Leitsatz (amtlich)

Ist ein liberianisches Schiff längere Zeit zur Aufnahme von Rohöl im Bereich des Festlandsockels des Staates Nigeria stationiert, ist für die Anwendung des DBA-Liberia auf die Gehaltsbezüge eines auf dem Schiff diensttuenden, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Schiffsoffiziers entscheidungserheblich, ob sich das Schiff innerhalb oder außerhalb des der vollen Souveränität des Staates Nigeria unterliegenden Küstenmeeres befindet.

 

Normenkette

DBA LBR Art. 15 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der während der Jahre 1970 und 1971 seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatte, war vom 10. November 1969 bis 31. Dezember 1971 auf einem unter liberianischer Flagge fahrenden und in Liberia registrierten Tanker als Schiffsoffizier tätig. Das Schiff gehörte einer liberianischen Gesellschaft und war an eine Schwestergesellschaft in Nigeria verchartert. Es wurde von dieser Gesellschaft im Bereich der Ölfelder vor der nigerianischen Küste eingesetzt und diente zur Aufnahme und Lagerung von Rohöl, das von einer Bohrinsel aus den unter Wasser liegenden Ölfeldern gefördert und über eine Pipeline an Bord des Schiffes gepumpt wurde. Von dort wurde das Öl zum Transport an andere Tankschiffe weitergegeben. Der Kläger war abwechselnd als Mooring Master (Seehafenlotse) und Loading Master, zwischendurch auch als Erster Offizier und Kapitän auf dem Schiff tätig. Von den nigerianischen Behörden war ihm eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die Beschäftigung bei der nigerianischen Gesellschaft erteilt worden. Der Kläger hatte beim Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) beantragt, seine Einkünfte aus dieser Tätigkeit nach dem sog. Montageerlaß vom 24. Juli 1958 (BStBl II 1958, 117, 109) einkommensteuerfrei zu belassen. Das FA folgte dem nicht, sondern zog den Kläger mit seinen Arbeitseinkünften der Jahre 1970 und 1971 voll zur Einkommensteuer heran. Es stellte sich auf den Standpunkt, daß der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar an der Gewinnung von Bodenschätzen beteiligt gewesen sei und somit eine durch den Erlaß begünstigte Auslandstätigkeit nicht ausgeübt habe.

Nach erfolglosem Einspruch stützte der Kläger im Verfahren vor dem FG sein Begehren auf Art. 15 i. V. m. Art. 29 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Liberia zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 25. November 1970 - DBA-Liberia - (BGBl II 1973, 1286, BStBl I 1973, 616). Seine Arbeitseinkünfte seien daher steuerfrei. Er beantragte, die Einkommensteuerschuld für die Jahre 1970 und 1971 auf null DM festzusetzen.

Das FG wies die Klage ab mit der Begründung, der Kläger habe seinen Wohnsitz im Inland und sei gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Seiner inländischen Steuerpflicht stehe das DBA-Liberia nicht entgegen. Nach Art. 15 Abs. 1 dieses Abkommens könnten Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit beziehe, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt werde. Der Kläger habe eine unselbständige Arbeit in Liberia nicht ausgeübt. Seine gegenteilige Ansicht, die er darauf stütze, daß er für eine liberianische Gesellschaft auf einem unter liberianischer Flagge fahrenden Schiff tätig gewesen sei, teile das Gericht nicht. Handelsschiffe gehörten zum Inland desjenigen Staates, dessen Flagge sie führten, solange sie sich in inländischen Gewässern oder auf hoher See befänden. Zum Inland gehöre auch der einem Staat nach der Genfer Konvention über den Festlandsockel vom 29. April 1958 (abgedruckt bei Schaps-Abraham, Das deutsche Seerecht, Band I, 3. Aufl., 1959, S. 1379 f.; ferner mit deutscher Übersetzung bei Hoog, Die Genfer Seerechtskonferenzen von 1958 und 1960, S. 111 f.) zustehende Anteil am Festlandsockel, soweit dort Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes erforscht oder ausgebeutet würden. Danach habe das Schiff nicht zum liberianischen Inland gehört. Denn es sei im Bereich des nigerianischen Festlandsockels ("continental shelf") fest stationiert gewesen, wo es der nigerianischen Gesellschaft zur Rohöllagerung ("temporary crude oil storage") gedient habe. Es sei von dieser Gesellschaft ausdrücklich als schwimmende Lagerstätte ("as a floating storage vessel") geschartert (Art. 2 der "Demise Charter Party") und auch so eingesetzt worden. Es könne daher einem auf hoher See befindlichen Schiff nicht gleichgestellt werden. Der Kläger habe somit keine "Arbeit in dem anderen Vertragsstaat" i. S. des Art. 15 Abs. 1 DBA-Liberia ausgeübt.

Das DBA-Liberia enthalte auch keine Bestimmung des Inhalts, daß Dienstleistungen, die an Bord eines Schiffes erbracht würden, das eine in einem der Vertragsstaaten ansässige Person betreibe, als in dem Gebiet dieses Vertragsstaates erbracht gelten (so z. B, Art. XVIII Abs. 4 b DBA-Großbritannien; Art. 13 Abs. 2 DBA-Frankreich; Art. XVI Abs. 3 DBA-Kanada). Die Einkünfte des Klägers würden deshalb von dem DBA-Liberia nicht erfaßt.

Zwischen der Republik Nigeria und der Bundesrepublik Deutschland gebe es kein Doppelbesteuerungsabkommen. Für Fälle der vorliegenden Art ermögliche § 34 c Abs. 1 EStG eine Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften in der Weise, daß eine von dem ausländischen Staat festgesetzte und an ihn gezahlte Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen sei. Einen Nachweis darüber, daß seine nigerianischen Einkünfte mit einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer belegt worden seien, habe der Kläger nicht erbracht.

Schließlich sei auch der Montageerlaß auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Der Kläger habe weder unmittelbar noch mittelbar an der Gewinnung von Bodenschätzen im Ausland mitgewirkt.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Revision. Er rügt rechtsfehlerhafte Anwendung des Art. 15 Abs. 1 DBA-Liberia. Das FG habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, er, der Kläger, habe seine Arbeitstätigkeit nicht "in dem anderen Vertragsstaat" (Liberia) ausgeübt. Handelsschiffe gehörten völkerrechtlich zum Inland desjenigen Staates, dessen Flagge sie führten. Ob diese Eigenschaft verlorengehe, wenn das Schiff sich in fremden Gewässern befinde, sei umstritten. Abgesehen davon sei er, der Kläger, nicht im Hoheitsgebiet von Nigeria tätig gewesen. Das FG habe rechtsfehlerhaft die Wasserfläche über dem Festlandsockel zum Staatsgebiet von Nigeria gerechnet. Das liberianische Schiff habe sich nicht innerhalb der zum Hoheitsgebiet Nigerias rechnenden Dreimeilenzone, sondern auf hoher See befunden. Das FG habe die Tragweite der Genfer Konvention über den Festlandsockel verkannt. Diese Konvention beziehe sich nur auf den Meeresgrund, nicht auf die darüberliegende Wassersäule. Der liberianische Tanker habe seine Schiffseigenschaft durch eine längere Liegezeit nicht verloren. Das Schiff hätte in kurzer Zeit von den Bojen und den Lade- und Löschanschlüssen gelöst werden können und hätte mit eigener Kraft auslaufen können. Er, der Kläger, habe von Nigeria eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis nur deshalb erhalten, um dort ungehindert ein-, durch- und ausreisen zu können. Er sei auch der Auffassung, daß das FA den Montageerlaß rechtsfehlerhaft nicht angewendet habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um darüber befinden zu können, ob die Anwendung des Art. 15 Abs. 1 DBA-Liberia, das nach Art. 29 Abs. 2 Buchst. a in der Bundesrepublik ab dem Veranlagungszeitraum 1970 gilt, ausgeschlossen ist. Der Kläger war wegen seines inländischen Wohnsitzes in den Streitjahren gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig. Seine Einkünfte waren von der Steuerpflicht befreit, soweit ihnen ein Anspruch auf Befreiung nach dem genannten DBA zusteht (§ 3 Nr. 41 EStG, § 9 StAnpG).

Der Kläger war auf einem einer liberianischen Gesellschaft gehörenden und unter liberianischer Flagge fahrenden Schiff tätig. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich nicht, daß während der Zeit der Charter des Schiffes durch eine nigerianische Gesellschaft hinsichtlich der Registrierung und Flaggenführung eine Änderung eingetreten ist. Anknüpfungspunkt für die Besteuerung ist daher Art. 15 Abs. 1 DBA-Liberia. Danach werden Löhne und Gehälter, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert, es sei denn, daß die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Allerdings fehlt im DBA-Liberia eine besondere Regelung für die Besteuerung der Besatzungen von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr, die gewöhnlich vorsieht, daß deren Vergütungen in dem Vertragsstaat besteuert werden können, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, in dessen Diensten die betreffenden Personen stehen (vgl. Art. 15 Abs. 3 des Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens - Bericht des Steuerausschusses der OECD 1963 -, abgedruckt bei Korn/Dietz, Doppelbesteuerung, Vorbemerkungen, Anhang A). Bei Anknüpfung an das DBA-Liberia kann es daher dahingestellt bleiben, ob der Kläger während der Streitjahre infolge der Vercharterung des Schiffes an eine nigerianische Gesellschaft als deren Angestellter anzusehen ist; die Besteuerung des Klägers richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen, wie sie in Art. 15 Abs. 1 DBA-Liberia zum Ausdruck gekommen sind.

Schiffe auf hoher See gelten im Völkerrecht nach herrschender, wenn auch nicht unangefochtener Meinung als schwinmnende Gebietsteile des Staates, dessen Flagge sie führen (so Ständiger Internationaler Gerichtshof, Urteil vom 7. September 1927, Lotus-Fall; Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, I. Band, 1975, 340; Sauer, Grundlehre des Völkerrechts, 48, 101; Schaps-Abraham, Das Deutsche Seerecht, a. a. O., S. 68, 319; v. Liszt-Fleischmann, Das Völkerrecht, 12. Aufl., 1925, 148; Giese, in Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Band I, 1930, 225, 230; Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 27, Rdnr. 24; Ross, Lehrbuch des Völkerrechts, 1951, 172; mit Einschränkungen: Colombos, Internationales Seerecht, 1963, S. 232 f.; Dahm, Völkerrecht, Band I, 1958, 539, 619, 675; Ridder in Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Band I, 1960, 624, 626; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 1975, Rdnr. 929; Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl., 1964, 281; Wengler, Völkerrecht, Band II, 1964, 939, 1073). Sie unterliegen daher den Rechtsvorschriften des Flaggenstaates. Diese Auffassung wird auch für das Steuerrecht vertreten (Urteile des RFH vom 26. Februar 1930 VI A 274/30, StuW 1930, Bd. II Sp. 1175, 1178, und vom 24. Februar 1937 VI A 657/36, RStBl 1937, 889; Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 1 Anm. 5; Dürschke, Vermögensteuergesetz, 4. Aufl., § 1 Rdnr. 264; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., § 1 Rdnr. 23; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 1 EStG, Rdnr. 24; Schwarz-Wockenfoth, Kommentar zum Zollgesetz, 1962 f., § 2 Rdnr. 7). Nach dem Urteil des BFH vom 13. Februar 1974 I R 218/71 (BFHE 111, 416) sind in ein inländisches Schiffsregister eingetragene und die deutsche Flagge führende Kauffahrtei- und Seeschiffe auf hoher See als Inland anzusehen. Auf die Fälle, in denen dieser Grundsatz in der Praxis des Völkerrechts Durchbrechungen erfährt, braucht hier nicht eingegangen zu werden (vgl. z. B. das Recht der Nachteile nach Art. 23 der Konvention über das Hohe Meer, abgedruckt mit deutscher Übersetzung bei Hoog, a. a. O., 78 f.).

Die Fiktion des schwimmenden Gebietsteils des Flaggenstaates gilt jedoch dann nicht mehr, wenn sich das Schiff in fremden Hoheitsgewässern befindet. Schiffe, die nicht hoheitlichen Zwecken dienen, sind in fremden Eigengewässern nicht exterritorial und grundsätzlich der Rechtsordnung des Aufenthaltsstaates unterworfen. Das FG hat aus der Tatsache, daß das Schiff, auf dem der Kläger als Schiffsoffizier Dienst tat, im Bereich des Festlandsockels vor dem Staate Nigeria stationiert war, gefolgert, das Schiff habe sich nicht mehr auf hoher See, sondern im nigerianischen Inland befunden. Diese Auffassung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

Nach Völkerrecht erstreckt sich die Souveränität des Küstenstaates auf einen der Küste entlangführenden Streifen, das sog. Küstenmeer. In einer sich an das Küstenmeer anschließenden Zone, der sog. Anschlußzone, hat der Küstenstaat gewisse Kontrollrechte, um Verstöße gegen Zoll-, Finanz-, Einwanderungs- oder Gesundheitsvorschriften in seinem Hoheitsgebiet oder Küstenmeer zu verhindern oder zu ahnden. Diese Kontrollrechte ziehen aber keine Änderung des rechtlichen Zustandes dieser Zone als Teil des hohen Meeres nach sich (vgl. die Konvention über das Küstenmeer und die Anschlußzone, abgedruckt bei Hoog, a. a. O., S. 58 f. und die Erläuterungen dazu S. 16 f., S. 30). Eine Bestimmung über die Breite des der Souveränität des Küstenstaates unterstehenden Küstenmeeres enthält diese Konvention nicht, da Einigung hierüber nicht erzielt werden konnte. Die Praxis der Staaten, das Küstenmeer und damit ihr Hoheitsgebiet durch einseitige Erklärung über das klassische Maß von drei Seemeilen auf 6, 12 oder gar 200 Seemeilen auszudehnen, hat - in Widerspruch zu dem Grundsatz der Freiheit der Meere, der eine Okkupation des hohen Meeres nicht erlaubt - weite Verbreitung gefunden (Hoog, a. a. O., S. 10). Nach dem Vortrag des FA in der Revisionsinstanz soll - nach Auskunft des Auswärtigen Amtes - Nigeria aufgrund einseitigen Rechtsaktes seit dem 26. August 1971 ein Küstenmeer von 30 Seemeilen beanspruchen, was die Bundesrepublik als unvereinbar mit dem geltenden Völkerrecht nicht anerkenne.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist - ausgelöst durch eine Proklamation des Präsidenten der USA vom 28. September 1945 - die Diskussion darüber entbrannt, inwieweit die natürlichen Schätze des Meeresgrundes und Meeresuntergrundes auf dem Festlandsockel (Shelfgebiet) über das Küstenmeer hinaus der Gewalt und Aufsicht des Küstenstaates unterliegen. Die Diskussion hat sich dahin verfestigt, daß der Küstenstaat in dieser Außenzone in bezug auf die natürlichen Reichtümer des Meeresbodens Hoheitsrechte ausüben kann, diese Rechte aber die völkerrechtliche Lage des darüber befindlichen Wassers als offene See nicht berühren (Schaps-Abraham, a. a. O., Band I, S. 66, 67). Diese Gedanken haben Eingang gefunden in die vom FG erwähnte Genfer Konvention über den Festlandsockel vom 29. April 1958, a. a. O. In Art. 1 der Konvention ist der Festlandsockel definiert als der Meeresgrund und Meeresuntergrund der an die Küste grenzenden Unterwasserzone außerhalb des Küstenmeeres bis zu einer Tiefe von 200 m oder darüber hinaus, soweit die Tiefe des darüber befindlichen Wassers die Ausbeutung der Naturschätze gestattet; bei Inseln ist es der Meeresgrund und Meeresuntergrund der entsprechenden, an deren Küste grenzenden Unterwasserzone. Nach Art. 3 berühren die Rechte des Küstenstaates am Festlandsockel weder die Rechtsstellung der darüber befindlichen Gewässer als hohes Meer noch die Rechtsstellung des Luftraumes über diesen Gewässern. Die Erforschung und Ausbeutung des Festlandsockels darf insbesondere Schiffahrt und Fischfang nicht ungerechtfertigt behindern (Art. 5 Abs. 1). Der Küstenstaat ist berechtigt, auf dem Festlandsockel die zu seiner Erforschung und zur Ausbeutung seiner Naturschätze erforderlichen Anlagen und sonstigen Vorrichtungen zu erstellen, zu unterhalten und zu betreiben; er darf im Umkreis dieser Anlagen oder Vorrichtungen Sicherheitszonen bis zu 500 m errichten und darin die zu deren Schutz erforderlichen Maßnahmen treffen (Art. 5 Abs. 2 und 3). Diese Anlagen und Vorrichtungen unterstehen der Hoheitsgewalt des Küstenstaates, haben aber nicht die Rechtsstellung von Inseln; sie haben kein eigenes Küstenmeer und ihr Vorhandensein berührt nicht die Abgrenzung des Küstenmeeres des Küstenstaates (Art. 5 Abs. 4). Der außerhalb des Küstenmeeres befindliche Bereich des Festlandsockels kann demnach nicht als ein der Souveränität des Küstenstaates unterliegendes Gebiet angesehen werden. Es dürfen in diesem Bereich nur bestimmte hoheitliche Funktionen wahrgenommen werden. Er ist gewissermaßen eine Verfügungszone, auf die sich nicht automatisch die gesamte Rechtsordnung des Küstenstaates erstreckt (Kölble, Die Öffentliche Verwaltung 1964, 217).

Aufgrund dieser völkerrechtlichen Lage muß davon ausgegangen werden, daß ein Schiff, das sich außerhalb des Küstenmeeres lediglich im Bereich des Festlandsokkels aufhält, immer noch auf hoher See ist und nicht der Souveränität des Küstenstaates unterliegt. Auf die Dauer dieses Aufenthalts im Bereich des Festlandsockels kann es nicht ankommen. Nach Auffassung des Senats tritt eine Änderung dieses Zustandes nicht dadurch ein, daß das Schiff durch eine jederzeit lösbare Verbindung - hier durch eine Pipeline - mit einer Bohrinsel, die der Verfügungsgewalt des Küstenstaates unterliegt, verbunden ist. Die rechtliche Folgerung des FG, das Schiff, auf dem der Kläger Dienst tat, habe sich nicht mehr auf hoher See, sondern im Inland des Küstenstaates Nigeria befunden und deshalb sei Art. 15 Abs. 1 DBA-Liberia nicht anwendbar, läßt sich nach alledem nicht halten. Für die Entscheidung der Frage, ob die für den Kläger günstige Bestimmung des DBA-Liberia anwendbar ist, kommt es auf die Feststellung an, ob sich das Schiff noch auf hoher See oder schon innerhalb des der Souveränität Nigerias unterstehenden Küstenmeeres befunden hat. Die Vorentscheidung ist daher aus diesem Grunde aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird eine weitere Aufklärung des Sachverhalts, bei der der Kläger im Rahmen des Zumutbaren mitzuwirken verpflichtet ist, vornehmen müssen (§ 76 FGO).

2. Der erkennende Senat folgt der Auffassung des FG, daß der Kläger, falls eine Befreiung nach dem DBA-Liberia nicht in Betracht kommt, die Vergünstigungen des sog. Montageerlasses nicht gerichtlich durchsetzen kann. Das FA hat die Vergünstigung deshalb abgelehnt, weil die Tätigkeit des Klägers mit einer begünstigten Tätigkeit - hier dem Aufsuchen oder der Gewinnung von Bodenschätzen - nicht zusammenhänge, der Kläger vielmehr die für einen Schiffsoffizier typischen Tätigkeiten an Bord eines Tankers verrichtet habe. Der Montageerlaß, der aufgrund § 34 c Abs. 3 EStG ergangen ist, hat nicht die Eigenschaft einer Rechtsnorm. Er kann nur im Zusammenhang mit § 34 c Abs. 1 EStG gesehen werden und soll letzten Endes eine doppelte Besteuerung auf dem Gebiet der Einkommensteuer vermeiden. Die Steuergerichte, die nach Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes nur an Gesetz und Recht, nicht aber an Verwaltungsanordnungen gebunden sind, können die Verwaltungsbehörden nicht zwingen, eine Verwaltungsanweisung auch auf einen Fall anzuwenden, der nach deren Auffassung objektiv nicht von der Verwaltungsanweisung gedeckt ist (BFH-Urteil vom 26. Januar 1968 VI R 224/66, BFHE 91, 364, BStBl II 1968, 362).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72603

BStBl II 1978, 50

BFHE 1978, 341

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