Leitsatz (amtlich)

Die für Verkäufe im eigenen Laden aufgestellten Grundsätze (sog. Ladenrechtsprechung) sind auch auf Fälle anwendbar, in denen der Ladeninhaber nicht liefert, sondern wegen der Art des Betriebs seinen Kunden (Auftraggebern) gegenüber lediglich sonstige Leistungen erbringt.

 

Normenkette

UStG 1951 § 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GdbR, betreibt in gemieteten Geschäftsräumen eine chemische Reinigungsanstalt. In den Jahren 1959 und 1960 nahm sie außer den für das Kleiderbad oder die sonstige Reinigung im eigenen Betrieb vorgesehenen Textilien auch Kittel, Herrenhemden und Kragen zum Waschen und Plätten an. Die Steuerpflichtige führte diese Arbeiten nicht selbst aus, sondern ließ die angenommenen Stücke außerhalb ihres Betriebs waschen und plätten, und zwar bis Oktober 1959 von der Firma A, die sich ohne Angabe des Firmeninhabers und der Anschrift als "Oberhemden-Schnelldienst Kavalier" bezeichnete, und anschließend von der Firma B, die - ebenfalls ohne Nennung des Namens und des Betriebssitzes - als "Tip-Top-Oberhemden-Eildienst" auftrat. Den Auftraggebern der Steuerpflichtigen wurden bei der Abgabe von Oberhemden usw. zum Waschen und Plätten Zettel ausgehändigt, auf denen neben einer Kontrollnummer Art und Zahl der abgegebenen Stücke vermerkt waren und die den Aufdruck "Oberhemden-Schnelldienst Kavalier" bzw. "Tip-Top-Oberhemden-Eildienst" trugen. Eine für die Annahme und Ausgabe der Wäsche besonders gekennzeichnete Stelle mit eigenem Bedienungspersonal war in den Geschäftsräumen der Steuerpflichtigen nicht verhanden. Die gewaschenen und geplätteten Kittel, Hemden usw. wurden den Auftraggebern in einfarbigem Papier verpackt zurückgegeben, das mit einer etwa 5 cm breiten Banderole, bedruckt mit "Kavalier" bzw. später "Tip-Top", versehen war. Solange die Firma A die von der Steuerpflichtigen angenommenen Stücke gewaschen und geplättet hat, hing in dem Schaufenster ein beleuchtetes, 120x 30 cm großes Transparent mit der Aufschrift "Oberhemden-Schnelldienst Kavalier - Annahmestelle", später stand im Schaufenster ein 60x 50 cm großes Pappschild "Oberhemden-Kittel-Eildienst Tip-Top - Annahmestelle".

In den Steuererklärungen für 1959 und 1960 gab die Steuerpflichtige neben den Umsätzen aus ihrer chemischen Reinigung nur die von den Firmen A oder B als Provisionen vereinnahmten Entgelte an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erkannte nach einer Betriebsprüfung ein Agenturverhältnis zwischen der Steuerpflichtigen und den genannten Firmen nicht an und unterwarf die gesamten von den Kunden gezahlten Entgelte für Waschen und Plätten von Hemden usw. der Umsatzsteuer.

Einspruch und Berufung (jetzt Klage) blieben erfolglos.

Das FG ist unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung und das Schrifttum zu dem Ergebnis gekommen, daß die vom RFH und BFH aufgestellten Grundsätze über Verkäufe im eigenen Laden auch dann anzuwenden seien, wenn in den Ladenräumen ausschließlich Aufträge über sonstige Leistungen entgegengenommen werden. Auch in solchen Fällen müsse der Inhaber nach der sogenannten Ladenrechtsprechung jedem Kunden unmißverständlich kundtun, daß dieser nicht mit ihm, sondern durch seine Vermittlung mit den Wäschereien in unmittelbare Rechtsbeziehungen treten solle. An einer solchen Kenntlichmachung fehle es. Die Steuerpflichtige bezeichne sich nach der Aufschrift über ihrem Ladengeschäft nicht als "Chemische Reinigungsanstalt", sondern als "Reinigung X" (Familienname der Gesellschafter). Die Schilder im Ladenschaufenster, die Auftragsbestätigungen und auch die Verpackungsart der fertigen Wäsche, die Name und Anschrift des Vertragspartners nicht erkennen ließen, seien nicht geeignet gewesen, den Kunden eindeutig kenntlich zu machen, daß die Steuerpflichtige bei bestimmten Geschäften in fremdem Namen auftreten wollte.

Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige die Verletzung von Bundesrecht und beantragt, nur die von ihr erklärten Provisionen der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Zur Begründung macht sie geltend:

Die Grundsätze der sogenannten Ladenrechtsprechung des BFH, die in letzter Zeit erkennbar gelockert worden seien, dürften nicht in Fällen angewendet werden, in denen der Ladeninhaber ausschließlich Aufträge über sonstige Leistungen entgegennimmt. Die Vermittlung sonstiger Leistungen sei bei dieser Sachlage besonders zu würdigen und zu beurteilen. Dabei müßten die bürgerlichrechtlichen Abmachungen auch steuerrechtlich beachtet werden. Im übrigen seien durch die Bezeichnung als Annahmestelle auf deutlich sichtbaren Schildern, durch die Ausgabe von Auftragsbestätigungen und durch die um das Packpapier gelegten Banderolen Maßnahmen ergriffen worden, die dem Kunden die Vermittlung von Leistungen für fremde Rechnung deutlich gemacht hätten.

Das FA beantragt, das Rechtsmittel der Steuerpflichtigen als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

RFH und BFH haben in zahlreichen Urteilen die Auffassung vertreten, daß derjenige, der im eigenen Laden - dazu gehören auch gemietete Geschäftsräume - Waren des täglichen Bedarfs verkauft, umsatzsteuerrechtlich als Eigenhändler und nicht als Handelsvertreter (Vermittler, Agent) anzusehen ist. Vermittler kann der Ladeninhaber nur sein, wenn zwischen demjenigen, von dem er die Ware bezieht, und dem Käufer unmittelbare Rechtsbeziehungen zustande kommen. Der Kunde, der in einem Laden Waren des täglichen Bedarfs kauft, will grundsätzlich nur mit dem Ladeninhaber in Geschäftsbeziehungen treten. Ihm sind im Regelfall irgendwelche Vereinbarungen zwischen dem Ladeninhaber und einem anderen Unternehmer, daß es sich lediglich um eine Vermittlungstätigkeit handeln soll, nicht bekannt. Sie werden ihn im allgemeinen auch nicht interessieren. Auf das Innenverhältnis des Ladeninhabers zu seinem Vertragspartner, der Ware oder Leistungen zur Verfügung stellt, kommt es für die Frage, ob Eigenhandels- oder Vermittlungsgeschäfte vorliegen, nicht entscheidend an. Wesentlich ist das Außenverhältnis, d. h. das Auftreten des Ladeninhabers dem Kunden gegenüber. Wenn er in eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluß zu erkennen gibt, daß er in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, kann die Vermittlereigenschaft des Ladeninhabers umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden. An die Kenntlichmachung, daß es sich um eine vermittelnde Tätigkeit handelt, werden strenge Anforderungen gestellt. Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, daß das Umsatzsteuerrecht im Hinblick auf die Grundsätze der Klarheit und insbesondere der Gleichmäßigkeit der Besteuerung einen eindeutigen Nachweis der Betätigung als Vermittler erfordert. Es ist nämlich nicht entscheidend, ob handelsrechtlich eine Vermittlungstätigkeit des Ladeninhabers vereinbart war, wesentlich ist vielmehr, ob eine solche nach den tatsächlichen Gegebenheiten umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden kann (Urteil des BFH V 152/58 U vom 24. Mai 1960, BFH 71, 337, BStBl III 1960, 374).

Diese Rechtsprechung hat der erkennende Senat auch in einem Fall angewendet, in dem der Ladeninhaber als Eigenhändler Textilien im Einzelhandel verkaufte und Aufträge auf Strumpfausbesserungen für einen anderen Unternehmer vermittelte. Abschließend wurde dazu ausgeführt, daß die Rechtsprechung des BFH über Verkäufe im eigenen Laden auch bei der Vermittlung von sonstigen Leistungen zu beachten sei (Urteil des BFH V 89/56 U vom 11. Juli 1956, BFH 63, 167, BStBl III 1956, 260).

Es bestehen aufgrund der einleitenden Ausführungen rechtlich keine Bedenken, die für Verkäufe im eigenen Laden aufgestellten Grundsätze auch auf Fälle anzuwenden, in denen der Ladeninhaber nicht liefert, sondern wegen der Art des Betriebs seinen Kunden gegenüber z. B. durch Reinigen von Textilien ausschließlich sonstige Leistungen im eigenen Namen und für eigene Rechnung erbringt und darüber hinaus weitere sonstige Leistungen durch die Annahme von Oberhemden usw. zum Waschen und Plätten bewirkt. Wenn, wie vorstehend dargelegt, die Grundsätze der sogenannten Ladenrechtsprechung in dem vorliegenden Fall anwendbar sind, ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Steuerpflichtige bei der Annahme der Hemden, Kragen usw. zum Waschen und Plätten ihr Handeln in fremdem Namen den Auftraggebern in eindeutiger Weise kundgetan hat. Das FG hat dies mit eingehender und rechtlich zutreffender Begründung verneint.

Die auf tatsächlichem Gebiet liegenden Feststellungen der Vorinstanz, die von der Steuerpflichtigen ergriffenen Maßnahmen durch Aushang oder Aufstellen von Schildern im Schaufenster, Ausgabe von Auftragsbestätigungen und Verwendung von Banderolen um das Packpapier hätten nicht ausgereicht, jedem Kunden unmißverständlich die Agenteneigenschaft kundzutun, entsprechen dem Akteninhalt und sind nicht zu beanstanden. Das FG konnte diese Überzeugung gewinnen, weil weder die Schilder noch die Auftragsbestätigungen oder Banderolen über den Namen sowie die Anschrift der Wäscherei Aufschluß gaben und die gebrauchten Bezeichnungen "Kavalier" bzw. "Tip-Top" als schlagwortartige Werbetexte und nicht als Firmennamen von Waschanstalten angesehen werden konnten. Nach dem Urteil des Senats V 152/58 U vom 24. Mai 1960 (a. a. O.) ist in der Regel ein Unternehmer umsatzsteuerrechtlich u. a. nur dann als Agent anzuerkennen, wenn er den Namen und die Anschrift des Auftraggebers seinen Vertragspartnern mitteilt. Dies hat die Steuerpflichtige unterlassen, so daß der auf den Hinweisschildern im Schaufenster angebrachten Bezeichnung "Annahmestelle" ohne genaue Angaben, für wen die Wäsche angenommen wird, keine Bedeutung zukommt. In dieser Beziehung hat das FG auch mit Recht darauf hingewiesen, daß häufig abseits vom Verkehr gelegene Reinigungsbetriebe an anderer Stelle eigene Ladengeschäfte zur Annahme von Wäsche usw. unterhalten, die als Annahmestellen gekennzeichnet sind, der Kunde also aus dieser Bezeichnung nicht schließen kann, mit einem anderen als dem Ladeninhaber in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten. Der Umstand, daß die Firmen A und B, die ihren Betriebssitz in einer benachbarten Stadt haben, dort unter den nicht im Handelsregister eingetragenen Namen "Kavalier" und "Tip-Top" bekannt sind, ist nicht entscheidungserheblich, weil es auf die Verhältnisse am Ort der Betriebstätte der Steuerpflichtigen ankommt.

Entgegen der Meinung der Steuerpflichtigen ist die Vorinstanz davon ausgegangen, daß jeweils ein Schild im Fenster gehangen oder gestanden hat. Sie hat auch die Rechtsprechung des Senats im Urteil V 249/59 U vom 22. März 1962 (BFH 74, 621, BStBl III 1962, 229), ohne dieses ausdrücklich zu erwähnen, richtig angewendet. In dieser Entscheidung, die die sogenannte Ladenrechtsprechung nicht auflockert, wie die Steuerpflichtige meint, sondern einen der zahlreichen Fälle betrifft, in denen die Grundsätze über Verkäufe im eigenen Laden nicht anwendbar sind, wird ausgeführt, daß ein Unternehmer umsatzsteuerrechtlich dann Vermittler und nicht Eigenhändler ist, wenn er den Abnehmern gegenüber eindeutig erkennbar im Namen eines anderen Unternehmers auftritt. An diesen Voraussetzungen fehlt es nach den Feststellungen des FG im vorliegenden Fall.

Schließlich kann der Hinweis der Steuerpflichtigen auf die Urteile des BFH V 196/55 U vom 12. April 1956 (BFH 62, 457, BStBl III 1956, 169) und V 190/61 U vom 23. April 1964 (BFH 79, 319, BStBl III 1964, 347) eine andere Beurteilung des hier gegebenen Sachverhalts nicht rechtfertigen. In den genannten Entscheidungen ist mit eingehender Begründung dargelegt worden, daß die sogenannte Ladenrechtsprechung nicht auf Fälle auszudehnen ist, in denen der Unternehmer neben Lieferungen auf eigene Rechnung auch von ihm nicht ohne weiteres zu erwartende sonstige Leistungen für einen anderen Unternehmer vermittelt bzw. wenn er den Kunden das Handeln in fremdem Namen eindeutig erkennbar gemacht hat. Daß das letzte nicht geschehen ist, daß also die Steuerpflichtige ihre Agenteneigenschaft durch die Schilder, die ausgegebenen Annahmezettel und die Banderolen, die keine Namen und Anschriften enthielten, nicht allen Kunden unmißverständlich durch besondere und geeignete Vorkehrungen kundgetan hat, ist vorstehend bereits ausgeführt worden.

Aber auch die für einen Ausnahmefall im Urteil V 196/55 U vom 12. April 1956 (a. a. O.) geforderten Voraussetzungen, daß die Steuerpflichtige Leistungen vermittelt, die von ihr nicht ohne weiteres zu erwarten sind, liegen nicht vor. Sie unterhält nach der Aufschrift über ihren Geschäftsräumen, die die Straßenbenutzer über die Art ihres Gewerbebetriebs unterrichten soll, eine Reinigung. Von einem derart bezeichneten Betrieb kann der Kunde erwarten, daß Reinigungsleistungen aller Art im eigenen Namen und für eigene Rechnung erbracht werden, er muß sogar annehmen, daß nicht nur Anzüge, Mäntel usw., sondern auch Wäschestücke im eigenen Betrieb gereinigt werden (vgl. dazu Wauer in Deutsche Steuer-Rundschau 1956 S. 344 und in Steuer und Wirtschaft 1956 S. 595, 773).

Da ein enger Zusammenhang zwischen den von der Steuerpflichtigen erbrachten Reinigungsleistungen und den weiteren sonstigen Leistungen durch die Annahme von Kitteln, Oberhemden und Kragen besteht, ist nach den hier anzuwendenden Grundsätzen der sogenannten Ladenrechtsprechung die Versteuerung des vollen Entgelts gerechtfertigt.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 506

BFHE 1970, 564

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