Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgestimmtes Verhalten auf Veräußererseite für bebautes Grundstück als Leistungsgegenstand ausreichend

 

Leitsatz (NV)

1. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist das bebaute Grundstück, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände ein dem Erwerber objektiv erkennbares abgestimmtes Verhalten auf der Veräußererseite festgestellt werden kann, das darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen.

2. Nicht erforderlich sind vertragliche Abreden zwischen den auf der Veräußererseite stehenden Personen, die speziell darauf gerichtet sind, dem Erwerber ein bestimmtes Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Insbesondere ist es nicht notwendig, daß sich die Veräußererseite zusammengetan hat, um zusammen eine einheitliche Leistung zu erbringen. Ausreichend ist, daß die auf der Veräußererseite auftretenden Personen aufgrund einer vertraglichen Abrede (z. B. Maklerauftrag) bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß beider Verträge abzielen.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben am 6. Dezember 1984 in Y das Grundstück X-Straße 5 zu einem Kaufpreis von insgesamt 252 315,29 DM einschließlich übernommener Teilungskosten. Veräußerer war der Architekt A. Er war sog. Vertragsarchitekt der B-GmbH, mit der er bereits längere Zeit zusammengearbeitet hatte. Bereits am 16. Oktober 1984 hatten die Kläger von der B-GmbH ein Einfamilienhaus für 263 083 DM gekauft. Als Bauplatzanschrift war das o. g. Grundstück angegeben. Am 19. Oktober 1984 hatten die Kläger die C-GmbH mit der Baubetreuung gegen ein Entgelt von 10 260 DM beauftragt. Am 7. November 1984 hatten die Kläger mit dem Grundstücksveräußerer einen Architektenvertrag hinsichtlich des Neubaus auf dem genannten Grundstück für ein Honorar von 6 840 DM abgeschlossen. Am selben Tag hatten sie aufgrund des vom Veräußerer, dem Architekten A, erstellten Bauplans Antrag auf Baugenehmigung gestellt. Am 24. Februar 1985 schlossen die Kläger mit der I-GmbH einen Vertrag über den Kellerausbau zu einem Preis von 65 559 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) beurteilte die Gesamtheit der mit den Klägern abgeschlossenen Verträge als einheitliches Vertragswerk, dessen Gegenstand das mit einem Fertighaus bebaute Grundstück sei. Er setzte gegen jeden der Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 5 980 DM fest, wobei er der Bemessungsgrundlage die Kaufpreise für Grundstück, Gebäude und Keller sowie das Baubetreuungs- und das Architektenhonorar zugrunde legte. Nach erfolglosem Einspruch setzte das Finanzgericht (FG) auf die Klage der Kläger die Grunderwerbsteuer auf je 2 523 DM herab. Es befand, daß Gegenstand des Erwerbsvorgangs i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 nur das unbebaute Grundstück sei und dementsprechend als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nur der Kaufpreis für das Grundstück zugrunde zu legen sei.

Auf die Revision des FA hob der erkennende Senat die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Die Entscheidung ist in BFH/NV 1992, 767 veröffentlicht.

Im zweiten Rechtsgang hat das FG den Architekten A als Zeugen und den Kläger zu 2. als Beteiligten vernommen. Es ist wiederum zu dem Ergebnis gekommen, daß der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nur der Kaufpreis für das Grundstück zugrunde zu legen und deshalb die Grunderwerbsteuer auf jeweils 2 523 DM herabzusetzen sei.

Hiergegen wendet sich die Revision des FA, mit der es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage der Kläger mit der Maßgabe abzuweisen, daß die Kosten für den Kellerausbau aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden sind.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA wird die Vorentscheidung aufgehoben; die Grunderwerbsteuer wird unter Abänderung der Grunderwerbsteuerbescheide vom 2. Juni 1986 auf jeweils 5 222 DM herabgesetzt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Das FG hat gegen § 126 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen. Nach der genannten Vorschrift hat das FG im zweiten Rechtsgang seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs (BFH) in der zurückverweisenden Entscheidung zugrunde zu legen; dies hat das FG nicht beachtet.

Das FG hat es im zweiten Rechtsgang als entscheidend angesehen, ob die Kläger im Zeitpunkt des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich des Ob und Wie der Bebauung gebunden waren und ob dies auf einer entsprechenden Abrede über eine Zusammenarbeit und einem abgestimmten Verhalten der anderen Vertragspartner beruhte. Zwar habe -- abgesehen vom Auftrag über den Kellerausbau -- eine Bindung der Kläger hinsichtlich des Ob und Wie der Bebauung bestanden. Über diese Bindung hinaus sei aber dann, wenn mehrere Personen auf der Veräußererseite auftreten, notwendig, daß diese aufgrund einer vertraglichen Abrede durch abgestimmtes Verhalten auf den Absatz des konkreten Grundstücks in bebautem Zustand hinwirken; dies könne im Streitfall mit der erforderlichen Sicherheit nicht festgestellt werden.

In dem zurückverweisenden Urteil hatte der erkennende Senat ausgeführt, der für den Umfang der grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage maßgebliche Gegenstand des Erwerbsvorgangs werde nicht nur durch das den Übereignungsanspruch begründende Rechtsgeschäft selbst, sondern gegebenenfalls auch durch mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv sachlichem Zusammenhang stehende Vereinbarungen bestimmt, die insgesamt zu dem Erfolg führen, daß der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält. Stünden, wie im Streitfall, dem Erwerber mehrere Vertragspartner gegenüber, so hänge die Beurteilung, ob Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück sei, davon ab, ob unter Berücksichtigung der Umstände der Vertragsanbahnung, der Vertragsverhandlungen, der Zeit, des Ortes und der Begleitumstände ein dem Erwerber objektiv erkennbares abgestimmtes Verhalten auf der Veräußererseite festgestellt werden könne, das darauf gerichtet sei, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen.

Dem FG war danach aufgegeben festzustellen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände ein objektiv erkennbares abgestimmtes Verhalten auf der Veräußererseite vorgelegen hatte, nicht aber, ob vertragliche Abreden zwischen den auf der Veräußererseite stehenden Personen vorlagen, die speziell darauf gerichtet waren, den Klägern das bestimmte Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen; dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats. Auch dem vom FG zitierten Urteil vom 14. März 1990 II R 169/87 (BFH/NV 1991, 263) kann man das Erfordernis einer auf die Verschaffung des Grundstücks als einheitlichen Leistungsgegenstand gerichteten vertraglichen Abrede nicht entnehmen. Ausdrücklich heißt es dort, daß es nicht notwendig sei, daß sich die Vertragspartner zusammengetan haben, um zusammen eine einheitliche Leistung zu erbringen. Ausreichend sei viel weniger, so z. B. daß die auf der Veräußererseite auftretenden Personen aufgrund einer vertraglichen Abrede (z. B. Maklerauftrag) bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß beider Verträge abzielen.

2. Die Sache ist spruchreif.

a) Entgegen der Auffassung des FG ist Gegenstand des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgangs das mit dem Fertighaus bebaute Grundstück. Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Ausführungen des FG bestand im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags die nach der in der zurückverweisenden Entscheidung im ersten Rechtszug angeführten Rechtsprechung des Senats notwendige (faktische) Bindung der Kläger an das Ob und Wie der Bebauung. Nach dem vom FG im zweiten Rechtsgang festgestellten Sachverhalt, wie er sich nach dem Tat bestand des Urteils, den Entscheidungsgründen und der Niederschrift über die Vernehmung des Architekten A als Zeugen und des Klägers als Beteiligten ergibt, bestand auch das für das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Lieferungs- und Errichtungsvertrag über das Fertighaus erforderliche und ausreichende abgestimmte Verhalten auf der Veräußererseite, das darauf gerichtet war, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen.

Bereits die Umstände der Vertragsan bahnung, die der Kläger vor dem FG geschildert hat, ergeben ein den Erwerbern erkennbares Zusammenwirken der GmbH als Verkäuferin des Fertighauses und des Architekten A als Verkäufer des Grundstücks, das letztlich dazu geführt hat, daß die Kläger als einheitlichen Leistungsgegenstand das mit einem bestimmten Gebäude bebaute Grundstück erhalten sollten und auch erhielten. Nach der Aussage des Klägers hat er von dem später von dem Architekten A erworbenen Grundstück von Bekannten erfahren, die gute Erfahrungen mit der B- GmbH gemacht gehabt hatten. Daraufhin sei er zur B-GmbH gegangen. Diese habe ihm mehrere Grundstücke genannt; sie (die Kläger) hätten sich dann für das schließlich erworbene Grundstück entschieden, weil es für ihre Zwecke besonders geeignet gewesen sei. Ergibt sich hieraus und aus der Nennung des Grundstücks im Hauskaufvertrag als Bauplatzanschrift bereits eine enge Verbindung zwischen dem Erwerb des Fertighauses und dem des Grundstücks, so folgt aus den weiteren Umständen, daß es sich dabei nicht nur um ein bloß tatsächliches Zusammentreffen von Grundstück und Gebäude gehandelt hat, sondern daß dem Erwerb des mit dem bestimmten Fertighaus bebauten Grundstücks ein abgestimmtes Verhalten zwischen Haus- und Grundstücksverkäufer zugrunde gelegen hat. Nach der Aussage des Klägers wandte er sich, um an das ihm als Baugrundstück bekanntgewordene Grundstück heranzukommen, an die GmbH, nicht an den Verkäufer des Grundstücks. In den mit der GmbH geführten Verkaufsverhandlungen entschieden sich der Kläger und seine Frau für das bestimmte Grundstück. Dies läßt nur den Schluß zu, daß die GmbH mit dem Verkäufer des Grundstücks so eng zusammengearbeitet hat, daß es ihr möglich war, bereits im Kauf- und Errichtungsvertrag über das Fertighaus das gewünschte Grundstück als Bauplatz zu nennen. Daß die Kläger, wie sich aus der Aussage des Klägers ergibt, eine Reihe von Grundstücken zur Auswahl hatten, spricht nicht gegen ein abgestimmtes Verhalten zwischen der B-GmbH und dem Architekten A, sondern zeigt, daß die B-GmbH mit dem Architekten A und möglicherweise anderen Grundstücksverkäufern bei der Veräußerung zusammengearbeitet hat. Das Zusammenwirken zwischen der GmbH und dem Architekten A hinsichtlich des Verkaufs des mit dem Fertighaus bebauten Grundstücks folgt im übrigen auch daraus, daß der Architekt A bereits vor dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags als sog. Vertragsarchitekt der B- GmbH für das zu errichtende Gebäude einen auf die besonderen Verhältnisse des von ihm später verkauften Grundstücks abgestimmten Grundriß entworfen hatte, weil, wie der Architekt A als Zeuge vor dem FG ausgesagt hat, für dieses Grundstück kein Typengrundriß verwendet werden konnte.

b) Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ergibt sich danach aus den Aufwendungen der Kläger für das Grundstück und für das darauf errichtete Fertighaus, einschließlich der Aufwendungen für die Architektentätigkeit des Architekten A. Nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, entsprechend dem insofern eingeschränkten Revisionsantrag des FA, die Aufwendungen für den Kellerausbau. Dies gilt auch für die Aufwendungen für die Baubetreuung. Die Feststellungen des FG, die mit Sachverhaltsrügen nicht angegriffen worden sind, ergeben keine Anhaltspunkte für ein abgestimmtes Verhalten zwischen dem Baubetreuer einerseits und der B-GmbH bzw. dem Architekten A andererseits.

Die Grunderwerbsteuer berechnet sich danach wie folgt:

Kaufpreis für das Grundstück 252 315 DM

Kaufpreis für das Gebäude 263 083 DM

Architektenhonorar 6 840 DM

522 238 DM

davon je 1/2 261 119 DM

hiervon 2 v. H.

Grunderwerbsteuer 5 222 DM.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421762

BFH/NV 1997, 260

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