Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat verbleibt bei seiner Rechtsprechung, nach der - von der Zusammenfassung mehrerer Versorgungs- oder mehrerer Verkehrsbetriebe abgesehen - mehrere Betriebe gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nur dann mit steuerlicher Wirkung zu einer Einheit verbunden werden können, wenn die Betriebe in einem so engen inneren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, daß sie gegenseitig aufeinander angewiesen sind.

KStG § 1 Abs. 1 Ziff. 6; KStDV § 1 Abs. 2; Eigenbetriebsverordnung vom 21. November 1938 (RGBl

 

Normenkette

KStG § 1 Abs. 1 Ziff. 6; KStDV § 1 Abs. 2; EigVO § 22

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die am 19. März 1956 gemäß § 22 der Eigenbetriebsverordnung vom 21. November 1938 (RGBl 1938 I S. 1650) beschlossene Zusammenfassung eines städtischen Schwimmbades (mit Wannen- und Brausebädern) mit den Stadtwerken (Wasserwerken) körperschaftsteuerlich anerkannt werden kann.

Das Schwimmbad war im Zuge der Auflösung des X-Vereins, der das Bad auf städtischem Gelände neben dem alten, im Jahre 1934 stillgelegten Schwimmbad errichtet und auch bis Ende des Krieges (1945) betrieben hatte, nach zwischenzeitlicher treuhänderischer Verwaltung im Jahre 1953 in städtisches Eigentum übergegangen. Die im Jahre 1956 beschlossene Zusammenfassung des Bades mit dem ihm räumlich benachbarten Wasserwerk begründete die Stadt mit der räumlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Verbundenheit beider Betriebe. Auf dem Schwimmbadgelände befinden sich drei Saugbrunnen sowie das Armaturen- und Rohrlager des Wasserwerks. Die Brunnen versorgen sowohl das Bad wie das Wasserwerk mit Frischwasser. Das für die Wannen- und Brausebäder benötigte Warmwasser wird in einem Kessel erzeugt, der im Winter die Pumpstation des Wasserwerks beheizt. Die technische Betreuung des Bades erfolgt durch das Personal des Wasserwerks, das aus der Reihe seiner Monteure auch einen Bademeister stellt. Wasserwerk und Bad stehen unter einheitlicher Leitung und haben eine gemeinsame Buch- und Kassenführung.

Das Finanzamt (FA) versagte der Zusammenfassung die steuerliche Anerkennung. Die Sprungberufung der Steuerpflichtigen - Stpfl. - (§ 261 AO a. F.) hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1963 S. 515 veröffentlicht ist, sah die bereits vor dem Beschluß vom 19. März 1956 gegebene enge räumlich-technische Verbindung der beiden Betriebe als eine solche sachlicher Natur an, die nicht erst durch eine vom Willen der Stpfl. abhängige organisatorische Maßnahme begründet worden sei. Je enger die sachlichen Beziehungen zweier Betriebe gewerblicher Art zueinander seien, um so enger sei auch ihr innerer wirtschaftlicher Zusammenhang, der im Streitfall die Zusammenfassung beider Betriebe unter einheitlicher Leitung aus rein sachlichen Gründen zur besseren wirtschaftlichen Gestaltung der Gemeindeeinrichtungen als zweckmäßig und wünschenswert erscheinen ließe (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - I 317/55 U vom 20. März 1956, BStBl 1956 III S. 166, Slg. Bd. 62 S. 448).

Gegen dieses Urteil wendet sich der Revisionskläger (das FA) mit der Rechtsbeschwerde (Revision). Der vom FG festgestellte räumlich-technische Zusammenhang genüge nicht, um den für die steuerliche Anerkennung erforderlichen engen inneren wirtschaftlichen Zusammenhang zu begründen. Ein solcher könne sich nur aus der Natur der Betätigung der Gemeinde in den beiden in Frage stehenden Betrieben ergeben (BFH-Urteil I 65/60 U vom 6. August 1962, BStBl 1962 III S. 450, Slg. Bd. 75 S. 502). Die Betätigung der Gemeinde durch den Betrieb eines Wasserwerks und eines Schwimmbades sei indes weder gleichartiger noch ähnlicher Natur noch ergänze eine Betätigung die andere.

Demgegenüber macht die Revisionsbeklagte (Stpfl.) geltend, daß der von der Rechtsprechung entwickelte Gedanke des engen inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs im Gesetz keine Stütze finde. Das Gesetz unterwerfe gemäß § 1 Abs. 2 KStDV jede anhand ihrer äußeren Merkmale erkennbare gewerbliche Betätigung von Körperschaften des öffentlichen Rechts als selbständiges Steuersubjekt der Steuer. Statt dessen mache die Rechtsprechung die Frage der Organisationsbefugnis der öffentlich-rechtlichen Körperschaften zur Grundlage ihrer Entscheidung über die Steuerpflicht. Mit der Nichtanerkennung des Beschlusses vom 19. März 1956 habe das FA einen Verwaltungsakt aufgehoben, über dessen Rechtsgültigkeit nicht die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit, sondern die der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden berufen seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Berufung als unbegründet.

Unbeschadet der Frage nach der zutreffenden rechtlichen Einordnung des Beschlusses des Gemeinderats der Stpfl. vom 19. März 1956 als Verwaltungsakt bedeutet die hier streitige Versagung der Anerkennung seiner steuerlichen Folgen keine Beeinträchtigung der Bestandskraft des Beschlusses. Für die Entscheidung des Rechtsstreits sind deshalb - sowie in Anbetracht der Rechtswegzuweisung für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten in § 33 Abs. 1 Ziff. 1 FGO bzw. für die Zeit vor dem 1. Januar 1966 in § 228 Abs. 1 Ziff. 1 AO in der Fassung vom 13. Juli 1961 (BStBl 1961 I S. 444 (458)) - die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit zuständig.

Nach § 22 der Eigenbetriebsverordnung sind Versorgungsbetriebe einer Gemeinde zu einem Eigenbetrieb zusammenzufassen. Das Gleiche gilt für Verkehrsbetriebe. Die Versorgungsbetriebe sollen durch die Betriebssatzung den Namen "Gemeindewerke" ("Stadtwerke") erhalten. Die Betriebssatzung kann die Einbeziehung der Verkehrsbetriebe sowie sonstiger Eigenbetriebe in die Gemeindewerke vorsehen. Danach geht die Eigenbetriebsverordnung von einer naturgegebenen Mehrheit von Betrieben aus, die erst durch einen entsprechenden Willensakt der Gemeinde zu einer Einheit zusammengefaßt werden.

Dem entspricht es, wenn in § 1 Abs. 1 Ziff. 6 KStG nicht die Körperschaften des öffentlichen Rechts mit ihren Betrieben gewerblicher Art, sondern vielmehr die einzelnen Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts der Steuer unterworfen werden. Voraussetzung ihrer steuerlichen Erfassung ist eine gewisse Selbständigkeit dieser Betriebe, die sie zugleich aus dem Rahmen der Gesamttätigkeit der Gemeinde als selbständige Betriebe heraushebt (§ 1 Abs. 2 KStDV; BFH-Urteil I 145/60 U vom 29. November 1960, BStBl 1961 III S. 67, Slg. Bd. 72 S. 179, zur Frage einer Marktorganisation).

Bezüglich der Voraussetzungen, unter denen nun eine Zusammenfassung solcher selbständigen Betriebe gewerblicher Art steuerlich vertretbar erscheint, hat die Rechtsprechung eine Reihe von Grundsätzen herausgearbeitet. Danach schließt es der besondere Charakter von Hoheitsbetrieben (§ 4 KStDV) aus, sie mit Betrieben gewerblicher Art der gleichen Gemeinde zusammenzufassen; ihre Besonderheit wird durch die Art der in ihnen zum Ausdruck kommenden Betätigung der Gemeinde bestimmt, der das Gesetz steuerlich Rechnung trägt. Dagegen steht der Zusammenfassung mehrerer Versorgungs- oder mehrerer Verkehrsbetriebe nichts entgegen, da die in ihnen geübten Betätigungen der Gemeinde trotz ihrer Verschiedenheit dem gleichen Gedanken, nämlich der Versorgung der Bevölkerung, untergeordnet sind (BFH-Urteile I 164/59 S vom 10. Juli 1962, BStBl 1962 III S. 448, Slg. Bd. 75 S. 498, und I 65/60 U vom 6. August 1962, BStBl 1962 III S. 450, Slg. Bd. 75 S. 502).

Bedenken gegen eine solche Zusammenfassung lassen sich höchstens vom Grundsatz her gesehen - dem Erfordernis des engen inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs - begründen, wenn man hier nicht den Oberbegriff der Versorgung der Bevölkerung als entscheidend gelten lassen will. Solche Bedenken, wie die Stpfl. sie vorträgt (vgl. auch Grieger, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A, 1956 S. 175 (176), und Vangerow, Steuer und Wirtschaft, 1963 Sp. 59), hat auch der Senat im Urteil I 65/60 U vom 6. August 1962, a. a. O., anklingen lassen, ihnen jedoch nicht Raum gegeben, um die nach § 22 der Eigenbetriebsverordnung gebotene und auch weithin übliche Zusammenfassung von Versorgungsbetrieben nicht steuerlich zu erschweren oder gar unmöglich zu machen.

Soweit nicht Versorgungs- oder Verkehrsbetriebe in Frage standen, wurde der für eine solche Zusammenfassung erforderliche enge innere wirtschaftliche Zusammenhang zwischen zwei oder mehreren verschiedenartigen Betrieben derselben Gemeinde - als zweier oder mehrerer Betätigungsformen gewerblicher Art - nach der früheren Rechtsprechung als gegeben angesehen, wenn die Zusammenfassung dieser Betriebe zu einem Betrieb mit einheitlicher Leitung aus rein sachlichen Gründen zur besseren wirtschaftlichen Gestaltung der Gemeindeeinrichtungen zweckmäßig und wünschenswert erschien (BFH-Urteile I 131/53 U vom 10. Mai 1955, BStBl 1955 III S. 210, Slg. Bd. 61 S. 32, und I 317/55 U vom 20. März 1956, a. a. O.). Die neuere, strengere Rechtsprechung verlangt dagegen, daß der enge innere wirtschaftliche Zusammenhang sich objektiv aus der Natur der unterschiedlichen Betätigungsarten - unabhängig von der vom Willen der Gemeinde bestimmten organisatorischen Zusammenfassung (Verflechtung durch Personalunion, Buchführung und Betriebsabrechnung) - ergibt (BFH-Urteil I 65/60 U vom 6. August 1962, a. a. O., den Betrieb eines Freibades und eines Versorgungsbetriebes betreffend). Das Vorliegen dieses Zusammenhangs wurde demgemäß in einem Fall verneint, in dem er damit begründet werden sollte, daß ein Hallenbad die wichtigsten Betriebsstoffe von den Stadtwerken bezog (BFH-Urteile I 120/59 vom 28. August 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Körperschaftsteuergesetz, § 1, Rechtsspruch 46; I 235/62 vom 22. April 1964, StRK, Körperschaftsteuergesetz, § 1, Rechtsspruch 49); erforderlich sei ein notwendiger Funktionszusammenhang zwischen den beiden Betrieben, die miteinander in so starken wechselseitigen Beziehungen stehen müßten, daß sie in ihrer Betätigung gegenseitig aufeinander angewiesen seien.

Obwohl die Feststellung dieses Zusammenhangs, wie in der Entscheidung I 164/59 S vom 10. Juli 1962 (a. a. O.) betont wird, im Einzelfall auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung liegt, unterliegt diese Feststellung doch der rechtlichen Nachprüfung daraufhin, ob sie mit den oben entwickelten Grundsätzen in Einklang steht. Im Streitfall hat das FG das Vorliegen eines den Anforderungen der Rechtsprechung genügenden engen inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen dem Wasserwerk und dem Schwimmbad zu Unrecht bejaht. Die Tatsache einer gewissen engen räumlich-technischen Verbindung der beiden Betriebe allein vermochte diesen Zusammenhang nicht als einen sich objektiv aus der Natur der Betriebe ergebenden Zusammenhang zu begründen. Denn ihrer Natur nach sind ein Wasserwerk und ein Schwimmbad zwei grundverschiedene Betriebe, die auch nicht durch die ihnen gemeinsamen technischen Elemente (wie Frischwasserversorgung aus den gleichen Brunnen) in einen notwendigen Funktionszusammenhang gesetzt werden können.

Die Vorentscheidung mußte deshalb aufgehoben werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411984

BStBl III 1966, 287

BFHE 1966, 213

BFHE 85, 213

BB 1966, 570

DStR 1966, 380

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