Leitsatz (amtlich)

1. Steuerforderungen nehmen nach Maßgabe der Konkursordnung am Konkursverfahren teil (Anschluß an BFH-Urteil vom 27. November 1974 I R 185/73, BFHE 114, 164, BStBl II 1975, 208); sie sind bei Betagung und Unverzinslichkeit gemäß § 65 Abs. 2 KO mit ihren abgezinsten Werten, bei unbestimmter Fälligkeit und Unverzinslichkeit gemäß § 69 KO mit ihren Schätzungswerten festzustellen.

2. Steuerforderungen sind unverzinslich, wenn eine Verzinsung in Steuergesetzen nicht vorgeschrieben ist. Säumniszuschläge haben nicht den Charakter von Zinsen (Anschluß an BFH-Entscheidung vom 21. September 1973 III R 153, 154/72, BFHE 110, 318, BStBl II 1974, 17).

 

Normenkette

KO § 3 Abs. 1, §§ 12, 14, 65 Abs. 2, §§ 69, 146 Abs. 1, 5; AO §§ 226a, 229 Nr. 12; StSäumG 1961 § 4

 

Tatbestand

Streitig ist im wesentlichen noch, ob im Konkursverfahren über den Nachlaß des am 16. Februar 1970 verstorbenen Steuerpflichtigen Steuerforderungen 1966 bis 1970 unbestimmter Fälligkeit mit ihren Nennbeträgen oder niedrigeren Werten festzustellen sind. Das Konkursverfahren wurde wegen Überschuldung der Erbmasse am 6. April 1970 eröffnet. Zum Konkursverwalter wurde der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bestellt.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) meldete mit Schreiben vom 23. Juni 1970 nachstehende, in Höhe des jeweiligen Nennbetrages dem Grund und der Höhe nach unstreitige Steuerforderungen 1966 bis 1970 zur Konkurstabelle an: ...

Diese Forderungen, die außerhalb des Konkursverfahrens noch nicht festgesetzt worden waren und über die Bescheide mit Leistungsgeboten während des Konkursverfahrens nicht ergingen, bestritt der Kläger im Prüfungstermin, weil sie nicht gemäß § 65 Abs. 2 der Konkursordnung (KO) wegen Betagung und Unverzinslichkeit abgezinst worden waren.

Das FA, das eine Minderung ablehnte, erließ daraufhin Bescheide nach § 226 a AO, in denen es die Steuerforderungen in Übereinstimmung mit der Anmeldung feststellte. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Der Klage, mit welcher der Kläger Feststellung der Forderungen, gemindert um einen Zinsabschlag von 4 v. H. für die Zeit vom 6. April (Konkurseröffnung) bis zum 23. Juni 1970 (Anmeldung) erstrebte, gab das FG hinsichtlich der Steuerforderungen 1968 bis 1970 - unter Ablehnung des Klagebegehrens im übrigen - statt. Es stellte wegen unbestimmter Fälligkeit und Unverzinslichkeit der Steuerforderungen 1968 bis 1970 gemäß § 69 KO ihre Schätzungswerte - gegenüber den Nennwerten - um insgesamt 287,25 DM niedriger fest. Das entsprach der vom Kläger begehrten Abzinsung für die Zeit von Konkurseröffnung bis zur Anmeldung der Steuerforderungen nach der von Hoffmann zu § 65 Abs. 2 KO gefundenen Abzinsungsformel. Um diese Abzinsung, so führte die Vorinstanz aus, sei der Schätzungswert gegenüber dem Nennwert mindestens geringer anzusetzen.

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Die Revision des FA, die Aufhebung der Vorentscheidung und Feststellung der Steuerforderungen in Höhe der Nennbeträge erstrebt, rügt unrichtige Anwendung des § 69 und des § 65 Abs. 2 KO.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Bei den gegen den Kläger als Konkursverwalter geltend gemachten Steuerforderungen 1966 bis 1970 handelte es sich um Ansprüche, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits "begründet" waren (§ 3 Abs. 1 KO), weil die diese Ansprüche begründenden Tatbestände vor Konkurseröffnung vollständig verwirklicht waren (vgl. hierzu Jäger, Konkursordnung, 1958, § 3 Anm. 15 a und c). Eine Verfolgung dieser Ansprüche findet während der Dauer des Konkursverfahrens weder in das zur Konkursmasse gehörige noch in das sonstige Vermögen des Gemeinschuldners statt (§ 14 KO). Vielmehr ist die Durchsetzung der Ansprüche nur nach Maßgabe der Vorschriften der Konkursordnung möglich (§ 12).

Steuerforderungen müssen, wie andere Konkursforderungen, zur Konkurstabelle angemeldet (§§ 138 f. KO) und - falls sie im Prüfungstermin vom Konkursverwalter oder einem anderen Gläubiger bestritten werden - außerhalb des Konkursverfahrens festgestellt werden (§ 146 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 KO). Das geschieht in der Form, daß das Bestehen der Steuerforderungen dem Grunde und der Höhe nach sowie der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit durch schriftlichen Bescheid und - bei Einspruchserhebung und Klage durch den Konkursverwalter - in einem finanzgerichtlichen Verfahren festgestellt werden (§§ 226 a, 229 Nr. 12 AO; Urteil des BFH vom 27. Juli 1972 V R 62/71, BFHE 106, 419). Für die Entscheidung der im Streitfall mit der Höhe der Steuerforderungen und ihrer Fälligkeit sachlich verbundenen Streitfrage einer Abzinsung der Steueransprüche wegen fehlender Fälligkeit und Unverzinslichkeit gilt nichts anderes.

II. Feststellungen der Steuerforderungen 1966 und 1967

Soweit das FA Aufhebung der Vorentscheidung hinsichtlich der Steuerfeststellungen 1966 und 1967 begehrt, fehlt es an der zur Zulässigkeit der Revision erforderlichen Beschwer des FA durch die Vorentscheidung in diesen Punkten. Das FG hat dem Sachanliegen des FA, die Steueransprüche 1966 und 1967 jeweils mit ihrem Nennbetrag ohne Abzinsung zur Teilnahme am Konkursverfahren festzustellen, dadurch voll entsprochen, daß es insoweit die Klage gegen die entsprechenden Feststellungsbescheide des FA als unbegründet abgewiesen hat. Selbst wenn dieses Ergebnis auf unzutreffenden Rechtserwägungen beruhen sollte, wie das FA meint, so ist aus diesem Umstand nicht ohne weiteres die für einen Angriff auf die Vorentscheidung im Revisionswege erforderliche sachliche Beschwer herzuleiten. Das gilt auch bei Berücksichtigung des Gesichtspunkts einer geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache in diesem Umfang. Denn die Entscheidung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) erfolgt nicht abstrakt, sondern setzt ebenfalls eine Beschwer des Revisionsklägers durch die Vorentscheidung voraus. Daran fehlt es.

III. Feststellungen der Steuerforderungen 1968 bis 1970

a) Zutreffend hat die Vorinstanz die von Amts wegen zu prüfende Berechtigung des FA zur Geltendmachung der Kirchenlohnsteuerbeträge im Konkursverfahren bejaht. Denn die Verwaltung der Kirchenlohnsteuer, zu welcher die Verfolgung der Ansprüche im Konkursverfahren gehört, steht nach den maßgeblichen Vorschriften des Bayerischen Kirchensteuergesetzes vom 5. März 1967 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1967 S. 317 - Art. 17 Abs. 2) den FÄ zu.

b) Die Rechtserwägungen des FG zur Frage der vorzunehmenden Abzinsung lassen Fehler nicht erkennen.

Die - wie ausgeführt - zutreffend für die Verfolgung von Steuerforderungen im Konkursverfahren als maßgebend von der Vorinstanz angesehenen Vorschriften der Konkursordnung (§ 12 KO; zur Maßgeblichkeit des Konkursrechts: BFH-Urteil vom 27. November 1974 I R 185/73, BFHE 114, 164, BStBl II 1975, 208) besagen u. a. in § 65 Abs. 2, daß eine betagte, unverzinsliche Konkursforderung sich auf den Betrag vermindert, welcher mit Hinzurechnung der gesetzlichen Zinsen derselben für die Zeit von der Eröffnung des Verfahrens bis zur Fälligkeit dem vollen Betrage der Forderung gleichkommt. Betagt sind Forderungen, welche bei Konkurseröffnung bereits bestehen, aber noch nicht fällig sind (vgl. Böhle/Stamschräder, Konkursordnung, 11. Aufl., § 65 Anm. 1; Mentzel/Kuhn, Konkursordnung, 7. Aufl., § 65 Anm. 6).

Die Voraussetzungen der Betagung lagen nach den einwandfrei getroffenen und unangegriffenen Sachverhaltsfeststellungen des FG bezüglich der Steuerforderungen 1968 bis 1970 vor. Festsetzungen dieser Steuern mit Leistungsgeboten, die den Eintritt einer Fälligkeit hätten bewirken können, waren hiernach bis zur Anmeldung der Forderungen nicht ergangen. Darüber besteht auch kein Streit.

Die Unverzinslichkeit der Steueransprüche hat die Vorinstanz ebenfalls rechtlich zutreffend bejaht. Die Vorschrift des § 4 des StSäumG in der Fassung, die sie durch das StÄndG 1961 vom 13. Juli 1961 (Bundesgesetzblatt I 1961 S. 981 [993], BStBl I 1961, 444 [456]) erhalten hat, gibt die primäre Antwort auf die Frage nach der Verzinsung von Ansprüchen im Bereich des Abgabenrechts. Abweichend von der früheren Regelung, die eine Verzinsung von Steueransprüchen grundsätzlich ausschloß (§ 20 des StAnpG 1934, Hinweis auch auf §§ 9 ff. StSäumG 1934), findet nach § 4 StSäumG 1961 eine Verzinsung nur statt, wenn dies in Steuergesetzen vorgeschrieben ist. An entsprechenden im Streitfall eingreifenden Verzinsungsvorschriften fehlt es. Insbesondere haben Säumniszuschläge, wie das FG mit Recht ausführt, nicht den Charakter von Zinsen und können deshalb auch nicht zur Bejahung einer Verzinslichkeit der Steuerforderung führen (vgl. BFH-Entscheidung vom 21. September 1973 III R 153, 154/72 BFHE 110, 318, BStBl II 1974, 17).

Wenn das FG im Hinblick auf die mangelnde Bestimmtheit der Fälligkeitszeitpunkte und die fehlende Verzinslichkeit der Steuerforderungen deren Nennbeträge gemäß § 69 KO auf die anzusetzenden Schätzungswerte gemindert hat, so begegnet das keinen rechtlichen Bedenken. Das gilt auch, soweit der vom FG festgestellte Wert gegenüber dem Nennwert jeweils um einen - der Zeit ab Konkurseröffnung bis zur Anmeldung entsprechenden - Abzinsungsbetrag von 4 v. H. schätzungsweise geringer angesetzt wurde. Die gewählte und angewendete Schätzungsmethode ist rechtlich einwandfrei und führt im Streitfall nicht zu einer ungesetzlichen Benachteiligung des FA. Die Ansicht, daß die Bestimmung des wegen Betagung und Unverzinslichkeit der Forderungen für den Zeitpunkt der Konkurseröffnung anzusetzenden Schätzwerts ausschließlich Sache des FA sei und dem Nennbetrag der Forderung entsprechen müsse, ist abwegig, zumal Schätzungen dieser Art keine Ermessensentscheidungen der Verwaltung enthalten und Anzeichen für eine Fehlschätzung des FG weder dargetan noch anderweitig erkennbar sind.

Die vom FA gegen die Anwendung der maßgeblichen Rechtsbestimmungen im allgemeinen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Eine fehlende Praktikabilität der einschlägigen Vorschriften ist ebensowenig zu ersehen wie eine in ihnen angeblich zum Ausdruck kommende Benachteiligung des Fiskus gegenüber der Allgemeinheit.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71424

BStBl II 1975, 590

BFHE 1975, 307

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