Leitsatz (amtlich)

1. Ein allgemeiner Grundsatz, daß bei einer Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsunternehmen durchgängig korrespondierend bilanzieren müssen, besteht nicht (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 26.Juni 1975 IV R 59/73, BFHE 116, 160, BStBl II 1975, 700).

2. Die Ausführungen des BGH-Urteils vom 3.November 1975 II ZR 67/73 (BGHZ 65, 230) über die zeitkongruente Aktivierung von Gewinnausschüttungsansprüchen durch den Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft sind auch auf die Fälle zu übertragen, in denen der Mehrheitsgesellschafter ein Einzelunternehmer und die beherrschte Kapitalgesellschaft eine GmbH sind.

 

Orientierungssatz

1. Die gewerblichen Einkünfte des Besitzunternehmers aus der Verpachtung von Grundstücken an die Betriebs-GmbH sind auch dann durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln, wenn er in Unkenntnis der Betriebsaufspaltung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (V + V) erklärt. Die Erklärung von Einkünften aus V + V ist nicht deswegen als Wahl der Gewinnermittlungsart des § 4 Abs. 3 EStG anzusehen, weil sowohl Überschußeinkünfte wie der Gewinn aus § 4 Abs. 3 EStG nach Zuflußgesichtspunkten und Abflußgesichtspunkten ermittelt werden.

2. Notwendiges Betriebsvermögen des Besitzunternehmers sind außer den verpachteten wesentlichen Betriebsgrundlagen auch die dem Mehrheitsgesellschafter gehörenden Anteile an der Betriebs-GmbH, mit denen er die Durchsetzung seines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen in der GmbH sicherstellt (vgl. BFH-Urteil vom 23.7.1981 IV R 103/78).

3. Bei einer Betriebsaufspaltung sind Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen getrennte Unternehmen, die ihren Gewinn selbständig ermitteln. Die gewerbliche Betätigung des Besitzunternehmens ist nicht schon deswegen zu bejahen, weil sich das Betriebsunternehmen gewerblich betätigt; das Besitzunternehmen ist vielmehr allein wegen der Umstände, die in seinem Bereich begründet sind, als gewerblich zu qualifizieren (vgl. BFH-Urteil vom 12.11.1985 VIII R 240/81).

4. Ansprüche auf Gewinne (Dividenden) aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind im allgemeinen erst dann zu aktivieren, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluß der Kapitalgesellschaft vorliegt und hierdurch ein verfügbarer Rechtsanspruch auf einen Gewinnanteil in bestimmter Höhe endgültig begründet ist (vgl. BFH-Rechtsprechung).

5. Wird trotz Bilanzierungspflicht keine Bilanz erstellt, muß nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden, zu welchem Zeitpunkt der Steuerpflichtige bei Kenntnis einer Abschlußpflicht vermutlich bilanziert hätte. Dieser Zeitpunkt steht der tatsächlichen Bilanzierung gleich und begrenzt wie diese den Zeitraum, in dem nachträglich bekanntwerdende Umstände noch die Verhältnisse am Bilanzstichtag erhellen können.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 17.03.1986; Aktenzeichen X K 165/83)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war die Ehefrau und ist die Gesamtrechtsnachfolgerin des am 15.April 1980 verstorbenen E. E und die Klägerin wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. E war Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der 1975 gegründeten Tiefbau-E-GmbH (GmbH). Sein Anteil am Stammkapital der GmbH betrug zunächst 55 v.H. und ab 1978 51 v.H. Er war außerdem Erbbauberechtigter zweier Grundstücke in K. Die GmbH betrieb ihr Tiefbauunternehmen in Betriebsgebäuden, die sich auf diesen Grundstücken befanden. Sie hatte die Gebäude 1975 von E gepachtet.

Anläßlich einer Außenprüfung im Jahre 1981 nahm der Betriebsprüfer eine Betriebsaufspaltung zwischen dem Verpachtungsunternehmen des E (Besitzunternehmen) und der GmbH (Betriebsunternehmen) an. Er rechnete dem Besitzunternehmen auch die GmbH-Anteile des E zu. Die Ausschüttungen der GmbH an E erfaßte er in dem Besitzunternehmen als "Forderungen auf Gewinnausschüttung" schon in den Wirtschaftsjahren, für die die GmbH ausschüttete. Demgemäß wurde die in der GmbH-Gesellschafterversammlung vom 11.September 1979 für 1978 beschlossene Ausschüttung von 155 529 DM bereits in die Prüferbilanz zum 31.Dezember 1978 eingestellt.

E und die Klägerin hatten bis zur Außenprüfung keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Die Einkommensteuererklärung für 1978 hatten sie am 18.Juni 1979 abgegeben. Sie waren für 1978 erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt worden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ nach Abschluß der Außenprüfung Änderungsbescheide u.a. für 1975/76, 1978 bis 1980, denen die Auffassung des Betriebsprüfers zugrunde lag. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 387 veröffentlicht ist, wies die Klage für die Jahre 1975/76 und 1979 ab und gab der Klage für die Jahre 1978 und 1980 statt. Es führte aus: Der Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft dürfe handelsrechtlich und müsse steuerrechtlich den Gewinnanspruch grundsätzlich bereits in dem Jahr aktivieren, in dem der Gewinn entstanden sei. Das gelte auch im Falle einer Betriebsaufspaltung. Die Klage sei demnach für die Jahre 1975/76 und 1979 abzuweisen. Anders verhalte es sich für 1978. Ein Ausschüttungsanspruch sei erst tatsächlich gesichert, wenn im Zeitpunkt der Bilanzerstellung der Gewinnverwendungsbeschluß oder -vorschlag der Kapitalgesellschaft vorliege. Die GmbH habe für 1978 den Gewinnverwendungsbeschluß erst nach Einreichung der Einkommensteuererklärung durch E und die Klägerin am 11.September 1979 gefaßt. Der Gewinn für 1978 sei demnach um die Ausschüttung von 155 529 DM zu kürzen. Für 1980 sei der Klage ebenfalls stattzugeben, weil die Klägerin im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses keine Mehrheitsgesellschafterin mehr gewesen sei.

Das FA macht mit der Revision, die entsprechend der Zulassung des FG auf das Jahr 1978 beschränkt ist, geltend: Die Auffassung des FG eröffne Steuerpflichtigen die Möglichkeit, auf die Erfassung von Gewinnausschüttungsansprüchen willkürlich Einfluß zu nehmen, indem sie für Besitz- und Betriebsunternehmen den Zeitpunkt der Bilanzaufstellung unterschiedlich bestimmten. Da die Bilanzen regelmäßig erst mit der Steuererklärung vorgelegt werden müßten, könne unabhängig von Bilanzerstellungsfristen der Gewinnausweis nach Belieben verlagert werden.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung für 1978 aufzuheben und die Klage auch hinsichtlich des Streitjahres 1978 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt für die allein noch streitbefangene Einkommensteuer 1978 zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage auch hinsichtlich des Streitjahres 1978.

1. Der Senat geht mit dem FG und den Beteiligten davon aus, daß die Verpachtungstätigkeit des E als gewerbliches Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zu beurteilen ist (§ 15 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--), dessen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln ist.

a) Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung (dazu Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8.November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) waren für die Verpachtungstätigkeit des E und das Tiefbauunternehmen der GmbH erfüllt. E konnte sowohl in dem Verpachtungsunternehmen (Besitzunternehmen) als auch in der von ihm mehrheitlich beherrschten GmbH (Betriebsunternehmen) seinen Willen durchsetzen. Er hatte der GmbH wesentliche Betriebsgrundlagen, nämlich die Betriebsgebäude, verpachtet.

b) Der Gewinn des hier zu beurteilenden Besitzunternehmens ist durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln. E ging allerdings bis zu seinem Tode davon aus, daß er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen erzielte; er und die Klägerin hatten dementsprechend für das Streitjahr Einkünfte gemäß §§ 20, 21 EStG erklärt. Erst nach E's Tod wurde infolge der Außenprüfung deutlich, daß E gewerbliche Einkünfte erzielt hatte. Es kann dahingestellt bleiben, ob E seinen gewerblichen Gewinn auch durch Einnahmenüberschußrechnung (§ 4 Abs.3 EStG) hätte ermitteln dürfen, was zur Folge gehabt hätte, daß die Gewinnausschüttungen im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern gewesen wären. Sollte ein solches Wahlrecht bestanden haben, ist es von E nicht ausgeübt worden. Die Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung ist nicht deswegen als Wahl der Gewinnermittlungsart des § 4 Abs.3 EStG anzusehen, weil sowohl Überschußeinkünfte wie der Gewinn aus § 4 Abs.3 EStG nach Zu- und Abflußgesichtspunkten (§ 11 EStG) ermittelt werden. Da E nicht bewußt war, daß er gewerbliche Einkünfte erzielt hatte, fehlte es an einer Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts gemäß § 4 Abs.3 EStG; es greift die Regel-Gewinnermittlungsart des Betriebsvermögensvergleichs ein (BFH-Urteil vom 30.September 1980 VIII R 201/78, BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301).

Unentschieden bleiben kann, ob der Betriebsvermögensvergleich im Streitfall, wie bei Gewerbetreibenden üblich, nach § 5 EStG oder ausnahmsweise nach § 4 Abs.1 EStG durchzuführen ist. Sollte eine Rechtspflicht zur Bilanzerstellung weder nach Handelsrecht noch nach § 141 der Abgabenordnung --AO 1977-- (§ 161 der Reichsabgabenordnung --AO--) bestanden haben, wäre § 5 EStG nicht anwendbar. Die nachträglich vom Betriebsprüfer gefertigte Prüferbilanz wäre dann nach § 4 Abs.1 EStG zu beurteilen. Es ist im Streitfall unerheblich, ob eine Bilanz nach § 5 EStG oder nach § 4 Abs.1 EStG zu erstellen ist. Die Gewinnrealisierung von Gewinnausschüttungsansprüchen richtet sich in beiden Gewinnermittlungsarten nach denselben Grundsätzen.

c) Nur das notwendige Betriebsvermögen kann entgegen dem ursprünglichen Willen des E in die Prüferbilanz des Besitzunternehmens eingestellt werden. Notwendiges Betriebsvermögen waren außer den verpachteten wesentlichen Betriebsgrundlagen auch die dem E gehörenden GmbH-Anteile, mit denen er die Durchsetzung seines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens in der GmbH sicherstellte (BFH-Urteil vom 23.Juli 1981 IV R 103/78, BFHE 134, 126, BStB II 1982, 60). Hieraus folgt, daß auch die Ansprüche auf Gewinnausschüttung im Zeitpunkt ihrer Realisierung (gewinnerhöhend) zu aktivieren sind.

2. Die Streitfrage wäre ohne weiteres im Sinne des FA zu beantworten, wenn bei einer Betriebsaufspaltung anzunehmen wäre, daß Besitz- und Betriebsunternehmen durchgängig korrespondierend bilanzieren müssen. Das Betriebsunternehmen GmbH war nach Maßgabe der Beschlußfassung der Gesellschafterversammlung verpflichtet, anteilig den Reingewinn des Abschlußjahres an die Gesellschafter auszuschütten (§ 29, § 46 Nr.1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--). Dies setzte voraus, daß die GmbH den Gewinn des Abschlußjahres 1978 in ihrer Bilanz zum 31.Dezember 1978 passivierte. Hiermit würde im Besitzunternehmen eine Bilanzierung korrespondieren, die den Gewinnausschüttungsanspruch schon zum 31.Dezember 1978 erfaßte. Indes gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, daß bei einer Betriebsaufspaltung durchgängig korrespondierend bilanziert werden muß. Insbesondere gelten für den Gewinnausschüttungsanspruch aus der Beteiligung an der Betriebs-Kapitalgesellschaft keine Besonderheiten gegenüber den allgemeinen Bilanzierungsregeln.

a) Der IV.Senat des BFH hat entschieden, daß bei Betriebsaufspaltung das Besitzunternehmen einen Warenrückgabeanspruch gegen die Betriebs-Kapitalgesellschaft grundsätzlich korrespondierend mit dem gleichen Wert zu aktivieren hat, mit dem die Betriebs-Kapitalgesellschaft die Rückgabeverpflichtung passiviert hat (Urteil vom 26.Juni 1975 IV R 59/73, BFHE 116, 160, BStBl II 1975, 700; vgl. auch BFH-Urteile vom 13.Januar 1959 I 44/57 U, BFHE 68, 515, BStBl III 1959, 197 betreffend Sachwertdarlehen; vom 21.Dezember 1965 IV 228/64 S, BFHE 84, 407, BStBl III 1966, 147, und vom 23.Juni 1966 IV 75/64, BFHE 86, 625, BStBl III 1966, 589 betreffend Substanzerhaltungsanspruch). Diese Auffassung hat der IV.Senat wie folgt begründet: Die Aufspaltung in zwei zivilrechtlich selbständige Unternehmen hindere nicht, das weiterhin einer gewerblichen Betätigung dienende Anlagevermögen des Besitzunternehmens als gewerbliches Betriebsvermögen und den Ertrag hieraus als gewerblich anzusehen. Dieser Gesichtspunkt müsse bei der Bilanzierung von Umlaufvermögen bei steigenden Wiederbeschaffungskosten zu einer Gleichbehandlung mit einem rechtlich einheitlichen Unternehmen führen. Denn die von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen getragenen Besitz- und Betriebsunternehmen stünden einem rechtlich einheitlichen Unternehmen "näher" als zwei einander fremde Unternehmen. § 5 EStG trete insoweit zurück.

b) Die Rechtsprechung des IV.Senats hat Widerspruch erfahren (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, Lief.Dez.1985, § 6 EStG Anm.951; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 6.Aufl., Lief.Nov.1987, § 2 Anm.55h; Woerner, Festschrift Döllerer 1988, 741). Es wird darauf hingewiesen, daß der Große Senat des BFH in dem Beschluß in BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63 Besitz- und Betriebsunternehmen auch steuerrechtlich als zwei Unternehmen beurteilt habe. Die frühere, eine korrespondierende Bilanzierung zulassende Rechtsprechung könne nicht herangezogen werden, weil sie noch von dem Gedanken der wirtschaftlichen Einheit von Besitz- und Betriebsunternehmen getragen sei.

c) Im Grundsatz folgt der erkennende Senat dieser Kritik. Nach dem Ergehen des Beschlusses des Großen Senats vom 25.Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) hat die Rechtsprechung mehrfach betont, daß Besitz- und Betriebsunternehmen getrennte Unternehmen sind. Beide Unternehmen ermitteln ihren Gewinn selbständig. Die gewerbliche Betätigung des Besitzunternehmens ist nicht schon deswegen zu bejahen, weil sich das Betriebsunternehmen gewerblich betätigt; das Besitzunternehmen ist vielmehr allein wegen der Umstände, die in seinem Bereich begründet sind, als gewerblich zu qualifizieren (BFH-Urteil vom 12.November 1985 VIII R 240/81, BFHE 145, 401, BStBl II 1986, 296).

Soweit Besitzunternehmen Unternehmen im Sinne des Handelsrechts sind, gelten der Maßgeblichkeitsgrundsatz gemäß § 5 EStG und das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip. Die Auffassung des IV.Senats würde, als allgemeiner Grundsatz verstanden, zu dem Ergeb- nis führen, Forderungen des Besitzunternehmens gegen die notleidend gewordene Betriebs-Kapitalgesellschaft nur deswegen mit dem vollen Wert anzusetzen, weil die Betriebs-Kapitalgesellschaft ihrerseits die Verpflichtung in voller Höhe passivieren muß. Nicht zu überzeugen vermag auch der Hinweis auf die Konsolidierungsvorschriften des § 331 Abs.1 Nr.4 des Aktiengesetzes (AktG) 1965, § 303 Abs.1 des Handelsgesetzbuches (HGB) i.d.F. des Bilanzrichtlinien-Gesetzes (BiRiLiG), wonach Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Konzernunternehmen weggelassen werden. Besitz- und Betriebsunternehmen bilden im Rahmen einer Betriebsaufspaltung keinen Konzernkreis. Davon abgesehen, läßt sich ein korrespondierendes Weglassen von Bilanzposten nicht ohne weiteres mit einer korrespondierenden Aktivierung und Passivierung vergleichen.

Andererseits kann nicht unbeachtet bleiben, daß die hinter dem Besitz- und Betriebsunternehmen stehende Person oder Personengruppe sich mit einem "einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" (BFHE 103, 440, 444, BStBl II 1972, 63) in beiden Unternehmen durchsetzt. Die maßgebliche Person oder Personengruppe muß ihren Willen in beiden Unternehmen folgerichtig und frei von Widersprüchen --d.h. "ungespalten"-- verwirklichen. Hieraus ergeben sich Auswirkungen auch auf die Bilanzierung in den beiden Unternehmen. So kann grundsätzlich nicht hingenommen werden, daß die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts in beiden Unternehmen unterschiedlich geschätzt wird (Woerner, a.a.O., S.752 f.). Widersprüchlich wäre es auch, ein Wirtschaftsgut beiden Unternehmen oder keinem der Unternehmen zuzurechnen oder in einem Unternehmen eine Verpflichtung anzunehmen, aber den entsprechenden Anspruch in dem anderen Unternehmen zu leugnen. In diesem Rahmen ist eine korrespondierende Bilanzierung geboten. Sie findet allerdings ihre Begrenzung in den zwingenden handels- und steuerrechtlichen Bilanzierungsvorschriften. Die maßgebliche Person oder Personengruppe widerspricht sich nicht, wenn sie ein Schuldverhältnis zwischen den beiden Unternehmen so darstellt, daß die Verpflichtung bei einem Unternehmen in voller Höhe passiviert, hingegen der Anspruch bei dem anderen Unternehmen im Hinblick auf die geminderte Bonität des ersten Unternehmens mit einem geringeren Wert oder gar nicht aktiviert wird. Kaufmännischer Vorsicht, die steuerrechtlich zu beachten ist, entspricht es auch, einen Anspruch erst dann zu aktivieren, wenn er in rechtlich oder doch zumindest wirtschaftlich gesicherter Form entstanden (realisiert) ist. Die Betriebsaufspaltung gibt keine Rechtsgrundlage dafür, eine Gewinnrealisierung zeitlich vorzuziehen.

d) Für den Streitfall folgt hieraus, daß unabhängig von der Bilanzierung bei der GmbH nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen ist, wann der Gewinnausschüttungsanspruch für 1978 zu aktivieren war. Der Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des IV.Senats zur Behandlung von Warenrückgabeansprüchen (BFHE 116, 160, BStBl II 1975, 700) und zur Behandlung von Substanzerhaltungsansprüchen (BFHE 84, 407, BStBl III 1966, 147; BFHE 86, 625, BStBl III 1966, 589) ab. In diesen Entscheidungen ging es um den Ansatz von Forderungen und Verpflichtungen, deren Inhalt sich unmittelbar aus dem Pachtvertrag zwischen Besitz- und Betriebsunternehmer ergibt. Nur insoweit tragen die Ausführungen des IV.Senats seine Entscheidungen. Die Interessen der Unternehmen waren in den bisher beurteilten Sachverhalten in besonderer Weise dadurch verknüpft, daß im Falle abweichender Bilanzierung bei steigenden Wiederbeschaffungskosten "steuerfreie Substanzerhaltungsrücklagen" für das Umlaufvermögen hätten gebildet werden können (BFHE 116, 160, 167, BStBl II 1975, 700, 703). Dieser Gesichtspunkt ist im Streitfall ohne Bedeutung.

3. E hatte indessen nach allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen seinen Anspruch auf Ausschüttung des anteiligen GmbH-Gewinns 1978 bereits zum 31.Dezember 1978 auszuweisen.

a) Ansprüche auf Gewinne (Dividenden) aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften sind im allgemeinen erst dann zu aktivieren, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluß der Kapitalgesellschaft vorliegt und hierdurch ein verfügbarer Rechtsanspruch auf einen Gewinnanteil in bestimmter Höhe endgültig begründet ist (BFH-Urteile vom 2.April 1980 I R 75/76, BFHE 131, 196, 198, BStBl II 1980, 702; vom 3.Dezember 1980 I R 125/77, BFHE 132, 80, 82, BStBl II 1981, 184; s. auch BFH-Urteil vom 30.Oktober 1973 I R 67/72, BFHE 111, 72, 75, BStBl II 1974, 234). Dies hat zur Folge, daß der Inhaber der Beteiligung den Gewinnanspruch regelmäßig zeitversetzt erst in der Bilanz des Geschäftsjahres (Wirtschaftsjahres) zu aktivieren hat, das dem Geschäftsjahr (Wirtschaftsjahr) der Kapitalgesellschaft nachfolgt. Ist die Kapitalgesellschaft wie hier eine GmbH, ist die Bilanz als Grundlage der Gewinnberechnung gemäß § 41 Abs.2 GmbHG in den ersten drei Monaten des folgenden Jahres, nach Maßgabe des § 41 Abs.3 GmbHG auch später zu erstellen (für die Zeit nach Inkrafttreten des BiRiLiG s. § 264 Abs.1 HGB). Noch später stellen die Gesellschafter die Jahresbilanz fest und beschließen über die Verteilung des sich aus derselben ergebenden Reingewinns (§ 46 Nr.1 GmbHG).

b) Hiervon hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Ausnahme für den Fall gemacht, daß eine Konzern- oder Holding-Gesellschaft (AG) mit Mehrheit an einer anderen AG (Tochtergesellschaft) beteiligt ist: Die Obergesellschaft kann bei übereinstimmendem Geschäftsjahr den Gewinnausschüttungsanspruch zeitkongruent schon in dem Jahr ansetzen, für das ausgeschüttet wird; indessen muß der Jahresabschluß der Tochtergesellschaft noch vor Abschluß der Prüfung bei der Muttergesellschaft festgestellt werden und ein entsprechender Gewinnverwendungsbeschluß oder -vorschlag gemäß § 170 Abs.2, § 171 AktG 1965 vorliegen (BGH-Urteil vom 3.November 1975 II ZR 67/73, BGHZ 65, 230). Der I.Senat des BFH hat sich dieser Rechtsprechung für das Körperschaftsteuerrecht angeschlossen und sie auf Mehrheitsbeteiligungen außerhalb eines Konzerns oder einer Holding und auf den Fall angewandt, daß die Tochtergesellschaft eine GmbH ist (BFHE 131, 196, 199, BStBl II 1980, 702; BFHE 132, 80, 83, BStBl II 1981, 184; s. auch BFH-Urteil vom 21.Mai 1986 I R 190/81, BFHE 147, 27, 34 und 36, BStBl II 1986, 815).

Der erkennende Senat schließt sich ebenfalls der Rechtsprechung des BGH an. Er hält sie --über die bisherige Rechtsprechung des BFH hinausgehend-- auf jegliche gewerbliche Mehrheitsbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft für anwendbar, gleichviel, ob Mehrheitsgesellschafter eine Kapitalgesellschaft, eine Personengesellschaft oder --wie hier-- ein Einzelunternehmer ist (vgl. Schulze-Osterloh, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht --ZGR-- 1977, 104, 114 f.). Die Erwägungen des BGH sind allgemein gehalten und gehen dahin, daß der Mehrheitsgesellschafter es weitgehend in der Hand hat, den mitgliedschaftsrechtlichen Anspruch auf den Bilanzgewinn (z.B. § 58 Abs.4 AktG 1965) in der vorgestellten Höhe tatsächlich durchzusetzen; der Anspruch erscheint auch der Höhe nach spätestens dann gesichert, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluß oder -vorschlag der Tochtergesellschaft vorliegt.

c) Nicht zu folgen ist der Kritik an der Rechtsauffassung des BGH, wie sie insbesondere von Weber (Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung von Beteiligungen, 1980, S.129 ff.) und Wassermeyer (Festschrift Döllerer, 1988, S.705 ff.) vorgetragen worden ist. Mit Ablauf des Geschäftsjahrs steht objektiv fest, ob die Tochtergesellschaft einen Gewinn erzielt hat. Der Gesellschafter hat allerdings auf diesen Gewinn einen Anspruch nur nach Maßgabe der gesetzlichen Rechnungslegungsvorschriften, der Satzung und der Beschlußfassung der Organe der Tochtergesellschaft. Ein Mehrheitsgesellschafter kann indessen kraft seiner beherrschenden Stellung bestimmen, daß der Gewinn ganz oder teilweise anteilig an ihn ausgeschüttet wird. Die Verwirklichung einer solchen Möglichkeit ist aus der Sicht des Bilanzstichtages noch mit Unsicherheiten behaftet. Der Gewinn ist am Bilanzstichtag allenfalls in groben Zügen bekannt. Er kann sich durch die Ausübung von Wahlrechten verändern, deren Zweckmäßigkeit am Bilanzstichtag noch fraglich ist. Auch Dritte, wie Abschlußprüfer und Aufsichtsrat, können die Bilanzierung beeinflussen. Aber spätestens der Gewinnverwendungsbeschluß beseitigt derartige Unsicherheiten und konkretisiert den Ausschüttungsanspruch. Der Beschluß verdeutlicht im Regelfall die schon am Bilanzstichtag bestehende Absicht des Mehrheitsgesellschafters, sich Gewinne der Gesellschaft durch Ausschüttung zuzuführen. Die auch bei einem Mehrheitsgesellschafter denkbare Alternative, den Gewinn der Gesellschaft zu belassen, ist erkennbar nicht oder nur teilweise verwirklicht worden. Der rechtlich entstandene Gewinnausschüttungsanspruch war wirtschaftlich bereits am Bilanzstichtag vorhanden. Die innere Einstellung des Mehrheitsgesellschafters zur Ausschüttung und die Höhe der Ausschüttung sind in einer objektiv nachprüfbaren Weise erhellt worden.

Unerheblich ist, daß für den Bilanzstichtag andere Vorstellungen und Absichten behauptet werden. Der Mehrheitsgesellschafter muß sich im Interesse einer objektivierten Bilanzierung daran festhalten lassen, daß die später von ihm selbst gesetzten Tatsachen (insbesondere ein Gewinnverwendungsbeschluß) schon seiner Absicht am Bilanzstichtag entsprachen. Ob etwas anderes gilt, wenn zwischen Bilanzstichtag und Bilanzierung unvorhersehbare wesentliche Umstände eintreten, braucht nicht entschieden zu werden.

Der erkennende Senat braucht nicht zu der vom BGH offengelassenen Frage Stellung zu nehmen, ob der so verstandene Ausschüttungsanspruch handelsrechtlich am Bilanzstichtag aktiviert werden muß. Steuerrechtlich folgt auch für den Fall, daß handelsrechtlich ein Ansatzwahlrecht besteht, eine Aktivierungspflicht (BFH-Beschluß vom 3.Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291; BFHE 132, 80, 84, BStBl II 1981, 184, 186; s. auch Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 3.Dezember 1976, BStBl I 1976, 679). Die Beurteilung des Ausschüttungsanspruchs als schon am Bilanzstichtag vorhandener Vermögensgegenstand läßt keinen Raum für die Annahme, der BGH habe lediglich eine Bilanzierungshilfe gewähren wollen (so aber Knobbe-Keuk, Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen --AG-- 1979, 293, 301; dieselbe, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 6.Aufl.1987, S.121 f.). Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Rechtsprechung des BGH und die Rechtsprechung des I.Senats des BFH in dem Urteil in BFHE 147, 27, BStBl II 1986, 815 (ferner BFH-Urteil vom 21.Mai 1986 I R 362/83, BFHE 147, 37) voneinander abweichen (so Wassermeyer, a.a.O., S.716 f.). Der I.Senat hatte über Sachverhalte zu befinden, in denen die Mehrheitsbeteiligung nicht während des gesamten Geschäftsjahrs, für das ausgeschüttet wurde, bestanden hatte. Er verneinte für derartige Fälle die Anwendbarkeit der BGH-Rechtsprechung, der er im übrigen ausdrücklich zustimmte. Das FG hat in dem nicht revisionsanhängig gewordenen Jahr 1980 die Anwendbarkeit der BGH-Rechtsprechung verneint, weil die Klägerin die Mehrheitsbeteiligung nach Ablauf des Geschäftsjahrs 1980, aber vor dem Ergehen des Gewinnverwendungsbeschlusses aufgegeben hatte. Der Senat braucht zu Sachverhalten dieser Art nicht Stellung zu nehmen. Im Streitfall bestand die Mehrheitsbeteiligung des E an der GmbH ununterbrochen während des Streitjahres 1978 und darüber hinaus bis zum Ergehen des Gewinnverwendungsbeschlusses für 1978.

d) Das FG ist für das Streitjahr von den dargestellten Grundsätzen ausgegangen, hat jedoch von einer Aktivierung abgesehen, weil der Gewinnverwendungsbeschluß der GmbH erst nach Abgabe der Einkommensteuererklärung gefaßt wurde. Diese Auffassung wird nicht den Besonderheiten des Streitfalls gerecht. E und die Klägerin hatten der Einkommensteuererklärung für 1978 keine Bilanz zum 31.Dezember 1978 beigefügt. E war vielmehr bis zu seinem Tode der Meinung, daß er keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hatte; demgemäß hatte er von einer Bilanzierung abgesehen.

Wird trotz Bilanzierungspflicht keine Bilanz erstellt, muß nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, zu welchem Zeitpunkt der Steuerpflichtige bei Kenntnis einer Abschlußpflicht vermutlich bilanziert hätte. Dieser Zeitpunkt steht der tatsächlichen Bilanzierung gleich und begrenzt wie diese den Zeitraum, in dem nachträglich bekanntwerdende Umstände noch die Verhältnisse am Bilanzstichtag erhellen können.

Im Streitfall kommen hierfür mehrere Zeitpunkte in Betracht: (1) die Abgabe der Einkommensteuererklärung für 1978 am 18.Juni 1979, als dem FA einige für die Bilanzerstellung wesentliche Umstände aus den Erläuterungen des E und der Klägerin zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung bekannt wurden; (2) die Beschlußfassung der GmbH-Gesellschafter- Versammlung über die Bilanzfeststellung und Gewinnverwendung am 11.September 1979, als gesichertes Zahlenmaterial für die GmbH vorlag; (3) der Tag, an dem spätestens ein ordnungsmäßiger Abschluß erstellt werden konnte, d.i. nach der Rechtsprechung allenfalls noch der Tag des Ablaufs eines Jahres nach dem Bilanzstichtag --hier 31.Dezember 1979-- (BFH-Urteil vom 6.Dezember 1983 VIII R 110/79, BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227); (4) die Erstellung der Prüferbilanz im Jahre 1981.

Der letztgenannte Zeitpunkt scheidet aus, weil auf ein Verhalten des Bilanzierungspflichtigen selbst abgestellt werden muß und im übrigen der Erhellungszeitraum unangemessen weit ausgedehnt würde. Das Unterlassen rechtzeitiger Bilanzierung könnte nur dann maßgeblich sein, wenn nicht an positive Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen angeknüpft werden könnte. Von den hiernach noch in Betracht kommenden Zeitpunkten ist dem Zeitpunkt der Beschlußfassung der GmbH über die Bilanzfeststellung und Gewinnverwendung der Vorzug zu geben. Im Falle einer Betriebsaufspaltung läßt es sich schon im Hinblick auf die gebotene eingeschränkte korrespondierende Bilanzierung (vgl. oben 2) nicht vermeiden, die Abschlußarbeiten für Besitz und Betriebsunternehmen zeitlich aufeinander abzustimmen. Es ist anzunehmen, daß auch E sich bei Kenntnis einer Bilanzierungspflicht diesem Sachzwang gebeugt und die Bilanz für sein gewerbliches Verpachtungsunternehmen erst am 11.September 1979 erstellt hätte. Es war zu erwarten, daß E und die Klägerin die Einkommensteuererklärung entweder erst später oder vorerst ohne die Bilanz für das Verpachtungsunternehmen abgegeben hätten.

4. Danach ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Abweisung der Klage auch hinsichtlich des Streitjahres 1978 folgt aus § 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 62503

BFH/NV 1989, 28

BStBl II 1989, 714

BFHE 156, 443

BFHE 1989, 443

BB 1989, 1246-1249 (LT1-2)

DStR 1989, 402 (K)

HFR 1989, 484 (LT)

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