Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Sind die geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH nur mit Anteilen bis zu 50 v. H. am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt, so finden für die Beantwortung der Frage, ob eine ihnen gegebene Pensionszusage eine ernsthafte Last darstellt, in der Regel die Grundsätze keine Anwendung, die die Rechtsprechung für den Fall einer qualifizierten Beherrschung der Gesellschaft durch ihren geschäftsführenden (Haupt-) Gesellschafter entwickelt hat.

 

Normenkette

KStG § 6; EStG § 4 Abs. 1, § 5

 

Tatbestand

Streitig ist die vom Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) verneinte Ernsthaftigkeit der von der Revisionsklägerin (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) - einer GmbH - ihren geschäftsführenden Gesellschaftern zugesagten Altersversorgung.

Mit einer von allen Betriebsangehörigen unterschriebenen, auf den 31. Dezember 1956 datierten "Ruhegeldordnung" hatte die Stpfl. ihren Betriebsangehörigen eine Altersversorgung zugesagt. Unter diesen befanden sich auch ihre beiden im Streitjahr (1958) 71 bzw. 47 Jahre alten geschäftsführenden Gesellschafter (Vater und Sohn), die an dem 50 000 DM betragenden Stammkapital der Stpfl. mit je 50 v. H. beteiligt waren. Die monatlichen Versorgungsbeträge lagen zwischen 100 und 250 DM (wobei 250 DM nur für die beiden geschäftsführenden Gesellschafter vorgesehen waren). Die auf Grund der Zusage gebildete Rückstellung betrug nach einem versicherungsmathematischen Gutachten zum 31. Dezember 1956 = 40 729 DM. Die Ruhegeldordnung und das Gutachten wurden dem FA am 3. Juni 1958 eingereicht, das daraufhin die Rückstellung nach anfänglichen Bedenken wegen der in § 6 der Ordnung enthaltenen Vorbehalte anerkannte.

In der Folgezeit wurde die Rückstellung unter Berücksichtigung von Neuzugängen zum 31. Dezember 1957 mit 44 454,50 DM, zum 31. Dezember 1958 mit 104 808,50 DM ausgewiesen. Der Erhöhung zum 31. Dezember 1958 lag eine unter dem 31. Dezember 1958 erstellte "Ergänzung und Erweiterung der Ruhegeldordnung" zugrunde, die für die beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Stpfl. ein monatliches Ruhegeld von je 565 DM vorsah.

Bei Durchführung der Veranlagung der Stpfl. für das Jahr 1958 erkannte das FA unter Berufung auf das Urteil des BFH I 4/59 S vom 4. August 1959 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 69 S. 299 - BFH 69, 299 -, BStBl III 1959, 374) die Zuführung zur Pensionsrückstellung für die geschäftsführenden Gesellschafter der Stpfl. nicht an und erhöhte den Gewinn um 37 793 DM. Der Einspruch der Stpfl. führte auf Grund des Ergebnisses einer inzwischen bei ihr durchgeführten Betriebsprüfung zu einer Heraufsetzung des Steuerbetrages für 1958. Ihre Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründet seine nach mündlicher Verhandlung ergangene Entscheidung wie folgt:

Eine steuerlich anzuerkennende Pensionsrückstellung bedürfe einer bürgerlich-rechtlichen Verpflichtung des Unternehmens als Rechtsgrundlage. An einer solchen fehle es im Streitfall, jedenfalls was die Verhältnisse der Stpfl. zu ihren beiden geschäftsführenden Gesellschaftern betreffe. Denn die vom FA in der mündlichen Verhandlung überreichten Fotokopien des von der Steuerfahndungsstelle ermittelten Schriftwechsels zwischen der Stpfl. und dem versicherungsmathematischen Gutachter stellten klar, daß es der Stpfl. nicht darum gegangen sei, ihren geschäftsführenden Gesellschaftern eine Altersversorgung zu sichern, sondern lediglich darum, sich eine Möglichkeit zu schaffen, mit Hilfe von Rückstellungen ihren Gewinn in geeigneter Form zu manipulieren. Besonders eindeutig zeige sich dies für den Veranlagungszeitraum 1958, für den man erst nach Erlangung eines überblicks über den Gewinn im Juli 1959 überlegungen darüber angestellt habe, wie hoch man zweckmäßigerweise den monatlichen Betrag der Altersrente für die geschäftsführenden Gesellschafter im Raum zwischen 250 und 1000 DM ansetze, um einen Gewinn zu erreichen, den man für "tragbar" gehalten habe und ausweisen wollte.

Daß schließlich die geschäftsführenden Gesellschafter der Stpfl. auch nicht ernsthaft in Pension gehen, sondern ihr Gehalt und nicht die niedrigere Altersversorgung bis zu ihrem Lebensende beziehen wollten, zeige der mit dem Schriftsatz vom 24. August 1961 eingereichte Gesellschafterbeschluß vom 30. Januar 1960, demzufolge der Seniorgesellschafter "mit Wirkung vom 1. Januar 1960 in den Ruhestand treten und eine Pension aus der Firma in Höhe des bisherigen Gehalts beziehen" solle.

Hiergegen wendet sich die Stpfl. mit ihrer Rb. (Revision), zu deren Begründung sie folgendes vortragen läßt:

Darin, daß das FG den vom FA erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten (fotokopierten) Schriftwechsel zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe, liege ein Verfahrensmangel. Denn nach der Rechtsprechung genüge es nicht, wenn zwecks Vorbringens neuer Tatsachen noch in der mündlichen Verhandlung ein Schriftsatz überreicht werde. Die Unterlagen hätten deshalb der Stpfl. vor der mündlichen Verhandlung unter ausreichender Fristsetzung zur Gegenäußerung zugeleitet werden müssen. Auch sei für das FA der vorgelegte Schriftwechsel insofern nicht neu, als alle die Pensionsrückstellung betreffenden Vorgänge dem Betriebsprüfer zur Einsicht vorgelegen hätten.

Die Ernsthaftigkeit der Pensionszusage für die geschäftsführenden Gesellschafter könne nur aus der Entwicklung des Einzelunternehmens des Seniorgesellschafters der Stpfl. und aus den überlegungen heraus verstanden werden, die im Jahre 1947 zur Gründung der Stpfl. geführt hätten. Auch dürfe nicht übersehen werden, daß die Stpfl. als Vertretung der Firma ... außerordentlich eingehende Nachprüfung ihrer Verhältnisse durch diese Firma hinnehmen müsse und deshalb ihren Gewinn nicht manipulieren könne. Entgegen dem Rat des Gutachters, der Rückstellung im Streitjahr 119 000 DM zuzuführen, habe sie sich mit einer Zuführung von 60 000 DM begnügt, um nicht einen Verlust ausweisen zu müssen.

Schließlich habe das FG bei der Versagung der Rückstellung die ebenfalls zugesagte Witwenversorgung außer acht gelassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Stpfl. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Darin, daß das FA den Schriftwechsel der Stpfl. mit dem mit der Berechnung der versicherungsmathematischen Grundlagen für die Pensionsrückstellung beauftragten Gutachter erst in der mündlichen Verhandlung vor dem FG als Prozeßstoff in den Rechtsstreit einführte und das FG ihn nach eingehender Erörterung mit den Beteiligten bei seiner Urteilsfindung verwertete, kann ein Verfahrensfehler - Verletzung des rechtlichen Gehörs - nicht gefunden werden. Dieser Grundsatz verbietet es dem Gericht, seiner Entscheidung solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, § 96 Abs. 2 FGO, § 269 AO a. F.), so z. B. Tatsachenbehauptungen aus einem Schriftsatz im Urteil zu verwerten, zu dem der gegnerische Beteiligte mangels Inkenntnissetzung nicht Stellung nehmen konnte (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 2 BvR 647/62 vom 10. Dezember 1963, Deutsches Verwaltungsblatt 1964 S. 114). Dieses Moment entfällt aber, wenn - wie im Streitfall - die dem Gericht vorgelegten Unterlagen in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert wurden, zumal diese Unterlagen den der Stpfl. bekannten Vorgängen um die Berechnung der Höhe der jeweiligen Zuführung zur Pensionsrückstellung entnommen waren. Denn die mündliche Verhandlung dient gerade dem Zweck, den Prozeßstoff mit den Beteiligten zu erörtern und so die tatsächlichen Grundlagen der zu treffenden Entscheidung soweit wie nur möglich zu klären.

Soweit dagegen die Vorinstanz aus dem von ihr festgestellten Sachverhalt, insbesondere aus dem ihr unterbreiteten Schriftwechsel die Schlußfolgerung gezogen hat, daß - jedenfalls für das Streitjahr und für die hier allein streitige Zuführung zur Pensionsrückstellung - für die steuerliche Anerkennung einer Rückstellung in Ansehung der geschäftsführenden Gesellschafter der Stpfl. kein Raum sei, vermag der Senat ihr nicht zu folgen. Die Motive, die zu einer Pensionszusage führten, sind - selbst bei ausschließlichem Streben nach steuerlicher Entlastung - für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Zusage unbeachtlich, wenn der Stpfl. aus der Zusage wirtschaftlich eine ernsthaft gewollte Last erwächst.

Daß im Streitfall insoweit ein Scheingeschäft gegeben sei, als die Ruhegeldordnung der Stpfl. auch deren geschäftsführende Gesellschafter erfaßt, hat das FG nicht festgestellt.

Was danach die - nicht schon am 31. Dezember 1956, sondern erst im Jahre 1957 gegebene - Pensionszusage (qua Ruhegeldordnung der Stpfl.) dem Grunde nach betrifft, hat das FG ihr ihre Bedeutung für die geschäftsführenden Gesellschafter der Stpfl. zu Unrecht abgesprochen. Dagegen konnte die Erweiterung der Zusage durch änderung der Ruhegeldordnung, datiert vom 31. Dezember 1958, die jedoch nach den nicht bestrittenen Feststellungen des FG erst im Jahre 1959 zustande gekommen ist, nach den im BFH-Urteil I 164/62 U vom 31. Juli 1963 (BFH 77, 328, BStBl III 1963, 440) entwickelten Grundsätzen für das Streitjahr keine Berücksichtigung finden. Mit der steuerlichen Nichtanerkennung für die Vergangenheit gedachter Vereinbarungen soll möglichen Gewinnmanipulationen begegnet werden.

Die vom BFH für die Fälle rechtlicher oder wirtschaftlicher Beherrschung der Gesellschaft durch ihren Hauptgesellschafter entwickelten Grundsätze finden im Streitfall keine Anwendung. Die je 50 v. H. betragende Beteiligung der beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Stpfl. gewährt keinem von ihnen eine beherrschende Stellung; die besonderen Verhältnisse, die bei Ehegatten und abhängigen Kindern als Gesellschaftern ein mit den Interessen des Hauptgesellschafters gleichlaufendes Interesse begründen können, sind bei erwachsenen Kindern nicht gegeben. Demgemäß hat der Senat schon in seiner Entscheidung I 247/62 U vom 16. September 1964 (BFH 80, 488, BStBl III 1964, 650) nicht mehr auf die jeweils hälftige Beteiligung der beiden Familienstämme abgestellt.

Das FG wird deshalb neben der Witwenversorgung, die auch nach der von ihm angewendeten Rechtsprechung des Senats eine entsprechende Rückstellung begründet hätte (BFH-Urteile I 1 und 2/61 U vom 13. Dezember 1961, BFH 74, 364, BStBl III 1962, 138; I 321/60 U vom 13. Dezember 1961, BFH 74, 657, BStBl III 1962, 243; I 45/61 vom 25. September 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 19), eine Rückstellung für die mit 250 DM monatlich angesetzte Altersversorgung der geschäftsführenden Gesellschafter der Stpfl. zuzulassen haben, soweit sich nicht aus anderen Gründen die Pensionszusage nicht als eine wirtschaftliche Last der Stpfl. erweisen sollte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412180

BStBl III 1966, 604

BFHE 1966, 609

BFHE 86, 609

BB 1966, 1218

DB 1966, 1713

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