Leitsatz (amtlich)

Wenn die EVSt-Getr nach den ErstVOGetr 1963 und 1964 sowie der ErstVOGetrReis antragsgemäß für die Ausfuhr von Getreide oder Getreideerzeugnissen nach einem dritten Land eine Erstattung in der Form der Genehmigung abschöpfungsfreier Einfuhr von Getreide zugesagt und gewährt hat, aber die Ware nach einem Mitgliedstaat ausgeführt wurde und deshalb die EVSt-Getr zum Widerruf der gewährten Erstattung berechtigt ist, hat der Ausführer keine Anspruch, durch eine Beschränkung des Widerrufs so gestellt zu werden, als ob ihm die für die Ausfuhr nach dem Mitgliedstaat in Betracht kommende Barerstattung zugesagt und gewährt worden wäre Insofern gibt der Senat seine entgegenstehende Auffassung in den Urteilen vom 8. November 1972 VII R 98/68 (BFHE 107, 482) und vom 13. Dezember 1972 VII R 22/70 (BFHE 108, 80) auf.

 

Normenkette

ErstVOGetr 1963; ErstVOGetr 1964; ErstVOGetrReis §§ 4, 6 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) führte in den Jahren 1964 bis 1966 insgesamt 147 Schiffsladungen mit Getreideerzeugnissen aus die nach seinen Angaben für Käufer in England bestimmt waren. Für die Ausfuhren beanspruchte er von der Beklagten und Revisionsbeklagten, der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel (EVSt-Getr), die Gewährung der in § 4 Abs. 2 der Erstattungsverordnung Getreide 1963 vom 30. Juli 1963 – ErstVOGetr 1963 – (Bundesgesetzblatt I 1963 S. 543 – BGBl I 1963, 543 – BZBl 1963, 672), der Erstattungsverordnung Getreide 1964 vom 5. August 1964 – ErstVOGetr 1964 – (BGBl I 1964, 578, BZBl 1964, 709) und Erstattungsverordnung Getreide und Reis vom 24. November 1964 – ErstVOGetrReis – (BGBl 1964, 917, BZBl 1965, 2), geändert durch die Verordnung vom 19. März 1965 (Bundesanzeiger – BAnz – Nr. 55 vom 20. März 1965, BZBl 1965, 278), die Verordnung vom 19. August 1965 (BAnz Nr. 156 vom 21. August 1965), die Verordnung vom 26. August 1965 (BAnz Nr. 161 vom 28. August 1965), die Verordnung vom 8. Dezember 1965 (BAnz Nr. 233 von 11. Dezember 1965) und die Verordnung vom 3. Februar 1966 (BAnz Nr. 25 vom 5. Februar 1966), vorgesehenen Drittlanderstattung in der Form der Genehmigung abschöpfungsfreier Einfuhr. Die EVSt-Getr erließ in den Jahren 1966 und 1967 gegen den Kläger Bescheide, mit denen sie Erstattungsanträge ablehnte und bereits gewährte Erstattungen widerriet.

Für die im gegenwärtigen Fall zu behandelnde Ausfuhr von 115 Schiffsladungen hatte die EVSt-Getr dem Kläger antragsgemäß Zusagen auf Drittlanderstattung erteilt und diese Erstattung gewährt. Durch zwei Bescheide vom 1. Dezember 1966 und einen weiteren Bescheid vom 4. Dezember 1967 widerrief sie die Erstattung. Zur Begründung führte sie aus, die Ware sei entgegen den Erstattungszusagen und den Angaben des Klägers in den Ausfuhrbescheinigungen nicht nach England ausgeführt, sondern nach Holland und Belgien verbracht worden. Bei 11 Schiffsladungen beanstandete sie auch die Zusammensetzung der Ware.

Mit den gegen diese Bescheide erhobenen Klagen machte der Kläger geltend:

Er habe die Getreideerzeugnisse in Antwerpen bzw. Rotterdam an englische Firmen verkauft. Dabei seien für die Firma W. deren Einkaufsmakler Sch., Inhaber der Firma A. in Antwerpen, und für die Firmen P. und G. deren Einkaufsmakler L. in Antwerpen aufgetreten. Es habe sich um echte Kaufverträge gehandelt, zu deren Abschluß er selbst seinen Makler in Hamburg eingeschaltet habe. Dieser habe auf seine Weisung hin jeweils die Vereinbarung in die Vertrage aufgenommen daß die Ware nicht nach EWG-Staaten reexportiert werden dürfe Diese Vereinbarung hätten die Einkaufsmakler der englischen Firmen bestätigt. Bei den Exporten habe er keine Warenbescheinigung nach dem Muster D. D. 4 vorgelegt. Daß die von ihm exportierte Ware in Belgien bzw. Holland verblieben sei, sei weder erwiesen noch ihm bekannt. Zumindest habe er den Verbleib in EWG-Ländern nicht veranlaßt. Weil aber England das Land sei, für das die Ware nach seiner Kenntnis bestimmt gewesen sei, müsse England als Verbrauchsland gelten. Damit aber stehe ihm die Drittlandserstattung zu.

Das FG wies die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen ab und führte aus: Aus den Erstattungsverordnungen Getreide 1963 und 1964 und aus der Erstattungsverordnung Getreide und Reis ergebe sich übereinstimmend, daß bei der Ausfuhr erkennbar sein müsse, ob die Ware nach einem EWG-Mitgliedstaat oder nach einem Drittland gelangen solle. Wenn demnach die Zielrichtung maßgebend sei, dann besage das in aller Regel, daß die Ware für dieses Zielland bestimmt sein müsse, daß sie also in den Wirtschaftskreislauf des Ziellandes eintreten solle. Die Auffassung der EVSt-Getr, Drittlanderstattung dürfe nur gewährt werden, wenn die Ware im Wirtschaftsgebiet eines Drittlandes zum freien Verkehr abgefertigt worden sei, sei unzutreffend.

Der Kläger habe als Verbrauchsland für die Ausfuhrsendungen England angegeben, wie sich aus den Ausfuhrbescheinigungen ergebe Nach der Ausfuhr aus dem Bundesgebiet seien die Waren – teils nach Umschlag in andere Schiffe – jeweils an den Ort gelangt, an den der Kläger sie cif zu liefern gehabt habe, was von ihm nicht mehr bestritten werde. Das ergebe sich aber auch aus den vorliegenden ausländischen Zollunterlagen. Auch wenn diese Zollpapiere in der Landessprache gedruckt und ausgefüllt seien, bestünden für das FG keine Zweifel an der Bedeutung und an ihrem Inhalt. Das FG bezweifle nicht, daß die Ware, die in Deutschland verschifft worden sei mit der Ware identisch sei, die im cif-Bestimmungshafen angekommen sei. Es erachte es nicht für möglich, daß die Ladungen auf dem Schiffsweg durch Holland vertauscht worden seien. Der unterschiedlichen Bezeichnung in den ausländischen Zollpapieren gegenüber den inländischen könne keine Beweiskraft zukommen, nachdem schon der Kläger selbst die Waren unterschiedlich bezeichnet habe. Die vom Kläger cif EWG-Bestimmungshäfen gelieferten Waren seien nicht nach England gelangt, sondern mit Ausnahme von drei Schiffsladungen (MS A., N. und J.) in Belgien einer abschließenden Zollbehandlung zugeführt worden.

Die Schiffsladungen seien in aller Regel in Belgien zum freien Verkehr oder zu einem zollrechtlich freien Be- bzw. Verarbeitungsverkehr abgefertigt worden, wie sich aus den vorliegenden Zollpapieren ergebe. Der Kläger habe von vornherein die Getreideerzeugnisse in den EWG-Raum liefern wollen unter der falschen Angabe, es handele sich um Ausfuhren nach England. Das ergebe sich aus den Aussagen mehrerer Zeugen und aus sonstigen Beweismitteln.

Nach dem Gesamtbild der Umstände, den vorliegenden Unterlagen und den Zeugenaussagen sei das Gericht davon überzeugt, daß der Kläger zu keiner Zeit beabsichtigt habe, die Getreideerzeugnisse nach England zu liefern, sondern daß er im Zusammenwirken mit den Maklerfirmen A. und L. einen Weg gesucht und gefunden habe, Export nach England zu erklären, die Waren aber gleichwohl im EWG-Raum zu belassen. Damit stehe zwangsläufig fest, daß England niemals Verbrauchsland für die Waren gewesen sei, denn die vom Kläger exportierten Getreideerzeugnisse hätten dort zu keiner Zeit gebraucht, verbraucht, bearbeitet oder verarbeitet werden sollen. Der Kläger hätte deswegen England nicht als Verbrauchsland nennen dürfen. Andererseits habe er gewußt, wohin die Ware tatsächlich habe gehen sollen; er habe deswegen bewußt ein unzutreffendes Verbrauchsland angegeben.

Das gelte auch für die Ladungen der drei Schiffe (MS A., N. und J.) Sie seien von Rotterdam aus nach Dänemark weitergeliefert worden. Der Kläger habe bei dem Export dieser drei Schiffsladungen noch nicht gewußt, daß die Ware nach Dänemark gelangen würde. Auch bei diesen Sendungen habe er angegeben, Käuferin sei die englische Firma P. und Verbrauchsland sei England. Die Ware sei zunächst bis Rotterdam gelangt und von dort nach einer Lagerung von mehreren Monaten in Richtung Dänemark verschifft worden. Für das anhängige Verfahren sei die nachträgliche Weiterleitung der Ware nach Dänemark schon deswegen ohne Bedeutung, weil das Verbrauchsland zum Exportzeitpunkt maßgebend sei und nicht etwa ein Land, in das die Ware erst Monate später umgeleitet werde.

Im Streitfalle bedürfe es keiner Klärung, auf welche rechtliche Grundlage der Widerruf der gewährten Erstattung gestützt werde, weil die Voraussetzungen eines Widerrufs selbst dann vorlägen, wenn § 96 AO in Betracht komme, der die strengsten Anforderungen stelle. Der Kläger habe wider besseres Wissen erklärt, die Waren gingen nach England als Verbrauchsland.

Der Befugnis zum Widerruf stehe die Kenntnis der EVSt-Getr nicht entgegen, daß der Kläger die Getreideerzeugnisse cif Rotterdam bzw. cif Antwerpen geliefert habe. Der Kläger könne sich insoweit nicht auf Treu und Glauben berufen. Er habe zwar seinen Erstattungsanträgen neben den Ausfuhrbescheinigungen mit der Erklärung, Verbrauchsland sei England, zum Teil weitere Unterlagen beigefügt, nach denen die vorgenannten EWG-Häfen Empfangsort oder dort ansässige Firmen Empfänger gewesen seien. Diese Kenntnis der EVSt-Getr könne aber die Rückforderung der Erstattung nicht ausschließen.

Das Recht zum Widerruf sei nicht verjährt, auch soweit in dem Bescheid vom 4. Dezember 1967 Exporte aus den Jahren 1964 und 1965 angesprochen seien. Es bedürfe nicht einer Entscheidung der Frage, binnen welcher Frist das Widerrufsrecht der EVSt-Getr verjähre. Denn selbst dann, wenn die Frist nur ein Jahr betragen sollte, wäre im Streitfalle keine Verjährung eingetreten. Diese Frist sei nämlich bereits im Jahre 1965 durch Handlungen i. S. von § 147 Abs. 1 AO unterbrochen worden.

Mit der Revision beantragte der Kläger, unter Änderung der Vorentscheidung die Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 1968, die beiden Widerrufsbescheide vom 1. Dezember 1966 und den Widerrufsbescheid vom 4. Dezember 1967 aufzuheben, hilfsweise, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einem anderen Senat des FG zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat nur zum Teil Erfolg.

Dem FG ist bei der Auslegung des Begriffs der „Ausfuhr nach dritten Ländern” ein Rechtsirrtum unterlaufen.

1. Die dem Kläger für Ausfuhren nach England, also nach einem dritten Land, von der EVSt-Getr gewährten Erstattungen in Form der Genehmigung der abschöpfungsfreien Einfuhr beruhen auf § 4 Abs. 2 dieser Erstattungsverordnungen.

Der Begriff „Ausfuhr nach dritten Ländern” i. S. des Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 19/62 – VO (EWG) 19/62 – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1962 S. 933 – ABlEG 1962, 933 –) setzte zumindest voraus, daß die Ware in einem Drittland in den freien Verkehr übergeführt worden war oder werden würde (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EGH – vom 27. Oktober 1971 Rs. 6/71, EGHE 1971, 823, BZBl 1971, 1502). Nach § 1 Abs. 2 ErstVOGetr 1964 und ErstVOGetrReis liegt eine Ausfuhr nach dritten Ländern vor, wenn das Verbrauchsland ein drittes Land ist, wobei sich der Begriff des Verbrauchslandes nach den Vorschriften über die Statistik des grenzüberschreitenden Warenverkehrs bestimmt. Die Bestimmung des § 10 Abs. 6 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Statistik des grenzüberschreitenden Warenverkehrs (AHStatDV) i. d. F. vom 13. Januar 1964 (BGBl I 1964, 9), nach der Verbrauchsland das Land ist, in dem die Waren gebraucht oder verbraucht, be- oder verarbeitet wurden, macht daher die Gewährung der Erstattung von einer über die geforderte Überführung der Ware in den freien Verkehr zum Teil hinausgehenden Voraussetzung abhängig. Hierzu war die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) befugt, wie der EGH in der oben erwähnten Rs. 6/71 festgestellt hat (vgl. auch die Urteile des erkennenden Senats vom 9. Mai 1972 VII R 22/69, BFHE 106, 150 und vom 13. Dezember 1972 VII R 22/70, BFHE 108, 80, und das Urteil des EGH vom 12. Februar 1974 Rs. 146/73, EGHE 1974, 139 [149]).

2. Damit steht die Ansicht des FG, es genüge für die Ausfuhr nach dritten Ländern, daß ein Drittland Ziel der Ausfuhr sei und die Ware in den Wirtschaftskreislauf eines solchen Ziellandes habe eintreten sollen, nicht in Einklang. Dennoch ist das angefochtene Urteil hinsichtlich des weitaus überwiegenden Teils der Schiffsladungen im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Das FG hat festgestellt, die Waren seien mit Ausnahme der mit den Schiffen A., N. und J. ausgeführten Ladungen in Belgien einer abschließenden Zollbehandlung zugeführt worden. Das schließt die Feststellung ein, daß die Waren insoweit nicht in England verbraucht oder gebraucht, be- oder verarbeitet worden sind. Der Kläger bestreitet allerdings, daß die Waren, hinsichtlich deren das FG festgestellt hat, sie seien in Belgien verblieben (und also nicht in das Drittland England im geschilderten Sinne ausgeführt worden), mit den von ihm ausgeführten und cif Antwerpen oder Rotterdam ausgelieferten Waren identisch seien. Er rügt insoweit, das FG habe den objektiven Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt.

Die Rüge ist nur hinsichtlich eines (kleineren) Teils der Schiffsladungen begründet. Im übrigen sind die Feststellungen des FG nicht zu beanstanden. (Wird ausgeführt.)

3. Der Widerruf der Erstattungen hinsichtlich der übrigen Schiffe war zulässig. Die Frage, ob eine bereits gewährte Erstattung widerrufen werden kann, ist nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zu entscheiden (vgl. das Urteil des Senats vom 8. Mai 1970 VII R 52/67, BFHE 99, 281, HFR 1970, 428). Diese stellen für die Berechtigung der Behörde zum Widerruf eines solchen begünstigenden Verwaltungsaktes im Einzelfall darauf ab, ob das öffentliche Interesse an der Beseitigung des Verwaltungsaktes gegenüber dem schutzwürdigen Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung überwiegt. Gegenüber einem danach an sich zulässigen Widerruf kann sich der Begünstigte u. U. auf sein Vertrauen in den Bestand des Verwaltungsaktes berufen. Ein solcher Vertrauensschutz scheidet jedoch in der Regel dann aus, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt auf der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Begünstigten beruht und diesen ein, wenn auch nur leichtes Verschulden daran trifft. Das gleiche gilt aber, wenn die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes durch Umstände verursacht worden ist, die im „Verantwortungsbereich” des Begünstigten liegen. Der Kläger hat selbst vorgetragen, es sei ihm nicht der Beweis gelungen, daß die Ware in ein Drittland weiter ausgeführt worden sei.

Haben demnach die Voraussetzungen dafür, daß eine Ausfuhrerstattung überhaupt oder in der festgesetzten Höhe zu gewähren war, nicht vorgelegen, so ist mit ihrer Rückforderung in erster Linie ein ungerechtfertigter Wettbewerbs- oder Marktvorteil des einzelnen gegenüber den übrigen Marktteilnehmern zu beseitigen. Das öffentliche Interesse daran, daß das geschieht und somit Erstattungen auch wirklich nur in den Fällen gewährt werden, für die sie vorgesehen sind, überwiegt in der Regel das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung der zugesagten Erstattung. Daher ist eine gewährte Erstattung grundsätzlich widerruflich. Dem Widerruf steht Insbesondere das zu schützende Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des Verwaltungsaktes dann nicht entgegen, wenn der Erstattungsempfänger unrichtige oder unvollständige Angaben z. B. über das Land gemacht hat, in das die betreffende Ware ausgeführt werden sollte. Denn wer eine unrechtmäßige Erstattung erwirkt, kann nicht verlangen, daß ihm diese auch zu Unrecht verbleibt. Selbst wenn die Angaben über das Verbrauchsland zunächst nach der Kenntnis des Ausführers richtig waren und sich erst später eine Veränderung der Bestimmung der Ware ergab, kann ein Vertrauensschutz entfallen. Dies kommt dann in Betracht, wenn die Abnehmer des Erstattungsempfängers mit der Ware anders verfuhren, als es die Gewährung der Erstattung voraussetzte (vgl. das Urteil des Senats VII R 22/69).

Im vorliegenden Falle hatte der Kläger keinen Anspruch auf den Schutz seines Vertrauens in den Bestand der gewährten Erstattungen. Es kann dahinstehen, ob er zur Erlangung der Erstattungen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht und insbesondere die Erklärung, Verbrauchsland sei England, wider besseres Wissen abgegeben hatte. Denn er hat es zu vertreten, daß die Ware entgegen dieser Erklärung nicht nach England gelangt ist. Der Verbleib der Ware nach ihrer Ausfuhr fiel nach den gegebenen Umständen in den Verantwortungsbereich des Klägers. Dieser hatte nach eigenem Vortrag die Ware den englischen Firmen mit der Klausel cif Antwerpen bzw. cif Rotterdam und mit der Vereinbarung verkauft, sie dürfe nicht in den EWG-Raum reexportiert werden. Durch diese Gestaltung des Kaufvertrags hatte er selbst die Gefahr heraufbeschworen, daß die Ware entgegen dem Sinn des vereinbarten Reexportverbotes in den cif-Bestimmungshäfen des EWG-Raumes verblieb. Es war ihm daher zuzumuten, auf Grund seiner vertraglichen Rechte gegenüber den englischen Firmen dafür zu sorgen, daß die Ware über Antwerpen bzw. Rotterdam hinaus auch tatsächlich nach England gelangte. Der durch die Vereinbarung von cif-Bestimmungshäfen des EWG-Raumes begründeten Verantwortung dafür, daß die Ware nicht im EWG-Raum verblieb, kann er sich nicht mit dem Argument entziehen, er habe einen solchen Verbleib der Ware nicht veranlaßt. Es genügt, daß der Kläger durch die erwähnte Vereinbarung zu einem solchen Verbleib beigetragen hat.

4. Der Widerruf ist auch nicht etwa aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben unzulässig. Der Kläger trägt insoweit vor, nach den Feststellungen des FG sei der EVSt-Getr bekannt gewesen, daß die Ware cif Rotterdam bzw. cif Antwerpen verkauft und ausgeliefert worden sei. Die EVSt-Getr habe also gewußt, daß er das weitere Schicksal der Ware nicht habe verfolgen können. Gleichwohl habe ihm die EVSt-Getr jahrelang die beantragte Erstattung gewährt. Dadurch habe sie in ihm die Überzeugung begründet und verstärkt, daß es nicht notwendig sei, das weitere Schicksal der Ware zu überwachen, zumal die geltenden Bestimmungen eine solche Überwachung nicht vorsähen. Aus dem Verhalten der EVSt-Getr habe er die Überzeugung gewinnen müssen und können, daß ein Verkauf der Exportware an in Drittländer ansässige Firmen sowie eine Ausfuhr ohne Ausstellung einer Warenverkehrsbescheinigung der EWG genügt habe, um den Anspruch auf Drittlanderstattung zu begründen. In diesem Glauben habe er die ihm erteilten Genehmigungen zur abschöpfungsfreien Einfuhr ausgenutzt. Die Erteilung der Genehmigungen abschöpfungsfreier Einfuhr stelle einen begünstigenden Verwaltungsakt dar. Diesen habe die EVSt-Getr nach Treu und Glauben nicht mit einer Begründung widerrufen dürfen, die ihrer eigenen jahrelangen Handhabung bei der Gewährung von Drittlanderstattungen zuwidergelaufen sei.

Der Kläger kann sich gegenüber dem Widerruf der Erstattung nicht auf Treu und Glauben berufen. Aus der Vereinbarung von cif-Bestimmungshäfen des EWG-Raumes brauchte die EVSt-Getr nicht den Schluß zu ziehen, der Kläger habe das weitere Schicksal der Ware nicht verfolgen können. Das durfte der Kläger auch nicht annehmen, da er mit den englischen Firmen vereinbart hatte, die Ware dürfe nicht in den EWG-Raum reexportiert werden, und er demnach gegenüber den englischen Firmen einen Anspruch hatte, sich zu vergewissern, daß die Ware nicht im EWG-Raum verblieb. Der Kläger hatte somit auch keinen Anlaß, aus dem Verhalten der EVSt-Getr zu schließen, für einen Anspruch auf Drittlanderstattung genüge es, die Ware an eine im Drittland ansässige Firma zu verkaufen und ohne die für eine Ausfuhr nach einem Mitgliedstaat übliche Warenverkehrsbescheinigung auszuführen. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob der Kläger die Genehmigungen zur abschöpfungsfreien Einfuhr in einem solchen Glauben ausgenutzt hat.

5. Das Recht der EVSt-Getr, die Erstattungszusage zu widerrufen, ist auch nicht hinsichtlich eines Teils der Lieferungen wegen Verjährung der Abschöpfungsnachforderungen erloschen.

Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die Frage, ob die Forderung auf Nacherhebung der Abschöpfung nach vorausgegangenem Widerruf der Zusage der Erstattung in Form der abschöpfungsfreien Einfuhr verjährt ist, sondern um die Frage, ob diese Erstattungszusage noch widerrufen werden kann. Es kann dahinstehen, ob ein solches Recht Gegenstand einer Verjährung ist. Denn auch wenn das der Fall sein sollte, könnte die Frage nach der Dauer der Verjährung nur nach allgemeinem Verwaltungsrecht, nicht nach dem Abgabenrecht beantwortet werden. Der Kläger weist selbst zutreffend darauf hin, daß das allgemeine Verwaltungsrecht keine Verjährungsfristen kennt. Er meint aber, das Recht der EVSt-Getr zum Widerruf der ihm erteilten Genehmigungen zur abschöpfungsfreien Einfuhr von Getreide erlösche mit der Verjährung der für diese Einfuhr in Betracht kommenden Abschöpfungsforderungen, weil ein Recht auf Widerruf nicht mehr geltend gemacht werden könne, wenn der Widerruf keine Folgen mehr haben könne. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Kläger insoweit gefolgt werden könnte. Denn es steht nicht fest, ob die Abschöpfungsforderungen verjährt sind (vgl. hierzu die Beschlüsse des Senats vom 20. April 1971 VII B 15/70, BFHE 102, 1, und vom 29. August 1972 VII B 113/71, BFHE 107, 83), insbesondere auch wegen der nicht von der Hand zu weisenden Möglichkeit einer Abgabenhinterziehung und der damit evtl. eingetretenen Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre (§ 2 des Abschöpfungserhebungsgesetzes – AbG –, § 144 Abs. 1 AO), und diese Frage kann auch in diesem Verfahren, in dem es um den Widerruf der Erstattungszusage geht, nicht entschieden werden (vgl. den Beschluß VII B 15/70).

6. Dem Kläger steht auch keine der Höhe nach geringere Mitgliedslanderstattung anstelle der höheren Drittlanderstattung zu. Der Kläger meint insoweit, der Widerruf einer Erstattungszusage könne nur insoweit rechtmäßig sein, als die Erstattung dem Exporteur der Höhe nach nicht zugestanden habe. Habe also dieser die Ware nicht in das von ihm angegebene Drittland, sondern in einen EWG-Mitgliedstaat ausgeführt, und sei für eine solche Ausfuhr nach den Rechtsvorschriften eine geringere Erstattung vorgesehen, so sei der Widerruf nur in Höhe des Betrages gerechtfertigt, der diese geringere Erstattung übersteige. Der Umstand, daß dem Exporteur eine Erstattung für die Ausfuhr in den EWG-Mitgliedstaat nicht erteilt worden sei, könne den Erstattungsanspruch nicht dem Grunde nach beseitigen. Da der Widerruf keine Strafe sein solle, wäre ein anderes Ergebnis auch unbillig (vgl. die Urteile des Senats vom 8. November 1972 VII R 98/68, BFHE 107, 482, und vom 13. Dezember 1972 VII R 22/70, BFHE 108, 80). Es treffe zwar zu, daß nach allen Fassungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 ErstVOGetrReis eine Erstattung nur habe beantragen können, wer vor der Ausfuhr von der EVSt-Getr eine schriftliche Erstattungszusage erhalten habe, und daß diese Zusage materielle Voraussetzung des Erstattungsanspruchs gewesen sei (BFH-Urteil vom 13. Januar 1970 VII R 74/67, BFHE 98, 105, BStBl II 1970, 255). Im gegenwärtigen Fall gehe es aber nicht um die Voraussetzungen für den Antrag auf Erstattung, sondern um die Rechtsmäßigkeit des Widerrufs der von der EVSt-Getr bereits zugesagten und auch gewährten Erstattung.

Für den Fall, daß die ausgeführte Ware nicht in das vom Ausführer angegebene Drittland, sondern in ein anderes Drittland gelangt ist und für die Ausfuhr in dieses andere Drittland die Gewährung einer Erstattung rechtlich vorgesehen ist, hat der erkennende Senat in den vom Kläger erwähnten Urteilen VII R 98/68 und VII R 22/70 einen Widerruf der für die Ausfuhr in das angegebene Drittland gewährten Erstattung nur in der Höhe als gerechtfertigt angesehen, als die gewährte Erstattung die für die Ausfuhr nach dem anderen Drittland vorgesehene Erstattung übersteigt. An dieser Auffassung hält der Senat fest.

Der Senat hat aber auch ausgeführt, daß die Erstattung auch insoweit nicht widerrufen werden könne, als sie bei Ausfuhr in ein Mitgliedsland hätte gewährt werden müssen. Daran kann – jedenfalls soweit es sich um die Ausfuhr von Getreideerzeugnissen handelt – nicht festgehalten werden.

Bei Ausfuhr von Getreide in Drittländer wird die Erstattung in Form der Genehmigung zur abschöpfungsfreien Einfuhr gewährt (§ 4 Abs. 2 ErstVOGetr 1963 und 1964 sowie ErstVOGetrReis), bei der Einfuhr in Mitgliedsländer dagegen in Form der Barerstattung (§ 4 Abs. 1 ErstVOGetr 1963 und 1964 sowie ErstVOGetrReis).

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 ErstVOGetr 1963 und 1964 sowie ErstVOGetrReis kann – von hier nicht interessierenden Ausnahmefällen abgesehen – eine Erstattung nur beantragen, wer vor der Ausfuhr eine schriftliche Erstattungszusage von der EVSt-Getr erhalten hat. Diese Zusage ist nach dem Urteil des erkennenden Senats VII R 74/67 materielle Voraussetzung des Erstattungsanspruchs. Wer also eine Ware ausführt, ohne sich vorher eine schriftliche Erstattungszusage der EVSt-Getr verschafft zu haben, hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Erstattung für diese Ausfuhr. Die Form der Erstattung bei Drittlanderstattung einerseits und Mitgliedslanderstattung andererseits unterscheidet sich so grundlegend, daß die Zusage der Erstattung in der einen Form nicht auch als Zusage der Erstattung in der anderen Form aufrechterhalten werden kann, so daß derjenige, dem Barerstattung zugesagt war, nicht Erstattung in Form der abschöpfungsfreien Einfuhr, und derjenige, dem Erstattung in Form der abschöpfungsfreien Einfuhr zugesagt war, nicht Barerstattung verlangen kann.

Eine Erstattung käme also nur insoweit in Betracht, als eine Ausfuhr nach anderen Drittländern als England – in Betracht kämen hierfür die Ladungen der Schiffe A., N. und J. – nachgewiesen wäre. Insoweit fehlt es noch an den entsprechenden Feststellungen des FG, das – ausgehend von seiner anderen rechtlichen Auffassung – nur darauf abstellte, ob der Kläger Waren nach England liefern wollte, und deshalb nur feststellte, die genannten drei Schiffe seien nach Dänemark abgegangen, der Kläger habe auch insoweit nie die Absicht gehabt, die Waren nach England auszuführen. Es fehlt aber insoweit die die Nichtausfuhr in ein Drittland einschließende Feststellung des FG, die Waren seien in Belgien zum freien Verkehr abgefertigt worden. Auch insoweit muß deshalb das Urteil des FG aufgehoben werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514702

BFHE 1976, 211

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