Entscheidungsstichwort (Thema)

Kirchensteuer in glaubensverschiedener Ehe: kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes, Verfassungsmäßigkeit des Art.9 Abs.2 Nr.2 des Bayerischen Kirchensteuergesetzes

 

Leitsatz (amtlich)

Gesetzesregelungen, wonach in glaubensverschiedenen Ehen die Kirchensteuer des der Kirche angehörenden Ehegatten aus dem Teil der Einkommensteuer erhoben wird, der auf diesen Ehegatten entfällt, sind nicht verfassungswidrig.

 

Orientierungssatz

1. Aus der Entscheidung des BFH vom 15. März 1995 I R 85/94 -- verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des kirchensteuerrechtlichen Halbteilungsgrundsatzes in konfessionsverschiedenen Ehen-- ergibt sich nicht, daß der Halbteilungsgrundsatz in glaubensverschiedenen Ehen von Verfassungs wegen gelten müsse und eine Individualbesteuerung unzulässig wäre. Im Streitfall: Art.9 Abs.2 Nr.2 des Bayerischen Kirchensteuergesetzes ist nicht verfassungswidrig und verstößt insbesondere nicht gegen die Art.3 Abs.1, 4 und 6 Abs.1 GG (vgl. hierzu BVerfG- und BFH-Rechtsprechung).

2. Die Verfassungsbeschwerde wurde gemäß §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluß vom 28.10.1998, Az. 2 BvR 1394/97).

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 4, 6 Abs. 1; KiStG BY Art. 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG München (Urteil vom 15.07.1996; Aktenzeichen 13 K 1392/96)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1994 Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. Seine Ehefrau, mit der der Kläger zusammenveranlagt wurde, war 1993 aus der Kirche ausgetreten.

Das evangelisch-lutherische Kirchensteueramt (Beklagter und Revisionsbeklagter --Beklagter--) erließ gegenüber dem Kläger einen Bescheid über evangelische Kircheneinkommensteuer, in dem es Kirchensteuer aus dem Teil der gemeinsamen Einkommensteuer erhob, der auf den Kläger entfiel. Einspruch und Klage, mit der der Kläger begehrte, nur aus der Hälfte der Einkommensteuer die Kirchensteuer zu erheben, hatten keinen Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 1178).

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung der Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des Urteils des Finanzgerichts (FG) den Kirchensteuerbescheid 1994 dahingehend abzuändern, daß die Kirchensteuer 1994 auf 662,08 DM festgesetzt wird; hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.

Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Der in Bayern wohnhafte Kläger war im Streitjahr Mitglied der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. Als solcher war er umlagepflichtig (Art. 1, 6 des Bayerischen Kirchensteuergesetzes --KiStG Bay--). Die Kirchensteuer beträgt nach Art. 8 KiStG Bay i.V.m. dem Kirchengesetz der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern vom 31. März 1955 (Kirchenamtsblatt 1955, 43) 8 % der veranlagten Einkommensteuer. Bei nicht dauernd getrennt lebenden und zusammenveranlagten Eheleuten, die verschiedenen umlageerhebenden Gemeinschaften angehören (konfessionsverschiedene Ehe), wird die Umlage für jede der beteiligten Gemeinschaften aus der Hälfte der nach Art. 8 Abs. 2 KiStG Bay gekürzten Einkommensteuer erhoben. Gehört ein Ehegatte keiner umlageerhebenden Gemeinschaft an (glaubensverschiedene Ehe), so wird die Kirchensteuer für den umlagepflichtigen Ehegatten aus dem Teil der --gekürzten-- Einkommensteuer erhoben, der auf diesen Ehegatten entfällt (Art. 9 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 KiStG Bay). Da der auf den Kläger entfallende Anteil an der Einkommensteuer unbestritten 85,42 % betrug, entspricht die festgesetzte Steuer den gesetzlichen Vorschriften.

2. Der Senat hält die gesetzliche Regelung in Art. 9 Abs. 2 Nr. 2 KiStG Bay nicht für verfassungswidrig.

a) Die Regelung verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Nach Art. 6 Abs. 1 GG dürfen Verheiratete im Vergleich zu Ledigen nicht allein deshalb schlechter gestellt werden, weil sie verheiratet sind. Ferner gebietet Art. 6 GG, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern und ehe- und familienbedingte Lasten zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des BVerfG; vgl. z.B. Beschluß des 1. Senats des BVerfG vom 3. Juni 1987 1 BvL 5/81, BVerfGE 75, 361, m.w.N.; Urteil des 1. Senats des BVerfG vom 7. Juli 1992 1 BvL 51/86 u.a., BVerfGE 87, 1, 35, m.w.N.; Sachs, Grundgesetz, 1996, Art. 6 Rdnr. 17, m.w.N.). Wie das FG rechnerisch festgestellt hat, ist der Kläger --aufgrund des auch sich bei der Kirchensteuerfestsetzung auswirkenden einkommensteuerlichen Splittingtarifs-- um ca. 30 % weniger mit Kirchensteuer belastet als ein lediger Kirchenangehöriger. Eine ehebedingte Kirchensteuerlast aufgrund einer Kirchenmitgliedschaft seiner Ehefrau bestand nicht, da diese im Streitjahr keiner Kirche (mehr) angehörte.

b) Art. 9 Abs. 2 Nr. 2 KiStG Bay verletzt auch nicht den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), weil nach Art. 9 Abs. 1 Nr. 2 KiStG Bay bei konfessionsverschiedenen Ehen in Fällen der Zusammenveranlagung die Kirchensteuer für jede der beteiligten Gemeinschaften aus der Hälfte der Einkommensteuer erhoben wird.

Der Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches ungleich und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muß allerdings seine Auswahl sachgerecht treffen (vgl. z.B. Beschluß des 2. Senats des BVerfG vom 9. März 1994 2 BvL 43/92 u.a., BVerfGE 90, 145, 195, 196, m.w.N.).

Vergleicht man die Kirchensteuerbelastung konfessionsgleicher und konfessionsverschiedener Ehen einerseits und die glaubensverschiedener Ehen andererseits, so ist eine Ungleichbehandlung der Ehe als Leistungsfähigkeitsgemeinschaft nicht festzustellen. Sowohl die kirchengleiche oder kirchenverschiedene Ehe als auch die glaubensverschiedene Ehe ist, sofern nur ein Ehegatte Einkünfte bezieht, mit Kirchensteuer in Höhe von 8 % der gemeinsamen Einkommensteuer belastet. Sollten beide Ehepartner Einkünfte haben, so ist die glaubensverschiedene Ehegemeinschaft ohnehin mit niedrigerer Kirchensteuer belastet. Im Grunde möchte der Kläger als Individuum besser gestellt werden als ein alleinstehendes Kirchenmitglied und als verheiratetes Kirchenmitglied besser als der Ehepartner einer konfessionsgleichen oder konfessionsverschiedenen Ehe. Verfassungsrechtlich besteht hierfür keine Handhabe.

Aus der Entscheidung des Senats vom 15. März 1995 I R 85/94 (BFHE 177, 303, BStBl II 1995, 547), mit der der Senat den Halbteilungsgrundsatz in konfessionsverschiedenen Ehen als verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten hat, ergibt sich nicht, daß der Halbteilungsgrundsatz in glaubensverschiedenen Ehen von Verfassungs wegen gelten müsse. Mit Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvR 606/60 (BVerfGE 19, 268, BStBl I 1966, 196) hat das BVerfG den seinerzeit geltenden Halbteilungsgrundsatz, nach dem in glaubensverschiedenen Ehen die Kirchensteuer des einer steuerberechtigten Religionsgesellschaft angehörenden Ehegatten nach der Hälfte der zusammengerechneten Einkommensteuer beider Ehegatten erhoben wird, für verfassungswidrig erklärt. Es ist streitig, ob diese Entscheidung durch die neuere Rechtsprechung des BVerfG, wonach Eheleute steuerlich als Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs zu achten sind (vgl. insbesondere Urteil des 1. Senats des BVerfG vom 3. November 1982 1 BvR 620/78 u.a., BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717), überholt ist (vgl. z.B. Kirchhof, Ehe und Familie im staatlichen und kirchlichen Steuerrecht in Essener Gespräche, Bd. 21 S. 42; Damkowski, Die öffentliche Verwaltung 1987, 705). Daran bestehen schon insoweit Zweifel, als die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1965 zu einer getrennten Veranlagung ergangen ist. Auch wenn der Halbteilungsgrundsatz in glaubensverschiedener Ehe heute als verfassungsgemäß anzuerkennen wäre (so z.B. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 14. Dezember 1983 II R 170/81, BFHE 140, 338, BStBl II 1984, 332), folgt daraus nicht, daß der Individualisierungsgrundsatz in glaubensverschiedenen Ehen, so wie er dem BVerfG seinerzeit vorschwebte, nunmehr verfassungswidrig ist. Allenfalls eröffnet sich --zumindest für den Fall der Zusammenveranlagung-- insoweit ein größerer gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum. Auch Kirchhof (a.a.O.) hält daher den Halbteilungsgrundsatz in glaubensverschiedenen Ehen für verfassungsgemäß, nicht aber die sich aus der einzelnen Kirchenmitgliedschaft resultierende Individualisierung der Kirchensteuer per se für verfassungswidrig. Dies folgt unmittelbar auch aus dem Verständnis der Ehegemeinschaft, so wie es in BVerfGE 61, 319, BStBl II 1982, 717 zum Ausdruck gelangt. Danach bilden zusammenlebende Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und des Verbrauchs, in der ein Ehegatte an den Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat. Dem entspricht es, in einer Ehe, in der beide Partner einer umlageerhebenden Gemeinschaft angehören, die daraus resultierenden steuerlichen Lasten für die Gemeinschaft zu berücksichtigen. Gehört aber ein Ehepartner keiner umlageerhebenden Gemeinschaft an, so besteht insoweit auch aus der Sicht des BVerfG gar keine gemeinschaftlich zu tragende --unvermeidbare-- Last. Im übrigen ist der Gesetzgeber auch nach neuerer Rechtsprechung des BVerfG nicht gehalten, jegliche die Familie betreffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten (vgl. z.B. Urteil des 1. Senats des BVerfG in BVerfGE 87, 1, 35, m.w.N.). Dies gilt um so mehr, als die vom Kläger angestrebte Entlastung zu einer eklatanten Ungleichbehandlung von ledigen Kirchenmitgliedern führt, die nach einer Modellrechnung des FG mehr als das Zweieinhalbfache an Kirchensteuer zu zahlen hätten als der Kläger.

c) Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger durch die Individualbesteuerung in der Ausübung seines Glaubens gemäß Art. 4 GG beeinträchtigt ist. Das Recht der Religionsgemeinschaften, Kirchensteuer zu erheben, ist gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung garantiert.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66216

BFH/NV 1997, 354

BStBl II 1997, 545

BFHE 183, 107

BFHE 1998, 107

BB 1997, 1522 (Leitsatz)

DB 1997, 1650-1651 (Leitsatz 1 und Gründe)

DStR 1997, 1121-1123 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 594 (Leitsatz)

HFR 1997, 685-686 (Leitsatz)

StE 1997, 444 (Leitsatz)

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