Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuwendung einer Reise durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer: Bei der Bewertung keine Saldierung mit erbrachten Dienstleistungen, eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers - Gewährung von Freizeit über gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch hinaus

 

Leitsatz (amtlich)

Wendet der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Reisen (Flug, Verpflegung, Unterkunft) zu, die dem Grunde nach als Arbeitslohn und nicht als Dienstreisen zu beurteilen sind, so wirken sich bei der Bewertung des Vorteils die vom Arbeitnehmer anläßlich der Vorteilsgewährung tatsächlich erbrachten Dienstleistungen, z.B. die Betreuung der übrigen Reiseteilnehmer, nicht wertmindernd aus.

 

Orientierungssatz

1. Wendet der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine Reise zu, so spricht gegen ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Teilnahme seines Arbeitnehmers an der vom ihm verkauften oder vermittelten Reise, wenn die Anwesenheit des Angestellten aus organisatorischen Gründen für die Durchführung der Reise nicht erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 30.4.1993 VI R 94/90).

2. Gewährt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer über den gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch hinaus Freizeit, so ändert dies die Höhe des insgesamt zugewendeten steuerpflichtigen Arbeitslohns in Form von Geld oder von Sachwerten nicht.

 

Normenkette

EStG § 8 Abs. 2, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 30.09.1993; Aktenzeichen 3 K 1441/89 L)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in der Form einer eingetragenen Genossenschaft eine Bank. In den Jahren 1983 bis 1986 verkaufte sie auch Urlaubsreisen an ihre Mitglieder. Der Reiseveranstalter stellte der Klägerin je Reise einen Freiplatz zur Verfügung, der jeweils von einem Angestellten der Klägerin in Anspruch genommen wurde. Der Freiplatz umfaßte Flug, Unterkunft und Verpflegung für eine Person. Die Reisetage wurden nicht auf den Urlaub der Angestellten angerechnet. Die Ehepartner fuhren --bis auf eine Ausnahme-- nicht mit.

Die Reisen führten nach Südfrankreich/Monaco, Malta, Sizilien sowie Kreta.

Die Aufgaben der Reiseleitung nahmen vor Ort einerseits die örtlichen Reiseleiter und andererseits der die Reise begleitende Angestellte der Klägerin wahr. Der Angestellte nahm außerdem in der Regel an einem Vor- und einem Nachbereitungsabend in Deutschland teil, an dem er als Vertreter der Klägerin diese repräsentierte.

Die Angestellten nahmen aufgrund einer mündlichen Anordnung des Vorstands der Klägerin teil. Der Vorstand wählte dabei aus zwischen dem Leiter Marketing und Vertrieb, den Centerleitern und den Leitern großer Geschäftsstellen.

Bei einer im Jahre 1986 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Teilnahme an den Reisen stelle einen geldwerten Vorteil dar, der als Arbeitslohn steuerpflichtig sei. Den Wert der Reisen setzte er mit den in den Prospekten ausgewiesenen Reisepreisen an. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ einen entsprechenden, auf § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestützten Haftungsbescheid.

Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, den Angestellten sei durch die Teilnahme an den Reisen dem Grunde nach Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs.1 Nr.1 EStG zugeflossen. Der geldwerte Vorteil dieser Reisen sei jedoch nicht mit dem üblichen Reisepreis anzusetzen. Wegen der mit der Teilnahme an den Reisen verbundenen Betreuungsaufgaben von beachtlichem Umfang sei eine pauschale Bewertung einer jeden Reise mit der Hälfte des üblichen Reisepreises angemessen. Das Urteil ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 355 veröffentlicht.

Das FA macht mit der Revision geltend, die Bewertung des geldwerten Vorteils durch das FG sei unschlüssig. Denn das FG habe festgestellt, daß eine qualifizierte Aufgabenwahrnehmung durch die Angestellten der Klägerin während der Reise weder erwartet worden noch erforderlich gewesen sei. Die Reise sei eine Sachzuwendung, die gemäß § 8 Abs.2 Satz 1 EStG mit dem üblichen Endpreis am Abgabeort zu bewerten sei. Für einen pauschalen Abschlag von diesem Wert sei kein Raum.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Sie hat ihren Antrag, die Vorentscheidung aufzuheben und festzustellen, daß kein steuerpflichtiger Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs.1 Satz 1 Nr.1 EStG vorliegt, hilfsweise, die Bemessungsgrundlage mit 0 DM anzusetzen, zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Die Vorentscheidung ist frei von Rechtsfehlern, soweit das FG in der Zuwendung der jeweiligen Reise dem Grunde nach Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs.1 Nr.1 EStG gesehen und keine Dienstreise angenommen hat. Sie ist rechtsfehlerhaft, soweit das FG bei der Bewertung der Höhe des geldwerten Vorteils jeweils einen um 50 v.H. niedrigeren Betrag als die in den Prospekten ausgewiesenen Preise der Reisen angesetzt hat. Denn der Wert der den Arbeitnehmern mit den Reisen zugewendeten Vorteile entspricht den in den Prospekten angegebenen Preisen der Reisen.

1. Die Vorinstanz hat ohne Rechtsverstoß ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin an der Teilnahme ihrer Arbeitnehmer an den verschiedenen Reisen abgelehnt. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen seine Wertung, die Überlassung des jeweiligen Freiplatzes, der der Klägerin von dem Reiseveranstalter zur Verfügung gestellt worden ist, habe bei den Arbeitnehmern dem Grunde nach zu einem Zufluß von Arbeitslohn (§ 19 Abs.1 Nr.1 EStG) geführt und die Arbeitnehmer hätten keine Dienstreisen durchgeführt. Denn das FG hat festgestellt, die Angestellten wären gar nicht in der Lage gewesen, qualifizierte Aufgaben eines ausgebildeten Reiseleiters wahrzunehmen, und dies sei bei den vollständig vorher geplanten Reisen und bei der ständigen Anwesenheit hauptberuflicher Reisebegleiter auch nicht erforderlich gewesen. War die Anwesenheit der Angestellten der Klägerin somit aus organisatorischen Gründen für die Durchführung der von der Klägerin verkauften oder vermittelten Reisen überhaupt nicht erforderlich, so spricht dies gegen ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin an der Teilnahme ihrer Angestellten an diesen Reisen (vgl. dazu auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. April 1993 VI R 94/90, BFHE 171, 242, BStBl II 1993, 674, 676).

Der Vortrag der Klägerin im Revisionsverfahren, die Angestellten der Klägerin hätten einen ansonsten notwendigen Arbeitnehmer des Reisebüros ersetzt, entspricht nicht den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Das FG hat zwar bei der Bewertung des Vorteils den von den Arbeitnehmern erbrachten Betreuungsleistungen eine wertmindernde Bedeutung beigemessen. Es hat jedoch nicht festgestellt und seine getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen auch nicht die Schlußfolgerung, daß ohne diese Betreuungsleistungen ein weiterer Betreuer des Reisebüros hätte teilnehmen müssen. Da die Klägerin insoweit auch keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben hat, kann dieses Vorbringen im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Soweit die Angestellten der Klägerin die ihnen überlassenen Freiplätze auf den Reisen zu Werbezwecken haben nutzen sollen, hat dies ebenfalls kein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin an der Teilnahme ihrer Arbeitnehmer an diesen Reisen begründen können. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sind die Reisen an Personen verkauft worden, die bereits Mitglieder der Klägerin waren, also mit ihr bereits in Geschäftsbeziehungen gestanden haben. Es ist nicht ersichtlich, wie unter diesen Umständen die werbende Tätigkeit noch einen Umfang und eine Qualität hätten annehmen können, daß dadurch die Annahme eines geldwerten Vorteils für die Angestellten der Klägerin in Form der Reise verloren gegangen wäre.

2. Die Vorinstanz hat bei der Ermittlung der Höhe der Einnahmen der Angestellten durch die Überlassung der jeweiligen Freiplätze gemäß § 8, § 19 Abs.1 Nr.1 EStG jedoch zu Unrecht nicht den üblichen Reisepreis, sondern nur die Hälfte des üblichen Reisepreises angesetzt.

Gemäß § 8 Abs.2 EStG in der für die Streitjahre 1983 bis 1986 gültigen Fassung sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen. Da das FG nicht festgestellt und die Klägerin auch nicht behauptet hat, daß andere Veranstalter vergleichbare Reisen (Flug, Unterkunft und Verpflegung) entweder erheblich teurer oder aber preiswerter angeboten haben, entspricht der Wert des jeweiligen Freiplatzes für die Reise den jeweils in den Prospekten ausgewiesenen Preisen.

Auf diesen Wert in Form des üblichen Mittelpreises des Verbrauchsorts hat sich entgegen der Ansicht des FG nicht wertsteigernd ausgewirkt, daß bei den einzelnen Angestellten die Reisetage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet worden sind. Soweit ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer über den gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch hinaus Freizeit gewährt, ändert dies die Höhe des insgesamt zugewendeten steuerpflichtigen Arbeitslohns in Form von Geld oder von Sachwerten (z.B. Flug, Unterkunft und Verpflegung) nicht. Dadurch würde sich im Falle einer Umrechnung der tatsächlichen Geld- und Sachzuwendungen in einen Stundenlohn lediglich eine bessere Bezahlung pro Stunde ergeben. Die Gesamthöhe des zugeflossenen Arbeitslohnes wird dadurch nicht beeinflußt.

Umgekehrt ist der nach § 8 Abs.2 EStG ermittelte Wert der Reisen in Form von Flug, Unterkunft und Verpflegung nicht deshalb zu mindern, weil die Angestellten während der Reisen solche Betreuungsleistungen zu übernehmen hatten oder auch nur tatsächlich übernommen haben, die nach ihrer Art und ihrem Umfang nicht geeignet gewesen sind, die Reise als Dienstreise zu qualifizieren. Ebenso, wie bei einer Lohnzuwendung in Form von Geld der steuerpflichtige Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs.1 Nr.1 EStG nicht um den Wert der dafür erbrachten Dienstleistung zu mindern ist, ist bei einer Lohnzuwendung in Form von Sachzuwendungen, wie z.B. Unterkunft und Verpflegung, von dem üblichen Mittelpreis des Verbrauchsorts nicht der Wert der anläßlich der Vorteilsgewährung tatsächlich erbrachten oder geschuldeten Dienstleistungen der Arbeitnehmer abzuziehen. Entweder besteht ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers an der Zuwendung einer Sachleistung an seine Arbeitnehmer mit der Folge, daß ungeachtet der damit verbundenen Vorteile für die Arbeitnehmer Arbeitslohn bereits dem Grunde nach nicht zufließt, oder aber die Sachleistung hat einen belohnenden Charakter und stellt deshalb Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs.1 Nr.1 EStG dar. Liegt dem Grunde nach Arbeitslohn, d.h. ein "für" die Beschäftigung gewährter Vorteil, vor, so kann bei der Ermittlung des Wertes des Vorteils keine Saldierung mit dem Wert einer eventuell mit der Vorteilsgewährung im Zusammenhang stehenden Arbeitsleistung vorgenommen werden. Lediglich eventuelle Zuzahlungen der Arbeitnehmer in Form von Geld hätten die Höhe des als Arbeitslohn anzusetzenden geldwerten Vorteils mindern können.

3. Da die Vorentscheidung insoweit von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist sie aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die Sache ist spruchreif. Der Wert der Reisen ist --wie vom FA angenommen-- mit den in den Prospekten ausgewiesenen Preisen anzusetzen. Die Klage ist daher abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65369

BFH/NV 1995, 2

BStBl II 1994, 954

BFHE 175, 280

BFHE 1995, 280

BB 1995, 29

BB 1995, 29-30 (LT)

DB 1994, 2479-2481 (LT)

DStR 1994, 1771-1772 (KT)

HFR 1995, 29-30 (LT)

StE 1994, 680-681 (K)

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