Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Dienstaufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen, die weder Bundes- noch Landeskassen sind, sind nur steuerfrei, wenn die Empfänger öffentliche Dienste leisten und durch die Dienstaufwandsentschädigung Werbungskosten im Sinne von § 9 EStG abgegolten werden. Die Finanzämter sind berechtigt und verpflichtet, diese Voraussetzungen nachzuprüfen.

 

Normenkette

EStG § 3 Ziff. 11, § 3/12/2; LStDV § 4/1/2; LStR Abschn. 17 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Bfin., eine Landesversicherungsanstalt, zahlt an ihre drei Geschäftsführer auf Grund eines Vorstandsbeschlusses vom 12. November 1956 seit 1. Juli 1956 eine monatliche Aufwandsentschädigung von je 100 DM. Lohnsteuer wurde für diese Zuwendungen nicht einbehalten. Das Finanzamt hält diese Zahlungen für lohnsteuerpflichtig und forderte Lohnsteuer dafür nach. Der Einspruch und die Berufung hatten nur insofern Erfolg, als der Haftungsbetrag ermäßigt wurde, weil der eine Geschäftsführer für 1958 mit der an ihn gezahlten Aufwandsentschädigung zur Einkommensteuer veranlagt worden war.

Das Finanzgericht führte aus: § 3 Ziff. 11 EStG 1955 und § 3 Ziff. 12 EStG 1957/1958 finde auf die streitigen Aufwandsentschädigungen keine Anwendung. Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen seien danach nur steuerfrei, wenn sie an Personen gezahlt würden, die öffentliche Dienste leisteten, und wenn sie den Aufwand, der den Empfänger erwachse, nicht offenbar überstiegen. Die Kasse der Bfin. sei zwar eine öffentliche Kasse in diesem Sinn; ihre Geschäftsführer leisteten auch öffentliche Dienste. Die Bfin. habe jedoch nicht darzutun versucht, daß den Geschäftsführern neben dem durch Tagegelder abgegoltenen Reiseaufwand durch ihre Tätigkeit Werbungskosten entstünden. Den Geschäftsführern obliege die Erledigung der laufenden Verwaltungsgeschäfte; sie leisteten überwiegend Innendienst. Bei gelegentlichen Dienstreisen erhielten sie Reisekostenvergütungen, aus denen erfahrungsgemäß der dienstlich veranlaßte Mehraufwand bestritten werden könne. Ihre Tätigkeit könne nicht mit der von leitenden Beamten der Gebietskörperschaften oder von Geschäftsführern privater Versicherungsunternehmen verglichen werden, die in großem Umfang Kontaktverpflichtungen hätten. Die Bfin. behaupte nur, daß ihre Geschäftsführer infolge häufiger Besprechungen, Konferenzen, Tagungen und Reisen einen erhöhten Wäsche- und Kleiderbedarf hätten und daß sie bei solchen Gelegenheiten Bewirtungsspesen aufwendeten. Einzelangaben habe sie jedoch nicht gemacht. Da die Geschäftsführer ausschließlich im sozialen Bereich tätig seien, bestehe für sie auch kein Anlaß zu besonderem Repräsentations- und Spesenaufwand. Da eine Abgrenzung des von der Bfin. behaupteten beruflichen Aufwandes ihrer Geschäftsführer von den Ausgaben, die deren wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung mit sich bringe, nicht möglich sei, seien die Ausgaben in vollem Umfang zu den nach § 12 Ziff. 1 EStG nicht abzugsfähigen Aufwendungen zu rechnen. Die als Dienstaufwandsentschädigung gezahlten Beträge könnten daher nicht steuerfrei bleiben.

Die Bfin. rügt unrichtige Anwendung von § 3 Ziff. 11 EStG 1955 (§ 3 Ziff. 12 EStG 1957/1958) - § 4 Ziff. 1 LStDV. Sie führt aus, Aufwandsentschädigungen seien steuerfrei, soweit nicht festgestellt werde, daß sie für Verdienstausfall oder für Zeitverlust gewährt würden oder den Aufwand des Empfängers offensichtlich überstiegen. Eine Nachprüfung durch die Finanzbehörde sei nur geboten, wenn dazu ein Anlaß von einigem Gewicht bestehe. Das Finanzgericht habe nicht ausreichend geprüft, ob die Stellung der Geschäftsführer nicht mit der von leitenden Beamten von Gebietskörperschaften und örtlichen Verwaltungsbezirken gleichzusetzen sei. Es irre, wenn es glaube, die Geschäftsführer hätten keinen Ermessensspielraum für ihre Entscheidungen. Sie lehne es ab, dem Verlangen des Finanzamts und des Finanzgerichts zu entsprechen und im einzelnen darzulegen, welcher Dienstaufwand ihren Geschäftsführern entstehe; denn diese Aufforderung habe keine Grundlage im Gesetz. Für das Jahr 1961 seien die Dienstaufwandsentschädigungen übrigens in den Haushaltsplan des Landes A übernommen worden. Dadurch wurde bestätigt, daß die Geschäftsführer einen echten Dienstaufwand hätten. Für die vorhergehenden Jahre könne nichts anderes gelten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, daß die Bfin. eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Ihre Geschäftsführer leisten auch öffentliche Dienste. Das genügt jedoch nicht, um die an die Geschäftsführer der Bfin. gezahlten Aufwandsentschädigungen nach § 3 Ziff. 11 EStG 1955 und nach § 3 Ziff. 12 EStG 1957/1958 (§ 4 Ziff. 1 LStDV) steuerfrei zu lassen.

§ 3 Ziff. 11 EStG 1955 dient der Vereinfachung (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs IV 47/54 S vom 22. September 1955, BStBl 1956 III S. 181, Slg. Bd. 62 S. 488). Die Vorschrift geht davon aus, daß die als Dienstaufwandsentschädigung aus einer öffentlichen Kasse für öffentliche Dienste gezahlten Beträge Werbungskosten im Sinne von § 9 EStG abgelten. Ob ein als Werbungskosten anzuerkennender Dienstaufwand vorliegt, dürfen und müssen die Behörden der Finanzverwaltung und die Finanzgerichte nachprüfen (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 47/54 S a. a. O.; IV 382/55 S vom 24. Juli 1956, BStBl 1957 III S. 111, Slg. Bd. 64 S. 291). Der Inhalt und der Umfang des Nachprüfungsrechts der Finanzverwaltungsbehörden ist in Abschn. 17 Abs. 2 LStR im Einklang mit dem Gesetz und der Rechtsprechung zutreffend umschrieben. Das Finanzamt und das Finanzgericht konnten und mußten daher zur Ausführung des Gesetzes die Bfin. auffordern, darzulegen, ob und in welcher Höhe ihren Geschäftsführern dienstlich veranlaßter Aufwand entstehe, der durch die Aufwandsentschädigungen von monatlich 100 DM ersetzt wird. Die Bfin. war nicht berechtigt, ihre Mitwirkung zu verweigern und sich ohne nähere Angaben auf allgemeine Ausführungen zu beschränken. Das Finanzgericht konnte daher ohne Rechtsverstoß auf Grund seines Rechts zur freien Beweiswürdigkeit (§ 217 AO) annehmen, daß die Bfin. nicht glaubhaft gemacht hat, daß ihre Geschäftsführer als Werbungskosten anzusehende berufliche Aufwendungen gehabt haben. Der Senat ist an diese auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung liegende Feststellung des Finanzgerichts nach § 288 Ziff. 1 AO gebunden, da sie in einem einwandfreien Verfahren getroffen worden ist und keinen Verstoß gegen das geltende Recht oder gegen den klaren Inhalt der Akten erkennen läßt. Die Steuerfreiheit nach § 3 Ziff. 11 EStG 1955 wurde vom Finanzgericht daher ohne Rechtsirrtum verneint.

Nach der ab 1957 geltenden Fassung der Befreiungsvorschrift in § 3 Ziff. 12 EStG 1957/1958 sind Dienstaufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen, die weder Bundes- noch Landeskassen sind, nach Satz 2 dieser Vorschrift nur steuerfrei, "soweit nicht festgestellt wird, daß sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden, oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen". Diese neue Fassung hat also hinsichtlich des Personenkreises, der im Streitfall in Betracht kommt, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen gegenüber vorher nicht geändert. Das Nachprüfungsrecht der Finanzämter ist nunmehr im Gesetz sogar ausdrücklich erwähnt. Es ist auch nicht irgendwie eingeschränkt. Danach ist es Aufgabe der Finanzämter, nach pflichtmäßigem Ermessen festzustellen, ob und inwieweit den Empfängern derartiger Dienstaufwandsentschädigungen durch ihre berufliche Tätigkeit als Werbungskosten anzusehende Aufwendungen erwachsen, die die Steuerfreiheit der Dienstaufwandsentschädigungen rechtfertigen.

Zu der Frage, ob die in Satz 1 von § 3 Ziff. 12 EStG 1957/1958 geregelte Steuerfreiheit der aus Bundes- oder Landeskassen gezahlten und in dem Haushaltsplan ausgewiesenen Dienstaufwandsentschädigungen rechtsgültig ist und deshalb die frühere Rechtslage wirksam geändert hat, braucht nicht Stellung genommen zu werden, da dies für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht erheblich ist. Denn wenn diese Regelung mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes nicht vereinbar ist, wäre sie rechtsungültig und wäre also als nicht vorhanden zu behandeln. Das hätte zur Folge, daß die Empfänger von Aufwandsentschädigungen aus Bundes- oder Landeskassen sich nicht auf die Vorschrift berufen können. Ebensowenig wäre dies aber auch anderen Steuerpflichtigen möglich. Die Vorentscheidung war demnach nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410546

BStBl III 1962, 425

BFHE 1963, 434

BFHE 75, 434

StRK, EStG:3 R 48

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