Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verpflichtung eines Grundstückseigentümers zur übertragung des Grundstückseigentums an einen Dritten (hier: Heimfallverbindlichkeit) ist als Sachleistungsschuld mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Hierbei ist nicht vom steuerlichen Einheitswert des Grundstücks auszugehen.

2. Zur Ermittlung des gemeinen Wertes einer solchen Verbindlichkeit.

 

Normenkette

BewG §§ 10, 9, 14 Abs. 3, § 12/3, § 74/1/1, § 118/1/1

 

Tatbestand

Der Bf. erwarb im Jahre 1938 ein ca. 5.125 qm großes Grundstück. Der Kaufpreis betrug 1.450.000 RM. Der Bf. verpflichtete sich im Kaufvertrag, das Grundstück mit einem Kontor- und Garagengebäude zu bebauen und bezugsfertig herzustellen (Ziff. 3 des Kaufvertrags). In Ziff. 11 des Kaufvertrags wurde weiter u. a. vereinbart:

"Am 1. April 1994 ist das Grundstück mit den Baulichkeiten lastenfrei an den Verkäufer zurückzuübereignen. In Anbetracht der Bedingungen dieses Vertrages erfolgt diese übertragung ohne Entgelt. Das Recht ist durch Eintragung im Grundbuch an erster Stelle zu sichern. ..."

Bis zu dem vorgesehenen Rückfall des Grundstücks an die frühere Eigentümerin ist der Bf. verpflichtet, das Grundstück und die Baulichkeiten im Inneren und äußeren in jeder Beziehung einwandfrei zu unterhalten und zu erhalten (Ziff. 12 des Kaufvertrags).

Das Finanzamt stellte den Einheitswert für das Grundstück auf den 1. Januar 1953 mit 3.000.000 DM fest.

In den Vermögenserklärungen auf den 1. Januar 1956 und 1. Januar 1957 begehrte der Bf. für die Heimfallverpflichtung den Abzug eines Schuldpostens jeweils in Höhe von 1.500.000 DM.

Nach Rücksprache mit der Oberfinanzdirektion berücksichtigte das Finanzamt bei den endgültigen Veranlagungen zur Vermögensteuer die Heimfallverpflichtung zum 1. Januar 1956 mit 387.120 DM und zum 1. Januar 1957 mit 408.420 DM.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, der steuerliche Wert der Heimfallverpflichtung könne nicht höher sein als der Wert des Grundstücks selbst. Im Zeitpunkt des Heimfalles stimme daher der Wert der Heimfallverpflichtung mit dem Einheitswert des Grundstücks überein. Für die Stichtage vor dem Heimfall sei der Wert dieser Verpflichtung gemäß § 14 Abs. 3 BewG abzuzinsen. Den Wert der Heimfallverpflichtung errechnete das Finanzamt unter Anwendung der Hilfstafel 1 zu § 14 Abs. 3 BewG mit 12,904 % bzw. 13,614 % aus 3.000.000 DM (= Einheitswert des Grundstücks).

Die mit Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts eingelegte Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Die Vorinstanz führte im wesentlichen aus: Die Heimfallverpflichtung müsse als Sachschuld gemäß § 10 BewG grundsätzlich mit dem gemeinen Werte angesetzt werden. Dabei müsse man aber berücksichtigen, daß die Heimfallast nicht vom Grundstück getrennt werden könne. Es sei nicht denkbar, daß diese Last ohne gleichzeitige übernahme des Grundstücks übernommen werden könnte. Ihr Wert würde den Wert eines evtl. erzielbaren Kaufpreises mindern. Ginge man davon aus, daß das Grundstück zum gemeinen Wert veräußert würde, so wäre die Heimfallast nach einem entsprechenden Anteil des erzielbaren Kaufpreises zu berechnen. Da aber bei der Veranlagung zur Vermögensteuer Grundstücke mit dem Einheitswert anzusetzen seien, müsse das gleiche für die auf dem Grundstück verwertungsmäßig lastende rechtlich untrennbare Heimfallast gelten. Der gegenteiligen Ansicht des Reichsfinanzhofs im Urteil III 11/43 vom 30. März 1944 (RStBl 1944 S. 507) könne nicht gefolgt werden.

Zur Begründung der Rb. wird vorgetragen: Für die Einheitsbewertung von Grundstücken und für die Bewertung von Schulden und Forderungen gelten nicht die gleichen Wertbegriffe. Der Einheitswert für Grundstücke bestimme sich nach §§ 52 und 53 BewG, sei also eine Regelung, die im ersten Abschnitt der besonderen Bewertungsvorschriften des BewG zu finden sei; demgegenüber stehe die Regelung über die Bewertung von Schulden (ß 74 BewG) im zweiten Abschnitt der besonderen Bewertungsvorschriften des BewG. Dazu komme, daß in § 62 BewG für das Betriebsvermögen die zugehörigen Schulden genannt seien, bei den Grundstücken jedoch nicht. Daraus sei zu folgern, daß die Schulden nach den allgemeinen Vorschriften, also mit dem gemeinen Wert des § 10 BewG, anzusetzen seien. Die Heimfallverpflichtung richte sich demgemäß nach dem gemeinen Wert des Grundstücks einschließlich der Gebäude. Die Heimfallverpflichtung sei eine selbständig bewertbare Verbindlichkeit ohne materiell-rechtliche oder formell-rechtliche Bindung an den Einheitswert des Grundstücks. Dies entspreche auch dem bewertungsrechtlichen Grundsatz der Einzelbewertung.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur erneuten Entscheidung.

Zu Recht hat die Vorinstanz die Verpflichtung des Bf. auf die übertragung des Eigentums am Grundstück nicht als Kapitalschuld im Sinne von § 14 Abs. 1 BewG, sondern als Sachleistungsschuld angesehen. Als Sachleistungsschuld muß der Bewertung der Verpflichtung des Bf. auf die übertragung des Grundstückseigentums daher nach § 10 BewG der gemeine Wert zugrunde gelegt werden. Der Senat hat bereits zu der Frage der Bewertung einer solchen Verpflichtung Stellung genommen (Hinweis auf das Urteil III 288/60 U vom 24. August 1962, BStBl 1962 III S. 526, Slg. Bd. 75 S. 715). Hiernach erfolgt die Bewertung des Anspruchs auf übertragung eines Grundstücks nach anderen Bestimmungen als die Bewertung des Grundstücks selbst. Während dieses nach den Vorschriften der §§ 20 ff. und 50 ff. BewG mit einem steuerlichen Einheitswert bewertet wird, bei dessen Feststellung die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen sind (ß 3 a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz), ist bei dem Sachleistungsanspruch von dem auf den jeweiligen Stichtag zu ermittelnden gemeinen Werte auszugehen. Die sich durch die wertmäßige Rückbeziehung auf den 1. Januar 1935 regelmäßig ergebende erhebliche Differenz zwischen dem steuerlichen Einheitswert und dem wirklichen Verkehrswert der Grundstücke ist so augenscheinlich, daß diesem Umstand auch bei der Bewertung des Sachleistungsanspruchs Rechnung getragen werden muß. Das Interesse des Inhabers des Sachleistungsanspruchs auf übereignung eines Grundstücks richtet sich auf den wirklichen Wert des Grundstücks, nicht auf dessen steuerlichen Einheitswert. Daraus folgt, daß auch bei der Ermittlung des gemeinen Wertes eines solchen Sachleistungsanspruchs von dem wirklichen Grundstückswerte am Stichtage, nicht aber von dessen steuerlichem Einheitswert auszugehen ist. An diesen bereits in der vorgenannten Entscheidung III 288/60 U gemachten Ausführungen hält der Senat fest (vgl. auch die Entscheidung des erkennenden Senats III 78/60 vom 30. Juli 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 58).

Das Finanzgericht ging bei seiner Entscheidung offenbar von der früheren Rechtsprechung des Senats aus, wonach der Wert eines Nutzungsrechts bewertungsrechtlich nicht höher festzusetzen war, als der Wert des Grundstücks, das der Nutznießung unterliegt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 43/42 vom 19. März 1942, RStBl 1942 S. 542; Urteil des Bundesfinanzhofs III 181/53 U vom 28. August 1954, BStBl 1954 III S. 330, Slg. Bd. 59 S. 309). Diese Rechtsprechung hat der Senat mit der Entscheidung III 406/58 S vom 17. Mai 1963 (BStBl 1963 III S. 530, Slg. Bd. 77 S. 571) aufgegeben. Hiernach kann aus dem BewG in der an den Stichtagen gültigen Fassung ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, daß für ein Nutzungsrecht an einem Vermögensgegenstand kein höherer Wert anzusetzen sei, als für den steuerlichen Wert des Gegenstands selbst, nicht abgeleitet werden. Auch hieran hält der Senat fest.

Es mag sein, daß das Grundstück nicht ohne gleichzeitige übernahme der Heimfallast übertragen werden könnte. Das ist aber für die Bewertung des Grundstücks und der Heimfallast ohne Belang. Das Heimfallrecht bezieht sich nur darauf, wer ab einem bestimmten Zeitpunkt Eigentümer des Grundstücks sein wird. Davon abhängig ist aber die Frage, welcher Wert dem Recht bzw. der Pflicht auf übertragung des Eigentums am Grundstück beizumessen ist. Als Ausgangspunkt für die Bewertung dieses Rechtes bzw. Verpflichtung ist nach der o. a. Entscheidung III 288/60 U von dem wirklichen Grundstückswerte auszugehen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß der Bf. zur übertragung des Grundstücks erst in 1994 verpflichtet ist. Es muß deshalb für die Bewertung dieser Verpflichtung vom mutmaßlichen Endwert des Grundstücks am 1. April 1994, dem maßgeblichen Zeitpunkte, ausgegangen werden. Dieser Endwert kann aber im Streitfalle nicht voll, sondern nur insoweit berücksichtigt werden, als er den Bf. an den Stichtagen 1. Januar 1956 und 1. Januar 1957 belastet. Für die Ermittlung dieses Wertes an den Stichtagen hat der Reichsfinanzhof in der vorgenannten Entscheidung III 11/43 vom 30. März 1944 (a. a. O.) zwei Möglichkeiten aufgezeigt. Danach kann an den einzelnen Stichtagen der Wert der Heimfallverpflichtung entweder in der Weise errechnet werden, daß der Wert der Verpflichtung vom Zeitpunkt der Herstellung des Gebäudes (1939) bis zur übertragung an die frühere Eigentümerin (1994) etwa gleichmäßig von 0 v. H. bis 100 v. H. ansteigt. Dabei ist als Endwert anzusehen der um die Absetzung für Abnutzung (AfA) und ein gewisses Risiko gekürzte Anschaffungs- oder Herstellungswert der Gebäude, also der Aufwand, den die Wiederbeschaffung seinerzeit erfordern würde. Dieser Endwert wird zur Berechnung der jährlichen Aktivierung durch die Zahl der Pachtjahre (nicht der restlichen Pachtjahre) geteilt. Die andere Möglichkeit ist, die Bewertung unter Berücksichtigung der Rentenformel (ß 14 Abs. 3 BewG) durchzuführen

Der Senat ist der Auffassung, daß diese vom Reichsfinanzhof vorgeschlagene Schätzungsmethode nicht unverändert übernommen werden kann. Sie setzt eine gleichbleibende Entwicklung der Wertverhältnisse und des Grundstücksmarktes voraus, die zwar zur Zeit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs bestanden haben mag, jetzt aber nicht mehr besteht. Es ist deshalb nicht möglich, die Entwicklung der Wertverhältnisse bis zum Heimfallstichtag auch nur annähernd zu übersehen und durch einen Risikoab- oder Risikozuschlag zu erfassen. Es bleibt bei dieser Sachlage nach Ansicht des Senats nichts anderes übrig, als den normalen Herstellungswert der Baulichkeiten an jedem Vermögensteuerveranlagungszeitpunkt nach dem jeweils vorliegenden Gebäudebestand und den jeweiligen Wertverhältnissen, also unter Berücksichtigung der an diesen Stichtagen maßgebenden Bauindizes, zu schätzen. Von diesem Herstellungswert ist der Endwert unter Kürzung um die AfA bis zum Heimfallstichtag zu berechnen, wobei auch die restliche Lebensdauer der Gebäude an jedem Stichtag zu schätzen ist. Diese an den einzelnen Stichtagen zu ermittelnde restliche Lebensdauer der Gebäude ist dann der AfA-Berechnung zugrunde zu legen. Der als Schuld abzusetzende Betrag ergibt sich durch Berücksichtigung der Rentenformel (ß 14 Abs. 3 BewG) auf den so errechneten Endwert.

Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen. Das Finanzgericht hat nunmehr unter Anwendung der vorstehend entwickelten Schätzungsmethode die an den Stichtagen beim Bf. als Schuld zu berücksichtigenden Beträge für die Heimfallverpflichtung festzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411381

BStBl III 1964, 638

BFHE 1965, 454

BFHE 80, 454

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