Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitpunkt des Erwerbs im Schnittpunkt zweier Wirtschaftsjahre - Lasten eines Grundstücks i.S. von § 446 Abs. 1 BGB - Revision auch bei Divergenz in nur einem der Streitpunkte in vollem Umfang möglich

 

Leitsatz (amtlich)

Gehen Besitz, Nutzungen und Lasten eines Grundstücks zum ersten Tag eines Wirtschaftsjahres auf den Erwerber über, so ist das Grundstück regelmäßig in diesem Wirtschaftsjahr angeschafft.

 

Orientierungssatz

1. Ausführungen dazu, daß weder der Abschluß des schuldrechtlichen Kaufvertrags noch die Auflassung als die Einigung über den Eigentumsübergang noch eine dem Veräußerer eingeräumtes Ernterecht zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums führen (hier: maßgeblich im Rahmen der Übertragungsmöglichkeit der Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG).

2. Für die steuerrechtlich erforderliche Zuordnung von Ereignissen im zeitlichen Schnittpunkt zweier Jahre, hier zweier Wirtschaftsjahre, darf nicht nur auf den Vertragswortlaut abgestellt, sondern es muß auch der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarung berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 2.5.1974 IV R 47/73).

3. Da § 6b EStG nur die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern nicht hingegen Anzahlungen, Vorauszahlungen und Teilherstellungskosten begünstigt, kann die Vorauszahlung des Kaufpreises oder der Anfall von Teilherstellungskosten nicht der allein begünstigten Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) eines Wirtschaftsguts gleichgestellt werden (vgl. Literatur).

4. Zu den Lasten eines Grundstücks i.S. des § 446 Abs. 1 BGB gehören nur solche Belastungen, die den Eigentümer als solchen zu Leistungen aus dem Grundstück verpflichten, wie das z.B. bei Hypothekenzinsen und Grundsteuer der Fall ist (vgl. Rechtsprechung: RG, BGH, OLG Hamm), nicht jedoch Beiträge zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft.

5. Eine Zulassung der Revision wegen Abweichung des FG-Urteils von einer Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) führt auch dann dazu, daß gegen das Urteil des FG in vollem Umfang Revision eingelegt werden kann, wenn im Verfahren mehrere Punkte streitig sind und die Abweichung nur einen der Streitpunkte betrifft. Es gilt insoweit das gleiche wie dann, wenn die Revision wegen eines Streitpunkts von grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.3.1981 VIII R 195/77).

 

Normenkette

EStG § 6b Abs. 3; EStDV § 9a; BGB § 446 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2, 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin ist Inhaberin eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, dessen Gewinn nach § 4 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für das Wirtschaftsjahr vom 1.Juli bis zum 30.Juni ermittelt wird. Mit notariellem Vertrag vom 22.März 1978 hatte die Klägerin ein zu ihrem Betriebsvermögen gehörendes Grundstück veräußert und im Wirtschaftsjahr 1977/78 in Höhe des Veräußerungsgewinns eine den Gewinn mindernde Rücklage nach § 6b Abs.3 EStG gebildet.

Mit notariellem Vertrag vom 14.Mai 1980 kaufte die Klägerin ein Grundstück, das Betriebsvermögen ihres land- und forstwirtschaftlichen Betriebs wurde. Die Klägerin und der Verkäufer erklärten die Auflassung und der Verkäufer bewilligte die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin in das Grundbuch. Der Eintragungsantrag ging am 9.März 1981 beim Grundbuchamt ein. Die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin erfolgte am 13.April 1981. Die Übergabe des Grundstücks war für den 1.Juli 1980 vorgesehen. Von diesem Zeitpunkt an sollten auch sämtliche Rechte und Pflichten an dem Grundstück auf die Klägerin übergehen. Nach § 4 des Vertrags bestand zwischen den Vertragsbeteiligten Übereinstimmung, daß der Veräußerer im laufenden Wirtschaftsjahr berechtigt sein sollte, das auf dem Grundstück stehende Getreide zu ernten. Am 14.Mai 1980 schloß die Klägerin mit dem Verkäufer zusätzlich einen privatschriftlichen Vertrag, nach dem das Grundstück ab 1.Juli 1980 an den Verkäufer für die Dauer von neun Jahren verpachtet wurde.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ bei den Einkommensteuerveranlagungen der Kläger für die Streitjahre (1979 und 1980) die Minderung der Anschaffungskosten des von der Klägerin erworbenen Grundstücks gemäß § 6b Abs.3 Satz 2 EStG um den zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Betrag der Rücklage von 83 331 DM nicht zu, sondern erhöhte den Gewinn um diesen Betrag mit der Begründung, das Grundstück sei nicht bis zum Schluß des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres (30.Juni 1980), sondern erst im Wirtschaftsjahr 1980/81, nämlich am 1.Juli 1980, angeschafft worden.

Die Klägerin hatte an mehreren zu ihrem Privatvermögen gehörenden Grundstücken Erbbaurechte bestellt. Nach den dabei getroffenen Vereinbarungen hatten die Erbbauberechtigten die Erschließungskosten und die Kanalbaubeiträge übernommen. Das FA behandelte die in den Jahren 1979 und 1980 von den Erbbauberechtigten geleisteten Erschließungs- und Kanalbaubeiträge im Anschluß an eine Betriebsprüfung bei der Klägerin als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, die es antragsgemäß auf 10 Jahre verteilte. Auf die Streitjahre entfielen Beträge von 2 135 DM (1979) und 29 038 DM (1980).

Die Einsprüche gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1979 und 1980 vom 21.Mai 1985, mit denen die Minderung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1979/80 um den Betrag der gewinnerhöhend aufgelösten Rücklage und die Minderung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 1979 und 1980 um die von den Erbbauberechtigten gezahlten Erschließungs- und Kanalbaubeiträge begehrt wurde, blieben ohne Erfolg. Die Klage dagegen wurde als unbegründet abgewiesen.

Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs.2 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassen, weil das Urteil des Finanzgerichts (FG) mit der Erfassung der Erschließungsbeiträge als Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von dem danach ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21.November 1989 IX R 170/85 (BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310) abwich.

Nach Zulassung der Revision hat das FA die angefochtenen Steuerbescheide geändert. In den geänderten Bescheiden vom 24.September 1990 wurden die Erschließungsbeiträge nicht mehr als Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzt und wurde die Einkommensteuer jeweils nach einem entsprechend geringeren zu versteuernden Einkommen festgesetzt. Die Beteiligten haben daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Die Kläger haben beantragt, die geänderten Steuerbescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Mit der Revision machen die Kläger weiter geltend, das wirtschaftliche Eigentum an dem erworbenen Grundstück sei bereits vor dem 1.Juli 1980 übergegangen, so daß die Reinvestitionsfrist nach § 6b Abs.3 Satz 2 EStG gewahrt sei.

Die Kläger beantragen sinngemäß, den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft des Wirtschaftsjahres 1979/80 um 83 331 DM zu mindern und die Einkommensteuer für die Streitjahre entsprechend niedriger festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision insoweit als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist zulässig.

Nach Art.1 Nr.5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet die Revision nur statt, wenn das FG oder auf die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Der erkennende Senat hat die Revision wegen Abweichung des FG-Urteils vom BFH-Urteil in BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310 zugelassen. Die spätere Änderung der Steuerbescheide, durch die das FA die angefochtenen Bescheide entsprechend dem Urteil in BFHE 159, 72, BStBl II 1990, 310 geändert hat, ist für die Zulässigkeit der Revision ohne Bedeutung. Die Zulassung der Revision wegen Abweichung des FG-Urteils von einer Entscheidung des BFH führt auch dann dazu, daß gegen das Urteil des FG in vollem Umfang Revision eingelegt werden kann, wenn im Verfahren mehrere Punkte streitig sind und die Abweichung nur einen der Streitpunkte betrifft. Bei Zulassung der Revision wegen Abweichung (§ 115 Abs.2 Nr.2 FGO) gilt insoweit das gleiche wie dann, wenn die Revision wegen eines Streitpunkts von grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 10.März 1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470).

II. Durch die Änderungsbescheide vom 24.September 1990 hat das FA dem Begehren der Kläger durch Nichterfassung der von den Erbbauberechtigten gezahlten Erschließungsbeiträge teilweise stattgegeben. Insoweit ist das Urteil des FG, nachdem die Kläger ihren Antrag entsprechend eingeschränkt haben, wirkungslos geworden (vgl. BFH-Urteil vom 15.Juni 1988 II R 224/84, BFHE 153, 431, BStBl II 1988, 761). Aus Gründen der Rechtsklarheit stellt der Senat insoweit die Erledigung der Hauptsache fest (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO Tz.49). Über den eingeschränkten Revisionsantrag ist hingegen durch Sachurteil zu entscheiden, da die geänderten Steuerbescheide auf Antrag der Kläger Gegenstand des Verfahrens geworden sind (§§ 68, 123 FGO). Die Revision muß insoweit als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 126 Abs.2 FGO).

1. Nach § 6b Abs.3 Satz 1 EStG kann bei Veräußerung von zum Anlagevermögen gehörendem Grund und Boden eine den Gewinn mindernde Rücklage bis zur Höhe des Veräußerungsgewinns gebildet werden, soweit der Steuerpflichtige keinen Abzug nach § 6b Abs.1 EStG vorgenommen hat. Die Rücklage ist jedoch nach § 6b Abs.3 Satz 5 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung in der Bilanz des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen, soweit sie in diesem Zeitpunkt noch vorhanden ist und nicht ein Abzug von den Herstellungskosten von Gebäuden oder Schiffen, mit deren Herstellung bis zu diesem Zeitpunkt begonnen worden ist, in Betracht kommt; letzteres ist in der vorliegenden Sache nicht der Fall.

Im Streitfall war die Rücklage in der Bilanz des Wirtschaftsjahres 1977/78 zum 30.Juni 1978 gebildet worden. Demzufolge war die Rücklage in der Bilanz zum 30.Juni 1980 gemäß § 6b Abs.3 Satz 5 EStG auch gewinnerhöhend aufzulösen, wenn es bis dahin nicht zur Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts i.S. des § 6b Abs.1 Satz 2 EStG gekommen war, von dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten die Rücklage abgezogen werden konnte.

2. a) Zum Zeitpunkt der Anschaffung ergibt sich aus § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV), daß es auf den Tag der Lieferung ankommt. Zeitpunkt der Lieferung ist nach § 3 Abs.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der Zeitpunkt, zu dem die Verfügungsmacht auf den Erwerber übergeht. Für das Einkommensteuerrecht ergibt sich hieraus, daß es auf den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums ankommt. Danach ist, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, ein Wirtschaftsgut in dem Zeitpunkt angeschafft, in dem der Erwerber nach dem Willen beider Vertragspartner darüber wirtschaftlich verfügen kann. Das ist in der Regel der Fall, wenn Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzen auf den Erwerber übergehen (Senatsurteil vom 28.April 1977 IV R 163/75, BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553). Für die Anwendung des § 6b Abs.3 Satz 2 EStG ergibt sich hieraus, daß das wirtschaftliche Eigentum an dem Wirtschaftsgut, auf das die Rücklage übertragen werden soll, spätestens bis zum Ablauf des zweiten Wirtschaftsjahres nach dem Wirtschaftsjahr der Veräußerung übergegangen sein muß. Der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums am ersten Tag des dritten Wirtschaftsjahres nach dem Wirtschaftsjahr der Veräußerung ist somit keine begünstigte Investition mehr, und zwar auch dann nicht, wenn das wirtschaftliche Eigentum mit dem Beginn des ersten Tages übergeht. So wird die zeitliche Zuordnung beispielsweise auch beim Schachtelprivileg gesehen. Eine im Schnittpunkt zweier Jahre veräußerte Beteiligung wird für das abgelaufene Jahr noch dem Veräußerer zugerechnet (vgl. Abschn.25 Abs.2 der Vermögensteuer-Richtlinien --VStR--, Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 8.Januar 1976, Finanz-Rundschau --FR-- 1976, 97, sowie Müller in Handbuch der Unternehmensbesteuerung, R Rdnr.28). Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß bei Veräußerung und Anschaffung zum Jahreswechsel die Anschaffung durch den Erwerber mit Beginn des neuen Wirtschaftsjahres erfolgt (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 6b EStG Anm.147 a.E.).

b) Im Streitfall gingen nach der Vereinbarung im Kaufvertrag der Besitz sowie die Rechte und Pflichten an dem Grundstück zum 1.Juli 1980 auf die Klägerin über. Diese Vereinbarung besagt nach ihrem Wortlaut, daß bis zum Ablauf des 30.Juni 1980 Besitz, Nutzungen und Lasten des Grundstücks beim Veräußerer verbleiben sollten, somit bis einschließlich 30.Juni 1980 der Veräußerer noch wirtschaftlicher Eigentümer sein sollte. Danach wäre das wirtschaftliche Eigentum erst mit Beginn des 1.Juli 1980, also nicht mehr bis zum Ablauf des 30.Juni 1980 und damit nicht mehr innerhalb des am Schluß des 30.Juni 1980 abgelaufenen Reinvestitionszeitraums auf die Klägerin übergegangen.

c) Für die steuerrechtlich erforderliche Zuordnung von Ereignissen im zeitlichen Schnittpunkt zweier Jahre, hier zweier Wirtschaftsjahre, darf allerdings nicht nur auf den Vertragswortlaut abgestellt, sondern es muß auch der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarung berücksichtigt werden (Senatsurteil vom 2.Mai 1974 IV R 47/73, BFHE 113, 195, BStBl II 1974, 707). Auch daraus ergibt sich jedoch nicht, daß die Klägerin vor dem 1.Juli 1980 wirtschaftliche Eigentümerin geworden ist. Zutreffend weist das FG auf den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Kaufvertrag und dem gleichzeitig geschlossenen Pachtvertrag mit dem Veräußerer hin. Nach dem Pachtvertrag sollte der bisherige Eigentümer und Veräußerer das Grundstück ab dem 1.Juli 1980 als Pächter nutzen dürfen. Daraus hat das FG zutreffend gefolgert, daß der Veräußerer das Grundstück bis zum Ablauf des 30.Juni 1980 als (rechtlicher und wirtschaftlicher) Eigentümer nutzen sollte.

3. Auch die weiteren Einwendungen der Revision erweisen sich als unbegründet.

a) Die Revision weist darauf hin, der Kaufvertrag und die Auflassung seien bereits am 14.Mai 1980 beurkundet, der Kaufpreis sei bereits Mitte Juni 1980 bezahlt, die Übergabe sei auf den 1.Juli 1980 abgestellt und dem Veräußerer sei im Kaufvertrag das Recht zum Abernten der Ernte 1980 eingeräumt worden. Indes führen nach den dargelegten Grundsätzen zum Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums weder der Abschluß des schuldrechtlichen Kaufvertrags noch die Auflassung als die Einigung über den Eigentumsübergang (§§ 873, 925 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) als solche zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Die Auflassung führt nicht als solche zum Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten. Für deren Zeitpunkt kommt es auf die dazu getroffene Vereinbarung und deren tatsächliche Durchführung an. Auch die Kaufpreiszahlung vor Übergang von Besitz, Nutzungen und Lasten bewirkt noch keinen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums. Wird der Kaufpreis ganz oder teilweise vor Übergang des wirtschaftlichen Eigentums gezahlt, so liegt eine Vorauszahlung vor, die bilanziell beim Erwerber zur Aktivierung und beim Veräußerer zur Passivierung des vorausgezahlten Betrags führt. Da § 6b EStG nur die Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern, nicht hingegen Anzahlungen, Vorauszahlungen und Teilherstellungskosten begünstigt, kann die Vorauszahlung des Kaufpreises oder der Anfall von Teilherstellungskosten nicht der allein begünstigten Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) eines Wirtschaftsguts gleichgestellt werden (Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 6b EStG Anm.147). Danach geht die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Revision, das FG habe die vom BFH im Urteil vom 11.Februar 1981 I R 13/77 (BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475) entwickelten Grundsätze zur Auslegung privatrechtlicher Verträge nicht beachtet, ins Leere.

b) Auch aus der vertraglichen Formulierung, die Übergabe werde auf den 1.Juli 1980 "abgestellt", ergibt sich nicht das von der Revision gewünschte Ergebnis. Wenn die Übergabe auf einen bestimmten Zeitpunkt "abgestellt" wird, so kann dies in Ermangelung von Umständen, die eine andere Deutung zulassen, nur bedeuten, daß dieser Zeitpunkt maßgeblich sein soll. Dies entspricht auch der Regelung des § 446 Abs.1 Satz 2 BGB, auf den die Revision sich in diesem Zusammenhang beruft. Wenn danach von der Übergabe an dem Käufer die Nutzungen gebühren und er die Lasten der Sache trägt, so bedeutet dies, daß Nutzungen und Lasten zeitgleich mit der Übergabe übergehen.

c) Die Vertragsparteien haben im Kaufvertrag ihr Einvernehmen beurkundet, daß der Veräußerer berechtigt sei, das aufstehende Getreide abzuernten. Die Revision will hieraus folgern, dies setze voraus, daß die Klägerin bereits zuvor wirtschaftliche Eigentümerin geworden sei; denn nur der Grundstückseigentümer könne über das Ernterecht verfügen. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Vereinbarung über die Ernte des laufenden Jahres besagt lediglich, daß das aufstehende Getreide nicht Gegenstand des Veräußerungsgeschäfts war. Für die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums am Grund und Boden besagt die Vereinbarung nichts. Jedenfalls kann ein dem Veräußerer eingeräumtes Ernterecht nicht zur Folge haben, daß das wirtschaftliche Eigentum am Grund und Boden vor dessen Übergabe übergeht.

d) Der Revision kann auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, aus der Erfassung eines Veräußerungsgewinns beim Veräußerer im Wirtschaftsjahr 1979/80 folge, daß bei der Klägerin eine Anschaffung ebenfalls noch in diesem Wirtschaftsjahr vorliege. Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß in Fällen, in denen ein Wirtschaftsgut zum Beginn eines Wirtschaftsjahres erworben wird, z.B. zum 1.Januar oder, wie im Streitfall, zum 1.Juli, die Anschaffung im neuen Wirtschaftsjahr erfolge, und zwar auch dann, wenn beim Veräußerer, der das gleiche Wirtschaftsjahr wie der Erwerber hat, der Veräußerungsvorgang und damit die Gewinnrealisierung als Vorgang des abgelaufenen Wirtschaftsjahrs behandelt wird (vgl. Herrmann/Heuer/ Raupach, a.a.O., § 6b EStG Anm.147 a.E.). Bei der Veräußerung von Schachtelbeteiligungen führt dies dazu, daß dem Veräußerer das Schachtelprivileg für das abgelaufene und dem Erwerber für das begonnene Wirtschaftsjahr zusteht (vgl. BMF- Schreiben vom 8.Januar 1976, FR 1976, 97). Es kann offenbleiben, ob dem allgemein gefolgt werden könnte. Denn jedenfalls hat die Erfassung eines Veräußerungsgewinns beim Veräußerer zum 30.Juni 1980 verfahrensrechtlich keine Bindungswirkung in dem Sinne, daß auch von einem Erwerb (Anschaffung) durch die Klägerin noch im Wirtschaftsjahr 1979/80 ausgegangen werden müßte. Eine solche Bindungswirkung folgt auch nicht aus dem von der Revision angeführten BFH-Urteil vom 16.Oktober 1985 II R 230/82 (BFHE 144, 463, BStBl II 1986, 41). Dieses Urteil befaßt sich mit der Bindungswirkung (§ 182 Abs.1 der Abgabenordnung --AO 1977--) eines Zurechnungsfortschreibungsbescheids nach § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) sowohl für den Erwerber wie auch für den Veräußerer. Die Zurechnungsfortschreibung enthält danach auch die bindende Feststellung, daß dem Veräußerer zum Fortschreibungszeitpunkt die Kaufpreisforderung zusteht. Dem Urteil kann aber nicht entnommen werden, beim Erwerber habe eine Anschaffung bereits vor dem Zeitpunkt der Zurechnungsfortschreibung (1.Januar) stattgefunden.

e) Die Revision beruft sich schließlich auf die Beitragsregelungen der Westfälischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Danach seien Grundlage der Beitragsrechnung die Betriebsverhältnisse jeweils vom 1.Juli eines Jahres. Die bis zum 1.Juli eines Jahres eingetretenen Änderungen dürften bei der Berechnung der Beiträge nur berücksichtigt werden, wenn diese bis zum 1.Oktober des Jahres gemeldet würden. Da die Vertragsparteien den Übergang der Grundstückslasten auf den 1.Juli 1980 abgestellt hätten, seien sie sich deshalb darüber einig gewesen, daß die Veränderung der Verhältnisse zum 1.Juli, d.h. bis zum 30.Juni des Jahres eingetreten sei.

Für die Entscheidung des Streitfalls haben diese Ausführungen keine Bedeutung. Die Beiträge zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft gehören nicht zu den Grundstückslasten i.S. des § 446 Abs.1 BGB. Zu den Lasten eines Grundstücks im Sinne der genannten Bestimmung gehören nur solche Belastungen, die den Eigentümer als solchen zu Leistungen aus dem Grundstück verpflichten, wie das z.B. bei Hypothekenzinsen und Grundsteuern der Fall ist (vgl. z.B. Urteil des Reichsgerichts vom 21.September 1907 V 601/06, RGZ 66, 316; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.Mai 1981 V ZR 69/80, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1981, 2127; Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 26.Oktober 1988 13 U 96/86, NJW 1989, 839). Die Beiträge zur landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft treffen nicht den Grundstückseigentümer in dieser seiner Eigenschaft, sondern den Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebs, sei er Eigentümer, sei er Pächter der bewirtschafteten Flächen.

Danach war die Revision der Kläger, soweit sie sich gegen die gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage richtet, als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63927

BFH/NV 1992, 34

BStBl II 1992, 398

BFHE 166, 329

BFHE 1992, 329

BB 1992, 742

BB 1992, 742 (LT)

DB 1992, 1502 (L)

DStR 1992, 611 (KT)

DStZ 1992, 377 (KT)

HFR 1992, 333 (LT)

StE 1992, 230 (K)

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