Leitsatz (amtlich)

1. Für rechtsverbindlich zugesagte Jubiläumszuwendungen muß eine Rückstellung in dem Umfang gebildet werden, als die Anspruchsvoraussetzungen durch die vergangene Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers erfüllt sind.

2. Zur Berechnung dieser Rückstellung.

 

Orientierungssatz

1. Die Höhe der Rückstellung für Jubiläumszuwendungen hängt vom Umfang der übernommenen Verpflichtung, der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme und der bis dahin vergehenden Zeit ab (Entnahme des Umfangs der Verpflichtung aus dem Inhalt der Gratifikationszusage; Zugrundelegung der Verhältnisse vom Bilanzstichtag bei der Bewertung; Maßgeblichkeit des Steuertarifs vom Bilanzstichtag bei Nettozuwendung, Berücksichtigung eines Fluktuationsabschlags; Rückgriff auf Versicherungswerte wegen des Lebensrisikos und Invaliditätsrisikos; Verteilung auf die bis zum Jubiläum vergehende Dienstzeit des Arbeitnehmers; Abzinsung auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme).

2. Nach dem im Jahr 1973 geltenden § 152 Abs. 7 AktG, der einen nach § 5 Abs. 1 EStG auch steuerlich zu beachtenden Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung wiedergab, mußten Rückstellungen insbesondere für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet werden; insoweit bestand entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht zur Passivierung (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1, § 6a; AktG § 152 Abs. 7; EGHGB Art. 28 Abs. 1 Fassung: 1985-12-19

 

Verfahrensgang

FG Hamburg (Entscheidung vom 08.12.1983; Aktenzeichen II 174/82)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) unterhält eine Maschinenfabrik. Sie schloß im Jahre 1969 mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Jubiläumszuwendungen. Seit 1971 hatte diese Vereinbarung folgenden Inhalt:

"Die Mitarbeiter (Angestellte und Arbeiter) erhalten

folgende Jubiläumszuwendungen:

Nach einer Betriebszugehörigkeit von

5 Jahren DM 250 brutto

10 Jahren DM 500 netto

15 Jahren DM 1 000 brutto

20 Jahren DM 2 000 brutto

25 Jahren DM 3 000 netto.

Ferner anläßlich eines 20-jährigen Jubiläums einen

Präsentkorb im Werte von DM 100 und bei einem 25-jährigen

Jubiläum außerdem eine goldene Uhr."

Die Klägerin bildete im Hinblick auf diese Zusage in ihren Bilanzen jeweils eine Rückstellung. Zum 31.Dezember 1973 belief sich die Rückstellung auf 336 000 DM; dabei war ein Fluktuationsabschlag von 15 v.H. berücksichtigt.

In einer Betriebsprüfung für die Jahre 1970 bis 1975 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) diese Rückstellung nicht an. Die Klage hatte im Grundsatz Erfolg; das Finanzgericht (FG) hielt jedoch eine Abzinsung des Rückstellungsbetrags für erforderlich. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 339 veröffentlicht.

Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Für die zugesagten Sonderzuwendungen mußte eine Rückstellung gebildet werden; auch die Aussagen des FG zur Berechnung dieser Rückstellung sind nicht zu beanstanden.

1. Ob und in welcher Weise der Arbeitgeber Zuwendungen anläßlich von Dienstjubiläen seiner Arbeitnehmer und damit vergleichbare andere Gratifikationen schon vor ihrer Auszahlung gewinnmäßig berücksichtigen kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) unterschiedlich beurteilt worden.

Das BFH-Urteil vom 19.Juli 1960 I 160/59 U (BFHE 71, 264, BStBl III 1960, 347) hat die Jubiläumszuwendungen einer Lohn- oder Gehaltserhöhung gleichgestellt und sie als Aufwand des Jahres bezeichnet, in dem sie getätigt werden.

Zu einem anderen Ergebnis gelangt die Entscheidung vom 18.März 1965 IV 116/64 U (BFHE 82, 119, BStBl III 1965, 289) im Hinblick auf die Zusage einer Sonderzahlung an langjährig beschäftigte Arbeitnehmer, die nach Ablauf von fünf Jahren ausgezahlt werden sollte, sofern das Arbeitsverhältnis in der Zwischenzeit nicht durch eine vom Arbeitnehmer zu verantwortende Kündigung beendet werde. Unter der Voraussetzung, daß das Zuwendungsversprechen den Arbeitnehmer in erster Linie für eine bestimmte Zahl von Jahren an den Betrieb binden solle, hat sich der BFH in diesem Fall dafür ausgesprochen, die Verbindlichkeit mit ihrem Barwert zu passivieren und gleichzeitig ein immaterielles Wirtschaftsgut zu aktivieren, das in den Jahren von der Zusage bis zur Fälligkeit der Sonderzahlung abzuschreiben sei. Aus dieser Abschreibung und der gebotenen Aufzinsung der Verbindlichkeit ergab sich, daß die Sonderzuwendungen in der Zeit zwischen ihrer Zusage und ihrer Fälligkeit, nicht also erst bei ihrer Auszahlung, als Aufwand zu berücksichtigen waren.

In einer jüngeren, zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Entscheidung vom 7.Juli 1983 IV R 47/80 (BFHE 139, 154, BStBl II 1983, 753), die die Zusage einer einmaligen, von der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Höhe des Monatsverdienstes im Jahre der Zusage abhängigen Gratifikation betraf, deren Auszahlung an eine weitere siebenjährige Betriebszugehörigkeit geknüpft war, hat sich der erkennende Senat unter der Voraussetzung, daß die Sonderzahlung in erster Linie Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Leistungen ist, für die Passivierung einer Rückstellung im Jahre der Zusage ausgesprochen.

In Fortentwicklung dieser Rechtsprechung hält der Senat die Bildung einer Rückstellung auch dann für erforderlich, wenn die Sonderzahlung des Arbeitgebers im Hinblick auf künftige während einer bestimmten Dauer der Betriebszugehörigkeit zu erbringende Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers versprochen wurde und der Arbeitnehmer solche Leistungen teilweise schon vor dem Bilanzstichtag erbracht hat. Im Ergebnis knüpft der Senat damit an seine frühere Entscheidung in BFHE 82, 119, BStBl II 1965, 289 an; da nach der inzwischen eingetretenen Entwicklung des Bilanzrechts die Aktivierung eines Wirtschaftsguts "Betriebstreue" nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil vom 23.April 1975 I R 236/72, BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875), kann die seinerzeit angestrebte Aufwandsverteilung jedoch nur mittels einer in den Jahren zwischen Zusage und Auszahlung zunehmenden Rückstellung erreicht werden. Eine derartige Rückstellung ist in der Tat geboten.

a) Unter welcher Voraussetzung ein Unternehmer Rückstellungen zu bilden hatte, ergab sich im Streitjahr 1973 aus § 152 Abs.7 des Aktiengesetzes (AktG), der einen nach § 5 Abs.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch steuerlich zu beachtenden Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung wiedergab (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil vom 1.August 1984 I R 88/80, BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44, m.w.N.). Danach mußten Rückstellungen insbesondere für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet werden; insoweit bestand entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht zur Passivierung (BFH-Urteile in BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44; vom 19.Juli 1983 VIII R 160/79, BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56).

Eine Rückstellung für drohende Verluste aus einem schwebenden Geschäft läßt sich aus der Zusage von Jubiläumszuwendungen nicht herleiten. Zwar stellt auch das Arbeitsverhältnis hinsichtlich der künftig von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erbringenden Leistungen ein schwebendes Geschäft dar. Aus ihm würde ein Verlust drohen, wenn die vom Arbeitgeber zu erbringenden Leistungen wertmäßig die Leistung des Arbeitnehmers übertreffen. Ein solcher Vergleich läßt sich aber in aller Regel nicht anstellen, weil der Wert der Arbeitsleistung nicht zu ermitteln ist (BFH-Urteil vom 25.Februar 1986 VIII R 377/83, BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465; siehe auch Urteil vom 25.Januar 1984 I R 7/80, BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344, betreffend Ausbildungsverträge).

Der BFH hat bei der bilanzrechtlichen Beurteilung von zugesagten Jubiläumszuwendungen ursprünglich nur die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste in Betracht gezogen (Urteil in BFHE 71, 264, BStBl III 1960, 347). Tatsächlich kommt aber eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in Betracht. Ist ein Dauerrechtsverhältnis für die Vergangenheit von einer Seite erfüllt worden, und besteht für die andere Seite ein Erfüllungsrückstand, muß der Verpflichtete dem durch die Bilanzierung einer Verbindlichkeit oder Rückstellung Rechnung tragen (BFH-Urteil vom 26.Juni 1980 IV R 35/74, BFHE 130, 533, BStBl II 1980, 506). So ist nicht zweifelhaft, daß der Arbeitgeber rückständige Lohnzahlungen passivieren muß. Dementsprechend muß der Arbeitgeber für zugesagte Jubiläumszuwendungen eine Rückstellung bilden, soweit sie auf Leistungen des Arbeitnehmers in der Vergangenheit entfallen.

b) Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist zu bilden, wenn eine Verbindlichkeit dem Grunde nach nicht mit Sicherheit, aber doch mit Wahrscheinlichkeit besteht oder entstehen wird oder wenn allein oder zusätzlich hinsichtlich der Höhe dieser Verbindlichkeit Ungewißheit besteht (vgl. Urteil in BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44, m.w.N.).

Im Streitfall ist eine Verbindlichkeit dem Grunde nach durch die von der Klägerin eingegangene Betriebsvereinbarung geschaffen worden; die Vereinbarung war mangels einschlägiger Regelungen in einem Tarifvertrag zulässig und bindend (§ 77 Abs.3 und 4, § 87 Abs.1 des Betriebsverfassungsgesetzes --BetrVerfG--). In diesem Zusammenhang kann unerörtert bleiben, ob die Arbeitnehmer der Klägerin aus dieser Vereinbarung einen aufschiebend oder auflösend bedingten Anspruch erworben haben oder ob der Anspruch überhaupt erst mit dem Dienstjubiläum entstehen sollte. Denn auch für eine erst in Zukunft entstehende Verbindlichkeit muß ggf. eine Rückstellung gebildet werden (BFH-Urteile vom 23.September 1969 I R 22/66, BFHE 97, 164, BStBl II 1970, 104; vom 10.August 1972 VIII R 1/67, BFHE 107, 195, BStBl II 1973, 9).

c) Die Bildung der Rückstellung verlangt darüber hinaus, daß die ungewisse Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr oder in der davor liegenden Zeit wirtschaftlich verursacht worden ist (BFH-Urteile in BFHE 142, 226, BStBl II 1985, 44; vom 20.Januar 1983 IV R 168/81, BFHE 137, 489, BStBl II 1983, 375). Dies ist im Falle eines Arbeitsverhältnisses anzunehmen, wenn eine künftige Leistung des Arbeitgebers im Hinblick auf eine schon bewirkte Leistung des Arbeitnehmers geschuldet wird; aus diesem Grund muß ein Arbeitgeber mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr im Hinblick auf künftig zu leistendes Urlaubs- und Weihnachtsgeld insoweit eine Rückstellung bilden, als diese Leistungen für im abgelaufenen Wirtschaftsjahr erbrachte Dienste des Arbeitnehmers gewährt werden (BFHE 130, 533, BStBl II 1980, 506).

Eine derartige Beziehung besteht auch bei der Zusage von Jubiläumszuwendungen. Da diese Leistungen nur erbracht werden, wenn das Arbeitsverhältnis bis zum Jubiläumstag, also fünf, zehn, fünfzehn, zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre aufrechterhalten wird, hängen sie von einer bestimmten Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers ab und beinhalten insoweit ein Entgelt für die während dieser Dauer erbrachten Arbeitsleistungen und auch ein Entgelt dafür, daß der Arbeitnehmer sein Kündigungsrecht nicht ausübt (vgl. Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 13.September 1974 5 AZR 48/74, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts - Arbeitsrechtliche Praxis - --AP--, § 611 BGB "Gratifikation" Nr.84; Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1975, 278; Der Betrieb --DB-- 1974, 2483; vom 27.Oktober 1978 5 AZR 139/77, AP, § 611 BGB "Gratifikation" Nr.96; DB 1979, 506). Darum stellt die spätere Auszahlung der Zuwendung eine Gegenleistung des Arbeitgebers für eine bereits in zurückliegenden Jahren erbrachte Leistung des Arbeitnehmers dar. Hiervon geht auch der zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Beschluß des Großen Senats des BAG vom 16.September 1986 GS 1/82 aus. Danach kann der bereits durch Betriebszugehörigkeit in der Vergangenheit mittels Vorleistung der Arbeitnehmer "erdiente" Teil der Zuwendung nur unter besonderen Voraussetzungen wieder entzogen werden. Dieser Zusammenhang wird auch bei der Besteuerung der Zuwendung beim Arbeitnehmer berücksichtigt. Sie wird als Gegenleistung des Arbeitgebers und als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit des Arbeitnehmers angesehen, für die die in § 34 Abs.3 EStG vorgesehene Steuerbegünstigung in Anspruch genommen werden kann (BFH-Urteile vom 28.September 1984 VI R 48/82, BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117; vom 31.Oktober 1986 VI R 52/81, BFHE 148, 54, BStBl II 1987, 139). Soweit der Arbeitnehmer durch die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses seine Leistung in der Vergangenheit erbracht hat, besteht danach auf seiten des Arbeitgebers ein Erfüllungsrückstand, der die Bildung einer Rückstellung gebietet.

Allerdings hat der BFH eine Rückstellung verschiedentlich davon abhängig gemacht, daß der die Verpflichtung auslösende Tatbestand im wesentlichen bereits vor dem Bilanzstichtag erfüllt worden ist (Entscheidungen vom 20.März 1980 IV R 89/79, BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297; vom 4.Dezember 1980 IV B 35/80, BFHE 132, 273, BStBl II 1981, 266). Dies kann aber dann nicht gelten, wenn die Voraussetzungen für die Verpflichtung kontinuierlich, insbesondere im Zeitablauf geschaffen werden. In diesem Fall muß auch die Rückstellung kontinuierlich gebildet werden. Darum wird eine Rückstellung für eine Wiederauffüllungs- oder Rekultivierungsverpflichtung jeweils nach Maßgabe der Fördermenge, eine Rückstellung für Weihnachtsgratifikationen und Urlaubsgeld zeitanteilig nach der erbrachten Arbeitsleistung gebildet (BFH-Urteile vom 16.September 1970 I R 184/67, BFHE 100, 443, BStBl II 1971, 85; vom 19.Mai 1983 IV R 205/79, BFHE 139, 41, BStBl II 1983, 670; in BFHE 130, 533, BStBl II 1980, 506). Dementsprechend hängt die Rückstellung im Streitfall davon ab, nach wieviel Jahren die Sonderzuwendungen geleistet werden und wieviel Jahre die Arbeitnehmer dem Betrieb bereits angehört haben. Sie unterscheidet sich darin grundsätzlich nicht von einer Rückstellung für eine Pensionsanwartschaft des Arbeitnehmers. Eine solche Anwartschaft haben die Arbeitnehmer auch im Streitfall erlangt, da ihr Anspruch aus der Zusage von der weiteren Betriebszugehörigkeit abhing und sich dieser Tatbestand im Zeitablauf verwirklichte.

2. Die Bildung der Rückstellung für Jubiläumszuwendungen wird auch nicht durch die für Pensionsrückstellungen gefundene Regelung beeinträchtigt.

Eine Versorgungsregelung i.S. von § 6a EStG kann in dem Versprechen der Zuwendungen nicht gesehen werden (vgl. Urteil in BFHE 139, 154, BStBl II 1983, 753). Die Zusage kann einer derartigen Regelung auch nicht gleichgestellt werden, obwohl Ähnlichkeiten insoweit bestehen, als die Gewährung der Zuwendung vom Erleben des Stichtags durch den Arbeitnehmer und von der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses abhängig ist. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, auch hinsichtlich der Jubiläumszuwendungen bestehe handelsrechtlich nur ein Passivierungswahlrecht und es sei eine Passivierung in der Steuerbilanz deshalb nach dem Grundsatz der BFH-Entscheidung vom 3.Februar 1969 GrS 2/68 (BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291) ausgeschlossen, zumal auch die Voraussetzungen des § 6a EStG nicht vorlägen.

Entgegen dem handelsrechtlichen Grundsatz, daß eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zwingend gebildet werden muß, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen, ist hinsichtlich von Pensionsrückstellungen ein Wahlrecht angenommen worden. Dieses Wahlrecht ist durch Art.28 Abs.1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch (EG HGB) i.d.F. des Bilanzrichtlinien-Gesetzes vom 19.Dezember 1985 (BGBl I, 2355, 2432) hinsichtlich der sog. Altzusagen legalisiert worden. Es hatte zuvor im Wortlaut des AktG 1965 keinen Niederschlag gefunden, sollte aber insbesondere aus sozialpolitischen Gründen gewährt werden, damit sich die Unternehmen nicht durch eine Passivierungspflicht von der Gewährung einer Altersversorgung abhalten ließen (vgl. die Nachweise bei Kropff in Geßler/Hefermehl/Eckart/Kropff, Kommentar zum Aktiengesetz, § 152 Rdnr.66). Ob sich aus diesen Absichten eine Einschränkung der Gesetzesgeltung ergeben konnte und die Erwägungen des Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27.Februar 1961 II ZR 292/59 (BGHZ 34, 324) zur wahlweisen Bildung einer Pensionsrückstellung auch für das AktG 1965 Bedeutung haben, brauchte der Senat jedoch nicht zu entscheiden. Denn die seinerzeit für Pensionsrückstellungen angenommene Einschränkung des Passivierungszwangs kann jedenfalls nicht auf andere Arten von Rückstellungen ausgedehnt werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Regelung des Bilanzrichtlinien-Gesetzes. In Art.28 Abs.1 Satz 2 EG HGB n.F. ist zwar vorgesehen, daß für eine Verbindlichkeit, die einer Pensionsverpflichtung ähnlich ist, keine Rückstellung gebildet werden muß. Worum es sich dabei im einzelnen handelt, mag dahinstehen. Da sich Art.28 EG HGB seinem Inhalt nach nur auf Verbindlichkeiten aus der betrieblichen Altersversorgung bezieht, können Verpflichtungen aus Gratifikationszusagen dadurch nicht erfaßt werden.

3. Die Höhe der danach zu bildenden Rückstellung hängt vom Umfang der übernommenen Verpflichtung, der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme und der bis dahin vergehenden Zeit ab.

a) Der Umfang der Verpflichtung muß dem Inhalt der Gratifikationszusage entnommen werden. Bei ihrer Bewertung sind die Verhältnisse vom Bilanzstichtag zugrunde zu legen (BFH-Urteil vom 7.Oktober 1982 IV R 39/80, BFHE 137, 25, BStBl II 1983, 104). Es können daher bei gehaltsabhängigen Zuwendungen weder erwartete Gehaltssteigerungen noch bei Sachzuwendungen erwartete Preissteigerungen berücksichtigt werden. Soll, wie im Streitfall hinsichtlich einzelner Jubiläumszuwendungen vorgesehen, der Arbeitgeber zusätzlich die Lohnsteuerbelastung des Arbeitnehmers tragen, ist der Steuertarif vom Bilanzstichtag maßgebend. Die Zusage darf darüber hinaus nicht von der späteren Ertrags- und Liquiditätslage des Unternehmens abhängig gemacht werden (vgl. BFH-Urteil vom 18.Juni 1980 I R 72/76, BFHE 131, 303, BStBl II 1980, 741); dies ist im Streitfall auch nicht geschehen.

b) Da die Gewährung der Zuwendung von der weiteren Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers abhängt, wird sie nicht von allen Zusageempfängern in Anspruch genommen werden können. Dem ist wie in vergleichbaren Fällen von Gratifikationszusagen durch einen Fluktuationsabschlag Rechnung zu tragen (vgl. Urteil in BFHE 139, 154, BStBl II 1983, 753). Wegen des Lebens- und Invaliditätsrisikos kann ggf. auf Versicherungswerte zurückgegriffen werden (vgl. insoweit Bode/Grabner, DB 1981, 1947). Im Streitfall besteht über die Höhe dieses Abschlags zwischen den Beteiligten Einigkeit; er ist vom FG als angemessen angesehen worden.

c) Die danach vom Arbeitgeber wahrscheinlich zu erbringende Leistung ist entsprechend dem Verursachungsprinzip auf die bis zum Jubiläum vergehende Dienstzeit des Arbeitnehmers zu verteilen. Bei Einführung oder Erhöhung der Zusage ist, wie sich aus der Entscheidung in BFHE 139, 154, BStBl II 1983, 753 ergibt, eine bereits zurückgelegte Dienstzeit des Anspruchsberechtigten zu berücksichtigen.

Die Rückstellung muß darüber hinaus auf den Zeitpunkt der Inanspruchnahme abgezinst werden. Zu diesem Erfordernis hat der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 139, 154, BStBl II 1983, 753 eingehend Stellung genommen; auf diese Ausführungen wird verwiesen. Die Beteiligten wollen einverständlich einen Zinssatz von 8 v.H. anwenden, von dem auch das FG ausgegangen ist. Der Senat braucht deshalb zu dieser Frage nicht Stellung zu nehmen.

d) Der Klägerin kann nicht verwehrt werden, in der Rückstellung zum 31.Dezember 1973 mit steuerlicher Wirkung auch diejenigen Beträge zu berücksichtigen, die schon in den Vorjahren hätten zurückgestellt werden sollen. Die Nachholung widerspricht nicht den Geboten von Treu und Glauben, weil das FA den Abzug in der Vergangenheit verwehrt hat; eine Berichtigung der Gewinnfeststellung für diese Jahre erscheint nicht mehr möglich.

4. Wegen der Abweichung vom Urteil des I.Senats in BFHE 71, 264, BStBl III 1960, 347 braucht der erkennende Senat nicht den Großen Senat anzurufen, weil diese Entscheidung nicht gemäß § 64 der Reichsabgabenordnung veröffentlicht war (§ 184 Abs.2 Nr.5 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Auf Anfrage hat der I.Senat keine Einwendungen gegen die Bildung einer Rückstellung erhoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61568

BStBl II 1987, 845

BFHE 149, 55

BFHE 1987, 55

BB 1987, 731

BB 1987, 731-732 (ST)

DB 1987, 867-869 (ST)

DStR 1987, 265-266 (ST)

HFR 1987, 237-239 (ST)

WPg 1988, 106-107

Information StW 1987, 256-256 (ST)

NJW 1988, 991

DStZ/E 1987, 134-135 (ST)

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