Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Kürzung des Gewerbeertrages um den Gewerbeverlust nach § 10 a GewStG, wenn bei einer Personengesellschaft ein Gesellschafter wechselt.

Ein Wechsel von Gesellschaftern, der eine Kürzung des Gewerbeertrages für den neu eingetretenen Gesellschafter nach § 10 a GewStG ausschließt, tritt bei Personengesellschaften auch dann ein, wenn bei Vorliegen eines Organschaftsverhältnisses das beherrschende Unternehmen seinen Anteil an der Personengesellschaft auf das Organ überträgt.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 2 Ziff. 2 S. 2, § 10a

 

Tatbestand

Zwischen der GmbH A (Muttergesellschaft) und der GmbH B (Tochtergesellschaft) besteht ein Organschaftsverhältnis. Die GmbH A war bis einschließlich 1954 zu 50 % an der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) C beteiligt, die in den Jahren 1950 bis 1954 erhebliche Gerwerbeverluste erlitten hatte. Mit Wirkung vom 1. Januar 1955 übertrug sie ihren Anteil an der GbR C auf die GmbH B. Die Firma C will ihren nach Eintritt der GmbH B im Jahre 1956 erzielten Gewerbeertrag in voller Höhe gemäß § 10 a GewStG um die in früheren Jahren erlittenen Verluste kürzen. Finanzamt und Finanzgericht ließen demgegenüber den Verlust lediglich insoweit zum Abzug zu, als er auf den seit 1949 zu 50 % an der GbR beteiligten Gesellschafter D entfiel.

 

Entscheidungsgründe

Der Bundesfinanzhof nahm dazu wie folgt Stellung:

Die Kürzung des Gewerbeertrages um einen Gewerbeverlust nach § 10 a GewStG ist an die Person des Gewerbetreibenden gebunden, der den Verlust erlitten hat (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 666/55 U vom 19. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 210, Slg. Bd. 66 S. 548). Danach darf nach § 10 a GewStG bei einer Veränderung der den Betrieb tragenden Unternehmer, die zu keinem Unternehmenswechsel führt, der Gewerbeverlust nur insoweit berücksichtigt werden, als er die vor und nach der Veränderung beteiligten Unternehmer tatsächlich belastet hat. Dies bedeutet, daß in den Fällen des Wechsels von Gesellschaftern bei Personengesellschaften für die Frage der Personengleichheit auf jeden einzelnen Gesellschafter abgestellt werden muß. Da zwischen der früheren Gesellschafterin, der GmbH A, und der jetzigen Gesellschafterin, der GmbH B, unbestritten ein Organschaftsverhältnis besteht, kommt es darauf an, welche Folgerungen aus der in § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG geregelten Organschaft für die Frage einer Personengleichheit zwischen beherrschendem Unternehmen und Organgesellschaft zu ziehen sind.

Ist ein Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GewStG dem Willen eines anderen inländischen Unternehmens derart untergeordnet, daß es keinen eigenen Willen hat, so gilt es als Betriebstätte, des Unternehmens (§ 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG). Nach der sogenannten Filialtheorie ist das Organ ein unselbständiger Teil des Gewerbebetriebs des Organträgers. Die Organgesellschaft ist lediglich eine Geschäftsabteilung des beherrschenden Unternehmens. Muttergesellschaft und Organgesellschaft sind als wirtschaftliche Einheit zu betrachten (Urteile des Reichsfinanzhofs I 205/38 vom 12. Dezember 1939, RStBl 1940 S. 29, Slg. Bd. 48 S. 67; I 226/39 vom 23. Januar 1940, RStBl 1940 S. 436, Slg. Bd. 48 S. 113; VI 660/38 vom 4. Dezember 1940, RStBl 1941 S. 26; VI 36/42 vom 11. März 1942, RStBl 1942 S. 546; VI 210/41 vom 6. Mai 1942, RStBl 1942 S. 858).

Der erkennende Senat hat die Filialtheorie in ihrer reinen Form für das Gewerbesteuerrecht nicht anerkannt. Wie im Urteil I 29/53 U vom 6. Oktober 1953 (BStBl 1953 III S. 329, Slg. Bd. 58 S. 101) ausgeführt ist, sind Organ und beherrschendes Unternehmen selbständige Gesellschaften. Zwar werden die Betriebsergebnisse beider Gesellschaften bei der Feststellung des Steuermeßbetrags zusammengerechnet, und es wird nur bei der Muttergesellschaft ein Gewerbesteuermeßbetrag festgestellt. Maßgebend bleibt aber, daß die durch die Organschaft verbundenen Unternehmen getrennt bilanzieren und das Bilanzergebnis jeder Unternehmung für sich gemäß § 7 GewStG auch für die Gewerbesteuer maßgebend ist.

An dieser Auffassung, die auch den Urteilen I 254/55 U vom 31. Januar 1956 (BStBl 1956 III S. 91, Slg. Bd. 62 S. 246) und I 162/60 U vom 27. September 1960 (BStBl 1960 III S. 471, Slg. Bd. 71 S. 594) zugrunde liegt, hält der Senat fest. In § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GewStG knüpft das Gesetz für die Frage, wann ein Gewerbebetrieb vorliegt, an die bürgerlich-rechtliche Rechtsform an. Wie sich § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GewStG, der die Organschaft regelt, zu diesem Grundsatz erhält, entscheidet sich nach dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvH 2/52 vom 21. Mai 1952, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - Bd. 1 S. 299 Steuerrechtsprechung in Karteiform, Steueranpassungsgesetz, § 1 Rechtsspruch 20). Der Wortlaut der fraglichen Gesetzesbestimmungen, der das Unternehmen der Organgesellschaft als Betriebstätte des beherrschenden Unternehmens fingiert, steht der Annahme, Organ und beherrschendes Unternehmen seien zwei selbständige Gesellschaften, nicht entgegen. Der Betriebstättenbegriff erfüllt im Gewerbesteuerrecht in der Hauptsache die Funktion, der belasteten Gemeinde einen Anteil am einheitlichen Steuermeßbetrag eines Gewerbebetriebes zu sichern (vgl. §§ 28 ff. GewStG). Wie der Senat mehrfach ausgeführt hat (vgl. insbesondere Urteile I 29/53 U, a. a. O., und I 162/60 U, a. a. O.), verfolgte die Einfügung des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 in das GewStG den Zweck, die am Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligten Gemeinden davor zu schützen, daß engverbundene Unternehmungen durch interne Maßnahmen ihren Gewinn willkürlich verlagern.

Im Streitfalle hat das Finanzgericht aus diesen Grundsätzen mit Recht gefolgert, daß mit der übertragung des Anteils von der Mutter- auf die Tochtergesellschaft ein Gesellschafterwechsel stattgefunden hat. Aus der organschaftlichen Verbundenheit beider Unternehmen kann schon deshalb nichts anderes hergeleitet werden, weil die für die Organschaft bedeutsame Folge, daß die Gewerbeerträge von Mutter- und Tochtergesellschaft bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags der Muttergesellschaft zusammengerechnet werden, im Streitfalle nicht zum Tragen kommt. Der im Betrieb der Bfin. erzielte Gewerbeertrag wird nur bei dieser zur Gewerbesteuer herangezogen und ist, auch soweit er auf die GmbH B entfällt, nicht Bestandteil der Gewerbesteuerveranlagung bei der GmbH A (§§ 8 Ziff. 8, 9 Ziff. 2 GewStG). Er berührt somit das Organverhältnis nicht. Im Rahmen der Besteuerung der Personengesellschaft muß bei der Frage der Mitunternehmerschaft das bürgerliche Recht die Grundlage bilden. Es handelt sich hiernach um zwei juristische Personen und damit um verschiedene Unternehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410717

BStBl III 1963, 188

BFHE 1963, 513

BFHE 76, 513

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