Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuwendungen des Arbeitgebers bei Betriebsveranstaltungen als Arbeitslohn: Freigrenze von 150 DM, Berechnung des Lohnsteuerhaftungsbetrags, keine Umdeutung eines Lohnsteuerhaftungsbescheids in einen Lohnsteuerpauschalierungsbescheid

 

Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen des Arbeitgebers für Betriebsveranstaltungen (bis 1992) sind auch dann in vollem Umfang steuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn sie den Betrag von 150 DM pro Arbeitnehmer nur geringfügig überschreiten (Bestätigung des BFH-Urteils vom 25. Mai 1992 VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655).

 

Orientierungssatz

1. Der Senat befürwortet keine laufende Fortschreibung der Freigrenze von 150 DM entsprechend den aktuellen Verhältnissen, da die Finanzverwaltung diese Freigrenze mit Wirkung ab 1993 ohnehin auf 200 DM angehoben hat. Es ist nicht die Aufgabe der Finanzgerichte, Pauschbeträge, die der Gesetzgeber bzw. Verordnungsgeber nicht laufend, sondern nur von Zeit zu Zeit an die Geldentwicklung anpaßt, ständig neu anzupassen.

2. Im Gegensatz zum Nettosteuersatz bei der Lohnsteuerpauschalierung nach § 40 Abs.1 Satz 2 EStG hat das FA, wenn es den Arbeitgeber wegen einer auf die Zuwendungen anläßlich einer Betriebsveranstaltung entfallenden Lohnsteuer gemäß § 42d EStG in Haftung nimmt, die Höhe dieser Lohnsteuer nicht mit einem durchschnittlichen Steuersatz zu schätzen, sondern muß sie individuell ermitteln. Eine Umdeutung des Haftungsbescheids --um eine Anwendung des § 40 Abs.2 Nr.2 EStG zu begründen-- in einen Pauschalierungsbescheid ist nicht zulässig.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1, § 40 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 2, § 42d; LStR 1993 Abschn. 72 Abs. 4 S. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein medizinisches Institut. Im Streitjahr 1991 führte sie für ihre Mitarbeiter eine Betriebsveranstaltung durch, bei der auf jeden Teilnehmer durchschnittliche Kosten von 155,17 DM entfielen. Diese Aufwendungen unterwarf die Klägerin nicht der Lohnsteuer. Nach einer Lohnsteueraußenprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Zuwendungen an die Mitarbeiter als steuerpflichtigen Arbeitslohn an. Er nahm deshalb die Klägerin mit Haftungsbescheid auf Zahlung von 1 047,41 DM Lohnsteuer, die mit einem geschätzten Nettosteuersatz von 25 v.H. errechnet war, in Anspruch.

Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA zurück. Es führte aus, Aufwendungen anläßlich von Betriebsveranstaltungen zur Förderung des Betriebsklimas seien dann kein Arbeitslohn, wenn die Veranstaltung ihrer Art nach üblich sei. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Mai 1992 VI R 85/90 (BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655) sei die Üblichkeit einer Betriebsveranstaltung nicht mehr gegeben, wenn die Zuwendungen je Arbeitnehmer 150 DM überschritten. Die Entscheidung sehe keine Anpassung an die Preisentwicklung oder Lohnsteigerung vor. Der BFH habe vielmehr bewußt einen Höchstbetrag bestimmt, obwohl damit Härten verbunden sein könnten. Daher unterliege die gesamte Zuwendung der Lohnbesteuerung, auch wenn der Betrag von 150 DM je Arbeitnehmer nur geringfügig überschritten werde.

Das Finanzgericht (FG) wies die daraufhin erhobene Klage unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung des FA ab. Ergänzend legte es dar, die Beachtung der vom BFH genannten Freigrenze diene der Rechtssicherheit und vermeide unnötigen Rechtsstreit in ähnlich gelagerten Fällen. Die von der Klägerin geforderte Anpassung des Betrags an die Preisentwicklung sei demgegenüber nicht zwingend, weil auch andere Pauschbeträge und Pauschalen vom Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht ständig, sondern nur von Zeit zu Zeit an die Geldentwicklung angepaßt würden. Die ständige Anpassung sei jedenfalls nicht Aufgabe der Gerichte.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt vor, in dem Urteil in BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655 sei klar zum Ausdruck gekommen, daß bei der Bemessung des Höchstbetrages von 150 DM pro Arbeitnehmer für Betriebsveranstaltungen steigende Lebenshaltungskosten berücksichtigt werden müßten. Es werde offenbar eine stetige Fortschreibung des Höchstbetrags auf die aktuellen Verhältnisse befürwortet, was sich bereits in der Anpassung des Betrages auf 200 DM ab 1993 niederschlage.

Außerdem habe das FA den streitigen Arbeitslohn zu Unrecht einem Nettosteuersatz von 25 v.H. unterworfen. Der BFH habe mit Urteil vom 29. Oktober 1993 VI R 26/92 (BFHE 172, 472, BStBl II 1994, 197) entschieden, daß die Haftungsschuld des Arbeitgebers mit dem (niedrigeren) Bruttosteuersatz zu berechnen sei.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer 1991 dahingehend zu ändern, daß die Kosten der Betriebsveranstaltung nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn nachzuversteuern sind.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FG hat den angefochtenen Haftungsbescheid zu Recht insofern nicht beanstandet, als darin die Zuwendungen der Klägerin an die Arbeitnehmer anläßlich der Betriebsveranstaltung als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt worden sind.

a) Nach ständiger Rechtsprechung sind Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer dann kein Arbeitslohn i.S. von § 19 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wenn sie im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse getätigt werden. Ein solches ist grundsätzlich zu bejahen, wenn der Arbeitgeber anläßlich von Betriebsveranstaltungen Aufwendungen tätigt, um den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern. Die lohnsteuerliche Wertung derartiger Zuwendungen hat der Senat in dem Urteil in BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655 nicht mehr wie bisher davon abhängig gemacht, ob die Vorteilsgewährung der Höhe nach üblich ist, sondern hat einen Höchstbetrag festgelegt, bei dessen Überschreitung die Zuwendungen in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Für die in dem dortigen Verfahren betroffenen Jahre 1983 bis 1986 hat der Senat den Höchstbetrag auf 150 DM beziffert.

b) Bei der Bemessung des Höchstbetrags für lohnsteuerfreie Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen hat der Senat zwar, ausgehend von einem seit Jahrzehnten nach der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung und den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) für die steuerliche Begünstigung derartiger Zuwendungen maßgebenden Betrag von 50 DM, die allgemeine Steigerung des Lebensstandards einschließlich der Auswirkungen bei der Gestaltung von Betriebsveranstaltungen berücksichtigt. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dem Senatsurteil jedoch nicht entnommen werden, daß der Senat eine laufende Fortschreibung des Höchstbetrages entsprechend den aktuellen Verhältnissen befürworte. Mit dem Hinweis, daß der Betrag im oberen Bereich der Kosten derartiger Veranstaltungen liege, wird vielmehr deutlich gemacht, daß aus Gründen der Praktikabilität ein möglichst breites Spektrum von Gestaltungsmöglichkeiten und Kostenansätzen abgedeckt, aber auch in zeitlicher Hinsicht eine möglichst dauerhafte bzw. langfristige Vereinfachung durch Geltung desselben Höchstbetrages herbeigeführt werden solle. Damit wird dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen Rechnung getragen. Nachdem bald nach dem Ergehen des vorbezeichneten Senatsurteils die Finanzverwaltung ihrerseits mit Wirkung ab 1993 die Freigrenze für Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen auf 200 DM heraufgesetzt hat (Abschn.72 Abs.4 Satz 2 LStR 1993), sieht der Senat keine Notwendigkeit, für die Zeit bis einschließlich 1992 den Höchstbetrag nochmals zu erhöhen. Die Erwägung des FG ist zutreffend, daß auch andere Pauschbeträge vom Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht laufend, sondern nur von Zeit zu Zeit an die Geldentwicklung angepaßt werden und daß die ständige Anpassung jedenfalls nicht Aufgabe der Gerichte ist.

2. Das FG ist --wenn auch ohne nähere Begründung-- zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin für die auf die Zuwendungen anläßlich der Betriebsveranstaltung entfallende Lohnsteuer gemäß § 42d EStG haftet, weil sie insoweit keine Steuer einbehalten und abgeführt hat. Nicht zu folgen ist der Vorentscheidung indessen darin, daß sie die Berechnung der Haftungsschuld mit einem Nettosteuersatz von 25 v.H. für zutreffend erachtet hat. Im Gegensatz zu den Fällen der Pauschalierung nach § 40 EStG, in denen die Anwendung des Nettosteuersatzes in Abs.1 Satz 2 gesetzlich vorgeschrieben ist, hat das FA, wenn es den Arbeitgeber im Wege der Haftung in Anspruch nimmt, die Höhe der Lohnsteuer grundsätzlich individuell zu ermitteln und nicht mit einem durchschnittlichen Steuersatz zu schätzen (vgl. BFH-Urteile vom 17. März 1994 VI R 120/92, BFHE 174, 89, BStBl II 1994, 536, und vom 1. Juli 1994 VI R 101/93, BFH/NV 1995, 297). Demgegenüber geht der Vortrag des FA fehl, daß der Nettosteuersatz von 25 v.H. zutreffe, weil er in § 40 Abs.2 Nr.2 EStG bei der Pauschalierung von Lohnsteuer für Arbeitslohn aus Anlaß von Betriebsveranstaltungen vorgesehen sei. Denn im Streit ist nicht ein Pauschalierungs-, sondern ein Haftungsbescheid. Eine Umdeutung des Haftungsbescheids in einen Pauschalierungsbescheid ist nicht zulässig.

3. Da das FG hinsichtlich des anzuwendenden Steuersatzes die neuere Rechtsprechung des BFH nicht beachtet hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird das FG die Haftungsschuld der Klägerin unter Anwendung eines Bruttosteuersatzes individuell zu ermitteln haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65818

BFH/NV 1997, 211

BStBl II 1997, 331

BFHE 182, 142

BFHE 1997, 142

BB 1997, 721 (Leitsatz)

DB 1997, 811 (Leitsatz)

DStR 1997, 611-612 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 372 (Leitsatz)

HFR 1997, 416-417 (Leitsatz)

StE 1997, 204 (Kurzwiedergabe)

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