Leitsatz (amtlich)

1. Wer als Journalist Manuskripte für Hörfunk- und Fernsehsendungen geschrieben hat und außerdem mit gesonderten Aufträgen und gesonderten Honorarabrechnungen damit betraut wird, bei der Darbietung seiner Manuskripte als Spielleiter oder Sprecher mitzuwirken, kann Nebeneinkünfte aus selbständiger künstlerischer Tätigkeit erzielen, die von den Einkünften aus seiner Berufstätigkeit als Journalist abgrenzbar i. S. des § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG sind.

2. Die Mitwirkung eines Journalisten bei der Ausarbeitung von Quizfragen oder des Textes von Dialogszenen für Hörfunk- und Fernsehsendungen ist auch dann nicht als künstlerische Tätigkeit i. S. des § 34 Abs. 4 EStG zu beurteilen, wenn er neben der Textbearbeitung auch die regiemäßige Einrichtung der Fragen und der Dialogszenen übernimmt.

2. Die Tätigkeit als Sprecher bei Werbesendungen des Hörfunks und Fernsehens kann in der Regel nicht als künstlerische Tätigkeit i. S. des § 34 Abs. 4 EStG beurteilt werden.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Einkünfte eines für Rundfunkanstalten und Tonstudios selbständig tätigen Journalisten aus seiner weiteren Tätigkeit für seine Auftraggeber als Spielleiter und Sprecher als Nebeneinkünfte aus selbständiger künstlerischer Tätigkeit nach § 34 Abs. 4 EStG zu begünstigen sind.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war - lt. seinen Steuererklärungen - in den Streitjahren 1965 und 1966 "Journalist und künstlerischer Mitarbeiter" mit Einkünften aus selbständiger Arbeit. Er beantragte für einen Teil seiner Einkünfte, nämlich 1965 für … DM und 1966 für … DM die Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 4 EStG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) lehnte die beantragte Vergünstigung mit der Begründung ab, die Einkünfte des Klägers seien einheitlich aus der freien Berufstätigkeit als Journalist bezogen, und hielt auch im Einspruchsverfahren daran fest.

Im Klageverfahren stellte der Kläger seine von ihm als begünstigt angesehenen Einnahmen zusammen. Nach den Ausführungen des FG handelt es sich um folgende Tätigkeiten:

1. Regie und Spielleitung bei einer wöchentlichen Unterhaltungssendung ohne Einbeziehung der als Einkünfte aus journalistischer Tätigkeit behandelten Manuskripthonorare;

2. Vorbereitung von Quiz- und Unterhaltungssendungen mit Ausarbeiten der Fragen, u. a. für eine Fernseh-Quizreihe;

3. Aufnahmeleitung und Sprechen von im wesentlichen von dem Kläger selbst erarbeiteten Features, Zeitberichten und Schulfunksendungen;

4. Sprechen bei Werbesendungen.

Die vom Kläger dabei aufgeführten Sendungen - unter Mitwirkung des Klägers als Aufnahmeleiter und Sprecher - hätten, wie das FG weiter ausführt, ausnahmslos eine sachbezogene, vorwiegend im Zusammenhang mit dem Zeitgeschehen stehende Thematik gehabt. Der Kläger habe weiter geltend gemacht, daß er seine Einnahmen von elf verschiedenen Rundfunkanstalten und Tonstudios beziehe, also nicht aus einer wirtschaftlich einheitlichen Quelle. Er habe neben seiner Journalistenausbildung künstlerische Kenntnisse erworben, die ihn wegen seiner künstlerischen Begabung, seiner Gestaltungskraft und der Modulationsfähigkeit seiner Stimme zur Übernahme ausschließlich künstlerischer Aufgaben als Aufnahmeleiter und Sprecher befähigten.

Das FG wies die Klage als unbegründet ab und führte zur Begründung u. a. aus: Die gesamte freiberufliche Tätigkeit des Klägers falle in den Rahmen praktischer journalistischer Berufstätigkeit. Die von dem Kläger als Nebentätigkeit angesprochenen Arbeiten für Rundfunk- und Synchronisieranstalten sowie Tonstudios erfüllten zumindest die Merkmale einer dem Journalismus ähnlichen Berufsausübung. - Ebensowenig wie eine noch so hervorragende eigenschöpferische, wissenschaftliche und kritische Analyse und Kommentierung einer Aufteilung in praktische Berufsarbeit und schriftstellerische oder wissenschaftliche Nebentätigkeit gestatte (Urteil des BFH vom 2. Dezember 1971 IV R 145/68, BFHE 104, 334, BStBl II 1972, 315), ließen sich auch die Vorbereitung einer Sendung und deren Aufnahme in verschiedene voneinander unabhängige Berufstätigkeiten aufgliedern. Vorbereitung, Aufnahmeleitung und Sprechen einer Rundfunksendung seien unselbständige Teile eines einheitlichen journalistischen Werkes, das nicht in einen journalistischen und einen künstlerischen Bereich aufgeteilt werden könne. Die technischen und sprachlichkünstlerischen Möglichkeiten, die allerdings auch bei Hör- oder Fernsehspielen ausgeschöpft würden, gehörten untrennbar zu der Schaffens- und vor allem Darstellungsweise des Rundfunk-Journalismus. - Die Mitwirkungen des Klägers bei der Aufnahme von Rundfunksendungen stellten sich als typisch journalistische Berufsarbeit dar. So gehörten bei einem Architekten auch die - regelmäßig gesondert honorierte - künstlerische Gestaltung eines Bauwerkes und die Leitung bei dessen Errichtung ebenso zu der typischen Berufsarbeit wie die Erstellung eines wissenschaftlichen Gutachtens bei einem Hochschulprofessor, der gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen sei (BFH-Urteil vom 28. Januar 1971 IV R 194/70, BFHE 102, 367, BStBl II 1971, 684). - Nach der Definition im Großen Brockhaus, Nachschlagewerk 1955 (Stichworte Journalist - Journalismus) bestehe die berufstypische Arbeit eines Journalisten in der schriftstellerischen Tätigkeit für Zeitungen, Zeitschriften, Nachrichtenbüros; er könne jedoch auch in der Werbung sowie bei Film und Funk arbeiten; das Berufsbild kenne viele Zwischenformen; Schaffens- und Darstellungsweise werde durch die Wesensart der Bedürfnisse der Presse bedingt. - Die Aufnahmeleitung und die Tätigkeit als Sprecher von Rundfunksendungen gehörten somit zu den üblichen Äußerungs- und Darstellungsweisen des Rundfunk-Journalisten. - Die besondere Gestaltung, Reflektion und Darstellung eines Themas führe weder bei einem wissenschaftlichen Kommentar noch bei einem eigenschöpferisch-schriftstellerischen Feuilleton noch bei einer mit technischen und künstlerischen Mitteln gestalteten Rundfunksendung zur abgrenzbaren Nebentätigkeit. So sei die Vorbereitung der Fernseh-Quizreihe durch Erarbeiten der Quizfragen nur eine Tätigkeit, die mit der Vorbereitung einer Schulfunksendung oder der wöchentlichen Unterhaltungssendung zu vergleichen sei. Diese Tätigkeit sehe der Kläger aber selbst als Bestandteil seiner journalistischen Berufspraxis an. - Darüber hinaus könne die Mitwirkung an einer Rundfunksendung oder an einer Werbeproduktion auch nicht als künstlerische Nebentätigkeit angesehen werden, wenn das jeweilige Werk seiner Natur nach nicht selbst als Kunstwerk anzusehen sei. Da ein Rundfunkbericht über eine Frage des Zeitgeschehens, eine Schulfunksendung oder ein Werbespot für sich nicht in Anspruch nehmen könne, ein Kunstwerk zu sein, könne auch die technische und sprachliche Gestaltung dieser Sendung allein nicht als künstlerisches Werk anerkannt werden. Die Mitwirkung eines Künstlers erhebe eine kommerzielle Werbeproduktion oder eine Rundfunksendung noch nicht in den Rang eines Kunstwerkes.

Mit seiner Revision rügt der Kläger ungenügende Aufklärung des Sachverhalts und Verletzung des § 34 Abs. 4 EStG. - Mit den vom FG angezogenen BFH-Urteilen könne nicht belegt werden, daß zu den "berufsspezifischen Eigenschaften" der Tätigkeit eines Rundfunk-Journalisten "eine mit künstlerischen und regietechnischen Mitteln gewonnene einprägsame und ausdrucksstarke Wiedergabe" gehöre und daß wie die schriftstellerische Gestaltung so auch die künstlerische Gestaltung zu den Grundelementen des Journalismus rechne. Das FG übersehe, daß die künstlerische Umsetzung - aufgrund entsprechender schauspielerischer und regielicher Befähigung - sich eindeutig und substantiell von dem journalistischen Aufgabenkreis abhebe, in den die Manuskripterstellung falle.- Das Zitat aus dem Brockhaus, wonach Schaffens- und Darstellungsweise durch die Wesensart der Bedürfnisse der Presse bedingt werde, könne nicht die Schlußfolgerung des FG rechtfertigen, daß die Aufnahmeleitung und die Tätigkeit als Sprecher von Rundfunksendungen "somit" zu den üblichen Äußerungs- und Darstellungsweisen des Rundfunk-Journalisten gehörten, denn schriftliche oder mündliche Darlegung könne nicht mit Darstellung i. S. künstlerischer Umsetzung gleichgesetzt werden. - Die künstlerische Tätigkeit, aus der die Nebeneinkünfte des Klägers herrührten, hebe sich "eindeutig und substantiell" von der Tätigkeit des Klägers als Journalist ab; sie bilde keine Einheit mit der Haupttätigkeit, falle nicht in diesen Beruf und gehe nicht in diesen über.

Die Voraussetzung, daß die Nebentätigkeit auftragsmäßig, personenmäßig, zeitlich, durchführungs- und abrechnungsmäßig, trennbar sei, sei hier gegeben. - Das FG gehe fehl, wenn es der Tätigkeit des Klägers das künstlerische Element deshalb abspreche, weil die Sendung selbst kein Kunstwerk sei. Es komme allein darauf an, ob seiner Mitwirkung der künstlerische Charakter abzusprechen sei. Das müsse eindeutig verneint werden. - Das FG habe den Inhalt der vom Kläger angegebenen Tätigkeiten nicht aufgeklärt. Es habe von der Anregung, der Arbeit eines Synchronsprechers beizuwohnen, keinen Gebrauch gemacht und die Möglichkeit, sich durch Augenschein und Zuhören, durch Befragung der an den Rundfunksendungen Beteiligten ein klares Bild zu verschaffen, versäumt. - Das in der Vorstellung des FG bestehende Berufsbild entspreche weder dem Beruf des Klägers als Journalist, noch habe sich überhaupt bisher ein solches herausgebildet. Die Tätigkeit des Klägers, aus der die Nebeneinkünfte flössen, fielen weder in seine typische journalistische Berufsarbeit noch in ein einheitliches journalistisches Werk noch in ein diesem ähnliches Berufsbild.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die umstrittenen Nebeneinkünfte entsprechend herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es ist der Auffassung, daß ein Rundfunk- oder Fernseh-Journalist auch gleichzeitig darstellender Künstler seiner eigenen journalistischen Produkte sein könne, ohne daß für ihn abgrenzbare Nebeneinkünfte vorliegen müßten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG müssen die Einkünfte aus selbständiger wissenschaftlicher, künstlerischer und schriftstellerischer Tätigkeit, um deren Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 EStG es geht, von den Einkünften aus der Berufstätigkeit abgrenzbar sein. Der Auffassung des FG, daß die Mitwirkungen des Klägers bei der Aufnahme von Rundfunksendungen deshalb von der Berufstätigkeit nicht abgrenzbar seien, weil sie sich als typische journalistische Berufsarbeit darstellten und die gesamte berufliche Tätigkeit des Klägers in den Rahmen praktischer journalistischer Berufsarbeit falle, kann nicht gefolgt werden.

Wie der erkennende Senat in dem Urteil IV R 145/68 zur Abgrenzung der journalistischen Tätigkeit ausgeführt hat, wird das Berufsbild des Journalisten geprägt durch die Sammlung und Verarbeitung von Informationen des Tagesgeschehens, die kritische Auseinandersetzung mit diesen Informationen und die Stellungnahme zu den Ereignissen des Zeitgeschehens, sei es auf politischem, gesellschaftlichem, wirtschaftlichem oder kulturellem Gebiet; dabei ist es gleichgültig, ob der Journalist sich mündlich oder schriftlich äußert und welcher Medien (Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk oder Fernsehen) er sich bedient. Damit ist einerseits das "schriftstellerische" Moment, andererseits die Bezogenheit auf das Geschehen des Tages herausgestellt.

Es kann offen bleiben, inwieweit das Verfassen von Manuskripten oder Drehbüchern, denen die Bezogenheit zum Geschehen des Tages fehlt, statt dem journalistischen dem dichterischen und damit künstlerischen Bereich zuzuordnen ist. Denn im vorliegenden Fall sind die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen, daß die Abfassung der Manuskripte des Klägers über bestimmte wirtschaftliche, kulturelle oder soziologische Themen und die der Manuskripte für die wöchentlichen Unterhaltungssendungen dem journalistischen Tätigkeitsbereich zuzurechnen sind. Dem FG ist zuzustimmen, daß auch die Ausarbeitung der Fragen für die Fernseh-Quizreihe zur journalistischen Tätigkeit gehört, weil es neben der Bezogenheit auf aktuelles Geschehen in erster Linie auf die textliche Formulierung der Fragen ankam, also insofern das "schriftstellerische" Element im Vordergrund stand. Unter welchen Umständen die Formulierung der Fragen gefunden wurde, ob etwa erst nach einer Unterhaltung mit den Quizteilnehmern oder nach Rücksprache mit Regisseur und Conférencier der betreffenden Sendung ist dabei ohne Belang, solange es um die Festlegung der Texte ging, und zwar der Texte der zu stellenden Quizfragen ebenso wie der Dialoge oder Stichworte etwa geplanter Spielszenen.

Dem FG ist aber nicht zu folgen, wenn es die gesamte Mitwirkung des Klägers bei der Gestaltung und Ausführung der von ihm entworfenen Texte zu seiner journalistischen Berufsarbeit rechnet. Das ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

Während bei der Fertigstellung einer Zeitung die schöpferische Tätigkeit auf die journalistische Tätigkeit beschränkt ist und das Drucken der Texte, selbst wenn bei Typenauswahl, Lay-out und Umbruch optische Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind, keiner besonderen Wertung als journalistisch, schriftstellerisch oder künstlerisch unterliegen kann, ergeben sich bei Hörfunk und Fernsehen besondere Differenzierungen. Sie beruhen darauf, daß das Ergebnis der journalistischen Leistung, also die Texte, im Hörfunk durch Ton und im Fernsehen durch Bild und Ton dargebracht werden und deshalb gestaltet werden müssen, so daß für die Vermittlung der Texte durch eine künstlerische Tätigkeit des Regisseurs, der Sprecher und der Schauspieler grundsätzlich Raum bleibt.

In der Rechtsprechung des BFH ist mehrfach über die Frage entschieden worden, inwieweit die Tätigkeit eines Sprechers als künstlerische Tätigkeit angesehen werden kann. Bereits in dem BFH-Urteil vom 20. Juni 1962 IV 208/60 U (BFHE 75, 322, BStBl III 1962, 385) hatte der erkennende Senat darauf abgestellt, ob der Schaffende schöpferische Leistungen vollbringt, also Leistungen, in denen sich seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft widerspiegeln und die eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreichen.

Für den Hörfunk ergibt sich daraus, daß das Sprechen von Werbetexten, das Lesen von Nachrichten oder Börsezetteln und das Ansagen von Programmen in der Regel noch nicht als künstlerische Tätigkeit beurteilt werden können, ebensowenig wie das Lesen von Berichten, Abhandlungen und Vorträgen, gleichgültig, ob sie von dem Sprecher verfaßt sind oder nicht. Dementsprechend war auch in dem BFH-Urteil vom 26. Mai 1971 IV 280/65 (BFHE 102, 509, BStBl II 1971, 703) dem Übersetzer von Texten für Kultur-, Lehr- und Industriewerbefilme in die englische Sprache, der die englischen Texte zu den Filmstreifen auch zu sprechen hatte, die künstlerische Eigenschaft seiner Tätigkeit abzusprechen, weil die Übersetzertätigkeit keinen Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung bot. Andererseits ist zwar das Sprechen ohne vorliegenden Text eine eigenschöpferische Leistung, deshalb aber noch keine schauspielerische und damit künstlerische Tätigkeit, wenn es sich z. B. um die Teilnahme an Diskussionen über ein aktuelles Thema handelt. Das Moderieren, d. h. das Leiten und Führen einer Diskussion oder einer Gesprächsrunde, und das Teilnehmen daran bleiben im Bereich journalistischer Tätigkeit; denn der Journalist kann seine Meinung zum Tagesgeschehen unabhängig vom Charakter des Mediums, dessen er sich bedient, schriftlich und mündlich äußern (BFH-Urteil IV R 145/68).

Wie in dem BFH-Urteil IV 208/60 U und dem folgend in dem Urteil vom 24. Oktober 1963 V 52/61 U (BFHE 77, 736, BStBl III 1963, 589) ausgeführt ist, kann andererseits davon ausgegangen werden, daß der Sprecher in einer Hörspielrolle eine selbständige künstlerische Leistung vollbringt. Es geht hier nicht mehr allein darum, Texte durch Sprechen hörbar zu machen, sondern darum, einen geschriebenen Dialog zu aktualisieren, also so zu gestalten, als ob er zwischen den gedachten Personen zu dem gedachten Zeitpunkt in Wirklichkeit so stattgefunden hätte, d. h. eine Rolle zu verkörpern. Die Darstellung einer Sprechrolle ist aber bereits eine schauspielerische und damit eine künstlerische Leistung. Sie liegt also im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht von der Tätigkeit der journalistischen Berufsarbeit umfaßt wird.

Ob in jedem Fall bei einer Hörfunksendung über aktuelle Themen, bei einem Feature oder bei Sendungen, in die Hörspielszenen eingearbeitet sein können, das Lesen der berichtenden Texte als nichtkünstlerisch, das Sprechen der Rollen in den Hörspielszenen als künstlerisch zu beurteilen ist, dies zu entscheiden obliegt der Tatsacheninstanz, wobei allerdings der künstlerische Charakter der Mitwirkung - entgegen der Ansicht des FG - noch nicht deshalb zu verneinen sein wird, weil es sich um einen Rundfunkbericht oder eine Schulfunksendung handelt; denn es geht in erster Linie um die Beurteilung der Tätigkeit, nicht um die der Sendung. Für die Frage, ob die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG gewährt werden kann, kommt es in jedem Fall auf die Abgrenzbarkeit der Einkünfte aus der künstlerischen Tätigkeit von den Einkünften aus der Berufstätigkeit an, so daß die Unterscheidung einer künstlerischen von einer nichtkünstlerischen Tätigkeit erst dann zum Zuge kommt, wenn die Abgrenzbarkeit der Einkünfte aus den beiderlei Tätigkeiten gewährleistet ist.

Zu Unrecht hat das FG auch die Mitwirkungen des Klägers bei der Regieführung (Einrichtung der Spielszenen und Spielleitung) als Teil seiner journalistischen Berufsarbeit angesehen. Wenn daran festzuhalten ist, daß die Urheberschaft des Textes einer Szene eindeutig zu scheiden ist von dem, was Regisseur und Schauspieler daraus machen, so kann auch die Unterscheidbarkeit der Tätigkeit des Textverfassers, hier des Journalisten, von der Tätigkeit des Regisseurs und des Schauspielers nicht in Frage gestellt werden. Die Einrichtung eines Stückes und die Spielleitung oder Regieführung können schon deshalb nicht als der Tätigkeit eines Journalisten zugehörig betrachtet werden, weil es weder selbstverständlich noch üblich ist, daß der Verfasser eines Stückes auch befähigt ist, die Spielleitung zu übernehmen oder gar Rollen selbst zu verkörpern.

Das FG durfte daher nicht das Vorbringen des Klägers unbeachtet lassen, er habe wiederholt neben dem gesondert erteilten und gesondert abgerechneten Auftrag zur Lieferung eines Drehbuchs oder Manuskripts den zusätzlichen Auftrag zur Übernahme der Spielleitung oder von Rollen erhalten. War dies der Fall, so waren die Nebeneinkünfte aus der künstlerischen Tätigkeit als Spielleiter, Regisseur, Sprecher oder Schauspieler von den Einkünften aus seiner Berufstätigkeit als Journalist, nämlich als Drehbuch- oder Manuskriptverfasser, abgrenzbar i. S. des § 34 Abs. 4 Nr. 2 EStG. Dabei kann mit der zunächst nur gegebenen Abtrennbarkeit der Honorar einnahmen auch die Abgrenzbarkeit der Neben einkünfte angenommen werden, wenn für die Aufteilung der Betriebsausgaben klare und überzeugende Kriterien vorgetragen werden und nachprüfbar sind.

In den Fällen dagegen, in denen gesonderte Aufträge und gesondert abgerechnete Honorareinnahmen für die Abfassung des Manuskriptes einerseits und die Übernahme von Spielleitung oder Sprechrollen andererseits nicht vorlagen, ist die Abgrenzbarkeit der Nebeneinkünfte aus künstlerischer Tätigkeit von den Einkünften aus der Berufstätigkeit als Journalist grundsätzlich nicht gegeben. Wird dabei etwa der Verfasser eines Drehbuchs im Rahmen der Vorbereitungen für die Aufführung gebeten, wegen irgendwelcher nachträglicher Anregungen seinen Text zu ändern, so läßt sich darin noch keine besondere - künstlerische - Inszenierungstätigkeit erblicken, sondern nur eine vom Verfasser zu erbringende "Nachbesserung" des Drehbuchs. Ebensowenig lassen sich Nebeneinkünfte aus künstlerischer Tätigkeit als Schauspieler abgrenzen, wenn der Verfasser ohne Vereinbarung eines gesondert abzurechnenden Honorars gebeten wird, eine Rolle aus seinem Drehbuch selbst zu sprechen. Bei einem gesondert erteilten und honorierten Auftrag zur Übernahme der Spielleitung und Regieführung braucht andererseits die Einrichtung und Änderung des - eigenen oder fremden - Drehbuchs den Rahmen der Regisseurtätigkeit noch nicht zu sprengen, weil auch die Textbearbeitung Teil der Regieleistung sein kann und nicht in jedem Fall "Nachbesserung" des Drehbuchs zu sein braucht.

Die Beurteilung der Tätigkeiten für das Fernsehen muß den gleichen Grundsätzen folgen wie beim Hörfunk. Das Sprechen von Nachrichten, das Lesen von Berichten oder Abhandlungen und auch das einfache Ansagen von Sendungen werden nicht schon deshalb zu einer künstlerischen Tätigkeit, weil die Mimik des Sprechers sichtbar wird. Wie beim Hörfunk liegen ferner auch das Moderieren einer Fernsehdiskussion und die Teilnahme daran noch im Rahmen journalistischer Berufsarbeit.

Eine andere Betrachtung ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Sprechen oder Ansagen wesentlicher Teil der optischen Darbietung wird. So läßt sich bei der Conference einer Unterhaltungssendung, die im allgemeinen nicht auf die einfache Ansage beschränkt ist und oft durch bekannte Schauspieler- oder Künstlerpersönlichkeiten gestaltet wird, der Charakter einer schauspielerischen oder kabarettistischen, in jedem Fall künstlerischen Tätigkeit in der Regel nicht verneinen.

Hinsichtlich der Tätigkeit als Sprecher in Werbe-Fernsehsendungen hält der Senat an dem Urteil IV 208/60 U fest, wonach die Tätigkeit eines Schauspielers als Sprecher von Werbetexten in der Regel nicht als künstlerisch anzusehen ist. Hier steht nicht die schauspielerische Leistung im Vordergrund, sondern der sachliche Inhalt des Textes. Es soll auch nicht so sehr mit der schauspielerischen Leistung des Sprechers geworben werden, als vielmehr mit seinem Namen, wie auch der häufige Einsatz von Sportlern hohen Bekanntheitsgrades in Werbe-Fernsehsendungen bestätigt. Die Auffassung des FG ist also hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers als Sprecher bei Werbesendungen zu billigen.

Das FG ist indessen zu Unrecht von der Vorstellung einer Schreiben, Sprechen und Inszenieren einschließenden journalistischen Berufsarbeit des Klägers und von dem alle gestaltenden und ausführenden Mitwirkungen bei Funk und Fernsehen umfassenden Berufsbild eines "Rundfunk-Journalisten" als dem eines dem Journalisten ähnlichen Beruf ausgegangen. Die Ansicht des FG, daß es weder bei einem wissenschaftlichen Kommentar noch bei einem eigenschöpferischen - schriftstellerischen - Feuilleton noch bei einer mit technischen und künstlerischen Mitteln gestalteten Rundfunksendung abgrenzbare Nebentätigkeiten gebe, ist nicht zu rechtfertigen. Der Rechtsanwalt, der nebenbei einen wissenschaftlichen Kommentar schreibt, kann genauso steuerbegünstigte Nebeneinkünfte erzielen wie der Journalist, der Gedichte oder eine Novelle oder einen Roman verfaßt. Die Gestaltung einer Rundfunksendung "mit technischen und künstlerischen Mitteln", wie das FG meint, ist keineswegs Aufgabe eines Journalisten. Der Journalist liefert den Text. Die Gestaltung der Sendung ist Aufgabe des Regisseurs, der Sprecher oder der Schauspieler.

Die Entscheidung des FG, das von anderen Vorstellungen ausging, ist aufzuheben. Der Senat kann nicht selbst entscheiden. Das FG wird bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung unter Beachtung der rechtlichen Beurteilung des BFH (§ 126 Abs. 5 FGO) zu klären haben, inwieweit der Kläger abgrenzbare Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit erzielt hat. Dabei wird es außerdem bei abgrenzbaren Honorareinnahmen für eine abgrenzbare selbständige künstlerische Tätigkeit die Höhe der begünstigten Nebeneinkünfte zu ermitteln haben, wenn - wie oben ausgeführt - für die Aufteilung der Betriebsausgaben klare und überzeugende Kriterien vorgetragen werden und nachprüfbar sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72298

BStBl II 1977, 459

BFHE 1977, 429

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