Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen einer Brauerei für Ein- und Umbauten in gemieteten Gastwirtschaftsräumen, welche die Brauerei nicht selbst benutzt, sondern an Unterpächter weiter verpachtet, und verlorene Zuschüsse an die Unterpächter für solche Ein- und Umbauten sind bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Brauerei als selbständig bewertbare immaterielle Wirtschaftsgüter anzusetzen.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 2, 95

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Brauerei. Bei ihr fand im Jahre 1969 eine Betriebsprüfung statt, die u. a. zu einer Erhöhung der Einheitswerte des Betriebsvermögens für Ein-, Um- und Ausbauten von Pachtgaststätten und für Zuschüsse an Kunden gegen die Übernahme zeitlich begrenzter Bierbezugsverpflichtungen geführt hat. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) berücksichtigte die Feststellungen der Betriebsprüfung bei der endgültigen Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1964 bis 1968 durch den zusammengefaßten Bescheid vom 24. Oktober 1969. Die Sprungklage, die sich außer gegen diese Erhöhungen auch gegen den Ansatz von Aufwendungen für Einbauten in fremde Grundstükke in den vorläufigen Bescheiden wandte, wurde abgewiesen.

Die Klägerin beantragt mit der Revision, die Einheitswerte des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1966 um ...DM, zum 1. Januar 1967 um ... DM und zum 1. Januar 1968 um ... DM herabzusetzen. Sie beantragt außerdem, das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen, bis über die beim IV. Senat des BFH anhängige Revision, die die ertragsteuerliche Seite betrifft, entschieden ist, oder den Großen Senat anzurufen.

Die Klägerin rügt Verletzung des geltenden Rechts. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Leistung und Gegenleistung aus den Bierlieferungsverträgen glichen einander aus, weil der vereinbarten Bezugsverpflichtung des Wirtes die korrespondierende Lieferungsverpflichtung der Brauerei gegenüberstehe. Sie seien abhängig vom späteren Bedarf des Bezugsverpflichteten, also aufschiebend bedingt. Sie hinderten auch nicht das Lieferungsrecht konkurrierender Brauereien und könnten nicht mit Wettbewerbsverboten gleichgestellt werden. Die aus dem Dauerschuldverhältnis entstehenden Rechte und Pflichten seien bürgerlichrechtlich nicht übertragbar. Die Übertragbarkeit scheitere bereits an § 399 BGB, weil die Lieferung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Änderung ihres Inhalts erfolgen könne. Infolgedessen seien die sog. Bierlieferungsrechte einzeln nicht veräußerbar. Sie seien deshalb auch bewertungsrechtlich keine selbständig bewertbaren immateriellen Wirtschaftsgüter. Die rechtliche und wirtschaftliche Situation sei bei den Bierlieferungsrechten nicht anders als bei den Lieferungsrechten im Fall des BFH-Urteils vom 6. März 1970 III R 20/66 (BFHE 99, 50, BStBl II 1970, 489, insbesondere 491). Ein Handel mit Bierlieferungsrechten finde überhaupt nicht statt. Das könne von dem Spitzenverband des Deutschen Braugewerbes bezeugt werden. Bei der Veräußerung ganzer Brauereiunternehmungen übernehme der Erwerber die Summe der Bierlieferungsrechte als Teil des Firmenwerts. Das sei aber kein Indiz für die Einzelübertragungsmöglichkeit der Bierlieferungsrechte. Im übrigen entfalle auch in solchen Fällen wie auch in den Fällen der Fusion die Bindung der Abnehmer. Das FG München habe in einer Entscheidung vom 16. Dezember 1969 I (VII) 167/67 (EFG 1970, 269) eine Bierbezugsverpflichtung nicht als vermögensrelevant angesehen. Zudem sei das Bierlieferungsrecht nicht entgeltlich erworben, weil es originären Charakter habe. Ein Lieferungsrecht könne eine Brauerei nur von einer anderen Brauerei erwerben. Wenn Aufwendungen vom Betriebsinhaber selbst bewirkt seien, entfalle ertragsteuerlich nach § 5 Abs. 2 EStG ihre Ansatzfähigkeit. Das müsse auch für das Bewertungsrecht gelten. Das einzige Positivum des Bierlieferungsrechts sei die ihm innewohnende Chance, bei sinkender Konjunktur einen Abnehmer vielleicht nicht so schnell zu verlieren wie einen freien Kunden. Ein solcher Vorteil sei kein selbständig bewertbares immaterielles Wirtschaftsgut. Die These des FG, die Bierlieferungsrechte könnten nicht nach Maßgabe des Kapitalwerts des Absatzgewinns bei den einzelnen Gaststätten bewertet werden, untermauere die Auffassung, daß sich der Wert dieser Rechte im Gesamtfirmenwert verflüchtige. Ein Erwerber würde nicht von den aufgewendeten Kosten ausgehen. Er würde den Wert nach Maßgabe des in der Gaststätte getätigten Bierumsatzes sowie der speziellen Gewinnchance zu schätzen versuchen, also völlig unabhängig von dem Restwert der Zuschüsse und Einbauten. Hinsichtlich der Umbaukosten für die unterverpachteten Gastwirtschaften sei das Urteil des BFH vom 7. August 1970 III R 119/67 (BFHE 100, 122, BStBl II 1970, 842) im Streitfall nicht anwendbar, weil der Umbau nicht für eigenbetriebliche Zwecke der Brauerei, sondern als Gegenleistung für die Übernahme der Bezugsverpflichtung des Wirtes für dessen gewerbliche Zwecke erfolge.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Dem Antrag der Klägerin, das Verfahren nach § 74 FGO bis zur Entscheidung des IV. Senats des BFH über die bei ihm anhängige Revision auszusetzen, kann nicht stattgegeben werden. Die Klägerin hat diesen Antrag damit begründet, daß immaterielle Werte nach dem BewG nur dann anzusetzen seien, wenn die Möglichkeit bestehe, in den Bilanzen hinsichtlich der für sie getätigten Aufwendungen einen Gegenwert einzusetzen. Das sei aber nach der Aktienrechtsreform 1965 und Novellierung des § 5 EStG 1969 nicht der Fall. Diese Auffassung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats. Der Senat hat in dem Urteil III R 119/67 ausgeführt, daß aus dem Verbot des Ausweises nicht entgeltlich erworbener Wirtschaftsgüter in § 153 Abs. 3 AktG 1965 und in der Neufassung des § 5 EStG für das Bewertungsrecht nichts zu entnehmen sei. Das Bewertungsrecht kenne eine dem Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG n. F. entsprechende Vorschrift nicht. Damit sei es bewertungsrechtlich möglich und geboten, immaterielle Werte ohne die Einschränkung des § 5 Abs. 2 EStG n. F. als Vermögensgegenstände zu erfassen, wenn sie unter den Begriff des Wirtschaftsguts fielen. Die Neufassung des § 5 Abs. 2 EStG schränke, wie auch Littmann (DStR 1970, 391 ff. -, insbesondere 393) meine, den Begriff des Wirtschaftsgutes als solchen nicht ein. An dieser Auffassung hält der Senat auch für den Streitfall fest. Aus ihr folgt, daß eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO nicht möglich ist, weil die zu entscheidende Rechtsfrage für das Bewertungsrecht unabhängig von ertragsteuerlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Aus diesem Grunde ist auch die von der Klägerin angeregte Anrufung des Großen Senats des BFH nicht geboten.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind immaterielle Werte nur dann als selbständige bewertungsfähige Wirtschaftsgüter zu erfassen, wenn sie als geldwerte Realität in Erscheinung treten. Das ist der Fall, wenn eine der folgenden Voraussetzungen gegeben ist:

a) Die selbständige Bewertungsfähigkeit wird durch die allgemeine Verkehrsauffassung anerkannt;

b) das immaterielle Wirtschaftsgut wurde entgeltlich erworben;

c) die selbständige Bewertungsfähigkeit wird durch Aufwendungen anerkannt, die auf das zu bewertende immaterielle Wirtschaftsgut gemacht worden sind

(vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 1970 III R 43/68, BFHE 98, 282, BStBl II 1970, 373).

Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob im Streitfall die Voraussetzungen zu a) oder zu b) erfüllt sind. Er ist der Meinung, daß sowohl bei den Aufwendungen der Klägerin für Ein- und Umbauten in den von ihr gemieteten, aber nicht selbst betriebenen, sondern unterverpachteten Gastwirtschaften als auch bei den Zuschüssen der Klägerin an die Unterpächter für solche Ein- und Umbauten die Voraussetzung zu a) vorliegt. Das zu bewertende Wirtschaftsgut, das durch die Aufwendungen und die Zuschüsse der Klägerin anerkannt ist, ist allerdings nicht, wie die Klägerin meint, das sog. Bierlieferungsrecht. Die Aufwendungen und Zuschüsse der Klägerin verkörpern vielmehr selbst dieses selbständig bewertbare Wirtschaftsgut, weil durch sie nicht nur, wie die Klägerin meint, eine allgemeine Chance für den Betrieb gewonnen werde, sondern die ganz konkrete Aussicht, bei normalem Verlauf ihren Bierabsatz dadurch gesichert zu haben. Es liegt nach Auffassung des Senats hier ähnlich, wie bei einem verlorenen Zuschuß an ein Elektrizitätswerk, damit dieses zur Sicherstellung des Bedarfs an Strom einen nur für den Unternehmer bestimmten Trafo einrichtet (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1969 VI 239/65, BFHE 97, 58, BStBl II 1970, 35).

Das FG ist deshalb zu Recht bei den Bauaufwendungen der Klägerin von den Grundsätzen des BFH-Urteils III R 119/67 ausgegangen. Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, daß dieses Urteil deswegen auf den Streitfall nicht angewandt werden könne, weil es voraussetze, daß der Mieter des Grundstücks das Mietobjekt für seine betrieblichen Zwecke umbaue, die Umbauten im Streitfall aber nicht für die betrieblichen Zwecke der Klägerin, sondern für die betrieblichen Zwecke der Unterpächter vorgenommen worden seien. Der betriebliche Zweck der Klägerin ist in erster Linie die Produktion und der Verkauf von Bier und anderen Getränken. Zur Erreichung dieses Zwecks mietet die Klägerin auch Räumlichkeiten, in denen Gastwirtschaften betrieben werden können. Diese Gastwirtschaften betreibt sie entweder selbst oder verpachtet sie an Gastwirte, die dann als Unterpächter der Räume auftreten. Der Zweck der Anmietung dieser Räumlichkeiten und ihres Umbaues für den Betrieb einer Gastwirtschaft ist in beiden Fällen der gleiche, nämlich dem eigentlichen Betriebszweck der Klägerin zu dienen. Der Senat ist deshalb der Meinung, daß auch bei einer Weiterverpachtung der gemieteten Grundstücksräume die Umbaukosten den betrieblichen Zwecken der Klägerin dienen.

Auch gegen die Höhe des Ansatzes bestehen keine Bedenken. Sie entspricht, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, den Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats, wie sie in dem Urteil III R 119/67 dargelegt sind. Eine Bewertung nach der Höhe des zu erwartenden Bierumsatzes scheidet schon deswegen aus, weil es sich nicht um die Bewertung der Bierlieferungsrechte handelt.

Die Zuschüsse an die Unterpächter für Ein- und Umbauten an den gepachteten Gastwirtschaftsräumen sind, wie schon oben ausgeführt wurde, nach den gleichen Gesichtspunkten zu beurteilen wie die eigenen Bauaufwendungen der Klägerin auf die gepachteten Gastwirtschaftsräume. Die Zuschüsse unterscheiden sich auch von den Zahlungen von Werbeprovisionen im Zeitschriften- und Lesezirkelgewerbe, die der Senat im Urteil III R 20/66 nicht als bewertungsfähige Wirtschaftsgüter angesehen hat. Denn es handelt sich bei diesen Zuschüssen nicht wie bei den Werbeprovisionen um laufende Ausgaben des Vertriebsbereichs, die sich nicht erkennbar von den übrigen laufenden Betriebsausgaben abheben. Sie unterscheiden sich von den laufenden Betriebsausgaben deutlich schon ihrer Höhe nach sowie dadurch, daß sie nicht in regelmäßigen Zeitabständen anfallen. Auch der Höhe nach ist der Ansatz der Zuschüsse nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70714

BStBl II 1974, 81

BFHE 1974, 541

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