Entscheidungsstichwort (Thema)

Mit Abschluß des obligatorischen Vertrages entstandene Börsenumsatzsteuer entfällt nicht durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Besteuerung nach §§ 17 ff. KVStG kommt es auf das obligatorische Rechtsgeschäft, nicht aber auf das Erfüllungsgeschäft an.

2. Die Besteuerung entfällt nicht dadurch, daß ein vertraglich vorbehaltenes Rücktrittsrecht ausgeübt wird.

 

Normenkette

KVStG § 17 ff.

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und sein Bruder waren seit dem 1. Juni 1979 als einzige Gesellschafter mit nominell je . . . DM am Stammkapital einer GmbH beteiligt. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. Dezember 1980 kaufte der Kläger von seinem Bruder Geschäftsanteile im Nennwert von . . . DM gegen einen Kaufpreis von . . . DM. Gleichzeitig trat sein Bruder ihm die Geschäftsanteile ,,mit Wirkung vom 31. März 1981" ab. Der Kaufpreis sollte am 10. April 1981 fällig werden. Dem Kläger wurde ,,das Recht eingeräumt, von diesem Vertrag bis zum 31. März 1981 zurückzutreten". Von diesem Recht machte der Kläger durch eingeschriebenen Brief vom 17. März 1981 Gebrauch. Er berief sich in diesem Schreiben auf die ,,Entwicklung auf dem Zinsmarkt", die ihn zum Rücktritt gezwungen habe. Außerdem wies er darauf hin, daß die Anteile nach der Ansicht der wegen der Finanzierung angegangenen Banken zu hoch bewertet seien. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte mit Steuerbescheid vom 11. Februar 1981 Börsenumsatzsteuer in Höhe von . . . DM festgesetzt.

Der Einspruch des Klägers gegen diesen Bescheid und seine Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das FA hat die Börsenumsatzsteuer gegen den Kläger zutreffend festgesetzt; der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig.

1. Der notariell beurkundete Vertrag vom 20. Dezember 1980 über den Kauf von GmbH-Anteilen durch den Kläger unterliegt der Börsenumsatzsteuer.

Gemäß § 17 Abs. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) 1972 ist Gegenstand dieser Steuer u.a. der Abschluß von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere. Das sind entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind (§ 18 Abs. 1 KVStG). Als Wertpapiere gelten (u.a.) Dividendenwerte (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 KVStG), als Dividendenwerte (u.a.) ,,. . . andere Anteile an . . . inländischen Kapitalgesellschaften" (§ 19 Abs. 2 KVStG). Anschaffungsgeschäft ist nicht das abstrakte Geschäft der Anteilsübertragung (vgl. § 413 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -, § 15 Abs. 3 und 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG - in der 1980 geltenden Fassung), sondern das ihm zugrunde liegende obligatorische, zum einen eine Verpflichtung zur Übertragung der Geschäftsanteile und zum anderen eine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises begründende Rechtsgeschäft (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juli 1970 II 174/64, BFHE 100, 328, 329). Für die Besteuerung nach den §§ 17 ff. KVStG kommt es deshalb allein auf das obligatorische Rechtsgeschäft an, nicht auf das sich daraus ergebende Erfüllungsgeschäft. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest.

In dem notariell beurkundeten Vertrag vom 20. Dezember 1980 haben die Vertragsparteien die Abtretung der Geschäftsanteile gegen Zahlung eines bestimmten Kaufpreises vereinbart. Abgetreten wurden die Anteile mit Wirkung vom 31. März 1981, der Kaufpreis war fällig am 10. April 1981. Damit waren - wie das FA in der mündlichen Verhandlung zu Recht hervorgehoben hat - die Essentialien eines von den Vertragsparteien nicht nur formal, sondern wirklich gewollten obligatorischen Rechtsgeschäfts (Kaufvertrag) für die Vertragsparteien verbindlich und bürgerlich-rechtlich wirksam festgelegt.

Nach Auffassung des erkennenden Senats kann der notariell beurkundete Vertrag nicht als ,,befristetes Kaufangebot" gewertet werden. Wie vorstehend dargelegt, ist ein obligatorischer Vertrag zwischen dem Kläger und seinem Bruder rechtswirksam zustande gekommen. Die berechtigenden und verpflichtenden Vereinbarungen sind in dem Vertrag endgültig getroffen worden. Sie enthalten nach Inhalt und Form kein Vertragsangebot, das - um zu einem Vertrag zu werden - noch einer besonderen Annahme durch den Bruder des Klägers bedurft hätte.

Mit dem Abschluß des für die Besteuerung allein maßgebenden Vertrages vom 20. Dezember 1980 entstand die Steuerschuld des Klägers (§ 38 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 17 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 25 KVStG).

2. Die Besteuerung entfällt nicht deshalb, weil dem Kläger in dem notariell beurkundeten Vertrag ein sachlich ungebundenes, zeitlich befristetes Rücktrittsrecht eingeräumt war. Der Rücktrittsvorbehalt und die Erklärung des Rücktritts ließen steuerrechtlich den Anteils-Kaufvertrag sowie das steuerrechtlich maßgebende Anschaffungsgeschäft und damit auch die Steuerpflicht des Klägers unberührt.

Das Rücktrittsrecht des Klägers war Bestandteil des Vertrages vom 20. Dezember 1980 und setzt ein solches Rechtsgeschäft voraus: Ohne Vertrag kein Rücktritt vom Vertrag. Die Voraussetzungen des Rücktritts richteten sich nach den Vereinbarungen, die die Vertragsparteien dazu in dem Vertrag getroffen hatten. Die Vertragsparteien sind von dem rechtswirksam zustande gekommenen Rücktrittsvorbehalt und damit zugleich von einem wirksam vereinbarten Vertrag ausgegangen: Der Kläger hat von seinem Recht auf Rücktritt von dem Anteils-Kaufvertrag Gebrauch gemacht und innerhalb der vertraglich festgelegten Frist den Rücktritt erklärt; sein Vertragspartner hat den Rücktritt und die sich daraus für ihn ergebenden Rechtsfolgen hingenommen.

Die Rücktrittserklärung des Klägers vom 17. März 1981 hat den notariell beurkundeten Kaufvertrag nicht insgesamt mit rückwirkender Kraft beseitigt, sondern dieses Vertragsverhältnis lediglich ex nunc aufgehoben. Durch die Erklärung wandelte sich das ursprüngliche (schuldrechtliche) Vertragsverhältnis in ein Abwicklungs- und Rückgewährschuldverhältnis. Der Senat folgt insoweit hinsichtlich der Wirkung des Rücktritts der im bürgerlichen Recht herrschenden Meinung (vgl. insbesondere Janßen in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, vor § 346 Rdnr. 30, 31 mit weiteren Nachweisen; Ballhaus, Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofs - BGB - RGRK -, § 346 Rdnr. 10 ff.; Palandt/Hinrichs, Einf. vor § 346 Anm. 1b, § 346 Anm. 1; Brönner/Kamprad, Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz, 13. Aufl., § 18 Anm. 2; vgl. dazu auch Beker, Hinfällige Rechtsgeschäfte im Steuerrecht, München 1969, 75, 76, der für die steuerrechtliche Beurteilung der Rücktrittswirkung darauf abstellt, ob der Umstand, der zum Rücktritt geführt hat, schon zur Zeit des Geschäftsabschlusses vorgelegen hat oder - wie im Streitfall - erst später). Da im Streitfall die Vertragsparteien im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung endgültig noch nichts zur Erfüllung des Kaufvertrages geleistet hatten (vgl. unten 3.), entfielen irgendwelche Rückgewährpflichten; der Rücktritt ließ die (noch nicht erfüllten) vereinbarten Leistungspflichten (Erfüllungsansprüche) erlöschen.

Die Aufhebung des Vertragsverhältnisses und das Erlöschen der Erfüllungsansprüche haben auf die Festsetzung und die Erhebung der Börsenumsatzsteuer keinen Einfluß. Eine dem § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1940 (mit späteren Änderungen; jetzt: § 16 GrEStG 1983) entsprechende Vorschrift enthält das KVStG nicht.

3. Die Besteuerung wird auch nicht durch die Befristung der Anteilsabtretung und die Befristung der Kaufpreiszahlung ausgeschlossen. Solche Vereinbarungen sind bürgerlich-rechtlich möglich und zulässig. Sie lassen lediglich die in dem obligatorischen Rechtsgeschäft vereinbarten (Erfüllungs-)Leistungen erst zu dem jeweilig bestimmten späteren Zeitpunkt wirksam werden. Börsenumsatzsteuerrechtlich haben diese Zeitbestimmungen (§ 163 BGB) keine Bedeutung. Nach § 18 Abs. 2 Nr. 3 KVStG sind außerdem auch befristete Anschaffungsgeschäfte Anschaffungsgeschäfte im Sinne des § 17 Abs. 1 KVStG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413961

BFH/NV 1985, 53

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