Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung können Fahrt- und Verpflegungskosten Geldbeschaffungskosten und damit Werbungskosten sein.

 

Normenkette

EStG § 9/1, § 21

 

Tatbestand

Die steuerpflichtigen Ehegatten (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) haben ein Einfamilienhaus errichtet und im Jahre 1963 bezogen. Um eine Finanzierungslücke von 27.500 DM zu schließen, hatten sie zunächst versucht, eine der Mutter des Ehemannes gehörendes Grundstück zu verkaufen. Als dieser Versuch fehlschlug, beschafften sie das Geld dadurch, daß das Grundstück der Mutter, das außerhalb der Wohngemeinde der Stpfl. liegt, dinglich belastet wurde.

Bei ihrer Einkommensteuerveranlagung 1962 machten die Stpfl. die ihnen bei den Verkaufsverhandlungen und der Grundstücksbelastung entstandenen Fahrt- und Verpflegungskosten von 244 DM und 256,50 DM als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt (FA) erkannte davon nur 77,50 DM an, nämlich soweit die Kosten durch die Reise zu Besprechungen mit Handwerkern über Reparaturen an einem Wohnhaus der Ehefrau veranlaßt seien. Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Berufung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) erkannte die Fahrt- und Verpflegungskosten in vollem Umfang als Geldbeschaffungskosten im Sinne des Urteils des Senat VI 19/57 U vom 24. April 1959 (BStBl 1959 III S. 236, Slg. Bd. 68 S. 619) und damit als Werbungskosten an. Der Nutzungswert der eigenen Wohnung in einem Einfamilienhaus werde zwar, so führte das FG aus, durch die Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus (Einfamilienhaus-VO) vom 26. Januar 1937 (RGBl 1937 I S. 99) pauschal erfaßt; damit seien alle Werbungskosten grundsätzlich abgegolten. Die Einfamilienhaus-VO komme aber erst zur Anwendung, wenn das Einfamilienhaus bezugsfertig sei. Vor dieser Zeit gelte die allgemeine Bestimmung des § 9 EStG, wonach Aufwendungen zur Schaffung einer neuen Einkommensquelle Werbungskosten darstellten (Urteile des BFH IV 238/53 U vom 29. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 353, Slg. Bd. 58 S. 162; IV 622/53 U vom 25. November 1954, BStBl 1955 III S. 26, Slg. Bd. 60 S. 67). Gemäß / 9 Satz 1 EStG seien Werbungskosten die "Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen". Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift müsse ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer der sieben Einkunftsarten des EStG bestehen. Im Streitfall bestehe ein Zusammenhang der Reise- und Verpflegungskosten mit der Errichtung des Einfamilienhauses. Nachdem eine Finanzierungslücke aufgetreten sei, hätten durch die Reisen die benötigten Geldmittel herbeigeschafft werden sollen. Der aus der zunächst geplanten Veräußerung des Grundstücks der Mutter fließende Erlös habe ebenso zur Deckung der Finanzierungslücke dienen sollen wie später das aus der Belastung dieses Grundstücks anfallende Kapital. Die Stpfl. hätten glaubhaft vorgetragen, daß sie mit der Beschaffung von rd. 27.000 DM in Zeitnot geraten seien und daß sie durch eine Rücksprache mit den Maklern hätten feststellen müssen, ob in Kürze der Verkauf des Grundstücks zu einem annehmbaren Preis zu erwarten sei. Für die Behauptung der Stpfl. spreche die Lebenserfahrung, daß die Bestellung der Hypothek und damit die Aufnahme des Darlehns von 27.500 DM in einer angemessenen Zeit nur möglich gewesen sei, wenn die Stpfl. die Angelegenheit mit der damals 87 Jahre alten Mutter persönlich besprochen und die Mutter persönlich zum Notar gebracht hätten. Demgegenüber greife der Einwand des FA nicht durch, ein Erwerber des Gebäudes werde bei seinem Preisangebot zwar die angefallenen Finanzierungs- und Grundbuchkosten, nicht aber die streitigen Reisekosten berücksichtigen. Was ein Erwerber zu zahlen bereit sei, hänge von seinem Interesse an dem Haus ab. Wollte man nur die Grundbuchkosten, die Gebühren für die Prüfung der Beleihungsunterlagen, die Vermittlungsgebühren an Dritte und dergleichen als "übliche" Kosten zum Abzug zulassen, so führte dies zu einer Schlechterstellung der Stpfl., die auf einen Makler verzichteten und durch eigenen Bemühungen, zu denen auch Reisen gehören, sich den benötigten Kredit selbst beschafften. Der Einwand des FA, die Lage am Kapitalmarkt habe die strittigen Aufwendungen nicht erfordert, sei nicht schlüssig. Wenn das FA damit sagen wolle, daß es den Stpfl. möglich gewesen sei, sich den benötigten Kredit an ihrem Wohnort zu beschaffen, so übersehe es, daß die Stpfl. grundsätzlich frei entscheiden könnten, in welcher Höhe sie Aufwendungen machen wollten (BFH-Urteil VI 128/61 U vom 1. Dezember 1961, BStBl 1962 III S. 184, Slg. Bd. 74 S. 489).

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 9 EStG. Das FG so macht es geltend, habe verkannt, daß die mit den Verkaufsverhandlungen zusammenhängenden Kosten lediglich durch die Erwartung der Stpfl. entstanden seien, daß die Mutter ihnen ein Darlehen geben würde. Die Kosten seien auch keine Werbungskosten, soweit sie mit der späteren Belastung des Grundstücks in Beziehung stünden. Das FG fasse den Begriff Geldbeschaffungskosten zu weit.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet abzuweisen.

Die Stpfl. beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA kann einen Erfolg haben. Für den Abzug der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten kommt es darauf an, ob die Aufwendungen, wie § 9 EStG voraussetzt, mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zusammenhängen. Daß die Mieteinkünfte nach der Einfamilienhaus-VO zu ermitteln sind, schließt, wie das FG zutreffend darlegt, den Abzug von Aufwendungen nicht aus, die vor der Bezugsfertigkeit des Einfamilienhauses entstanden sind.

Daß die streitigen Fahrt- und Verpflegungskosten mit den späteren Einkünften der Stpfl. aus Vermietung und Verpachtung (Nutzung des Einfamilienhauses) zusammenhängen, hat das FG ohne Rechtsirrtum bejaht. Kosten, die einem Stpfl. bei Verhandlungen über den Verkauf eines zu seinem Privatvermögen gehörenden Grundstücks entstehen, hängen zwar nicht mit den aus diesem Grundstück fließenden Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zusammen, sondern fallen in den Vermögensbereich. Wie die Verkaufsgewinne für die Einkunftsermittlung außer Betracht bleiben, so dürfen umgekehrt auch die mit dem Verkauf zusammenhängenden Aufwendungen die Einkünfte nicht mindern. Der Sonderfall des Spekulationsgewinns (§ 23 EStG) kann hier außer Betracht bleiben.

Nach den Feststellungen des FG haben jedoch die streitigen Kosten auch insoweit der Geldbeschaffung gedient, als sie durch den Versuch, das Grundstück der Mutter zu verkaufen, entstanden sind. Hier handelt es sich um eine tatsächliche Würdigung des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, sofern nicht hinsichtlich der Feststellungen selbst "zulässige und begründete Revisionsgründe" vorgebracht sind. Das aber ist nicht der Fall. Das FA beanstandet vielmehr nur die rechtlichen Folgerungen, die das FG aus seinen tatsächlichen Feststellungen bezogen hat.

Daß Geldbeschaffungskosten im Zusammenhang mit dem Bau eines Mietwohnhauses Werbungskosten sind, hat der Senat in dem Urteil VI 19/57 U (a. a. O.) ausgesprochen (vgl. auch Urteil VI 159/59 U vom 1. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 347, Slg. Bd. 71 S. 261). Zu den Geldbeschaffungskosten gehören z. B. Maklerkosten und Schätzungsgebühren, die durch die Aufnahme eines Darlehens für den Bau des Hauses entstehen. Dann ist aber nicht einzusehen, warum die durch das Aufsuchen des Maklers oder Darlehnsgebers entstehenden Kosten nicht auch Werbungskosten sein sollten. Daß nicht alle Kosten für die Beschaffung von Geld zur Anlage von Kapital Werbungskosten sind, ist dem FA ohne weiteres zuzugeben. Entscheidend ist, ob im Einzelfall der Aufwand schon zur Zeit der Verausgabung mit ausreichend bestimmten Einkünften in Beziehung steht. Eine solche Beziehung kann auch zu bejahen sein, wenn Einkünfte erst in Zukunft anfallen (sog. vorweggenommene Werbungskosten). Ob man Fahrtkosten, die der Besichtigung eines anzuschaffenden Hauses dienen, als Werbungskosten anerkennen kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Fahrtkosten, die durch die Beschaffung eines Darlehens entstehen, kann man jedenfalls nicht anders behandeln als sonstige mit dem Baudarlehen zusammenhängende Aufwendungen. Besteht ein Zusammenhang mit bestimmten Einkünften, so muß man auch die Aufwendungen für einen fehlgeschlagenen Versuch der Darlehnsaufnahme als Werbungskosten anerkennen.

Das FG hat festgestellt, daß es den Stpfl. um die Beschaffung der für den Bau des Einfamilienhauses noch fehlenden 27.500 DM ging. Daraus konnte es ohne Rechtsverstoß folgern, daß die streitigen Ausgaben Geldbeschaffungskosten und damit Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG waren, die in ausreichend konkretisiertem Zusammenhang mit späteren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung standen (vgl. Urteile des Senats VI 112/63 U vom 17. April 1964, BStBl 1964 III S. 383, Slg. Bd. 79 S. 415; VI 114/63 U vom 3. August 1964, BStBl 1964 III S. 556, Slg. Bd. 80 S. 226).

 

Fundstellen

Haufe-Index 412037

BStBl III 1966, 451

BFHE 1966, 417

BFHE 85, 417

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