Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende unterhaltsberechtigte Kinder

 

Leitsatz (NV)

Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Unterhaltsempfänger sind - unabhängig davon, in welcher Höhe sie tatsächlich entstehen - nur bis zu den gem. § 33a Abs. 1 EStG maßgebenden Höchstbeträgen steuerlich zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 33a Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein pakistanischer Staatsangehöriger, war im Streitjahr 1980 als angestellter . . . in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) tätig. Während seine Ehefrau und sein jüngstes Kind ebenfalls in der Bundesrepublik lebten, waren vier weitere in den Jahren 1965 bis 1970 geborene Kinder, für die der Kläger keinen Anspruch auf Kindergeld oder sonstige Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) hatte, im Streitjahr in Internaten in Pakistan untergebracht.

In seiner Einkommensteuererklärung 1980 begehrte der Kläger, die Kosten für die Internatsunterbringung seiner Kinder im Rahmen der Höchstbeträge von 3 600 DM je Kind (zusammen 14 400 DM) als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich anzuerkennen. Weiter stellte er den Antrag, einen Teil der Internatskosten zusätzlich als ,,Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung" von Kindern i. S. des § 32 Abs. 4 EStG mit dem Höchstbetrag von 1 200 DM je Kind (zusammen 4 800 DM) nach § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte die geltend gemachten Aufwendungen dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen an, ließ sie jedoch unter Hinweis auf das Rundschreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 26. Oktober 1979 (IV B 6 - S 2365 - 85/79, BStBl I 1979, 622) nur mit einem Drittel der jeweiligen Höchstbeträge zum Abzug zu.

Die nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit welcher der Kläger in Erweiterung seines ursprünglichen Begehrens zusätzlich zu den ungekürzten Freibeträgen gemäß § 33a Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 EStG für die vier in Internaten in Pakistan untergebrachten Kinder auch noch einen Freibetrag in Höhe von 600 DM gemäß § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG für das fünfte in der Bundesrepublik lebende Kind beantragte, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, eine Ermäßigung der gesetzlichen Höchstbeträge des § 33a Abs. 1 EStG und des § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG gemäß dem Schreiben des BMF vom 26. Oktober 1979 (BStBl I 1979, 622) scheide aus, wenn Aufwendungen für eine im Ausland notwendige Internatsunterbringung tatsächlich nachgewiesen werden.

Das FA rügt mit der vom Senat zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig Aufwendungen für den Unterhalt und eine Berufsausbildung von Personen, für die im Veranlagungszeitraum weder er noch eine andere Person Anspruch auf Kindergeld oder andere Leistungen nach dem BKGG hat, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß die Aufwendungen, höchstens jedoch ein Betrag von 3 600 DM im Kalenderjahr für jede unterhaltene Person vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Ist die unterhaltene Person nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, so können die Aufwendungen nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person notwendig und angemessen sind (§ 33a Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG der für das Streitjahr geltenden Fassung).

Bereits in seinem Urteil vom 20. Januar 1978 (VI R 170/76, BFHE 124, 505, BStBl II 1978, 342) hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, daß - neben weiteren Voraussetzungen - Unterhaltsaufwendungen an den im Ausland lebenden Unterstützungsempfänger nur dann zwangsläufig erwachsen, wenn sie nach den Verhältnissen des Landes, in dem der Unterhaltsempfänger lebt - insbesondere nach den dortigen Lebenshaltungskosten - notwendig und angemessen sind. Die im Hinblick auf diese Rechtsprechung durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1979 vom 30. November 1978 (BGBl I 1978, 1849, BStBl I 1978, 479) in das EStG eingefügte Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 4 EStG sollte klarstellen, daß Aufwendungen an im Ausland lebende Angehörige einen angemessenen Betrag nicht übersteigen dürfen und daß wegen der im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG erforderlichen Typisierung eine Prüfung der Angemessenheit der Aufwendungen im Einzelfall nicht stattfindet (vgl. BTDrucks 8/2118 vom 22. September 1978, S. 64).

Der in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff der ,,notwendigen und angemessenen" Aufwendungen wird in dem BMF-Schreiben vom 26. Oktober 1979 (BStBl I 1979, 622) in der Weise konkretisiert, daß Unterhaltsaufwendungen an Empfänger im Ausland teilweise nur mit einem Drittel oder zwei Drittel des in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Höchstbetrages steuerlich zu berücksichtigen sind (sog. Ländergruppeneinteilung). Verwaltungsanweisungen dieser Art sind für die Gerichte zwar nicht bindend. Sie sind jedoch, wenn sie wie hier Schätzungen zum Gegenstand haben, die auf Erfahrungen der Finanzverwaltungen beruhen, nach ständiger Rechtsprechung aus Gründen der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen auch von den Steuergerichten zu beachten, soweit sie im Einzelfall nicht offensichtlich zu einem falschen Ergebnis führen (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1982 VI R 257/80, BFHE 136, 399, BStBl II 1982, 779; vgl. auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214, Steuerrechtssprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz 1975, Allg. Rechtspruch 53). Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung - insbesondere auch für die sog. Ländergruppeneinteilung - ausdrücklich angeschlossen (vgl. Senats-Urteile vom 13. Februar 1987 II R 196/82, BFHE 149, 61, BStBl II 1987, 341, und vom 11. November 1988 III R 307/84, BFH/NV 1990, 83).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall sind die Unterhaltszahlungen des Klägers an seine in Pakistan lebenden Kinder - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nur in Höhe eines Drittels der in § 33a Abs. 1 EStG genannten Höchstbeträge (1 200 DM pro Kind, bei vier Kindern insgesamt 4 800 DM) als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Die Minderung des Höchstbetrages führt im Streitfall - im Gegensatz zur Ansicht des FG - nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden steuerlichen Ergebnis. Bei der Beurteilung, ob Aufwendungen für Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige ihrer Höhe nach angemessen und notwendig sind, ist auf den inneren Wert der Zahlungen, gemessen an den Lebenshaltungskosten im Heimatland der Unterstützungsempfänger, abzustellen (vgl. BFHE 136, 399, BStBl II 1982, 779). Dementsprechend können Unterhaltsaufwendungen an im Ausland lebende Angehörige nur in der Höhe als notwendig und angemessen i. S. des § 33a Abs. 1 i. V. m. § 33 Abs. 2 EstG angesehen werden, in der sie im Streitjahr ihrem inneren Wert nach Zahlungen von 3 600 DM an Angehörige in der Bundesrepublik entsprochen haben. Diese Voraussetzung ist bei Zahlungen in Höhe von 1 200 DM an Angehörige in Pakistan im Streitjahr erfüllt. Demzufolge sind im Streitfall auch nur Zahlungen in dieser Höhe zwangsläufig.

Der Tatsache, daß der Kläger für den Unterhalt und die Ausbildung seiner Kinder tatsächlich Aufwendungen in erheblich höherem Umfang getragen hat, kommt, entgegen der Auffassung des FG, keine entscheidende Bedeutung zu. Im Hinblick auf den stark typisierenden Charakter der in § 33a Abs. 1 EStG getroffenen Regelung können Unterhaltsleistungen - unabhängig davon, in welcher Höhe sie tatsächlich entstehen - nur mit dem maßgebenden Höchstbetrag steuerlich Berücksichtigung finden (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 1982 VI R 136/80, BFHE 136, 213, BStBl II 1982, 776). Bei Zahlungen an die im Ausland lebenden Angehörigen ist dies der Betrag, der im Streitjahr im Wohnsitzstaat des Unterstützungsempfängers Lebenshaltungskosten von etwa 3 600 DM entsprochen hat.

Der erkennende Senat verkennt nicht, daß der Kläger auf Grund seiner Stellung als Arzt seinen Kindern eine gute Ausbildung in ihrer gewohnten Umgebung ermöglichen wollte. Die Beurteilung, welche Aufwendungen ihrer Höhe nach notwendig und angemessen sind, regelt § 33a Abs. 1 EStG jedoch in stark typisierender Weise durch die Festlegung einheitlicher Höchstbeträge für alle denkbaren Fallgestaltungen. Dies wird insbesondere auch dadurch deutlich, daß das Gesetz den Abzug von Unterhaltsaufwendungen für Unterhaltsempfänger im In- und Ausland einheitlich nach oben begrenzt (vgl. § 33a Abs. 1 Sätze 1 und 4 erster Halbsatz EStG). Auf die Vermögensverhältnisse eines Steuerpflichtigen oder den Lebensstandard und die Lebensgewohnheiten eines Unterstützungsempfängers im Einzelfall kommt es demnach nicht an (BVerfG-Beschluß in BVerfGE 78, 214, B, II 2 b und c; vgl. z. B. auch Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33, Anm. C 34; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl.; § 33 EStG, Anm. 197).

3. Das FG ist von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen. Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zu der Frage, ob auch die vom Kläger gemäß § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG geltend gemachten Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung der in Pakistan lebenden vier Kinder entsprechend den dortigen Lebenshaltungskosten zu kürzen sind, braucht der Senat nicht Stellung zu nehmen. Das FA hat in seinem Revisionsantrag eine Steuerfestsetzung auf . . . DM beantragt; dabei sind die geltend gemachten Aufwendungen in voller Höhe berücksichtigt. Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, über diesen Antrag hinauszugehen (vgl. §§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417376

BFH/NV 1991, 299

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Gold. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge