzsteueranspruch 1966 nach den Darlegungen unter 2. bei Erlaß des angefochtenen Steuerbescheids vom 27. Juli 1988 bereits verjährt war. Maßgeblich sind auch insoweit nicht §§ 169 ff. (einschließlich § 174 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4) AO 1977, sondern allein §§ 143 ff. AO, die § 174 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 AO 1977 vergleichbare Regelungen nicht enthielten (BFH-Urteile vom 30. September 1980 VIII R 58/80, BFHE 132, 1, BStBl II 1981, 245; vom 16. Mai 1990 X R 72/87, BFHE 161, 451, BStBl II 1990, 1044; vom 18. Mai 1990 VI R 17/88, BFHE 160, 425, BStBl II 1990, 770; vom 13. November 1991 I R 58/90, BFHE 166, 530, BStBl II 1992, 517; vom 8. April 1992 X R 164/88, BFH/NV 1992, 717).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420379

BFH/NV 1995, 859

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