Entscheidungsstichwort (Thema)

Handelsrecht Gesellschaftsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung der Frage, ob ein Steuerbetrag hinterzogen ist und deshalb die Verjährungsfrist zehn Jahre beträgt, ist auch im Steuerrecht bei der Beurteilung der strafrechtlichen Verschuldensfrage in Zweifelsfällen zugunsten des Steuerpflichtigen, also des vermeintlichen Täters, zu entscheiden.

Ein innerdienstlicher Aktenvermerk einer Finanzverwaltungsbehörde, der als solcher nicht nach außen zu wirken bestimmt ist, stellt keine zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Handlung des zuständigen Finanzamts im Sinne des § 147 Abs. 1 AO dar.

AO § 143, § 144, § 145, § 147, § 165 e Abs. 4, § 396 Abs. 1; niedersächsisches Gesetz über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952

 

Normenkette

AO §§ 143-145, 147, 165e, 396, 392; GrESWGBY 1/1; GrESWGBY 4; GrESWGBY 5

 

Tatbestand

Der Bf., ein Bauunternehmer, erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 24. März 1953 ein Trümmergrundstück in der Stadt X. für den Kaufpreis von 12.000 DM. Der Vertrag wurde am 15. April 1953 von der Wohnsiedlungsbehörde genehmigt. Der Bf. wurde am 2. Juni 1953 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Am 24. April 1953 gab der Bf. die Erklärung ab, daß er Grunderwerbsteuerfreiheit auf Grund des niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 in Anspruch nehme, und versicherte zugleich, daß er das Grundstück innerhalb von fünf Jahren zu dem steuerbegünstigten Zweck - gemeint war die Errichtung eines Gebäudes mit grundsteuerbegünstigten Wohnungen - verwenden werde.

Das Finanzamt stellte auf diesen Antrag den Erwerb des Grundstücks durch an den Bf. gerichteten Bescheid vom 2. Mai 1953 gemäß § 1 Ziff. 1 des genannten Gesetzes "zunächst grunderwerbsteuerfrei". In dem Bescheid heißt es weiter wörtlich: "Der Verwendungszweck wird ... überwacht und die Steuer nacherhoben, wenn das Grundstück nicht innerhalb von fünf Jahren zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet worden ist oder die Zweckbestimmung aufgegeben wird. ..."

Einen Hinweis auf die durch § 165 e Abs. 4 AO vorgeschriebene Anzeige enthielt der Bescheid nicht.

Die - unstreitige - Feststellung des Finanzgerichts hat ergeben, daß der Bf. das von ihm zu Wohnzwecken errichtete Gebäude nicht zu Wohnzwecken verwendet, sondern es bereits Ende des Jahres 1953 an die X.Y.-GmbH (und andere) zu Büro- und Geschäftszwecken vermietet hat. Eine Anzeige über die Nichtverwendung des Hauses zu Wohnzwecken an das Finanzamt erstattete der Bf. nicht.

In den Grunderwerbsteuer-Akten des Finanzamts befindet sich ein Vermerk eines Bearbeiters mit dem Datum des 25. November 1958, in dem es heißt: "... In dem Gebäude befindet sich eine Gastwirtschaft und Büroräume. - Nur reines Geschäftsgrundstück -."

Am 28. März 1960 erließ das Finanzamt den in diesem Rechtsmittelverfahren angefochtenen Steuerbescheid, in dem es 840 DM Grunderwerbsteuer (= 7 v. H. von 12.000 DM) mit der Begründung anforderte, der Bf. habe entgegen seiner Erklärung vom April 1953 das Grundstück "nicht dem steuerbegünstigten Zweck zugeführt".

Einspruch und Berufung, mit denen der Bf. Verjährung des Steueranspruchs geltend gemacht hatte, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht stellte sich auf den Standpunkt, daß der Steueranspruch gemäß § 5 Satz 2 des angeführten niedersächsischen Gesetzes vom 2. Juli 1952 mit der Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes (Verwendung des Gebäudes zu Wohnzwecken), also Ende 1953, entstanden sei. Gleichwohl greife der Einwand der Verjährung (innerhalb der in der Regel für die Grunderwerbsteuer geltenden Verjährungsfrist von fünf Jahren - § 144 Satz 1 erster Halbsatz AO -) nicht durch, weil im Streitfall die Steuer hinterzogen sei und deshalb die Verjährungsfrist 10 Jahre betrage (ß 144 Satz 1 zweiter Halbsatz AO). Der Bf. habe durch Unterlassung der im § 165 e Abs. 4 AO vorgeschriebene Anzeige eine Steuerverkürzung im Sinne des § 396 AO bewirkt und dabei bedingt vorsätzlich gehandelt. Deshalb sei zur Zeit des Erlasses des Steuerbescheides vom 28. März 1960 der Ende 1953 entstandene Steueranspruch noch nicht verjährt gewesen. Im Hinblick auf die Annahme einer zehnjährigen Verjährungsfrist sah das Finanzgericht von der Prüfung der Frage ab, ob die Verjährung im November 1958 durch das Finanzamt unterbrochen worden sei. Der erwähnte Aktenvermerk (vom 25. November 1958) lasse nicht erkennen, ob die Feststellung, daß sich in dem Gebäude lediglich Büroräume und eine Gastwirtschaft befänden, auf Ermittlungshandlungen beruhe, die über den amtsinternen Bereich des Finanzamts hinaus in Erscheinung getreten waren.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, des Einspruchs- und des Steuerbescheides des Finanzamts und zur Freistellung des Bf. von der angeforderten Grunderwerbsteuer.

Der Vorinstanz ist darin beizutreten, daß der Steueranspruch im Streitfall Ende 1953 mit der Vermietung des Gebäudes zu Geschäftszwecken entstanden ist. Zutreffend geht das Finanzgericht davon aus, daß der Steueranspruch nicht schon mit der Eintragung des Bf. im Grundbuch (am 2. Juni 1953) entstanden ist. Zwar bestimmt § 145 Abs. 3 Ziff. 3 AO, daß die Verjährung der Grunderwerbsteuer mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Erwerber des Grundstücks als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist. Diese Vorschrift kann jedoch im Streitfall keine Anwendung finden. Denn nach § 1 Ziff. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des angeführten niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer vom 2. Juli 1952 (Niedersächsisches GVBl 1952 S. 53, BStBl 1952 II S. 74) war der Erwerb eines völlig zerstörten Grundstücks zur Errichtung eines Gebäudes, das zu mehr als 80 % grundsteuerbegünstigte Wohnungen enthält, im Hinblick auf die Erklärung des Bf., daß er das Grundstück innerhalb von fünf Jahren zu dem steuerbegünstigten Zweck verwenden werde, von der Grunderwerbsteuer befreit. Eine Steuerpflicht war somit im Zeitpunkt der Eintragung des Bf. in das Grundbuch überhaupt noch nicht gegeben. Es gelangt daher die grundsätzlich für alle Steuern geltende Vorschrift des § 145 Abs. 1 AO zur Anwendung, nach dem die Steuerpflicht mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist (vgl. zur Anwendbarkeit dieser allgemeinen Regel des Abs. 1 des § 145 AO in Fällen, in denen die Ziff. 3 des Abs. 3 des § 145 AO nach Lage der Sache nicht Platz greifen kann, die Urteile des Bundesfinanzhofs II 152/50 S vom 3. April 1951, BStBl 1951 III S. 100, Slg. Bd. 55 S. 261; II 95/60 U vom 13. Dezember 1961; BStBl 1962 III S. 87, Slg. Bd. 74 S. 230, sowie II 10/60 U vom 17. Oktober 1962, BStBl 1963 III S. 18, Slg. Bd. 76 S. 48, und dazu Fließbach, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ -, Ausgabe A, 1963 S. 78, 112, rechte Spalte unten).

Nach § 5 Satz 1 des angeführten Gesetzes vom 2. Juli 1952 unterliegen u. a. die im § 1 a. a. O. bezeichneten Erwerbsvorgänge mit dem Ablauf von fünf Jahren der Steuer, wenn das Grundstück nicht innerhalb dieses Zeitraums zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet worden ist. Nach Satz 2 des § 5 a. a. O. unterliegen die Erwerbsvorgänge mit der Aufgabe des begünstigten Zweckes der Steuer, wenn der begünstigte Zweck innerhalb von fünf Jahren aufgegeben wird. Bei dieser klaren Fassung des Gesetzes ist dem Finanzgericht darin zu folgen, daß der Steueranspruch nicht erst fünf Jahre nach der Genehmigung des Kaufvertrages, also am 15. April 1958, entstanden ist, was das Finanzamt zu Unrecht in der Einspruchsentscheidung angenommen hatte. Vielmehr ist der Steueranspruch bereits mit dem Zeitpunkt der Vermietung des überwiegenden Teils des Gebäudes an die X.Y.-GmbH zu Bürozwecken Ende 1953 entstanden, weil mit dieser Vermietung der steuerbegünstigte Zweck im Sinne des Satzes 2 des § 5 a. a. O. aufgegeben wurde.

Da die Verjährungsfrist bei der Grunderwerbsteuer nach § 144 Satz 1 erster Halbsatz AO fünf Jahre beträgt, andererseits die Verjährung nach § 145 Abs. 1 AO mit dem Ablauf des Jahres beginnt, in dem der Anspruch (ß 143 AO) entstanden ist, wäre die Verjährungsfrist Ende des Jahres 1958 abgelaufen, wenn nicht, wie das Finanzgericht meint, die Steuer hinterzogen wäre und deshalb die Verjährungsfrist gemäß § 144 Satz 1 zweiter Halbsatz AO 10 Jahre betragen würde.

Der Senat vermag der Auffassung des Finanzgerichts, daß der Bf. bedingt vorsätzlich eine Steuerverkürzung bewirkt habe und daß deshalb wegen Hinterziehung der Grunderwerbsteuer die zehnjährige Verjährungsfrist Platz greife, nicht zu folgen.

Die Frage, ob - als Voraussetzung der zehnjährigen Verjährungsfrist - eine Steuerhinterziehung im Sinne von § 396 AO vorliegt, kann im Besteuerungsverfahren geprüft werden, auch wenn kein Strafverfahren eingeleitet ist oder wird (vgl. insoweit das Urteil des Bundesfinanzhofs III 339/59 vom 6. April 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963 Nr. 355 S. 371, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 396, Rechtsspruch 37). Das Finanzgericht konnte daher auch seinerseits in dem gegen die Steuerfestsetzung anhängig gewordenen Steuerprozeß diese Frage selbständig prüfen. Der Vorinstanz ist insoweit beizutreten, als sie das Vorliegen des objektiven Tatbestandes der Steuerhinterziehung im Sinne des § 396 Abs. 1 AO für gegeben erachtet hat. Die durch § 18 Ziff. 3 GrEStG vom 29. März 1940 (RGBl I S. 585, RStBl S. 377) in die AO eingefügte Vorschrift des Abs. 4 des § 165 e AO lautet im ersten Satz: "Sind bei einem Erwerbsvorgang, der ganz oder teilweise von der Grunderwerbsteuer befreit war, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung ganz oder teilweise weggefallen, so hat der Steuerpflichtige dies dem Finanzamt anzuzeigen." Der Bf. war auf Grund dieser Vorschrift verpflichtet, dem Finanzamt innerhalb von zwei Wochen Anzeige zu erstatten, als er das von ihm zunächst für Wohnzwecke errichtete Gebäude Ende des Jahres 1953 als Bürohaus vermietete, weil durch die darin liegende Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes (ß 5 Satz 2 des genannten niedersächsischen Gesetzes vom 2. Juli 1952) die Voraussetzung der Steuerbefreiung des § 1 Ziff. 1 a. a. O. - Errichtung eines Gebäudes überwiegend zu Wohnzwecken - weggefallen war. Durch das Unterlassen der Anzeige ist objektiv zum Vorteil des Bf. bewirkt worden, daß Steuereinnahmen verkürzt wurden (ß 396 Abs. 1 AO). Denn das Finanzamt hat 1953/1954 von der Festsetzung der entstandenen Grunderwerbsteuerforderung (von 840 DM) deshalb abgesehen, weil es infolge des Unterlassens der Anzeige durch den Bf. keine Kenntnis von dem Wegfall des Steuerbefreiungsgrundes erlangt hatte.

Andererseits setzt aber eine Steuerhinterziehung im Sinne des § 396 Abs. 1 AO hinsichtlich der subjektiven Seite des Tatbestandes voraus, daß der Täter vorsätzlich gehandelt hat. Das Finanzgericht unterstellt zwar zugunsten des Bf., daß ihm die Vorschrift des § 165 e Abs. 4 AO als solche unbekannt war, vertritt aber die Ansicht, daß er gleichwohl bedingt vorsätzlich die Steuerverkürzung bewirkt habe, als er dem Finanzamt von der Vermietung des Gebäudes zu Bürozwecken keine Mitteilung machte. Hierin vermag der erkennende Senat der Vorinstanz nicht zu folgen.

Bedingter Vorsatz (dolus inderectus) liegt vor, wenn jemand einen bestimmten Erfolg - hier den Eintritt einer Steuerverkürzung - zwar nicht direkt will, ihn aber als möglich unterstellt und die Möglichkeit in seinen Willen aufnimmt. Bewußt fahrlässiges Verhalten genügt nicht zur Annahme einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung im Sinne des § 396 Abs. 1 AO.

Soweit das Finanzgericht maßgebend darauf abstellt, daß der Bf. Bauunternehmer war, der deshalb auch ohne Kenntnis der Vorschrift des § 165 e Abs. 4 AO sich über die Verpflichtung zur Anzeige im klaren sein mußte und sie mit dem Willen und in der Erwartung unterließ, möglicherweise werde Verjährung eintreten, kann ihm nicht beigetreten werden. Die Tatsache, daß der Bf. Bauunternehmer war, kann - ebensowenig wie in dem vom III. Senat im angeführten Urteil III 339/59 vom 6. April 1962 entschiedenen Fall die Eigenschaft des damaligen Prozeßbeteiligten als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater - zur Annahme des bedingten Vorsatzes nicht ausreichen.

Das Finanzgericht hat zu Unrecht der Schutzbehauptung des Bf., er habe mit Rücksicht auf die ausdrückliche Erklärung des Finanzamts im Schreiben vom 2. Mai 1953 - der Verwendungszweck des zu errichtenden Gebäudes werde (von Amts wegen) überwacht und die Steuer werde nacherhoben, wenn die Zweckbestimmung aufgegeben werde - nicht die genügende Bedeutung beigemessen. Angesichts der Fassung dieses Schreibens, das keinen Hinweis auf die Anzeigepflicht des § 165 e Abs. 4 AO (oder der ähnlichen Vorschrift des § 3 Abs. 4 GrEStDV) enthielt, ist dem Bf. tatsächlich nicht zu widerlegen, daß er glaubte, weitere Maßnahmen des Finanzamts im Zuge der angekündigten überwachung abwarten zu dürfen. Das Verhalten des Bf. mag fahrlässig gewesen sein, es reicht aber angesichts der ihm angekündigten vorgesehene überwachung durch das Finanzamt zur Annahme eines bedingten Vorsatzes nicht aus.

Hinzu kommt, daß der Bf. nach seiner vom Finanzamt (dem Bg.) nicht bestrittenen Angabe in seiner Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes vom 2. November 1956 - also innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist - gegenüber der zuständigen Bewertungsstelle zum Ausdruck gebracht hat, daß es sich bei dem Gebäude um ein Geschäftshaus handelte und daß die Mieter eine Gaststätte und die X.Y.-GmbH sind; auch dieser Umstand spricht gegen die Annahme einer "Böswilligkeit" des Bf. (siehe zur Frage der "Böswilligkeit" im Rahmen des bedingten Vorsatzes das angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs III 339/59 vom 6. April 1962). Denn der Bf. mußte damit rechnen, daß die zuständige Grunderwerbsteuerstelle auf Grund dieser Einheitswert-Erklärung Kenntnis von der Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes erhalten werden.

Im übrigen ist bei Würdigung strafrechtlicher Tatbestände in der Verschuldensfrage im Zweifel zugunsten des (vermeintlichen) Täters zu entscheiden; es gilt insoweit der Grundsatz: "in dubio pro reo". Dieser Grundsatz muß auch im Steuerprozeß Anwendung finden, wenn als Vorfrage der Dauer der Verjährungsfrist zu prüfen ist, ob ein nicht entrichteter Steuerbetrag im steuerstrafrechtlichen Sinn hinterzogen ist oder nicht. Soweit daher letzte Zweifel hinsichtlich eines bedingten Vorsatzes des Bf. bestehen könnten, darf über sie nicht zu seinen Lasten entschieden werden.

Da somit mangels Vorliegens einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung die fünfjährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelangt und diese Ende des Jahres 1958 abgelaufen ist, war zur Zeit des Erlasses des Steuerbescheides vom 28. März 1960 die Grunderwerbsteuerforderung verjährt, wenn die Verjährung nicht etwa im November 1958 durch das Finanzamt unterbrochen worden ist. Diese Frage, deren Entscheidung das Finanzgericht von seinem Standpunkt aus offenlassen konnte, ist zu verneinen.

Die Vorinstanz hat ohne Tatsachen- und Rechtsirrtum festgestellt, daß der in den Akten des Finanzamts befindliche Vermerk (vom 25. November 1958) nicht erkennen läßt, ob die darin enthaltene Angabe, daß sich in dem Gebäude lediglich Büroräume und eine Gaststätte befänden, auf Ermittlungshandlungen beruhte, die über den amtsinternen Bereich des Finanzamts hinaus in Erscheinung getreten waren. Da auch das Finanzamt (der Bg.) dieser Darlegung des Finanzgerichts in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht widersprochen hat, muß der Senat von der Richtigkeit dieser Feststellung des Finanzgerichts ausgehen. Darüber hinaus ist nach Lage der Akten unbedenklich zu unterstellen, daß danach als einzige für eine Unterbrechung in Frage stehende Handlung der Aktenvermerk vom 25. November 1958 als solcher in Betracht kommt. Denn auch der Bg., der in der Erwiderung auf die Rechtsbeschwerdebegründung ausdrücklich auf die Urteilsgründe des Finanzgerichts Bezug nimmt, hat keine anderen Tatbestände behauptet, durch welche die Verjährung unterbrochen sein könnte, so daß auch - abgesehen von dem Fehlen einer entsprechenden Verfahrensrüge - von einer Verletzung einer Aufklärungspflicht des Finanzgerichts nicht die Rede sein kann.

Der erwähnte Aktenvermerk ist als reine verwaltungsinterne Maßnahme keine Handlung des zuständigen Finanzamts im Sinne des § 147 Abs. 1 AO, die geeignet wäre, die Verjährung zu unterbrechen. Er sollte lediglich einen innerdienstlichen Hinweis für den (gegebenenfalls künftigen) Bearbeiter darauf enthalten, daß wegen der Verwendung des Gebäudes als Geschäftshaus die für den sozialen Wohnungsbau vorgesehenen Befreiungsvorschrift des § 1 Ziff. 1 des wiederholt genannten niedersächsischen Gesetzes vom 2. Juli 1952 nicht (endgültig) zur Anwendung kommen dürfte.

Es entspricht grundsätzlich der übereinstimmenden Rechtsprechung aller Senate des Bundesfinanzhofs, daß nicht jede innerdienstliche Maßnahme geeignet ist, die Verjährung zu unterbrechen (vgl. insoweit u. a. das Urteil des Bundesfinanzhofs V 140/57 U vom 20. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 433, Slg. Bd. 67 S. 421), sondern nur solche Handlungen, die nach außen wirken.

Bei der Niederlegung des in Frage stehenden Aktenvermerks handelt es sich jedoch nicht um eine Handlung, die als solche nach außen zu wirken bestimmt war, wie das nach der Auffassung der Mehrheit der Senate des Bundesfinanzhofs von dem Betriebsprüfungsauftrag als solchen in verjährungsunterbrechendem Sinne anzunehmen ist (vgl. neuerdings das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 169/62 S vom 6. Dezember 1963, BStBl 1964 III S. 214, und die darin enthaltenen Zitate der Rechtsprechung). Zwar sollte der Vermerk als Erinnerungsnotiz der späteren Feststellung des Steueranspruches dienen, es war aber zur Zeit seiner Niederlegung noch keineswegs sicher, ob er etwa - gegebenenfalls in Gestalt eines Steuerbescheides - nach außen Wirkungen hervorrufen sollte oder würde. Das Finanzamt konnte unter Umständen noch weitere Ermittlungen anstellen; es hätte überdies bei richtiger rechtlicher Würdigung im Jahre 1960 vor Erlaß des Steuerbescheides feststellen müssen, daß der Anspruch verjährt war, so daß der Vermerk eine Wirkung nach außen überhaupt nicht haben durfte.

Mit seiner Auffassung, daß ein bloßer verwaltungsinterner Vermerk, wie er im Streitfalle vorliegt, keine die Unterbrechung der Verjährung darstellende Handlung des zuständigen Finanzamts im Sinne des § 147 Abs. 1 AO enthält, stellt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zu dem zuletzt zur Verjährung ergangenen Urteil des IV. Senats des Bundesfinanzhofs IV 171/62 S vom 12. Dezember 1963, BStBl 1964 III S. 215. In dieser Entscheidung hat der IV. Senat zwar - in teilweiser Abweichung von seinem mit der überwiegenden Meinung des Schrifttums im Einklang stehenden Urteil IV 156/57 U vom 3. Juli 1958 (BStBl 1958 III S. 472, Slg. Bd. 67 S. 519) ausgesprochen, daß ein Fahndungsersuchen eines Finanzamts schon dann die Verjährung unterbricht, wenn es noch nicht über den Bereich der Behörden der Finanzverwaltung hinaus wirksam geworden ist und die Fahndungsprüfung erst fast zwei Jahre nach dem Ersuchen durchgeführt wurde. Der erkennende Senat braucht nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob er sich dieser Ansicht des IV. Senats, mit der dieser sich im Einklang mit dem schon angeführten Urteil des V. Senats V 140/57 U vom 20. Februar 1958 und dem Urteil des VII. Senats VII 45/60 S vom 22. März 1961 (BStBl 1961 III S. 244, Slg. Bd. 72 S. 672) befindet, anschließen könnte oder gegebenenfalls gemäß § 66 AO zwecks Abweichung den Großen Senat anrufen müßte. Denn nach dem insoweit entscheidenden Rechtssatz 1 und den entsprechenden tragenden Gründen des Urteils IV 171/62 S kann auch nach Auffassung des IV. Senats als verjährungsunterbrechende Handlung nur eine nach außen wirkende Maßnahme angesehen werden. Diese Voraussetzung erfüllt aber aus den dargelegten Gründen ein bloßer verwaltungsinterner Aktenvermerk nicht (vgl. im Ergebnis übereinstimmend das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Nürnberg II 211/57 vom 19. August 1958, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1959 Nr. 178 S. 144, besonders Leitsatz 1).

Wie auch der IV. Senat in den Gründen des anderen angeführten Urteils IV 169/62 S vom 6. Dezember 1963 nicht verkennt, dienen die Verjährungsvorschriften in ihrer Gesamtheit dem Grundsatz der Rechtssicherheit. Es würde nach Auffassung des erkennenden Senats mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit, die ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 23/51 vom 1. Juli 1953, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 2 S. 380, und 1 BvR 678/57 vom 12. Dezember 1957, BVerfGE Bd. 7 S. 194, StRK, Einkommensteuergesetz - 1957 -, § 26, Rechtsspruch 2), schlechterdings nicht vereinbar sein, wollte man bloßen innerdienstlichen Aktenvermerk des Finanzamts die Bedeutung verjährungsunterbrechender Handlungen im Sinne des § 147 Abs. 1 AO beilegen.

Danach ist die Verjährung durch den Aktenvermerk vom 25. November 1958 nicht unterbrochen worden. Deshalb war die Grunderwerbsteuer zur Zeit des Erlasses des Steuerbescheides vom 28. März 1960 bereits verjährt. Der die Steuerfestsetzung enthaltende Steuerbescheid des Finanzamts vom 28. März 1960, die Einspruchsentscheidung vom 27. April 1960 und das diese Bescheide bestätigende, mit der Rb. angefochtene Urteil des Finanzgerichts mußten somit aufgehoben werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411218

BStBl III 1964, 318

BFHE 1964, 241

BFHE 79, 241

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