Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Hinzurechnung von Erbbauzinsen als dauernde Last beim Gewerbeertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Erbbauzinsen sind nicht als dauernde Lasten nach § 8 Nr. 2 GewStG dem Gewerbeertrag hinzuzurechnen (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a; GewStG § 8 Nrn. 1-2, 7

 

Verfahrensgang

FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 27.06.2006; Aktenzeichen 6 K 1728/03; EFG 2006, 1776)

 

Tatbestand

I. Gegenstand der 1990 gegründeten Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, ist der Vertrieb und die Vermittlung zahntechnischer Leistungen und Materialien. Die Klägerin erwarb ihren Betrieb im Jahr 1991 von der Stadt X. Der Erwerb umfasste das gesamte Inventar und das Betriebsgebäude. Das bisherige Personal wurde übernommen.

Mit notariellem Vertrag vom 24. Juni 1993 wurde zu Gunsten der Klägerin ein Erbbaurecht für das betrieblich genutzte Grundstück bestellt. Der Erbbauzins beträgt jährlich 106 218 DM. Für das Betriebsgebäude wurde ein gesonderter Kaufpreis gezahlt. Anschaffungszeitpunkt war Oktober 1993. Bis zu diesem Zeitpunkt stand die Klägerin in einem Mietverhältnis mit der Stadt X. Dieses Mietverhältnis war von vornherein für die Zeit bis zum beabsichtigten Erwerb bzw. bis zur Erbbaurechtsbestellung befristet.

In den Gewerbesteuermessbescheiden für die Streitjahre (1995 bis 1997) behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Erbbauzinsen erklärungsgemäß als dauernde Lasten i.S. des § 8 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG).

Gegen die nach einer Außenprüfung geänderten Gewerbesteuermessbescheide richtet sich die Klage, mit der die Klägerin geltend macht, der Erbbauzins sei nicht als dauernde Last i.S. des § 8 Nr. 2 GewStG zu werten.

Dem folgte das Finanzgericht (FG) des Landes Brandenburg und gab der Klage mit Urteil vom 27. Juni 2006  6 K 1728/03, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1776, statt.

Das FA stützt seine Revision auf eine Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Gemäß § 8 Nr. 2 GewStG werden Renten und dauernde Lasten, die wirtschaftlich mit der Gründung und dem Erwerb des Betriebes oder eines Anteils am Betrieb zusammenhängen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns nach § 7 GewStG abgesetzt worden sind. Dies gilt nicht, wenn diese Beträge beim Empfänger zur Steuer nach dem Gewerbeertrag heranzuziehen sind.

2. Das FG hat zutreffend die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der Erbbauzinsen nicht als dauernde Last i.S. des § 8 Nr. 2 GewStG beurteilt.

a) In zivilrechtlicher Sicht ist das Erbbaurecht --obschon nicht ausschließlich, so doch wesentlich auch-- ein befristetes Nutzungsrecht. Es umfasst zum einen die "verdinglichte" Befugnis des Erbbauberechtigten, das Grundstück fortwährend in bestimmter Weise zu nutzen, und zum anderen die damit korrespondierende "verdinglichte" Verpflichtung des Grundstückseigentümers, diese Nutzung fortwährend zu dulden. Damit steht das Erbbaurechtsverhältnis seinem Leistungsinhalt nach einem entgeltlichen rein schuldrechtlichen Nutzungsverhältnis wie Miete oder Pacht nahe und wird folglich bilanzrechtlich als schwebendes Geschäft gewertet (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. April 1994 IV R 11/92, BFHE 174, 407, BStBl II 1994, 796). Laufend zu zahlende Erbbauzinsen sind demgemäß auch keine Anschaffungskosten (BFH-Urteile vom 8. Juni 1994 X R 51/91, BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779, m.w.N.; vom 27. Juli 1994 X R 126/93, BFHE 175, 120, BStBl II 1995, 109).

Ebenso wenig sind sie eine als Sonderausgabe abziehbare dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes --EStG-- (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1990 X R 43/89, BFHE 162, 425, BStBl II 1991, 175). Denn eine dauernde Last im Sinne dieser Vorschrift setzt eine wirtschaftliche Belastung voraus. An dieser fehlt es, wenn die Aufwendungen aus einer empfangenen Gegenleistung erbracht werden können oder wenn die wiederkehrenden Leistungen ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach Entgelt für eine Nutzungsüberlassung sind. Leistung und Gegenleistung, die aufgrund eines gegenseitigen Vertrages erbracht werden, führen lediglich zu einer Vermögensumschichtung und nicht zu einer steuerlich zu berücksichtigenden Minderung der Leistungsfähigkeit (BFH-Urteil in BFHE 162, 425, BStBl II 1991, 175).

b) Der Auffassung, dass Erbbauzinsen ein Entgelt für die Nutzung des Grundstückes sind, ist auch für gewerbesteuerrechtliche Zwecke zu folgen (Blümich/Hofmeister, EStG, KStG, GewStG, § 8 GewStG Rz 102; Meyer-Scharenberg in Meyer-Scharenberg/Popp/ Woring, Gewerbesteuer-Kommentar, 2. Aufl., § 8 Nr. 2 Rz 29; L. Schmidt, Finanz-Rundschau 1988, 51; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 6. Aufl., § 8 Nr. 2 Rz 5; Lenski/ Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 2 Rz 104). Erbbauzinsen sind daher nicht nach § 8 Nr. 2 GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) hinzuzurechnen.

aa) Gewerbesteuerrechtlich sollen Finanzierungskosten, die aus Anlass der Gründung oder des Erwerbs eines Betriebes entstehen, nicht den Gewerbeertrag mindern. Dieses Ziel wird durch § 8 Nr. 1 GewStG für so genannte Dauerschuldzinsen und durch § 8 Nr. 2 GewStG für Renten und dauernde Lasten sichergestellt. Die --dort angeordneten-- Hinzurechnungen beruhen auf dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer. Das Steuerobjekt --der Gewerbebetrieb-- soll mit der ihm eigenen Ertragskraft ohne Rücksicht auf die persönlichen Merkmale des Steuersubjekts und seiner persönlichen Beziehung zum Steuerobjekt erfasst werden. In § 8 Nr. 2 GewStG wird die objektsteuerrechtlich bezweckte Gleichstellung dadurch herbeigeführt, dass Aufwand, der einem Unternehmen durch Übernahme von Fremdkapital bestimmter Art als Gegenleistung für den Erwerb eines Betriebes entsteht, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet wird, und zwar so, als wäre der Erwerb des Betriebes auf den Einsatz von Eigenkapital zurückzuführen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1990 X R 64/89, BFHE 163, 42, BStBl II 1991, 358). Renten und dauernde Lasten werden den Zinsen für Dauerschulden gleichgestellt, weil sie ähnlich wie diese Entgelte für die Überlassung des im Gewerbebetrieb arbeitenden Kapitals enthalten (Senatsurteil vom 28. Oktober 1987 I R 126/83, BFHE 151, 175, BStBl II 1988, 70; BFH-Urteil in BFHE 163, 42, BStBl II 1991, 358, m.w.N.).

bb) Hiervon ausgehend fallen Erbbauzinszahlungen nicht unter § 8 Nr. 2 GewStG. Die Erbbauzinsen sind keine Gegenleistung für den Erwerb des Betriebes, sondern rechtlich und wirtschaftlich ein Entgelt für die Überlassung des Grundstücks zur Nutzung. Sie sind daher wie Miet- und Pachtentgelte zu behandeln. Nutzungsentgelte fallen nicht unter § 8 Nr. 2 GewStG, sondern unter § 8 Nr. 7 GewStG. Eine Hinzurechnung der Erbbauzinsen nach § 8 Nr. 7 GewStG scheidet jedoch aus, weil das Entgelt für Nutzung von Grundbesitz nicht unter § 8 Nr. 7 GewStG fällt.

Ob bei bebauten Grundstücken eine anteilige (auf das Gebäude entfallende) Hinzurechnung des Erbbauzinses nach § 8 Nr. 2 GewStG in Betracht kommt (Meyer-Scharenberg in Meyer-Scharenberg/Popp/Woring, a.a.O., Rz 30), kann offenbleiben, weil hier der Erbbauzins ausschließlich für die Nutzung des Grundstücks geleistet und das aufstehende Gebäude gesondert erworben wurde.

Soweit der Senat demgegenüber in früheren Entscheidungen (z.B. Senatsurteile vom 12. September 1979 I R 146/76, BFHE 129, 62, BStBl II 1980, 51; in BFHE 151, 175, BStBl II 1988, 70) die Verpflichtung zur Zahlung von Erbbauzinsen als dauernde Last i.S. des § 8 Nr. 2 GewStG beurteilt hat, hält er an dieser Auffassung nicht mehr fest.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1755450

BFH/NV 2007, 1424

BStBl II 2007, 654

BFHE 2008, 100

BFHE 217, 100

BB 2007, 1377

BB 2007, 1433

DB 2007, 1337

DStR 2007, 1033

DStRE 2007, 865

DStZ 2007, 433

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