Entscheidungsstichwort (Thema)

Schuldabzug für drohende Verluste aus schwebendem Chartervertrag; Bewertung eines Schiffes mit dem Restwert - keine Berücksichtigung der AfA

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Schuldabzug für drohende Verluste aus schwebenden Verträgen (hier: Chartervertrag) ist bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens (des Vercharterers) möglich.

2. Ein Verlust kann jedoch bewertungsrechtlich nicht dadurch entstehen, daß Absetzungen für Abnutzungen auf ein Wirtschaftsgut (hier: Schiff) als Aufwendungen angesetzt werden, das bewertungsrechtlich mit dem Restwert (Abschn.52 Abs.3 VStR 1980) erfaßt ist.

 

Normenkette

BewG 1974 §§ 95, 103, 109; VStR 1980 Abschn. 52 Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 17.10.1986; Aktenzeichen II 199/84)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin setzte in ihrem Eigentum stehende Schiffe als Reederin auf dem Gebiet der trockenen Massengutfracht ein. Aufgrund mangelnder Auslastung der Schiffe und der schlechten Wirtschaftslage im Schiffahrtsbereich schloß sie für die Motorschiffe A und B im Jahre 1981 Verträge ab, die zwar die variablen Kosten, nicht aber die fixen Kosten in vollem Umfange abdeckten.

Ertragsteuerlich hat die Klägerin für diese Verträge keine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet. In ihrer Vermögensaufstellung auf den 1.Januar 1982 setzte sie einen sich aus den schwebenden Geschäften ergebenden Schuldposten in Höhe von insgesamt 3 406 000 DM an und berechnete diesen wie folgt:

MS "A" MS "B"

---- ----

DM DM

erwartetes Betriebsergebnis

(1.Januar 1982 bis

31.Dezember 1982) 4 839 000 716 000

abzüglich Verwaltungskosten,

Steuern 764 000 171 000

Zinsen 998 000 359 000

Abschreibungen 5 273 000 1 396 000

--------- ---------

- 2 196 000 - 1 210 000

========= =========

Die Abschreibungswerte entsprachen den --anteilig für die Zeiten der Vercharterung-- ertragsteuerlich noch zulässigen Abschreibungen für die Schiffe im Jahre 1982. Die Schiffe selbst wurden in der Vermögensaufstellung auf den 1.Januar 1982 mit den jeweiligen Restwerten eingebracht, die sich wie folgt errechneten:

MS "A"

------

Zugang: 11.April 1973 97 032 297,34 DM

Zugangswert

abzüglich Schiffsbauzuschuß 9 400 000,-- DM

----------------

87 632 297,34 DM

================

Restwert zum 1.Januar 1982:

30 v.H. 26 289 689,-- DM

MS "B"

------

Zugang: 22.Dezember 1973 102 162 966,52 DM

Zugangswert

abzüglich Schiffsbauzuschuß 9 800 000,-- DM

-----------------

92 362 966,52 DM

================

Restwert zum 1.Januar 1982:

30 v.H. 27 708 890,-- DM.

Das beklagte Finanzamt (FA) erkannte den von der Klägerin als Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften erklärten Schuldposten nicht an.

Das FA stellte den Einheitswert des gewerblichen Betriebes der Klägerin auf den 1.Januar 1982 auf 23 499 000 DM fest. Es wies den gegen den Einheitswertbescheid auf den 1.Januar 1982 am 10.November 1983 eingelegten Einspruch der Klägerin am 28.Mai 1984 zurück.

Die Klage hatte Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1987, 226).

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA ist begründet. Der von der Klägerin geltend gemachte Verlust aus schwebenden Geschäften ist am maßgebenden Abschlußstichtag keine Betriebsschuld i.S. des § 103 Abs.1 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG).

1. Nach § 103 Abs.1 BewG werden zur Ermittlung des Einheitswerts eines gewerblichen Betriebs die Schulden vom Rohvermögen abgezogen, die mit der Gesamtheit oder mit Teilen des gewerblichen Betriebs in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein Schuldabzug für drohende Verluste aus schwebenden Dauerschuldverhältnissen ist bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens möglich (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16.Februar 1979 III R 37/77, BFHE 127, 56, BStBl II 1979, 278; vom 25.Februar 1986 VIII R 377/83, BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465, und vom 19.Juli 1983 VIII R 160/79, BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56). Um ein solches Dauerschuldverhältnis handelt es sich auch bei den in Frage stehenden Charterverträgen (vgl. BFH-Urteil vom 11.Februar 1988 IV R 191/85, BFHE 153, 23, BStBl II 1988, 661).

Voraussetzung für einen Schuldabzug wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften ist, daß das Dauerschuldverhältnis nicht ausgewogen ist, weil der Wert der eigenen Verpflichtung den Wert der Gegenleistung übersteigt (vgl. BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465). Auch das bewußte Eingehen eines verlustbringenden Geschäfts steht dem Schuldabzug für drohende Verluste aus diesem Geschäft nicht entgegen (BFHE 139, 244, 250, BStBl II 1984, 56).

Die Höhe des Verlustabzugs wird in der Weise ermittelt, daß Anspruch und Verpflichtung aus dem schwebenden Dauerschuldverhältnis einander gegenübergestellt werden und der Verpflichtungsüberschuß als Schuldposten in die Vermögensbilanz eingestellt wird (vgl. BFH in BFHE 139, 244, 249, BStBl II 1984, 56). Eine solche Rückstellung wird nach dem für die Erfüllung maßgebenden Geldbetrag bemessen (BFH-Urteil vom 7.Juli 1983 IV R 47/80, BFHE 139, 154, BStBl II 1983, 753); bei einer Sachleistungspflicht sind die für die Erfüllung anfallenden Aufwendungen maßgebend (vgl. BFHE 153, 23, BStBl II 1988, 661).

2. Nach den Feststellungen des FG schloß die Klägerin im Jahre 1981 mehrere Charterverträge bezüglich der Motorschiffe A und B ab. Zum Feststellungszeitpunkt 1.Januar 1982 war die Laufzeit der Verträge noch nicht beendet, es lagen somit für die hier maßgebende gesamte Restlaufzeit schwebende Dauerschuldverhältnisse vor.

Das FG hat jedoch zu Unrecht einen Verlust aus diesen schwebenden Geschäften bejaht; denn die ertragsteuerlich zulässige lineare Abschreibung durfte bei der Ermittlung der für die Erfüllung anfallenden Aufwendungen nicht berücksichtigt werden.

Nach den Urteilen des III.Senats vom 10.Mai 1972 III R 76/66 (BFHE 106, 449, 459, BStBl II 1972, 823, 827) und vom 29.April 1970 III 217/63 (BFHE 99, 215, BStBl II 1970, 614), denen sich der II.Senat anschließt, sind die Aufwendungen mit den gesamten Kosten (Einzel- und Gemeinkosten) zu berücksichtigen (vgl. auch Urteil vom 25.Februar 1986 VIII R 134/80, BFHE 147, 8, BStBl II 1986, 788). AfA-Beträge, die auf die Zeit der Nutzungsüberlassung der Schiffe entfallen, sind Teil dieser Kosten (vgl. Urteile in BFHE 153, 23, 25, BStBl II 1988, 661, und in BFHE 106, 449, BStBl II 1972, 823, und in BFHE 99, 215, BStBl II 1970, 614).

Dies gilt jedoch dann nicht, wenn bewertungsrechtlich keine Abschreibungsbeträge mehr zur Verfügung stehen. Beide Motorschiffe waren bis auf den Restwert bereits abgeschrieben. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine Abschreibung auf einen niedrigeren Restwert geboten war. Ein Schuldabzug für drohende Verluste kann bei der Ermittlung der Einheitswerte des Betriebsvermögens jedoch solche Kosten nicht enthalten, die bei dem entsprechenden Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens bewertungsrechtlich nicht anfallen können. Denn er beruht auch im Bewertungsrecht darauf, daß drohende Verluste das Betriebsvermögen bereits mindern. Eine Minderung des Betriebsvermögens durch den Ansatz einer Absetzung für Abnutzung der bewertungsrechtlich bereits auf den Restwert abgeschriebenen Schiffe bei der Bewertung eines schwebenden Geschäfts würde aber im Widerspruch zu den vorhandenen Restwerten stehen. Daher ist der Ansatz des Verlustes zum 1.Januar 1982 nicht möglich.

Entgegen der Ansicht der Klägerin wird damit nicht gegen das Prinzip der Einzelbewertung verstoßen (§ 109 Abs.1, § 10 BewG). Vielmehr entspricht es dem Prinzip der Einzelbewertung, daß niedrigere Werte dort angesetzt werden, wo sie anfallen. Wenn sie bei einem Wirtschaftsgut (hier Schiff) nicht anfallen können, so können sie auch nicht bei einem anderen Wirtschaftsgut (Verpflichtung aus einem schwebenden Vertrag) berücksichtigt werden.

Dem FG ist zuzustimmen, daß es für den Streitfall unbeachtlich ist, daß eine Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften in der Steuerbilanz nicht vorgenommen wurde. Es besteht keine Bindung an die Wertansätze in der steuerlichen Gewinnermittlung für die Vermögensbilanz (vgl. BFH-Urteile vom 15.Juni 1988 II R 232/81, BFHE 154, 146, BStBl II 1988, 875; vom 30.November 1988 II R 237/83, BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183).

Die Vorentscheidung, der eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), da das FG zum 1.Januar 1982 den Abzug eines Schuldpostens für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu Unrecht vorgenommen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62598

BFH/NV 1990, 9

BStBl II 1990, 150

BFHE 159, 218

BFHE 1990, 218

BB 1990, 767

BB 1990, 767-768 (LT)

DB 1990, 614 (ST)

DStR 1990, 83 (KT)

HFR 1990, 175 (LT)

StE 1990, 52 (K)

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