Entscheidungsstichwort (Thema)

(Grundstückskauf mit langfristiger Kreditierung der Kaufpreisschuld unter nahen Angehörigen - erhöhte Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsaufklärung bei möglichem Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten)

 

Leitsatz (amtlich)

Der Kauf eines bebauten Grundstücks von der betagten Mutter unter Verrechnung des Kaufpreises mit einem gleichzeitig von den Eltern gewährten Darlehen, dessen Rückzahlung auf 20 Jahre gestundet wird, kann ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 AO 1977 sein.

 

Orientierungssatz

1. Bei Grundstücksgeschäften unter Verwandten muß es den Beteiligten auch mit einkommensteuerrechtlicher Wirkung möglich sein, hinsichtlich des Kaufpreises eine u.U. langfristige Darlehensvereinbarung zu treffen. Es darf sich jedoch nicht um eine verschleierte Schenkung des Grundstücks oder verdeckte Unterhaltsgewährung handeln.

2. Lassen sich hinreichende nichtsteuerliche Gründe für die gewählte Vertragsgestaltung nicht ermitteln, trifft den Beteiligten, der über den Abzug von Aufwendungen eine Steuerminderung erreichen will, eine erhöhte Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts (vgl. Literatur).

 

Normenkette

AO 1977 § 42; EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1, § 12 Nrn. 1-2, § 21a; AO 1977 § 90; EStG § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der noch zwei Geschwister hat, erwarb von seiner damals 74-jährigen Mutter aufgrund notariellen Kaufvertrags vom 30.Dezember 1987 ein bebautes Grundstück. Der Kaufpreis betrug 216 000 DM. Im Kaufvertrag räumte der Kläger seinen Eltern ein lebenslanges entgeltliches Wohnrecht an einer der zwei Wohnungen des aufstehenden Gebäudes ein. Zeitgleich schloß der Kläger mit seinen Eltern einen notariellen Darlehensvertrag über 240 000 DM. Das Darlehen sollte unter Einbehaltung eines Disagios in Höhe von 24 000 DM vom 30.Dezember 1987 an mit 6,5 v.H. verzinst und in einer Summe am 30.Dezember 2007 zurückgezahlt werden. Der Kläger war nach dem Vertrag berechtigt, jederzeit Tilgungsleistungen zu erbringen. Das Darlehen wurde grundbuchlich durch Eintragung einer Hypothek zugunsten der Eltern gesichert. Hinsichtlich des restlichen Auszahlungsanspruchs von 216 000 DM wurde im Kaufvertrag eine Verrechnung mit der Kaufpreisforderung vereinbart.

Der Kläger überwies am 31.Dezember 1987 an seine Eltern 7 800 DM als Zinsen auf das Darlehen. Diesen Betrag machte er zusammen mit dem Disagio in seiner Einkommensteuererklärung 1987 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) versagte diesen Werbungskostenabzug, weil der Darlehensvertrag hinsichtlich der Tilgungsvereinbarungen nicht dem entspreche, was untereinander fremde Personen üblicherweise vereinbart hätten.

Die dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) ließ die Zinsen und das Disagio zum Abzug zu. Der Darlehensvertrag sei sowohl zivilrechtlich als auch einkommensteuerrechtlich anzuerkennen. Die getroffenen Vereinbarungen seien ernstlich gewollt; es handle sich nicht um eine Schenkung des Grundstücks. Die Tilgungsvereinbarung sei angesichts der grundbuchlichen Absicherung des Darlehens ebenso wie der Zinssatz nicht zu beanstanden.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 9, 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Darlehensvertrag halte dem erforderlichen Fremdvergleich nicht stand. Es mangele sowohl an der Vergleichbarkeit als auch an der tatsächlichen Durchführung. Mit einer tatsächlichen Rückzahlung des Darlehensbetrags sei angesichts des fortgeschrittenen Alters der Eltern des Klägers (im Streitjahr 1987 76 und 74 Jahre alt) nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht zu rechnen. Mit dem Ableben der Eltern entfalle die Rückzahlung für den Kläger in Höhe seines Erbteils vollständig.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).

Das FG hat rechtsfehlerhaft ungeprüft gelassen, ob in den hier geschlossenen Verträgen ein Gestaltungsmißbrauch i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) liegt. Seine tatsächlichen Feststellungen reichen zur Entscheidung dieser Frage nicht aus.

1. Das FG hat den Darlehensvertrag als ernstlich gewollt angesehen, da er auch unter Fremden denkbar sei, und ohne Begründung verneint, daß die Grundstücksübertragung eine verschleierte Schenkung bilden könnte. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsirrtum. Entgegen der Auffassung des FG läßt sich nach seinen bisherigen Feststellungen nicht ausschließen, daß der vom Kläger mit seiner Mutter geschlossene Kaufvertrag sowie die mit den Eltern getroffene Darlehensvereinbarung insgesamt als vorweggenommene Erbfolge mit einer im wesentlichen unentgeltlichen Grundstücksübertragung zu werten sind.

Der erkennende Senat läßt unerörtert, ob hinsichtlich der vorliegenden Vereinbarungen die Voraussetzungen eines Scheingeschäfts i.S. von § 117 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.V.m. § 41 Abs.2 AO 1977 gegeben sein könnten; denn auch wenn man dies mit dem FG verneint, können sie der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, falls sie einen Gestaltungsmißbrauch gemäß § 42 AO 1977 darstellen. Nach dieser Vorschrift kann das Steuergesetz durch Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts nicht umgangen werden. Ein solcher Mißbrauch liegt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) dann vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die gemessen an dem angestrebten Ziel unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. Senatsurteil vom 19.Juni 1991 IX R 134/86, BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904, m.w.N.).

Der Senat verkennt nicht, daß es bei Grundstücksgeschäften unter Verwandten den Beteiligten auch mit einkommensteuerlicher Wirkung möglich sein muß, hinsichtlich des Kaufpreises eine u.U. langfristige Darlehensvereinbarung zu treffen. Denn es ist mit dem FG davon auszugehen, daß Vereinbarungen unter nahen Angehörigen grundsätzlich einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen sind, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam abgeschlossen werden, dem Fremdvergleich --soweit erforderlich-- standhalten und tatsächlich durchgeführt werden (vgl. Senatsurteil vom 4.Juni 1991 IX R 150/85, BFHE 165, 53, BStBl II 1991, 838). Es darf sich jedoch nicht um eine verschleierte Schenkung des Grundstücks oder verdeckte Unterhaltsgewährung handeln.

Im vorliegenden Fall sprechen verschiedene Gesichtspunkte für eine unangemessene Gestaltung. Insbesondere erscheint es als ungewöhnliche Vereinbarung, daß die Tilgung des Grundstückskaufpreises bis zu einem Zeitpunkt gestundet wird, den die Verkäuferin voraussichtlich nicht mehr erlebt. Ferner hält der Senat die hinsichtlich des Disagios getroffene Verrechnungsvereinbarung für bedenklich. Andererseits fehlen bislang tatsächliche Feststellungen zu den wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen nichtsteuerlichen Gründen für die hier gewählte Gestaltung.

2. Die nicht spruchreife Sache geht daher an das FG zurück.

Das FG wird auch festzustellen haben, ob die Geschwister des Klägers im zeitlichen Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung an den Kläger ebenfalls Grundstücke oder andere Vermögenswerte von ihrer Mutter oder den Eltern erhalten haben, oder ob die Grundstücksübertragung an den Kläger in anderer Weise Teil einer auch die Geschwister betreffenden erbrechtlichen Regelung war. Ferner wird zu klären sein, nach welchen Gesichtspunkten die Vertragspartner den Rückzahlungszeitpunkt für die Darlehenssumme bestimmt haben. Nicht ausreichend ist dazu der Vortrag des Klägers, die Darlehensvereinbarung entspreche einer Finanzierungsart wie sie auch bei einander fremden Personen unter Einsatz einer Kapitallebensversicherung gewählt werde. Wesentliches Element einer solchen Immobilienfinanzierung ist neben der grundbuchlichen Sicherung des Darlehens die Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an den Darlehensgeber und die Abstimmung der Darlehenslaufzeit auf den Fälligkeitszeitpunkt der Lebensversicherung im Erlebensfall.

Lassen sich hinreichende nichtsteuerliche Gründe für die gewählte Vertragsgestaltung nicht ermitteln, so wird das FG zu berücksichtigen haben, daß den Kläger, der über den Abzug der Zinszahlungen und des Disagios eine Steuerminderung erreichen will, eine erhöhte Pflicht zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts trifft; denn er kennt am ehesten die Interessenlage der Vertragsbeteiligten (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung- Finanzgerichtsordnung, § 42 AO 1977, Tz.21).

 

Fundstellen

Haufe-Index 63692

BFH/NV 1992, 25

BStBl II 1992, 397

BFHE 166, 276

BFHE 1992, 276

BB 1992, 628 (L)

DB 1992, 872 (LT)

DStZ 1992, 800 (K)

HFR 1992, 321 (LT)

StE 1992, 191 (K)

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