Entscheidungsstichwort (Thema)

(Pensionszusage an 64jährigen Gesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttung)

 

Leitsatz (amtlich)

Die einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH im Alter von 64 Jahren erstmals erteilte Pensionszusage ist auch dann als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilen, wenn der Geschäftsführer noch rüstig ist und eine aktive Arbeitszeit vertraglich bis zur Vollendung des 75. Lebensjahres vorgesehen ist.

 

Orientierungssatz

Die Verfassungsbeschwerde wurde gemäß §§ 93a, 93b BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluß vom 12.9.1995 Az. 1 BvR 1357/95).

 

Normenkette

KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2; EStG § 6a

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 08.06.1993; Aktenzeichen VI 57/90)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 12.09.1995; Aktenzeichen 1 BvR 1357/95)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist in den Jahren 1977/1978 durch Umwandlung aus einer KG hervorgegangen. Am Stammkapital waren in den Streitjahren 1986 und 1987 die A-Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH (10 %) und Frau S (90 %) beteiligt. S war alleinvertretungsberechtigte, von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreite Geschäftsführerin. Neben S waren noch zwei stellvertretende, gemeinsam vertretungsberechtigte Geschäftsführer bestellt.

Nach dem Geschäftsführervertrag vom 12. Januar 1978 erhielt S ein monatliches Gehalt von brutto 10 000 DM sowie eine Umsatzvergütung von 1 % des Nettofakturwertes aller von der Klägerin getätigten Verkäufe. Sie hatte Anspruch auf Fortzahlung der Geschäftsführervergütung im Krankheitsfall für die Dauer von 12 Monaten. Bei längerer Erkrankung blieb die Fortzahlung der Entscheidung der Gesellschafterversammlung vorbehalten. Der Geschäftsführervertrag galt bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres der Geschäftsführerin.

Nach dem Bescheid des Versorgungsamts H vom 8. September 1980 wurde für S wegen Abnutzungserscheinungen im Hüft- und Kniebereich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v.H. festgestellt. Mit Pensionsvertrag vom 30. Januar 1986 wurde der damals fast 65jährigen Geschäftsführerin --sie ist am 23. Februar 1921 geboren-- ein Anspruch auf ein monatliches Ruhegehalt in Höhe von 5 000 DM und ein Witwergeld zugesagt. Die Zusage war nicht über einen Pensionssicherungsverein rückversichert. Das Ruhegehalt sollte gezahlt werden bei Dienstunfähigkeit, bei Vollendung des 75. Lebensjahres (Altersgrenze) oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses nach Vollendung des 70. Lebensjahres in gegenseitigem Einvernehmen. Für den Fall einer Inanspruchnahme des Ruhegehalts vor Erreichen der Altersgrenze und ohne Dienstunfähigkeit sollte das Ruhegehalt für jeden Monat vor Erreichen des 75. Lebensjahres um 0,5 % gekürzt werden. Das Witwergeld sollte 60 % des Ruhegehalts betragen.

Gemäß § 7 des Pensionsvertrages sind die Ruhegeldzahlungen nach Eintritt des Pensionsfalles um jährlich 3 % zu erhöhen. Eine weitere Erhöhung soll erfolgen, wenn die jeweils nach drei Jahren vorzunehmende Prüfung gemäß § 16 des Gesetzes über die Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) einen Anpassungsbedarf über der vorab erfolgten Rentenerhöhung ergibt.

In der Gesellschafterversammlung vom 13. Februar 1986 wurde mit der Stimme der Gesellschafterin-Geschäftsführerin ihr Geschäftsführervertrag bis 31. Dezember 1995 verlängert. Mit Zusatzvereinbarung vom 23. Februar 1987 wurde das monatliche Ruhegehalt auf 9 000 DM erhöht.

Im Anschluß an eine für die Jahre 1984 bis 1987 durchgeführte Außenprüfung bei der Klägerin behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Zuführungen zur Pensionsrückstellung in Höhe von 177 031 DM (1986) und 206 556 DM (1987) als verdeckte Gewinnausschüttungen. Das FA erließ am 4. Januar 1990 entsprechend geänderte Körperschaftsteuerbescheide und hob den bisherigen Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen erhobenen Sprungklage statt.

Das FA stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zur Überprüfung der Angemessenheit der Bezüge zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Bei der Frage, ob einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer eine Pension zugesagt worden wäre, spielt neben anderen Kriterien (z.B. wirtschaftliche Leistungskraft des Unternehmens) eine wesentliche Rolle, ob der Geschäftsführer die Pension noch erdienen kann (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Dezember 1961 I 321/60 U, BFHE 74, 657, BStBl III 1962, 243; vom 20. Mai 1992 I R 2/91, BFH/NV 1993, 52; vom 10. November 1993 I R 36/93, BFH/NV 1994, 827; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 4. Aufl., § 8 Anm. 150 "Pensionszusage" Nr. 6). In der Literatur wird allerdings zum Teil die Auffassung vertreten, daß Versorgungszusagen in jedem Alter gegeben würden und daher nur die Angemessenheit der Gesamtausstattung steuerlich zu überprüfen sei (vgl. Baer, Betriebs-Berater --BB-- 1989, 1529; Höfer/Kisters-Kölkes, BB 1989, 1157, 1159). Der Senat kann sich dem nicht anschließen. Die betriebliche Altersversorgung ist eine (freiwillige) Maßnahme des Arbeitgebers in Anerkennung längerer Betriebszugehörigkeit u n d in Erwartung weiterer Betriebstreue. Auch § 1 Abs. 1 BetrAVG liegt die Vorstellung zugrunde, daß eine Altersversorgung erdient werden muß.

Die Erdienbarkeit hängt entscheidend vom Alter des Geschäftsführers im Zeitpunkt der Pensionszusage ab. Der Senat hat zur Prüfung der Erdienbarkeit im wesentlichen auf das Alter im Zeitpunkt der Pensionszusage abgestellt und insbesondere im Hinblick auf das mit dem Alter steigende Risiko kurzfristiger Inanspruchnahme der Pension die Erdienbarkeit verneint, sobald der Geschäftsführer das 60. Lebensjahr überschritten hat (vgl. BFH in BFH/NV 1993, 52; BFH-Urteil vom 25. Mai 1988 I R 107/84, BFH/NV 1989, 195). Daran hält der Senat fest. Wird eine Pensionszusage erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres erteilt, kann der Arbeitgeber nach allgemeiner Lebenserfahrung nur noch mit einer zeitlich eng begrenzten Tätigkeit des Arbeitnehmers rechnen. Er muß damit rechnen, daß auch bei noch rüstigen Arbeitnehmern die Pension wegen nachlassender Arbeitsfähigkeit nicht mehr erdient werden kann. Das gilt in verstärktem Maße, wenn --wie im Streitfall-- das erhöhte Risiko eines vorzeitigen Ausfalls des Geschäftsführers aus gesundheitlichen Gründen nicht durch eine Rückdeckungsversicherung abgesichert wurde. Da S zur Zeit der Pensionszusage das 64. Lebensjahr bereits vollendet hatte, können die auf der Zusage beruhenden Vermögensminderungen der Klägerin nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, da sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt wurden.

Die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis wird im Streitfall durch einen internen Betriebsvergleich bekräftigt. Die der Geschäftsführerin S zugesagte Pension wurde nach nur einjähriger Geltungsdauer um 80 % erhöht. Außerdem betrugen die den anderen Geschäftsführern zugesagten Pensionen von monatlich 3 000 DM nur ein Drittel des S zugesagten Ruhegehalts. Die Erhöhung der Pensionszusage von ca. 165 % der Pensionszusage für beide Mitgeschäftsführer auf 300 % dieser Pensionen innerhalb eines Jahres stellt jedoch ein deutliches Indiz für die gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Zusage für S dar. Einem fremden Geschäftsführer wären derart herausgehobene Vergünstigungen zumindest in einem Lebensalter von fast 65 bzw. bei der Erhöhung von fast 66 Jahren nicht gewährt worden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65633

BFH/NV 1995, 61

BStBl II 1995, 478

BFHE 177, 427

BFHE 1996, 427

BB 1995, 1276

BB 1995, 1276-1277 (LT)

DB 1995, 1255 (LT)

DStR 1995, 1021-1022 (KT)

DStZ 1995, 539-540 (KT)

HFR 1995, 468-469 (LT)

StE 1995, 392 (K)

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