Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrecht Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Gesetzgeber verstößt nicht dadurch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, daß er Familienermäßigungen bei der Einkommensteuer in Form fester Beträge gewährt, die vom Einkommen abgesetzt werden und infolge des progressiv gestaffelten Einkommensteuertarifs - absolut gesehen - zu verschieden hohen Steuerermäßigungen führen.

 

Normenkette

GG Art. 3, 20 Abs. 3; EStG §§ 32, 33a

 

Tatbestand

Der Bf. hatte im Streitjahr 1955 drei Kinder im Alter von 14, 10 und 1 Jahren. Im Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1955 stellte er u. a. den folgenden Antrag: "Ich beantrage auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes die gleiche Kinderermäßigung wie sie nach der Einkommensteuer-Tabelle Steuerpflichtigen mit Einkommen von 50.000 DM gewährt wird". Im Berufungsverfahren führte der Bf. aus, die bei ihm vorgenommene Besteuerung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil die Steuerfreibeträge für Kinder und die Freibeträge nach § 33 a EStG sich bei Steuerpflichtigen mit höherem Einkommen stärker auswirkten. Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück.

Mit der Rb. hält der Bf. seine verfassungsrechtlichen Bedenken aufrecht.

 

Entscheidungsgründe

Sie ist nicht begründet.

Es ist richtig, daß die als Familienermäßigungen bei der Berechnung der Einkommensteuer abgesetzten Beträge für Ehefrauen und Kinder zu einer der Höhe nach ungleichen Steuersenkung führen können. Bei einem Stufentarif mit progressiven Sätzen, wie ihn das EStG 1955 anwendet, wirken sich Beträge für Familienermäßigungen, die vom Einkommen abgesetzt werden, zwangsläufig beim einzelnen Steuerpflichtigen in der Stufe mit dem höchsten Progressionssatz aus. Bis zu einer bestimmten oberen Grenze steigt deshalb - absolut betrachtet - die Steuersenkung durch Familienermäßigungen mit dem Einkommen.

Zu Unrecht sieht der Bf. aber darin eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Der Gesetzgeber hätte zwar die Familienermäßigungen von der Progression des Einkommensteuertarifs lösen und für jedes Familienmitglied bestimmte Steuerbeträge abziehen lassen können. Er war aber nicht verpflichtet, so vorzugehen. Welcher Weg bei der Gewährung von Familienermäßigungen eingeschlagen werden sollte, konnte der Gesetzgeber nach seinem politischen Ermessen entscheiden. Die Steuergerichte haben unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG nur zu prüfen, ob der Gesetzgeber ohne vernünftigen Grund und willkürlich an gleiche Tatbestände verschiedene Rechtsfolgen geknüpft hat. Lassen sich für eine gesetzliche Regelung vernünftige Gründe anführen, so können die Steuergerichte nicht prüfen, ob nicht eine andere Lösung noch gerechter und besser gewesen sein würde. Andernfalls würden sie den Grundsatz der Teilung der Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzen und in den verfassungsmäßigen Bereich der Gesetzgebung eindringen.

Wenn die Einkommensteuer nicht proportional in einem Vomhundertsatz des Einkommens berechnet wird, sondern wenn infolge des Progressionstarifs der Vomhundertsatz mit dem Einkommen steigt, so liegt darin keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Der Gesetzgeber war durch Art. 3 GG nicht gehindert, nach seinem Ermessen an den Tatbestand eines verschieden hohen Einkommens verschiedene Rechtsfolgen zu knüpfen, insbesondere einen Progressionstarif einzuführen. Der Progressionstarif, der seit langem und bei allen Kulturstaaten, wenn auch in verschiedenen Spielarten, bei der Einkommensteuer überwiegend angewendet wird, findet seine finanzwirtschaftliche Rechtfertigung darin, daß die Höhe des Einkommens ein wesentliches Merkmal der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen ist; ein Steuerpflichtiger mit höherem Einkommen kann im allgemeinen ohne Beeinträchtigung seiner Lebenshaltung auch einen höheren Vomhundertsatz seines Einkommens als Einkommensteuer an den Steuerfiskus abführen. Dafür, daß das Gesetz bei einer infolge des Progressionstarifs prozentual verschiedenen Belastung der Einkommen die Familienermäßigung nicht in Form fester Beträge gewährt, sprechen gute Gründe. Jedenfalls kann von unsachlicher Willkür des Gesetzgebers keine Rede sein, so daß Art. 3 GG nicht verletzt ist.

Das gleiche gilt für die Freibeträge nach § 33 a EStG 1955.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409378

BStBl III 1960, 102

BFHE 1960, 272

BFHE 70, 272

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