Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebäude-AfA

 

Leitsatz (NV)

Eine einheitliche Abschreibung der Herstellungskosten von Gebäuden, die ursprünglich in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang gestanden haben, kommt dann nicht in Betracht, wenn ein Teil der Gebäude einem deutlich kürzeren wirtschaftlichen Verbrauch als die übrigen Gebäude unterliegt.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 4 S. 2; EStDV § 11c Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 28.09.2006; Aktenzeichen 15 K 379/03)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger vermietete im Jahr 1993 der Firma A für monatlich 76 050 DM --noch zu errichtende-- Hallen zum Betrieb einer Paketverteilungsanlage. Das Mietverhältnis sollte im Herbst 1993 beginnen und 15 Jahre nach dem Einzugstermin (Oktober 1993) enden. Der Mieter kündigte den Vertrag zum 30. September 2008.

Bei dem in Leichtbauweise errichteten Objekt (Herstellungskosten 3 041 000 DM) handelt es sich um eine Andienungshalle (950 qm), zwei Verteilungshallen (2 710 qm), Büro- und Sozialräume (350 qm), die baulich miteinander verbunden sind, und um Fahr-, Park- und Rangierflächen (9 645 qm).

Die für die Finanzierung der Herstellungskosten aufgenommenen Darlehen sind 2011 zurückzuzahlen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ging zunächst erklärungsgemäß von einer 15-jährigen Nutzungsdauer aus. Die Einkommensteuerbescheide sowie der Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Bei einer späteren Überprüfung wich das FA von seiner Auffassung ab und erließ am 6. Dezember 2000 für die Jahre 1992 bis 1994 geänderte Einkommensteuerbescheide sowie einen geänderten Verlustfeststellungsbescheid auf den 31. Dezember 1994, in denen es eine Nutzungsdauer von 40 Jahren zugrunde legte.

Im Einspruchsverfahren führte ein Bausachverständiger u.a. aus, es könne nicht abschließend beurteilt werden, ob eine Nutzungsdauer von 15 Jahren oder von 25 Jahren angemessen sei.

Nach weiteren Abstimmungen mit dem Bausachverständigen und dem Bausachverständigen der Oberfinanzdirektion hielt diese eine 25-jährige wirtschaftliche Nutzungsdauer für am wahrscheinlichsten. Dies übernahm das FA und änderte mit der Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2002 die Einkommensteuerbescheide 1992, 1993 und den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 1994 entsprechend. Im Übrigen wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung verwies das FA auf eine fortbestehende anderweitige Nutzungsmöglichkeit auch nach Ablauf des Mietvertrags.

Ihre gegen die geänderten Bescheide erhobene Klage haben die Kläger darauf gestützt, dass das Objekt nach Ablauf des 15-jährigen Mietvertrages mit dem Mieter A keiner weiteren wirtschaftlich sinnvollen Verwendung zugeführt werden könne und abgerissen werden müsse.

Der vom Finanzgericht (FG) eingesetzte Sachverständige schätzte zum Zeitpunkt der Begutachtung (Januar 2006) unter Zugrundelegen eines neuen Nutzungskonzepts ohne Einbeziehung der --nach Ablauf des Mietvertrags mit dem Mieter wirtschaftlich abgenutzten-- Verteilungshallen die technische Restnutzungsdauer der Gesamtanlage auf 22 Jahre und ihre wirtschaftliche Restnutzungsdauer auf 15 Jahre. Der Sachverständige bildete ausgehend von einer Einzelbeurteilung der den Gesamtkomplex ausmachenden Gebäude eine einheitliche Nutzungsdauer für die gesamte Anlage, wobei er den Abriss der Verteilungshallen nach Nutzungsaufgabe im Rahmen der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer der gesamten Gewerbeimmobilie als Minderungsposten berücksichtigte.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Das FA sei zu Recht von einem Abschreibungszeitraum von 25 Jahren für die in einem engen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehenden Baulichkeiten ausgegangen.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 7 Abs. 4 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--, § 11c Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung --EStDV--).

Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des FG und der Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2002 die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 sowie die Feststellung des Verlustabzugs zum 31. Dezember 1994 vom 6. Dezember 2000 dahingehend abzuändern, dass die Absetzung für Abnutzung (AfA) für die vom Kläger errichtete Paketverteilungsanlage nach Maßgabe eines Zeitraums von 15 Jahren angesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer der streitbefangenen Paketverteilungsanlage § 11c Abs. 1 EStDV rechtsfehlerhaft angewandt.

1. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG können anstelle der Absetzungen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden AfA vorgenommen werden. Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist gemäß § 11c Abs. 1 EStDV der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. November 1997 X R 78/94, BFHE 184, 522, BStBl II 1998, 59; vom 18. September 2003 X R 54/01, BFH/NV 2004, 474, m.w.N.).

Eine mit wirtschaftlicher Abnutzung begründete kürzere Nutzungsdauer kann den AfA nur zugrunde gelegt werden, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist. Ein wirtschaftlicher Verbrauch ist nur anzunehmen, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen (anderweitigen) Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist (BFH-Urteil in BFHE 184, 522, BStBl II 1998, 59, unter II. 4.; vgl. auch Urteil vom 15. Februar 1989 X R 97/87, BFHE 156, 423, BStBl II 1989, 604).

Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Die hierzu notwendige Beurteilung obliegt dem FG als Tatsacheninstanz (z.B. BFH-Urteil vom 31. Oktober 1978 VIII R 146/75, BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507, unter 2.).

2. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Maßstäben.

Das FG beurteilt die streitbefangene Gesamtanlage in Übereinstimmung mit den Klägern als ein einheitliches Wirtschaftsgut, geht aber entsprechend dem eingeholten Sachverständigengutachten auch nach wirtschaftlichem Verbrauch der Verteilungshallen (Ablauf des Mietvertrags von 15 Jahren) als wesentlichem Teil dieses Wirtschaftsguts von einer einheitlichen Gesamtnutzungsdauer aus. Damit trägt das FG nicht dem Umstand Rechnung, dass mit dem wirtschaftlichen Verbrauch der Verteilungshallen der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang der ursprünglich die Gesamtanlage bildenden Gebäudeteile entfällt, diese also in mehrere Wirtschaftsgüter zerfällt. Unzutreffend legt das FG die gesamten Herstellungskosten der Gesamtanlage einer einheitlichen Abschreibung zu Grunde.

3. Das angefochtene Urteil ist mithin aus Rechtsgründen aufzuheben. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.

Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu berücksichtigen haben, dass nach dem eingeholten Sachverständigengutachten mit Ablauf des Mietvertrags von 15 Jahren aufgrund des wirtschaftlichen Verbrauchs der Verteilungshallen nicht mehr vom Fortbestand der ursprünglichen Gesamtanlage als einheitlichem Wirtschaftsgut auszugehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2002812

BFH/NV 2008, 1310

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