Leitsatz (amtlich)

1. Baumschulkulturen gehören zum Umlaufvermögen. Die Wiederaufschulung eines geräumten Quartiers führt daher nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG zur Aktivierung der entsprechenden Anschaffungs- und Herstellungskosten. Gegen eine Schätzung dieser Kosten in Anlehnung an die Fläche (ha-Richtsätze) bestehen keine grundsätzlichen Bedenken.

2. Die im Hinblick auf eine bisher abweichende Verwaltungsübung in den gleichlautenden Ländererlassen vom 25. Juli 1968 (BStBl I 1968, 1056) für die Bewertung von Pflanzenbeständen getroffene Übergangsregelung ist als eine Regelung im Sinne von § 131 Abs. 2 AO auch von den Gerichten zu beachten.

2. Die Anforderungen, die an die Ordnungsmäßigkeit einer landwirtschaftlichen Buchführung zu stellen sind, ergeben sich aus der Verordnung über die landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 (RGBl I 1935, 908). Diese Anforderungen können nicht durch Verwaltungsanweisung in einer für die Gerichte verbindlichen Weise gemindert werden.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2; Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 II 2, 4 und 5; EStDV § 12 Abs. 1, § 76

 

Gründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Aktivierungsfrage

Zutreffend geht die Vorentscheidung davon aus, daß Baumschulkulturen aktivierungs- und bewertungsfähige Wirtschaftsgüter sind. Das hat der BFH schon im Urteil I 17/60 S vom 14. März 1961 (BFH 73, 359, BStBl III 1961, 398) erkannt, in welchem er die "Erstanlagekosten" von Baumschulkulturen für aktivierungspflichtig erklärt hat. Die Entscheidung bietet allerdings keine Anhaltspunkte dafür, ob die Aktivierungspflicht auf Erstanlagekosten beschränkt sein soll, und was überhaupt unter "Erstanlagekosten" zu verstehen ist. Der Begriff geht zurück auf die in Abschnitt VII der Verwaltungsanordnung vom 15. Juni 1951 angesprochenen "erstmaligen Anlagekosten". Es ist den Steuerpflichtigen zuzugeben, daß nach dem Wortlaut dieser Verwaltungsanordnung und der sie erläuternden Ländererlasse (vgl. Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 10. November 1953) davon ausgegangen werden könnte, daß die Kosten der Wiederaufschulung eines geräumten Baumschulquartiers nicht zu aktivieren seien, wenn die Aufschulung das betriebsübliche Maß nicht übersteigt, daß also in einem solchen Fall die aktivierten Kosten der "effektiven" Erstanlage unabhängig von den Kosten der Aufschulung als eine Art Festwert anzuhalten seien. Dieser Auffassung kann jedoch, auch wenn sie sich aus den früheren Anweisungen der Verwaltung ergibt und der bisherigen Verwaltungsübung zugrunde lag, jedenfalls insoweit nicht beigepflichtet werden, als es sich wie hier bei Baumschulkulturen um sogenannte "mehrjährige Kulturen" handelt, die nach einer bestimmten Kulturzeit, die den Zeitraum von wenigen Jahren nicht überschreitet, einen einmaligen Ertrag bringen. Diese Kulturen gehören, was im BFH-Urteil I 17/60 S schon angedeutet ist und wovon die Vorinstanz mit Recht ausgeht, zum Umlaufvermögen. Sie sind daher nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren. Hiervon geht inzwischen auch die Finanzverwaltung aus, die nunmehr in gleichlautenden, im Einvernehmen mit dem BdF ergangenen Erlassen vom 25. Juli 1968 (BStBl I 1968, 1056) den Ansatz eines Festwertes bei mehrjährigen Kulturen für unvereinbar mit der genannten Bewertungsvorschrift des EStG erklärt und nur zur Vereinfachung bestimmte Hektar-Richtsätze aufstellt. Die Erlaßregelung soll erstmals für die Schlußbilanz des Wirtschaftsjahres 1967/1968 angewendet werden. Daß damit mit einer bisherigen Übung gebrochen werden soll, ergibt sich - wenn auch ohne Erwähnung der Verwaltungsanordnung vom 15. Juni 1951 - aus der Tatsache, daß in Ziff. 2 der Erlaßregelung eine detaillierte Übergangsregelung vorgesehen ist (z. B. steuerfreie, binnen zwölf Jahren aufzulösende Rücklage in Höhe des Unterschieds zwischen dem alten und dem neuen Bilanzansatz) sowie aus Ziff. 4 der Erlaßregelung, wonach in Härtefällen nach § 131 AO auch in anderer Weise "auf die neue Bewertung der Pflanzenbestände" übergeleitet werden kann. Ziff. 3 der Erlasse gibt darüber hinaus auch für die Vergangenheit, nämlich in Fällen schwebender Rechtsbehelfsverfahren und der Wiederaufrollung von Veranlagungen, dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht auf schon frühere Anwendung der Erlaßregelung.

Hiernach ergibt sich für den Streitfall folgendes: Es muß den Steuerpflichtigen zugegeben werden, daß ihre Auffassung, wonach die für Baumschulkulturen aktivierten Werte durch die planmäßige Räumung und Aufschulung eines Qartiers keine Veränderung erfahren dürfen, in der Regel bisher wohl auch von der Finanzverwaltung vertreten wurde und daß die Steuerpflichtigen auch entsprechend dieser Auffassung bisher behandelt wurden. Da diese Auffassung jedoch, wie auch die Verwaltung inzwischen erkannt hat, unzutreffend ist, weil sie gegen die zwingende Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG verstößt, können die Steuerpflichtigen nicht aus der bisherigen Behandlung das Recht herleiten, auch weiterhin nach der als unzutreffend erkannten Auffassung behandelt zu werden. Ein dem BFH-Urteil VI 229/63 vom 11. Februar 1966 (BFH 85, 409, BStBl III 1966, 486) vergleichbarer Fall liegt schon mangels einer entsprechenden Vereinbarung nicht vor. Auch an einer verbindlichen Zusage des FA fehlt es. Hiernach wäre der Vorentscheidung bezüglich der Aktivierungsfrage in vollem Umfange beizutreten. Die Steuerpflichtigen hätten für die neuaufgeschulten Quartiere die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu ermitteln und zu aktivieren, wobei keine Bedenken dagegen bestünden, diese Kosten auch nach Hektar-Sätzen, die eine ausreichende Schätzungsgrundlage bieten, im Rahmen des § 217 AO zu ermitteln.

Die Vorentscheidung muß jedoch gleichwohl aufgehoben werden, weil die Finanzverwaltung inzwischen, wenn auch nach Ergehen der Vorentscheidung, in den Erlassen vom 25. Juli 1968 die oben schon erwähnten Übergangsregelungen getroffen hat. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, daß Übergangsregelungen der Verwaltung, die auf Billigkeitsgesichtspunkten beruhen und ihre Grundlage in § 131 Abs. 2 AO finden, auch von den Steuergerichten zu beachten sind (vgl. z. B. die BFH-Urteile IV R 110/68 vom 5. Dezember 1968, BFH 94, 246, BStBl II 1969, 136; VI 241/64 vom 9. November 1966, BFH 87, 277, BStBl III 1967, 128). Die Regelung in Ziffer 2 der Erlasse vom 25. Juli 1968 muß als eine solche nach § 131 AO angeordnete Übergangsregelung angesehen werden, da sie die durch eine Änderung der Rechtsauffassung entstehenden Härten ausgleichen und eine Anpassung an die neue Rechtsauffassung bewirken soll. Bedenken gegen die Maßgeblichkeit der Übergangsregelung auch für den Streitfall bestehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß die Steuerpflichtigen entsprechend der geänderten, als zutreffend zu beurteilenden Rechtsauffassung nicht unter Anwendung der - ja erst später ergangenen - Verwaltungserlasse, sondern in Übereinstimmung mit den Grundsätzen dieser Erlasse von den Vorinstanzen behandelt wurden. Denn der Grund für eine Härtemilderung besteht auch dann, wenn die von der bisherigen Verwaltungsübung abweichende Rechtsauffassung schon früher als von der Verwaltung vorgesehen zum Zuge kommt (vgl. Ziffer 3 letzter Satz der Erlaßregelung). Ein Wahlrecht, statt dessen dann doch noch nach der als unrichtig erkannten Festwertmethode behandelt zu werden, haben die Steuerpflichtigen allerdings nicht.

Die Sache muß gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen werden, damit dieses nunmehr die Übergangsregelung und die im Rahmen dieser Regelung möglichen Anträge des Steuerpflichtigen berücksichtigen kann.

2. Ordnungsmäßigkeit der Buchführung

Wenn das FG den Steuerpflichtigen die Vergünstigung nach § 76 EStDV mit der Begründung versagte, die in dieser Vorschrift geforderte Voraussetzung der Gewinnermittlung auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung sei nicht gegeben, weil die Steuerpflichtigen weder Ernteverzeichnis noch Vieh- und Naturalienregister geführt hätten, so ist das nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz sprach allerdings in diesem Zusammenhang von einem "Systemfehler" der Buchführung, einem Begriff, der in jüngerer Zeit viel Kritik erfahren hat (vgl. z. B. Runge, BB 1970 S. 387; Rau, Die steuerliche Betriebsprüfung 1970 S. 121; Maaßen, DB 1970 S. 847; Reichel, Inf./L 1967, 169; vgl. auch die im Urteil des Senats IV 63/63 vom 26. März 1968, BFH 94, 264, BStBl II 1968, 527, wiedergegebene Stellungnahme des BdF). Im Streitfalle braucht auf die Problematik dieses Begriffes nicht eingegangen zu werden. Das FG hat nämlich zutreffend darauf hingewiesen, daß hier der Verordnung über die landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 (RGBl I 1935, 908) entscheidende Bedeutung zukommt. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 in Verbindung mit den §§ 4 und 5 der Verordnung ist die Führung der hier fehlenden Verzeichnisse und Register zwingend vorgeschrieben und hiervon die Anerkennung der Buchführung als ordnungsmäßig abhängig gemacht. Das wird noch unterstrichen durch § 12 Abs. 1 EStDV, wonach bei Land- und Forstwirten eine ordnungsmäßige Buchführung auch im Sinne des § 76 EStDV nur vorliegt, wenn die geführten Bücher mindestens den Anforderungen der Verordnung vom 5. Juli 1935 entsprechen. Damit ist aber durch Gesetz im materiellen Sinne eine Rechtslage geschaffen, an die der Senat gebunden ist. Es ist dem Senat deshalb grundsätzlich verwehrt, die vom Verordnungsgeber bereits vorgenommene Wertung der einzelnen Voraussetzungen für die Ordnungsmäßigkeit der landwirtschaftlichen Buchführung zu überprüfen und seine eigene Wertung an deren Stelle zu setzen. Daß es sich im Streitfall nicht nur um völlig unbeachtliche Nebensächlichkeiten handelt, zeigt z. B. der Umstand, daß im Obstbau, wo die Ernteverzeichnisse und Naturalienregister fehlten, sich in einzelnen Wirtschaftsjahren Roherlöse von über 100 000 DM ergeben hatten.

Die Verwaltung hat allerdings inzwischen eine von der Verordnung vom 5. Juli 1935 abweichende Wertung der Voraussetzungen für eine ordnungsmäßige landwirtschaftliche Buchführung vorgenommen. Im BdF-Erlaß vom 22. Januar 1970 (BStBl I 1970, 184) wird "aus Vereinfachungsgründen" auf die Führung der Ernteverzeichnisse, Naturalien- und Viehregister verzichtet. Diese Verwaltungsanweisung, bei der es sich nicht um eine auch von den Gerichten zu beachtende Billigkeitsmaßnahme im Sinne von § 131 AO handelt, kann jedoch den Senat nicht von der Bindung an die Verordnung vom 5. Juli 1935 befreien. Das könnte nur durch eine Änderung der materiellrechtlichen Vorschriften geschehen. Diese Vorschriften zwingen dazu, im Streitfall die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu verneinen. Damit entfällt aber die Möglichkeit, den Steuerpflichtigen die begehrte Steuervergünstigung nach § 76 EStDV zu gewähren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69406

BStBl II 1971, 321

BFHE 1971, 373

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