Leitsatz (amtlich)

1. Stellt die Veräußerung von Briefmarken aus einer privaten Sammlung eine gewerbliche Tätigkeit dar, so ist trotzdem die Sammlung als Ganzes nur dann dem gewerblichen Betriebsvermögen im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziff. 3 SHG zuzurechnen, wenn sich die Veräußerung nicht auf bestimmte Einzelstücke oder Markenpartien beschränkt, sondern ohne Unterschied alle Teilgebiete der Sammlung erfaßt.

2. Ist die Anschaffung von Sammlerbriefmarken oder ihre Überführung ins gewerbliche Betriebsvermögen erst nach Kriegsende erfolgt, so muß gemäß § 28 Abs. 1 Ziff. 2 1. StDVO-SHG ihr DM-Wert zum 31. August 1948 festgestellt werden, weil erfahrungsgemäß die nach der Währungsreform erzielbaren Verkaufspreise in Deutscher Mark erheblich hinter den vor der Währungsumstellung gezahlten Reichsmarkpreisen für Marken zurückbleiben.

 

Normenkette

SHG § 3 Abs. 1 Ziff. 3; 1. StDVO-SHG § 28 Abs. 1 Ziff. 2

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Inhaber eines Damenmodegeschäfts (Hutsalon) in X. Als in den Jahren vor der Währungsreform das von ihm betriebene Modewarengeschäft nicht mehr die zur Lebenshaltung benötigten Erträgnisse erbrachte, ging der Bf. dazu über, Briefmarkenverkäufe aus einer ererbten und von ihm selbst fortgeführten Sammlung zu tätigen. Die Verkäufe beliefen sich für die Zeit von 1946 bis zur Währungsreform auf etwa 260 000 RM. Nach den Feststellungen, die anläßlich einer Ende 1949/Anfang 1950 durchgeführten Betriebsprüfung getroffen worden sind, hat der Bf. seine Verkaufstätigkeit über die Währungsreform hinaus fortgeführt und dabei weitere Erlöse im Betrage von 6 430 DM erzielt. Nach dem Inhalt des Prüfungsberichts hatte der Bf. vor der Währungsreform zum Teil auch Neuankäufe von Marken vorgenommen und sich 1946 sogar um die Erteilung einer Handelserlaubnis für Briefmarken bemüht, allerdings ohne sie zu erhalten. Auf Grund dieser Feststellungen sah das Finanzamt die Briefmarkenverkäufe des Bf. als einen gewerbsmäßigen Briefmarkenhandel, die Sammlung selbst aber als gewerbliches Vorratsvermögen an und zog den Bf. daher mit dem Wert dieser Sammlung zur allgemeinen Soforthilfeabgabe sowie zur Soforthilfesonderabgabe heran, wobei es für die Abgabenerhebung den Wert der Sammlung am Währungsstichtag (21. Juni 1948) mit 11 000 DM zugrunde legte.

Demgegenüber betrachtet der Bf. seine Sammlung als Privatvermögen und lehnt ihre Heranziehung zur Soforthilfeabgabe und zur Soforthilfesonderabgabe ab. Er weist darauf hin, daß ihn nur die schlechte Geschäftslage seines Damenmodegeschäftes zu den Briefmarkenverkäufen veranlaßt habe. Einspruch und Berufung des Bf. blieben erfolglos.

Das Finanzgericht führt aus, durch die von 1946 bis 1950 getätigten Verkaufs- und Tauschgeschäfte werde bewiesen, daß die Sammlung zum Verkauf und Tausch und zu ähnlichen Zwecken bestimmt gewesen sei und daher, wenn nicht als gewerbliches, so doch als nichtgewerbliches Vorratsvermögen der Abgabepflicht unterliege. Das Vorbringen des Bf. richte sich deshalb auch nicht gegen die Zurechnung der Sammlung zum Betriebsvermögen an sich, vielmehr würden nur wegen des in Ansatz gebrachten Wertes der Sammlung nachträgliche Einwendungen erhoben. Diese seien jedoch unbegründet, da der Bf. nach den Feststellungen des Finanzamts selbst den Wert zum 20. Juni 1948 auf 11 000 RM beziffert habe. Nachträgliche Änderungen dieses Wertes seien unerheblich.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich sowohl gegen die Heranziehung der Sammlung zur Soforthilfeabgabe und zur Soforthilfesonderabgabe überhaupt als auch gegen den der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegten Wertansatz.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Den Ausführungen der Vorinstanz, daß die Briefmarkenverkäufe des Bf. zumindest in den Jahren vor der Währungsreform gewerblichen Charakter getragen haben, ist zuzustimmen. Abgesehen davon, daß der Bf. in seiner Rb. gegen das in der Einkommensteuersache ergangene Urteil des Finanzgerichts wegen der diesbezüglichen Feststellung keine Einwendungen erhoben hat, sprechen dafür nicht allein die mehrfach wiederholten, wertmäßig sehr erheblichen und noch über die Währungsreform hinaus fortgesetzten Geschäfte des Bf., sondern weiterhin auch sein geschäftsmäßiges Auftreten nach außen hin, der von ihm gestellte Antrag auf Erteilung einer Handelserlaubnis für Briefmarken und nicht zuletzt die nicht unbedeutenden Zukäufe an Marken, bezüglich deren nach den gesamten Umständen des Falles nicht anzunehmen ist, daß sie ausschließlich zur Ergänzung der Restsammlung des Bf. gedient haben und daß sie auch heute noch restlos vorhanden sind. Auch der vom Bf. hervorgehobene Umstand, daß die Umsätze der Marken ausschließlich auf Auktionen erzielt worden seien, steht der Feststellung eines gewerbsmäßigen Handels nicht im Wege, da auch amtlich zugelassene Briefmarkenhändler an Auktionen teilzunehmen pflegen, wenn ihnen dies nach Lage der Dinge -- besonders bei wertvollen Einzelstücken -- günstig und zweckmäßig erscheint.

Dagegen kommt dem Vorbringen des Bf. insofern Bedeutung zu, als es im Zusammenhang mit der sonstigen Darstellung des Bf., daß er zunächst nur Einzelstücke und kleinere Partien, erst späterhin auch geschlossene Ländersammlungen veräußert habe, Zweifel daran aufkommen läßt, ob wirklich die gesamten Markenbestände des Bf. und insbesondere die noch am 20. Juni 1948 vorhandenen Reste der Sammlung als Betriebsvermögen im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziff. 3 des Soforthilfegesetzes (SHG) in Verbindung mit § 54 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG), d. h. als aus dem Privatvermögen, zu dem sie ursprünglich gehörten, in die betriebliche Sphäre überführt angesehen werden können. Denn es ist bei einer Sammlung von so erheblichem Umfang und Wert, wie sie der Bf. offenbar besessen hat, durchaus möglich und denkbar, daß nur einzelne -- wenn auch vielleicht besonders wertvolle -- Partien und Teile der Sammlung ausgeschieden und zum Verkauf gebracht werden, ohne daß deswegen die private Sammeltätigkeit überhaupt und im ganzen aufgegeben zu werden braucht. Dafür, daß der Bf. seine private Sammeltätigkeit nicht völlig eingestellt hatte, spricht immerhin der Umstand, daß er auch heute noch mit den Resten seiner Sammlung die private Sammeltätigkeit fortsetzt, nachdem er inzwischen seine Verkäufe völlig eingestellt hat. Deshalb wäre die Annahme, der Bf. habe vor der Währungsumstellung seine gesamte Sammlung einschließlich der am 20. Juni 1948 noch vorhandenen Teile dem vorübergehend ausgeübten gewerblichen Betrieb gewidmet und sie dadurch in vollem Umfang als Betriebsvermögen eingebracht, nur dann gerechtfertigt, wenn festgestellt werden könnte, daß der Bf. nicht nur bestimmte Partien und bestimmte Teilgebiete seiner Sammlung abgestoßen, sondern wahllos aus allen Teilen seiner Sammlung beliebige Werte veräußert hat.

Auf diese Feststellung kommt es aber für die Soforthilfeabgabe entscheidend an, da entgegen der Auffassung des Finanzgerichts die Sammlung des Bf. nicht als nichtgewerbliches Vorratsvermögen behandelt werden kann. Wenn die Vorinstanz zu dieser Frage ausführt, durch die von 1946 bis 1950 durchgeführten Verkaufs- und Tauschgeschäfte werde bewiesen, daß die fragliche Sammlung zum Verkauf, zum Tausch oder zu ähnlichen Zwecken bestimmt gewesen sei, so könnte dies nur für den Zeitpunkt des Währungsstichtags gelten. Der Senat ist aber in Übereinstimmung mit der im Schrifttum vertretenen Auffassung der Ansicht, daß § 3 Abs. 1 Ziff. 3 Satz 2 SHG nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn nicht nur am Währungsstichtag, sondern bereits bei Anschaffung der in Rede stehenden Gegenstände die Veräußerungsabsicht bestanden hat (vgl. hierzu Binder-Drexl-Seweloh-Wehe-Zimmerle "Der Lastenausgleich" Bemerkung 5c und § 3 SHG S. 60; Kühne "Die Soforthilfeabgabe in der Praxis" 3. Auflage Textziffer 45). Davon kann aber bei einer privaten und ererbten Liebhabersammlung, was die Markensammlung des Bf. anfänglich fraglos war, nicht die Rede sein.

Die Vorentscheidung läßt aber auch einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 28 Abs. 1 Ziff. 2 der Durchführungsverordnung zum ersten Teil des Soforthilfegesetzes (1. StDVO-SHG) erkennen. Denn obwohl der Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht die Erklärung abgegeben hatte, daß die Restsammlung nach der Währungsumstellung nur noch wenige DM wert gewesen sei, hat die Vorinstanz den DM-Wert der Sammlung ohne weiteres dem nach den Angaben des Bf. zum 20. Juni 1948 geschätzten RM-Wert im Betrage von 11 000 RM zahlenmäßig gleichgesetzt. Nach § 28 Abs. 1 Ziff. 2 a. a. O. sind aber Gegenstände des Vorratsvermögens, deren Verkaufspreise in DM nach der Währungsreform unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten in RM lagen, nur mit den am 31. August 1948 erzielbar gewesenen Verkaufserlösen abzüglich einer handelsüblichen Gewinnspanne anzusetzen. In dieser Beziehung ist, wie bereits der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil betreffend die Einkommensteuer des Bf. in den Jahren 1946 bis 1948 ausgeführt hat, beachtlich, daß zu der Zeit, als die Briefmarkenverkäufe des Bf. begannen, allgemein eine sehr erhebliche Steigerung der Preise für Briefmarken eingetreten war, die in der Regel den mehrfachen Betrag der normalen Vorkriegspreise erreichten, während der nach der Währungsreform erzielbare Verkaufspreis für Briefmarken die Vorkriegswerte nicht oder nur geringfügig überschritt, unter allen Umständen aber erheblich hinter den vor der Währungsreform gezahlten Preisen zurückblieb. Diesem Umstande hätten die Vorinstanzen Rechnung tragen und gemäß § 28 Abs. 1 Ziff. 2 1. StDVO-SHG den am 31. August 1948 erzielbar gewesenen Verkaufserlös für die Marken abzüglich der handelsüblichen Gewinnspanne ermitteln müssen.

Hiernach war die Vorentscheidung wegen der Möglichkeit rechtsirriger Auslegung des Begriffs "Betriebsvermögen" und wegen Nichtbeachtung des § 28 Abs. 1 Ziff. 2 1. StDVO-SHG aufzuheben. Es erschien zweckmäßig, die nicht spruchreife Sache unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung an das Finanzamt zurückzuverweisen.

Hinsichtlich der Nachprüfung, in welchem Umfang die Markensammlung des Bf. am Währungsstichtag als Bestandteil des Betriebsvermögens anzusehen ist, wird vom Bf. nach § 171 der Reichsabgabenordnung ein entsprechender Nachweis zu verlangen sein. Ist der Bf. nicht imstande, an Hand der von ihm getätigten Verkäufe einwandfrei darzutun, daß nur gewisse Teilgebiete seiner Sammlung in das Betriebsvermögen überführt worden sind, so wären gegen die Zurechnung der ganzen, am Währungsstichtag vorhandenen Sammlung zum Betriebsvermögen keine Bedenken zu erheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407668

BStBl III 1953, 237

BFHE 1954, 620

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